key: cord-0037737-oqgzyl8e authors: Hufnagel, Markus; Schmitt, Heinz-Josef title: Sepsis date: 2014-07-25 journal: Pädiatrie DOI: 10.1007/978-3-642-41866-2_92 sha: 256fa42058c366a4d1a16d6e579d7f2276402439 doc_id: 37737 cord_uid: oqgzyl8e 1. Hyperthermie (>38,5 °C) oder Hypothermie (<36,0 °C). 2. Tachykardie (Herzfrequenz >2SD über der altersentsprechenden Norm) oder Bradykardie (Herzfrequenz <10. Perzentile) im Alter <1 Jahr. 3. Tachypnoe (Atemfrequenz >2SD über der altersentsprechenden Norm). 4. Leukozytose oder Leukozytopenie oder Linksverschiebung (>10 % unreife Neutrophile), 5. Nachweis oder Verdacht auf eine Infektion; Schwere Sepsis Bestehen zusätzlich Zeichen einer gestörten Organfunktion, dann liegt eine schwere Sepsis vor. Dazu gehören: 1. kardiovaskuläre Organdysfunktion: Trotz Gabe von isotoner intravaskulärer Flüssigkeit von ≥40 ml/kg in 1 h a Arterielle Hypotonie (systolischer Blutdruck <5. Perzentile oder <2 SD der altersentsprechenden Norm) b. Notwendigkeit einer vasoaktiven Therapie mit Dopamin (>5 µg/kg/min), Dobutamin, Adrenalin oder Noradrenalin c. Mindestens 2 der folgenden klinischen oder laborchemischen Zeichen: -Metabolische Azidose (Basendefizit >5 mmol/l) -Laktaterhöhung (arteriell gemessen >2 SD der Altersnorm) -Oligurie (Urinausscheidung <0,5 ml/kg/h) -Verlängerte kapillare Füllungszeit (>5 s) -Diskrepanz von Körperkern-zu peripherer Temperatur (>3 °C) 2. Respiratorische Dysfunktion oder ARDS (acute respiratory distress syndrome) mit: a. PaO 2 /FiO 2 <300 in Abwesenheit eines zyanotischen Herzfehlers oder einer präexistierenden Lungenerkrankung oder b. PaCO 2 >65 mbar oder >20 mmHg über dem Ausgangswert oder c. FiO 2 -Bedarf von >50 %, um eine Sättigung von ≥92 % zu erhalten oder d. Notwendigkeit einer nichtelektiven invasiven oder nichtinvasiven mechanischen Beatmung, 3. ≥2 andere Organdysfunktionen: a. Glasgow Coma Score (GCS) ≤11 oder akute Vigilanzstörung (mit Abnahme des GCS ≥3 Punkte gegenüber dem Ausgangswert), Die wichtigsten Mediatoren in der frühen, als hyperreaktive Immunantwort bezeichneten Phase sind proinflammatorische Zytokine, vor allem Tumornekrosefaktor-(TNF-)α, Interleukin-(IL-)1β, IL-2, IL-6, IL-8, IL-12, IL-17, IL-18, Interferon-(IFN-)γ, macrophage migration inhibitory factor (MIF) und High-mobility-group-box- Das aktuelle pathogenetische Konzept der Sepsis geht davon aus, dass proinflammatorische Zytokine per se physiologische Reaktionen des Körpers als Ausdruck der frühen Immunantwort auf die Invasion von mikrobiellen Erregern triggern. Eine überschießende Produktion/Aktivierung von proinflammatorischen Zytokinen führt zum SIRS. Die systemische Reaktion wiederum setzt in einer späten Phase der Sepsis, die als Phase der hyporeaktiven Immunantwort bezeichnet wird, antiinflammatorische Zytokine/Mediatoren frei. Diese Phase wird als compensatory anti-inflammatory response syndrome (CARS) bezeichnet. Zu den wichtigsten Mediatoren gehören IL-4, IL-10, IL-11, IL-13, Transforming growth factor β (TGF-β), lösliche TNF-Rezeptoren (sTNFR) und IL-1-Rezeptor-Antagonisten (IL-1RA), die die proinflammatorische Antwort herunterregeln und die systemische Antwort des Organismus beenden. Die Herunterregu-lation der proinflammatorischen Immunantwort wird durch neuronale Mediatoren, z. B. Glukokortikoide, Adrenalin, Acetylcholin, VIP (vasoactive intestinal peptide) und PACAP (pituitary adenylate cyclase activating peptide), unterstützt. Ein Überwiegen der antiinflammatorischen Antwort kann zu einer Suppression der Immunantwort führen und die Sepsiskaskade unterhalten. Zusätzlich wird eine vermehrte Apoptose von CD4-positiven T-Lymphozyten, B-Lymphozyten und follikulären dendritischen Zellen induziert, die zu einer Anergie führt und die Immunsuppression unterstützt. Als Folge der Immunsuppression können in der Spätphase der Sepsis sekundäre Infektionen oder Virusreaktivierungen auftreten. Nur eine Balance zwischen proinflammatorischen und antiinflammatorischen Mediatoren führt zur Homöostase des Immunsystems, die die Erregerelimination ohne überschießende und somit schädliche Entzündungsantwort gewährleistet (. Abb. 92.2). Prognose Die Prognose der Sepsis ist nicht nur durch das Mortalitäts-und Morbiditätsrisiko in der Akutphase bestimmt, sondern auch durch Langzeitkomplikationen (sog. protrahierte Syndrome). Fast jeder 2. Patient mit schwerer Sepsis wird innerhalb des 1. Jahres nach Diagnose einer schweren Sepsis (in der Regel mit Organdysfunktionen) wieder hospitalisiert und eine vergleichbare Anzahl an Patienten (wie in der Akutphase der Sepsis) verstirbt innerhalb von 2 Jahren. Betroffen sind hiervon vor allem Patienten mit onkologischen bzw. immunologischen Grunderkrankungen und hämatologischen bzw. neurologischen Organdysfunktionen in der Akutphase. Diagnose Für die Diagnose Sepsis ist der klinische Verdacht entscheidend, da sämtliche bisher in der Routine verfügbaren Laborparameter unspezifisch sind. Die Entzündungsparameter Blutsenkungsgeschwindgkeit (BSG), C-reaktives Protein (CRP) und Leukozyten sind erhöht. Eine Differenzierung zeigt vermehrt unreife Vorstufen (>10 %), das Verhältnis unreifer Vorstufen zu reifen Leukozyten (sog. I:T-Quotient) ist über 0,2 erhöht. Die Leukozyten können toxische Granulationen, Vakuolen und Döhle-Einschlusskörperchen aufweisen. Im Verlauf entwickelt sich häufig eine Leukozytopenie (<4000/µl), die, wenn sie initial besteht, auf einen schweren Verlauf hinweist. Derzeit der beste Marker, um eine bakterielle Sepsis von anderen Ursachen eines SIRS zu unterscheiden, ist der Nachweis eines erhöhten Procalcitoninspiegels (PCT). Ein Procalcitoninnachweis von <0,25-0,5 ng/ml schließt eine bakterielle Sepsis nahezu aus und kann bei serieller Bestimmung bei der Indikation zur Beendigung einer Antibiotikatherapie helfen. Die Frühphase einer Sepsis (vor allem bei Neu-und Frühgeborenen) wird am zuverlässigsten durch erhöhte Zytokintiter (z. B. IL-6, IL-8) erfasst. Die Spezifität der Zytokine ist allerdings ähnlich niedrig wie beim CRP oder PCT. Keiner der potenziellen neuen Biomarker (z. B. CD64, pro-Adrenomedullin (proADM) oder soluble triggering receptor expressed on myeloid cell-1 (sTREM-1)) hat bisher den Weg in die Routinediagnostik gefunden. Thrombozyten sind sehr häufig vermindert. Bei aktivierter Gerinnung sind die Gerinnungsparameter wie folgt verändert: Verlaufskontrolle Folgende klinisch-chemische Parameter können verändert sein und weisen auf Organdysfunktionen hin, sie dienen daher in erster Linie der Verlaufskontrolle: Durch häufige Elektrolytkontrollen muss rechtzeitig eine Hyponatriämie, Hypokaliämie, Hypokalzämie, Hypomagnesiämie, Hypo-oder Hyperglykämie erfasst werden. Die Blutgasanalyse weist anfangs eine kompensierte respiratorische Alkalose bei Tachypnoe auf, im Verlauf entwickelt sich aufgrund der Gewebehypoxie eine metabolische Acidose mit Laktaterhöhung. Die Laktatbestimmung ist wichtig bei der Bestimmung des Schweregrads der Sepsis und stellt einen Prognosefaktor dar. Bei respiratorischer Verschlechterung besteht eine kombinierte Azidose. Bildgebung Bildgebende Verfahren dienen primär dem Nachweis von Infektionsherden und zur Beurteilung einer Organdysfunktion. Zur Erfassung der Ätiologie gehört der Erregernachweis in entsprechenden Kulturen. Wenn es der Zustand des Patienten erlaubt, sollten immer mehrere Blutkulturen (idealerweise 3 Blutkulturen) abgenommen werden, bei Patienten mit zentralem Venenkatheter sowohl aus dem Katheter als auch aus peripheren Venen. Entscheidend ist die Entnahme eines ausreichend großen Blutvolumens (mindestens 0,5 ml bei Neugeborenen, >1 ml bei Säuglingen und Kleinkindern bis 36 Monate, >4 ml bei älteren Kindern). Anaerobe Blutkulturen sind nur bei konkretem Verdacht auf Beteiligung von Anaerobiern (z. B. Infektfokus im Gastrointestinaltrakt, Aspirationspneumonie, Abszesse und bei Neutropenie) notwendig. In der Mehrzahl der Fälle bleiben Blutkulturen negativ. Möglicherweise helfen hier zukünftig nichtkulturelle Verfahren, wie die PCR, die in Entwicklung sind. Bei entsprechendem klinischem Infektionsverdacht sollten auch Kulturen von Liquor, Pleura, Aszites, Urin, Trachealsekret und Abstriche von Wunden und Drainagen entnommen werden. Antibiotika Die frühzeitige Diagnose und Therapieeinleitung einer Sepsis ist der Schlüssel zum Therapieerfolg. Zur kausalen Therapie der Sepsis gehört der frühzeitige und hochdosierte Einsatz von Antibiotika (idealerweise innerhalb der ersten Stunde nach Diagnosestellung), nachdem zuvor entsprechende Kulturen gewonnen wurden. Die Auswahl der Substanzen erfolgt initial empirisch und wird später je nach isoliertem Erreger und Antibiogramm modifiziert. Das Antibiotikaregime sollte alle 48-72 h reevaluiert werden und je nach Erregernachweis das Spektrum entsprechend eingeengt werden. Bei der empirischen Auswahl spielen Faktoren wie Alter des Patienten, Immunstatus, Grunderkrankungen, nosokomial erworbene Infektion, Zustand nach Antibiotikatherapie, lokale Resistenzlage, Gewebegängigkeit und Nebenwirkungsspektrum eine Rolle. Eine Vielzahl adjuvanter antiinflammatorischer Substanzen ist bei der Sepsis erprobt worden. Auch rekombinantes humanes aktiviertes Protein C (rAPC, Drotrecogin α) hat in der PROWESS-SHOCK-Studie bei schwerer Sepsis im Erwachsenenalter -nach initial positiven Studiendaten -nicht zu einer Senkung der Letalität geführt. Die RESOLVE-Studie bei Kindern wurde wegen einer erhöhten Blutungsrate in der rAPC-Gruppe abgebrochen. Das Medikament ist in Folge der negativen Studienergebnisse im Oktober 2011 vom Markt genommen worden. Granulozytentransfusionen sind für Patienten mit schwerer Neutropenie, die nicht auf eine antimikrobielle Therapie ansprechen, reserviert. Zur Prophylaxe von Infektionen bei Neutropenie kommen Granulozyten-koloniestimulierender Faktor (G-CSF) und Granulozyten-Makrophagen-koloniestimulierender Faktor (GM-CSF) zum Einsatz, bei manifester Sepsis sind sie hingegen ineffektiv. Hoch dosierte Applikation von Kortikosteroiden verbessert die Prognose des septischen Schocks und des frühen ARDS (acute respiratory distress syndrome) nicht und ist daher nicht routinemäßig indiziert. Mögliche Indikationen für eine niedrig dosierte Hydrokortisontherapie sind der refraktäre septische Schock trotz adäquater Flüssigkeitstherapie und Einsatz von Katecholaminen bei akuter Nebennierenrindeninsuffizienz (z. B. Blutung bei Waterhouse-Friderichsen-Syndrom) sowie die durch Hämophilus influenzae Typ b verursachte Meningitis (zur Verhinderung einer Innenohrschädigung). Die Diagnose einer akuten Nebenniereninsuffizienz sollte durch die Bestimmung eines erniedrigten Serumkortisolspiegels (<150 µg/l bzw. <90 µg/l nach ACTH-Gabe) gesichert werden. Die Therapie des Versagens der einzelnen Organe wird in den entsprechenden Kapiteln besprochen. Prophylaxe Gegen einzelne Sepsiserreger gibt es wirksame Impfungen (z. B. Haemophilus influenzae Typ b, Pneumokokken, Meningokokken, Typhus; ▶ Kap. 10). Treten in der unmittelbaren Umgebung Fälle von Meningokokken oder Haemophilus influenzae auf, erhalten enge Kontaktpersonen eine Antibiotikaprophylaxe (z. B. Rifampicin). Bei sehr kleinen Frühgeborenen (<1500 g) ist -bei erhöhter lokaler Candidämie-Inzidenz -der prophylaktische Einsatz von Fluconazol in den ersten 28-45 Lebenstagen sinnvoll. Es reduziert die Kolonisationsrate mit Pilzen und die Rate an invasiven Pilzinfektionen. Ein Überlebensvorteil konnte bisher jedoch nicht gezeigt werden. Risikofaktoren für nosokomiale Infektionen sollen minimiert werden, z. B. sollte die Indikation für invasive Interventionen und Katheter streng gestellt werden und ständig überdacht werden. Katheter-oder Drainageeintrittsstellen, sowie Wundflächen müssen regelmäßig inspiziert und bei Infektionsverdacht entsprechend be- Die wichtigste Prophylaxe für nosokomiale Sepsisfälle ist die strikte Einhaltung von Hygienevorschriften Septic shock Procession to pediatric bacteremia and sepsis: covert operations and failures in diplomacy Mechanisms and regulation of the gene-expression response to sepsis Surviving the first hours of sepsis: getting the basics right (an intensivist's perspective) Surviving sepsis compaign: international guidelines for management of severe sepsis and septicshock: 2012 International pediatric sepsis consensus conference: definitions for sepsis and organ dysfunction in pediatrics Sepsis terminology in pediatrics Immunosuppression in sepsis: a novel understanding of the disorder and a new therapeutic approach Diagnostic and prognostic biomarkers of sepsis in critical care Sepsis: rethinking the approach to clinical research Severe sepsis and septic shock: the role of gram-negative bacteremia Prevention, diagnosis, therapy and follow-up care of sepsis: 1st revision of S-2k guidelines of the German Sepsis Society (Deutsche Sepsis-Gesellschaft e. V. (DSG)) and the German Interdisciplinary Association of Intensive Care and Emergency Medicine (Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv-und Notfallmedizin (DIVI) New approaches to sepsis: molecular diagnostics and biomarkers Sepsis syndrome and septic shock in pediatrics: current concepts of terminology, pathophysiology, and management Current insights in sepsis: from pathogenesis to new treatment targets The host response to sepsis and developmental impact