key: cord-0037479-eon4w1yp authors: Sprenger-Menzel, Michael Thomas P. title: Fortsetzung des Wandels unter Präsident Mbeki (1999–2009) date: 2019-08-09 journal: Von der Apartheidsgesellschaft zur Rainbow Nation DOI: 10.1007/978-3-658-27507-5_5 sha: 57fe72fa8492dd6a42ff38ea99648dd7e5e4d723 doc_id: 37479 cord_uid: eon4w1yp Sowohl seitens des ANC als auch der SACP, und zwar vor wie nach den Wahlen 1999, wurde die fortdauernde Bedeutung des RDP hervorgehoben und es kam zu einer auch vom COSATU unwidersprochenen und geradezu zelebrierten Neubestätigung bzw. Wiederbestätigung des RDP („reaffirmation of the RDP“) durch die Tripartite Alliance. Während die südafrikanische Regierung schneller Ergebnisse bedurfte, um sich die Unterstützung der Massen bzw . ihre zukünftigen Wähler zu erhalten und die Demokratie zu sichern, war und ist zur Finanzierung und Durchführung der wirtschafts-und sozialpolitischen Reformprogramme ein hohes, das Bevölkerungswachstum (Geburten p l u s Wachstum durch Zuwanderung aus den Nachbarländern) ü b e r s t e i g e n d e s Wirtschaftswachstum 465 nötig, um Arbeitsplätze zu schaffen, die mangelnde Infrastruktur in den vornehmlich von Schwarzen bewohnten Teilen des Landes auszubauen, Wohnungen zu bauen und das Bildungswesen ausweiten und verbessern zu können . Die Regierung Südafrikas muss hierzu gerade jene Leistungsträger mit immer mehr öffentlichen Abgaben belasten, die sie für den wirtschaftlichen Auf-und Ausbau des Landes am dringendsten benötigt, nämlich die (zur Zeit noch meist weißen) Angehörigen des primary market, der ohnehin seit Jahren von einem außergewöhnlich starken brain drain ausgeblutet wird (allein 1996 haben 13 Prozent der 1 .200 Spitzenmanager mit ihren Familien das Land verlassen) . Diese wachsende Belastung durch Steuern und Sozialabgaben -bei gleichzeitig sinkender Lebensqualität für diese Bevölkerungsgruppe -ist nötig, um damit die Masse der Bevölkerung, die wegen Arbeitslosigkeit oder wegen geringen Einkommens und Vermögensbesitzes wenig oder überhaupt keine Steuern zahlt (hauptsächlich schwarze Südafrikaner), motivieren, unterstützen und fördern zu können . Nach Angaben des Handels-und Industrieministeriums (DTI) mussten sich die (immer noch hauptsächlich weißen) Steuerzahler des Landes auf 16 neue Steuern 466 einstellen, welche die Regierung in Kürze einzuführen plante . Weiter erschwert wurde der Transformationsprozess zusätzlich dadurch, dass in Südafrika inzwischen de facto eine hohe Kriminalität, ja sogar ein krimineller Ausnahmezustand herrschte, wie der südafrikanische Minister für Sicherheitsangelegenheiten, Sydney Mufamadi, in einem Vortrag über Investitionen und Sicherheit vor potentiellen deutschen und ausländischen Investoren auf einer von der südafrikanischen Botschaft in Bonn organisierten "investment conference" am 5 . Juni 1997 in Bad Honnef einräumen musste . So 469 In den Jahren seit 1994 hat man zwar viele Verwaltungsbeamte in den (oft) vorzeitigen Ruhestand geschickt, doch die Effizienz und Effektivität der öffentlichen Verwaltung in Südafrika liegt zunehmend im Argen . Eine Umsetzung der Ziele des RDP ist aber ohne eine funktionierende öffentliche Verwaltung ebenso wenig erreichbar wie die Erhöhung des Wirtschaftswachstums auf -mindestens -6 und mehr Prozent . Hier schlummert ein für die sozioökonomische Transformation gefährliches Konfliktpotential, das -trotz aller bisher erbrachten Leistungen -die neue Demokratie in Südafrika bis heute gefährden kann, zumal wegen der immer offener zutage tretenden negativen Auswüchse der öffentlichen Verwaltung . Die Ungeduld des Volkes über die fehlende Erbringung von üblichen Dienstleistungen des öffentlichen Dienstes im öffentlichen Personennahverkehr, bei der Feuerwehr und Polizei, in den Schulen und offenbar überall in den Kommunalverwaltungen ("missing service delivery" 470 ) wächst, und, nach ganz aktuellen Umfragen, ist das Vertrauen in die Staatsorgane, in die öffentliche Verwaltung und auch in die Polizei sehr stark gesunken 471 . 467 Nach den Ergebnissen einer aktuellen Umfrage, die das renommierte Institute for Security Studies (ISS) durchführte, glaubt die Hälfte aller Südafrikaner, dass "alle" ("all") oder "die meisten" ("most") Polizeibeamten Südafrikas in Korruption verstrickt seien . 472 Nach anderen, im März 2019 veröffentlichten Umfragen trauen zwei Drittel der Polizei "ganz und gar nicht" oder "überhaupt nicht" ("not at all") oder nur "ein wenig" bzw . "etwas" ("a little") . und aus Sicht der unzufriedenen Bevölkerung, wie es sich auch in Tabelle 9 manifestiert, nicht hinnehmbar . Die mangelnde Qualität des öffentlichen Dienstes und bei der Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit Südafrikas zog einige Zeit lang selbstverständlich auch negative Folgen für den außenpolitischen und -vor allem auch -den außenwirtschaftlichen Status Südafrikas als Investitionsland nach sich . Dabei bedurfte Südafrika dringend ausländischer Investoren, und genau deshalb warb Südafrika im Juni und Juli 1997 in mehreren (oben schon angesprochenen) "Investitionskonferenzen" ("Made in South Africa -Investment Conference"), für deren Ausrichtung man keine Ausgaben und Mühen scheute 477 , in mehreren Ländern der Europäischen Union, vor allem in der Bundesrepublik Deutschland und im Vereinigten Königreich, um Investoren bzw . Unternehmensgründer . Nach dem Austritt Südafrikas aus dem Commonwealth hatte in der jungen "Republik Südafrika" die Inflationsrate in den ganzen 1960er Jahren vergleichsweise niedrig gelegen (im Durchschnitt bei etwa 2,4 Prozent) . Sie stieg in den 1970er Jahren mit den Ölkrisen (1973 und 1979), dem Zusammenbruch des Bretton Woods-Systems (1971) (1972) (1973) und aus weiteren, gerade auch globalen ökonomischen und politischen Gründen, nicht nur international, sondern auch konkret in Südafrika an (im Durchschnitt rund 9,8 Prozent) und -im Durchschnitt der 1980er Jahre -sogar auf rund 14 Prozent an . 478 Abgesehen von der hohen Arbeitslosenquote waren die aktuellen Wirtschaftskennzahlen Südafrikas zu Anfang der 1990er Jahre relativ positiv . Doch angesichts der immensen Aufgaben offenkundig nicht positiv genug (eine einstellige Inflationsrate eine sinkende Staatsverschuldung in Höhe von rund 5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes) und in den späten 1990er Jahren gingen wegen zu geringen Wachstums, hoher Importe und leider eher kapital-sowie energieintensiver Investitionen ohne die erwartete gleichzeitige Schaffung neuer Arbeitsplätze, Millionen Arbeitsplätze verloren . 479 Wegen des unverändert hohen Bevölkerungswachstums von fast 3 Prozent und der hohen Immigrationszahlen (in letzter Zeit häufen sich Klagen in südafrikanischen Zeitungen über die "illegal immigrations", und in wissenschaftlichen Aufsätzen Deshalb kommt -wie in jedem Land der Erde -auch in Südafrika eine starke und wachsende Mittelschicht üblicherweise der gesamten Gesellschaft und besonders der Unterschicht und den Armen zugute, weil deren Beitrag zu den Sozialversicherungssystemen bzw . zur Haushaltsfinanzierung des Staates überproportional hoch ist . Den Angehörigen der aus der Unterschicht aufgestiegenen Angehörigen der neuen schwarzen Mittelschicht in Südafrika sollte ihre mögliche, ja sogar gebotenen Vorbild-und Motivationsfunktion für die Armen Südafrikas bewusster sein . Üblicherweise engagieren sich Angehörige der Mittelschicht in besonders intensiver Weise in ehrenamtlichen Organisationen und tragen besonders häufig und intensiv zu kulturellen, politischen und sozialen gesellschaftsstabilisierenden Prozessen bei 501 . In Südafrika könnte und m u s s die Mittelschicht weiter wachsen -und m i t der Mittelschicht Südafrikas gerade auch die sozial benachteiligten Schichten, was am Ende dem ganze Lande zugute käme, während in vielen Industrieländern der nördlichen Halbkugel die Mittelschicht stark unter finanziellem Druck steht und anscheinend nicht nur quantitativ kleiner sondern auch in ihrer gesellschaftsprägenden und gesellschaftsstabilisierenden Funktion kleiner zu werden scheint, und zwar inzwischen derart deutlich, dass Regierungen und Politiker in den letzten Jahren die Mittelschicht "wiederentdeckt" haben und diese finanziell, erkennen . Nicht mehr alle (damals) jungen Staatsführer Afrikas wollten dies weiter akzeptieren . Auch mit dem Wunsch nach mehr politischer und ökonomischer Unabhängigkeit vom "westlichen" Ausland und internationalen Finanzquellen und nach der Nutzung eigener Rohstoffe und Ressourcen, gewiss aber auch wegen des in Staaten Afrikas wieder wachsenden Bewusstseins, dass im Interesse der Wahrung der Zukunftsfähigkeit ihrer Länder nicht ohne Not alle afrikanischen Werte und Traditionen aufgegeben bzw . in Vergessenheit geraten sollten, wandten sich z . B . der ugandische Präsident Yoveri Kaguta Museveni, der ein "afrikanisches Erwachen" und Präsident Thabo M . Mbeki, der sogar eine "afrikanische Wiedergeburt" ("African Renaissance") spürte und hierbei für Südafrika eine Art Schlüsselrolle anstrebte 507 , an andere Staaten Afrikas, um frühere Fehlentwicklungen, die teils noch mit der Dekolonisation zu tun hatten, hinter sich zu lassen . 508 Mit der neuen ökonomischen Partnerschaft für afrikanische Entwicklung (New Partnership for Africa's Econonomic Development, NEPAD) -auch als integraler Bestandteil der African Union (AU) 509 -sollte gegen den "Afrikapessimismus" angekämpft, ein Bekenntnis zur Eigenverantwortung der Staats-und Regierungschefs Afrikas abgegeben 510 und als ein lockerer Bund zur Förderung der regionalen Entwicklung der Staaten Afrikas gegründet werden, um damit Investitionen und die Schaffung von Arbeitsplätzen zu fördern . Damit hoffte man auf das Eintreten von Verstärkungs-bzw . Multiplikatoreffekten vom Kap bis nach Kairo . Hierzu setzten sich die Staaten Afrikas hohe Ziele (wie viele von Anfang an kritisierten, zu hohe Ziele), ohne gleichzeitig klare Zeitrahmen für deren Erfüllung vorzugeben, doch Präsident Mbeki betonte ständig, dass die Ziele "ehrgeizig" ("ambitious") sein müssten, um damit auch eine "moralische Verpflichtung" ("moral obligation") zum Vorantreiben der Ideen und zur Förderung der Entwicklung Afrikas zu schaffen . 511 Zu den wichtigsten Ziel der NEPAD-Initiative, die jedem, der mit dem Inhalt und den Zielen der südafrikanischen Programme RDP, GEAR und AsgiSA (Accelerated Schon im Reconstruction and Development Programme werden die Begriffe "Affirmative Action" und "Black Economic Empowerment" bei der Vorstellung der RDP-Ziele bzw . Handlungsfelder "Developing our Human Resources", "Meeting the Basic Needs", "Social Security and Social Welfare", "Higher Education" "Labour and Worker Rights", "National and Provincial Government", "Public Service", "Democratic Information Programme", "Restructuring the National Budget", und "The Corporate Sector" insgesamt zwanzig Male ausdrücklich verwendet . In enger Anlehnung an die während der nordamerikanischen anti-rassistischen Bürgerrechtsbewegung 521 zur Erreichung der Gleichberechtigung und Gleichstellung afroamerikanischer Mitbürger entwickelten wirtschafts-und gesellschaftspolitischen Maßnahmen einer Politik der Affirmative Action (v . a . im gesamten Bildungswesen, im Gesundheitswesen und im Arbeitsleben), mit dem Ziele bewusster und gezielter Vorteilsgewährung durch besondere Unterstützung, Bestätigung und Vorteilsgewährung bei der Einstellung, Ausbildung, Fortbildung und Beförderung schwarzer Südafrikaner im Berufsleben, sieht auch das RDP die Politik der Affirmative Action (AA) und des Black Economic Empowerment (BEE) ausdrücklich als Instrumente bzw . als geeignete, ja gebotene Maßnahmen der sozioökonomischen Transformation Südafrikas . Im Jahresbericht der BEE Commission 2001 formulierte diese im Prolog daher konsequent: "The BEECom believes that an Intergrated (sic!) National BEE Strategy is intergral (sic!) to the success of the RDP . At the same time it will launch South Africa on to a course of sustained and even spectacular rates of economic growth . " 522 Die BEE Commission sieht das gesamte Projekt des Black Economic Empowerment als einen integrierten und zusammenhängenden sozioökonomischen Prozess: "It is located within the context of the country's national transformation programme, namely the RDP." Trotz nationaler wie internationaler Kritik, weil Affirmative Action ja selbst schon wieder eine neue erniedrigende und Lebenschancen vorenthaltende -und im Einzelfalle sogar objektiv ungerechte -Diskriminierung zu Gunsten früher selbst diskriminierter Teile der Bevölkerung bedeute 523 , führte Südafrika unter der Regierung des ANC seit 1994 -nach mehr als vier Jahrzehnten (gerechnet seit mindestens 1948) rassischer bzw . rassistischer Diskriminierung im Verlauf der Apartheid-Ära -eines der wohl weitreichendsten und ehrgeizigsten Affirmative Action-Programme der ganzen Welt ein . 524 Hierbei ging es im RDP nicht nur um berufliche und damit auch wirtschaftliche und gesellschaftliche Doppelbenachteiligungen, also nicht nur um die allgemeine ökonomische Ertüchtigung und Besserstellung, "Black Economic Empowerment" (BEE), auch "upliftment" genannt) sondern vielmehr auch um ein empowerment junger schwarzer Mädchen und Frauen . 525 Als "positive" Diskriminierung im Sinne der Affirmative Action sollte das südafrikanische Black Economic Empowerment (BEE) den bisher benachteiligten Bevölkerungsgruppen im Sinne der Verfasser des RDP schon beim Zugang zur Berufsausbildung, während der Ausbildung und des ganzen Berufslebens auf dem ganzen Arbeitsmarkt bessere Chancen erwirken . Im Prinzip geht es auch darum, dass sich die sozio-demographische Struktur der südafrikanischen Bevölkerung auch in der Struktur der Beschäftigten der Unternehmen widerspiegelt . Hierfür sollte der Employment Equity Act durch Förderung der Chancengleichheit sorgen . Auch für eine faire Behandlung durch die Vermeidung unfairer Diskriminierung und die Anwendung von "Affirmative Action Measures" 526 , für eine faire Präsenz in allen beruflichen Kategorien und hierarchischen Ebenen der Mitarbeiter . 527 Dies scheint wohl nicht in der Breite der Unternehmen und v . a . nicht bei den kleineren und mittleren Unternehmen zu funktionieren, aber bei den Großunternehmen, insbesondere in der Industrie, offenbar schon . 528 529 Bei der Umsetzung des BEE zeigten sich in der Praxis Schwierigkeiten in Schulen, Unternehmen und in der öffentlichen Verwaltung, vor allem die Schwierigkeit, dass das BEE zwar einigen schwarzen Investoren und (ANC-) Politikern die Möglichkeit verschaffte, davon zu profitieren, die breite Masse, also die "Basis" der schwarzen Bevölkerung Südafrikas aber nicht erreichte . Deshalb verabschiedete die Regierung zur Erreichung einer breitenfördernden bzw . breit angelegten Umsetzung des BEE einen "Broad Based Black Economic Empowerment Act (BBBEE) . Hierzu gehörte u . a . ein komplexes, auf Basis eines Punktesystems ("BEE Scorecard System") und mit der Vergabe von "BBBEE-Gütesiegeln" aufgebautes Verfahren, für welches wiederum eigens Akkreditierungsagenturen errichtet wurden, mit denen die Unternehmen dann hauptsächlich mit Online-Formularen kommunizieren . Die Akkreditierungsagenturen sollen auch die Aufsicht über die Einhaltung der Ziele des BBBEE durch die Unternehmen führen . Unternehmen, die öffentliche Aufträge in Südafrika erhalten wollen, müssen möglichst schwarze (Mit-) Inhaber vorweisen, nachweislich Mitarbeiter beschäftigen, die einer farbigen Minderheit (z . B . Asiaten, Inder und Farbige) angehören und auch "beweisen", dass alle Angehörigen des Unternehmens gleiche Rechte und Chancen haben . Hierzu wurde ein inzwischen mehrfach geändertes und immer wieder weiter optimiertes Bewertungssystem eingeführt, mit dem das DTI (Handels-und Industrieministerium Südafrikas) in Kategorien einer Gesamtrechnung (Scoringtabelle bzw . der Punktwerttabelle) zu einer BBBEE-Zertifizierung zusammengefasst werden . Zu den Bewertungskategorien, die dann jeweils noch gewichtet werden, gehören die Eigentumsverhältnisse, die Mitbestimmung bzw . Managementkontrolle, die Beschäftigungsgleichheit, die Entwicklung von Kompetenzen (Fortbildung), Beschaffungspräferenzen, die Unternehmensentwicklung und eine sozioökonomische Entwicklung . "Affirmative Action" und "BBBEE" am Ende konstatieren muss, dass seine empirischen Erhebungen offenbart haben, dass sie (jetzt) noch nicht sinnvoll seien und die Industrie die (An-) Forderungen des BBE (noch) nicht erfüllen könne und es zu früh sei, die Wirkungen der Affirmative Action und des BEE zu messen (vgl . Hecht, S . 212-246) . 529 Vgl . den offiziellen Text in DTI (2014) . Aus sozialistischer Sicht sei sie ebenfalls, zumal hier das BEE als "crony capitalism" und sogar als ein Beispiel für eine erfolgreiche "Neo-Apartheid" (unter dem ANC!) "to co-opt black surrogates" betrachtet wird . 536 In vielen Ländern der Welt, in denen frühere "Minderheiten" oder auch bisher unterdrückte "Mehrheiten" privilegierte Zugänge zu Berufen und bessere Beförderungschancen im Sinne einer auf ausgleichende Gerechtigkeit abzielenden "Affirmative Action" erhalten, wie z . B . beim Black Economic Empowerment (BEE) oder bei dem BBBEE 537 , gibt es selbstverständlich eine Unzahl restlicher, nicht einer "Minderheit" angehöriger Menschen, die sich nun benachteiligt fühlen oder fühlen könnten . Seit der Abschaffung der Apartheid betonen in bizarrer Weise auch die Farbigen und Asiaten, vor allem die Kap-Malaien oder Inder, immer häufiger, dass man früher zu Zeiten der Apartheid "nicht weiß genug" ("not white enough") gewesen sei, und nun unter der ANC-Regierung, "nicht schwarz genug" ("not black enough") wäre, um in den Genuss von Affirmative Action-Förderungen aller Art gelangen zu können, wie z . Fast zum Ende des ersten Jahrzehnts einer ANC-Regierung begann sich Präsident Mbeki darüber öffentlich zu ärgern, wofür Südafrika schon während der Apartheidszeit bekannt war, nämlich für das immer noch erkennbare Nebeneinanderherbestehen einer (früher weißen und marktwirtschaftlichen) Volkswirtschaft der Ersten Welt ("first world economy") und einer mit ihr nicht wirklich verbundenen und marginalisierten Wirtschaft der (früher schwarzen und teils planwirtschaftlichen) Dritten Welt ("third world economy") 540 veröffentlicht, das Programm GEAR zu ergänzen und zu verstärken: "If GEAR was the motor of government economic policy, AsgiSA was to be the turbocharger". 543 Mit AsgiSA sollte nun endlich die Armut bis 2010 wirksam und spürbar reduziert werden, unter anderem durch Reduzierung, ja Halbierung einer Arbeitslosenquote von über 28 Prozent des Jahres 2004 (und gleichzeitig auch der große Mangel besser und adäquater ausgebildeter Arbeitskräfte) 544 auf nur mehr 14 Prozent bis zum Jahre 2014 . Ganz grundsätzlich betrachtet basiert das Programm auf den wichtigsten Zielen des RDP und sollte für die Errichtung einer vereinigten, demokratischen, nicht sexistischen und nicht rassistischen integrierten Volkwirtschaft sorgen 545 . In zusammenfassender und vereinfachender Betrachtungsweise könnte man die drei Programme RDP, GEAR und AsgiSA so voneinander abgrenzen, dass das unter Mandela noch allein bestehende, redistributiv und "pro poor" orientierte (aber in einem noch zu frühen Stadium der Transformation noch "nicht zu bezahlende") RDP nach wiedererfolgter Reintegration Südafrikas in die Weltwirtschaft durch das Programm GEAR zur Erreichung einer makroökonomischen Stabilität ergänzt und unterfüttert wurde . Gleichzeitig hatte sich die Regierung ab 1999 wieder mehr in Richtung "pro poor-Politik" gewendet, um sich mit der Einführung des AsgiSA ab 2006 verstärkt staatlichen, eher keynesianisch orientierten Investitionen zuzuwenden und auch innerhalb der Tripartite Alliance wieder einen wirtschaftspolitischen Konsens im Sinne eines "post-GEAR consensus" 546 zu erreichen . 547 Das Programm AsgiSA klärte zunächst über sechs wichtige Umstände und Probleme auf, die das Wirtschaftswachstum in Südafrika hemmen oder einschränken würden: Tatsächlich handelte es sich auch um ein groß angelegtes Subventionsprogramm für die Automobilindustrie und deren Zulieferbetriebe, das u . a . insbesondere zwei multinationalen (deutschen) Herstellern von Oberklasse und Luxusautomobilen nützte und dessen arbeitsplatzschaffende Wirkung stark umstritten war . 550 Kurze Zeit nach der Einführung des Wachstumsprogrammes AsgiSA im März 2006 wurde zur Verbesserung der Qualifikation junger Arbeitnehmer bzw . junger Arbeitsloser für zunächst drei Jahre eine (South African Government's) Joint Initiative on Priority Skills Acquisition (JIPSA) gegründet . Beide Programme gehörten eng miteinander zusammen und hatten zeitweise die gleiche Programm-Direktorin (Porgramme Director) Phumzile Mlambo-Ngcuka, damalige Vizepräsidentin/ Deputy President der Republik Südafrika . 551 Der trotz dieser Programme fehlende Abbau der Armut und der Arbeitslosigkeit in Südafrika führte zu einem Unmut, der u . a . dafür sorgte, dass der ANC bzw . der Nachfolger Präsident Mbekis, Präsident Zuma ein wohl deshalb so gutes Wahlergebnis erzielte, weil er genau das einzuhalten versprach, was seine Vorgänger zwar versprochen hatten, aber nicht einzulösen vermochten, nämlich den Abbau der Armut und der sozioökonomischen Ungleichheit und die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen . 552 Nur ein gutes Jahr nach dem Rücktritt Präsident Mbekis wurde AsgiSA durch einen neuen Wachstumsplan ("National Growth Plan", NGP), den Präsident Jacob Zuma in seiner Lage zur Rede der Nation 2010 vorgestellt hatte, ersetzt, um damit die immer noch Millionen zählenden Arbeitslosen und Armen im Lande und der in Südafrika sogar noch höher gestiegenen Ungleichheit und Armut Herr zu werden . Auch mit dem neuen National Growth Plan (NGP) sollte die strukturelle Arbeitslosigkeit, die Bekämpfung der Armut und die immer noch zu starke Ungleichheit durch Wachstumsförderung bekämpft werden . 553 Doch auch der NGP gibt kaum klare zeitliche Vorgaben oder wirklich konkrete Umsetzungspläne vor, so dass es im wesentlichen tatsächlich bei gut gemeinten Absichtserklärungen bleibt . Das Wort "entrepreneur", d . h . der dynamische Unternehmer, der vielleicht für Wachstum sorgen könnte, kommt in dem gesamten Einen großen Strich durch die wirtschaftspolitische Rechnung der südafrikanischen Regierung zogen, auch dies gilt es zu berücksichtigen, diverse internationale Beeinflussungsfaktoren, gerade auch außenwirtschaftliche, wie z . B . die Weltwirtschaftskrise 2008-2016 (siehe auch oben Abschnitt 4 .5 . 1) . Doch die Banken-, Staatsverschuldungs-und Weltwirtschaftskrise 2008-2016 kam in der Republik Südafrika allerdings erst nach dem Rücktritt Präsident Mbekis richtig bzw . in Wirtschafts-und Konjunkturdaten erkennbar zur negativen Geltung Störend auf die Importe wie die Exporte Südafrikas wirkte auch die jahrelang sehr sprunghafte und in der langfristigen Tendenz sehr negative Entwicklung der südafrikanischen Landeswährung Rand (ZAR), die erst in den letzten Jahren, etwa seit dem stärkeren Abschwächen der Weltwirtschaftskrise im Jahre 2016 etwas zur Ruhe kam (siehe hierzu die unten folgenden Abbildungen 3 und 4) . In Abbildung 4 ist gut zu erkennen, dass bei sinkendem Wechselkurs des südafrikanischen Rand auch das Volumen des südafrikanischen Außenhandelsvolumens (der aus Importen und Exporte in US-Dollar gewogene "trade basket") jeweils in gleicher Richtung sinkt et vice versa. Abb. 4 Außenhandels-und Wechselkursentwicklung ZAR-US-$ -1995-2018 559 Nach einem insgesamt nur schwächlichen, aber dennoch 16 Jahre ununterbrochenen Wirtschaft swachstum in Südafrika 560 , geriet die Wirtschaft der "Rainbow Nation" in ihre erste Rezession . Präsident Mbeki überließ seinem Nachfolger Jacob Gedleyihlekisa Zuma (Präsident vom 9 . Mai 2009 bis zum 14 . Februar 2018) nicht freiwillig das Ruder . Für den Wortlaut des vollständigen Dokumentes vgl . The Presidency of the Republic of South Africa (2008a) und auch The Presidency of the Republic of South Africa AsgiSA wurde im Februar 2006 von der damaligen Vize-Präsidentin der Republik Südafrika, Phumzile Mlambo-Ngcuka Auch mit diesem neuen Plan, der wieder Wachstumshemmnisse aller Art benennt, soll eine "more inclusive economy" angestrebt und bis 2030 die Armut eliminiert und die Ungleichheit behoben und höhere Investitionen, eine Verbesserung der Bildungs-und Berufsausbildungschancen ("vocational training") und wachsende Exporte und Entbürokratisierungsbemühungen (zur "deregulation") ermöglicht werden . Der weiterhin vielen Schwierigkeiten und Dilemmata der Wirtschaft s-und Sozialpolitik im Neuen Südafrika war man sich beim neuen NGP aber immerhin bewusst Abb. 2 Dilemmata -Wirtschaft swachstum Arbeitsplätzeschaff ung 557 damals Minister in Th e Presidency: National Planning Commission to take forward the ANC's programme of building a better life for all" 561 ) nicht hätte vorstellen können . Wenige Monate später wurde er, auf dem nationalen Parteitag des ANC Ende 2007 in Polokwane 562 zunächst als ANC Präsident zugunsten Jacob G . Zumas (2 .329 Stimmen, und nur 1 .505 für den amtierenden ANC-Präsidenten und Präsidenten der Republik Südafrika, Mbeki) abgewählt . Die ANC-Führung wurde in Polokwane personell erneuert bzw . fast völlig ausgetauscht (in der Hauptsache durch Gefolgsleute Zumas zu Lasten früherer Mbeki-Gefolgsleute) und Präsident a .D . Nelson Mandela hatte in einer schriftlichen Botschaft an die Delegierten des Parteitages seinen "Schmerz" über die Konflikte, die auf diesem Parteitage zutage getreten waren 563 , einer Partei, die kurz vor Ihrer Spaltung schien, kundgetan Deputy President") gedient . 564 2005 hatte Mbeki seinen damaligen stellvertretenden Staatspräsidenten Jacob Zuma nach Korruptions-und Vergewaltigungsvorwürfen und gerichtlichen Anklagen aus dem Amt entlassen . Viele Parteigenossen des ANC mit ihm, trotz seiner vergleichsweise disziplinierten und auf Geldwertstabilität bedachten makroökonomischen Politik, die aber zu einem Verlust vieler Arbeitsplätze im formellen Sektor geführt hatte, äußerst unzufrieden . Ganz anders als dem jovialen und lebenslustigen Jacob Zuma Ausgabe 04/07: "ANC Policy Conference Polokwane ist die Hauptstadt der Provinz Limpopo und liegt etwa 250 km nordnordöstlich von Pretoria Un leader zulu per il partito di Mandela" in La Repubblica vom 19 .08 S . 165, und auch Sidiropoulos Der damals 64jährige Zuma, übrigens mehrfach verheiratet, selbst der Menschen, besonders aber die seiner Parteigenossen zu gewinnen, und sie von seiner Politik zu überzeugen, was ihn schließlich sein Amt gekostet hat . 2008, im letzten Regierungsjahr Mbekis, und fast Jahre 15 nach der Einführung des RDP und zum nahenden Ende der 3 . Legislaturperiode, stellte zum Beispiel auch das südafrikanische Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung, welche den ANC seit Anfang der 1990er Jahre stets wohlwollend begleitet und unterstützt hat zu sagen oder zu schreiben -wegen seiner Leugnung der Gefährlichkeit und des Ausmaßes des AIDS-Problems bzw . wegen seiner völlig missglückten AIDS-Politik; dies vor dem Hintergrund der menschlichen, medizinischen, politischen und sozioökonomischen Katastrophe, welche die AIDS-Pandemie in Südafrika und im ganzen südlichen Afrika hervorgerufen und damit auch die sozioökonomische Transformation zum Neuen Südafrika um Jahre zurückgeworfen haben dürfte, zumal die HIV/AIDS-Infektionsrate im südlichen (Subsahara-) Afrika schon 2001 etwa sechs bis sieben Mal so hoch wie in den südlichen Entwicklungsländern insgesamt lag . 568 gab zu, "ungeschützten" Sexualverkehr mit der 31jährigen HIV-positiven jungen Frau gehabt zu haben und sich danach ("to cut the risk of contracting HIV für sämtliche exakten Zahlen für Südafrika und andere Länder S . 56, und auch dort angegebene Quellen Amtszeit Präsident Mbekis die Arbeitslosenquoten immer noch zwischen etwa 30-40 Prozent, und die wahrzunehmende Ungleichheit im Lande hatte weiter zugenommen . Nachdem GEAR ein halbes Jahrzehnt benötigt hatte, um erkennbare Wirkungen zu zeigen, wuchs die Wirtschaft zwischen Ausgerechnet Jacob Zuma, den Mbeki wegen Korruptions-und anderer Vorwürfe 2005 aus dem Amt des Vizepräsidenten entlassen hatte, wurde nach den wenigen Monaten Regierungszeit Präsident Motlanthes, sein Nachfolger . Mbekis Nachfolger, Präsident Jacob G . Zuma, den Pollak drastisch als "praktizierenden Polygamisten mit rudimentärer Bildung, der unter Korruptionsverdacht stand und eine Vergewaltigungsanklage nur aus verfahrensrechtlichen Gründen abschütteln konnte" 570 beschreibt, hatte die wahrlich wenig rühmliche AIDS-Politik bzw . eine AIDS zumindest verharmlosende, die Gefährlichkeit und Mortalitätsraten der Infektion bzw aids denial") seines Vorgängers Mbeki 571 de facto lange Zeit auch noch Übersetzung des Verfassers Auch in vielen anderen Ländern der Erde, selbst in der Volksrepublik China, gab es lange Zeit ein Stillschweigen und Leugnen der HIV/AIDS-Krise . Erst zu ähnlicher Zeit wie in Südafrika begann man, anscheinend stimmige und ehrliche Zahlen zu veröffentlichen und das Problem wirklich landesweit anzugehen (vgl Allerdings wurden schon im Jahr nach seinem Dienstantritt vom Department for Social Development 58 Prozent mehr Hilfsstellen für Menschen gebaut, die mit einer HIV-Infektion leben müssen 573 , nachdem die Mittel für die Infrastruktur schon Ende Dies alles, obwohl die vielen Sterbefälle (etwa 7 Millionen aktuell infizierte HIV-positive Menschen Südafrikas 575 ) nicht nur zu Arbeitsausfällen 576 , gewaltigen medizinischen Kosten etc . führten, sondern weil es zu gewaltigen Ausfällen des in Südafrika dringend benötigten Bruttoinlandsproduktes bzw . dessen Steigerungen gekommen ist 577 . Die Millionen bis Billionen Rand, welche diese menschliche und gesamtgesellschaftliche Katastrophe gekostet hat, sind kaum korrekt zu ermitteln 578 , doch existierten schon vor etwa 15-16 Jahren Schätzungen darüber, dass Südafrikas Wirtschaftskraft im zweistelligen Bereich schrumpfen dürfte der gerade wegen Vergewaltigung einer an HIV-positiven Frau vor Gericht stand, befragt wurde, ob er sich der Ansteckungsgefahren bewusst sei, antwortete Zuma öffentlich dass er "danach" eine Dusche genommen habe, um sich selbst gegen eine HIV-Infektion zu schützen (vgl . z . B . Nattrass (2011), S . 194, und viele andere mögliche Quellen) BuaNews online" (heute SAnews) in der Ausgabe vom 16 SA committed to increased infrastructure spending S . 114), der auch darauf hinweist, dass es sich bei Aids nicht nur um eine Epidemie, sondern um eine Pandemie handelt, die "UNO-Diktion Gegen den schleichenden Tod in der Belegschaft Es fiel aber überall in Südafrika auf, dass mehrere hunderttausend Kinder pro Jahr mit der Diagnose "Durchfall" schon im Kindbett gestorben waren, wovon ein heute kaum mehr bestimmbarer Teil, sehr wahrscheinlich ein größerer Teil Wittek zitierte hier schon im Jahre 2003 Schätzungen des Aids-Bekämpfungsprogrammes der Vereinten Nationen (Joint United Nations Program on Aids, UN AIDS), nach dem Südafrikas Volkswirtschaft bis 2010 um etwa 17 Prozent schrumpfen würde (vgl . Wittek Pro-Poor Budgeting" 580 nötig wäre . Hierzu könne durch Änderungen in der Aufstellung des Staatshaushaltes, d . h . im Rahmen des Budgetierungsprozesses selbst 581 , v . a . durch eine stärkere Beteiligung der (interessierten) Öffentlichkeit 582 bzw . der Steuerzahler und Wähler beigetragen werden . Unter Präsident Zuma wurden dann noch diverse weitere wirtschafts-und sozialpolitische, vor allem wieder wachstumsorientierte Programme entwickelt 583 und teilweise auch umgesetzt Vgl . hierzu den von Parsons herausgegebenen Sammelband zu vielen wichtigen sozioökonomischen Aspekten der Wirtschafts-und Sozialpolitik, z . B . zur Arbeitsmarktpolitik, zur Gesundheitspolitik, zur Handels-, Geld-und Währungspolitik schon zu Beginn der Regierungszeit Präsident Zumas