key: cord-0037091-ucl1oiih authors: Kundt, Wolfgang; Marggraf, Ole title: Biophysik date: 2014-02-27 journal: Physikalische Mythen auf dem Prüfstand DOI: 10.1007/978-3-642-37706-8_9 sha: 4f833d7bc441e448cfd21557a998170b54707bcd doc_id: 37091 cord_uid: ucl1oiih In den vorhergehenden Kapiteln sind wir einmal durch unser gesamtes Weltall gewandert. Als viel aufregender und gestaltenreicher empfinden wir hingegen die biologischen Wunder, die sich täglich um uns herum auf unserem Heimatplaneten zutragen, die wir Menschen nunmehr seit etwa einer Million Jahren bewusst erleben und noch immer nicht (voll) durchschauen, obwohl auch sie den Gesetzen der Physik in Strenge zu gehorchen scheinen. Hier spielen sich alle Prozesse, wo gewünscht, direkt vor unseren Augen, Ohren, Nasen und Gefühlen ab, wir haben gelernt – nach einer Million Jahren – wo in unseren Körpern unsere Baupläne (DNS) liegen und mit welchen physikalisch-chemischen Werkzeugen (Proteinen) ihre Anweisungen ausgeführt werden, oft von Hunderten oder sogar Tausenden unterschiedlicher Makro-Moleküle zugleich, in korrelierten Aktionen. Aber bei jedem konkreten Problem enden unsere Forschungen leicht mit mehr Fragen als Antworten, mit mehr Staunen als Einsichten. liebsten genau zuschauen, fühlen uns jedoch recht unsicher wegen der Winzigkeit und Vielzahl der biologischen Bausteine. Dieses neunte Kapitel beginnt mit einem uns Vertrautmachen mit einigen Grundprinzipien des Lebens, der Pflanzen und der Tiere, zu welch Letzteren wir uns selbst zählen. Sie alle -oder vielmehr nur alle höheren Lebewesen, ausgenommen die Viren und die einzelligen Bakterien -bestehen aus einer großen Vielzahl von membranumschlossenen Zellen, gestützt und verspannt durch Stangen und Seile, wie von Menschen gefertigte Zelte, und bei Pflanzen zusätzlich gestrammt durch einen gewissen Überdruck (Turgor) der Zellflüssigkeit im Verein mit festen, stützenden Zellwänden. Längs der Stangen und Seile erfolgt zugleich geordneter Transport, mittels Laufkatzen, nämlich mittels Dynein-und Myosin-Molekülen. Diese hochgradige Ordnung in Aufbau und Versorgung, bereits in den kleinsten Untereinheiten jedes Lebewesens, verlangt gesteuerten Antrieb, realisiert durch Elektromotoren. Bei den Tieren heißen die hierfür erforderlichen elektrischen Spannungsgeneratoren Natrium C -Kalium C -Pumpen. Sie befinden sich in großer Anzahl in jeder (isolierenden) Zellmembran, erzeugen quer dazu das sog. Membranpotenzial (von 0,07 Volt), und sind Gegenstand des ersten Abschnittes. Sie arbeiten effektiv, als Wärmepumpen; andernfalls würden wir bei harter Arbeit stärker schwitzen als gewohnt. Tiere, die ihre Beute elektrisch betäuben, mit .0,8 kVolt Hochspannung, benutzen Serienschaltungen von .10 4 solcher Generatoren. Die Biologie verwendet einige wenige, zuverlässige, immer wiederkehrende Bauprinzipien für ihre organischen Maschinen. Im zweiten Abschnitt wird von den Herzen der Pflanzen die Rede sein, submikroskopisch kleinen mechanischen Pumpen in den jungen Wurzelenden jeder Pflanze, die eine Umkehrosmose des eingesaugten Bodenwassers bewirken, damit es ein zweites Mal osmotisch in die Krone gesaugt werden kann, bis in die höchsten Bäume, &140 m hoch. Je nach Größe haben Pflanzen zwischen .10 6 und &10 12 solcher elementarer Pumpen, auch ,Plasmodesmen' genannt, deren Pumpfrequenzen bei &1 Hz liegen, ähnlich wie bei den menschlichen Herzen. Diese Einsichten wurden zwar z.T. schon vor &100 Jahren gewonnen, von dem Inder Acharya J.C. Bose, und von uns unabhängig seit &20 Jahren neu zusammengetragen, aber es ist uns nicht gelungen, sie in einem der bunten europäischen Journale zu veröffentlichen, gegen den Widerstand der jeweilig amtierenden Lehrbuchautoren. Im dritten Abschnitt analysieren wir die pflanzliche Fotosynthese, die der Umwandlung von Solarenergie in chemische Energie dient. Hierbei wird die absorbierte Lichtenergie zunächst in elektrische Ströme umgewandelt und diese sodann in chemische Energie, vorwiegend durch Rückverwandlung von ADP in den biologischen Energiespeicher ATP (von 0,32 eV). Die Effektivität dieser Rückverwandlung steigt mit steigendem Impuls des atomaren Stoß-vor allem auch mit kinematisch-topografischen Organen zur Wahrnehmung und Kontrolle der eigenen Orientierung (bzgl. Schwerkraft) und Beschleunigungen und der momentanen (veränderten) Gestalt, z.B. beim Sprung. Jedes einzelne dieser Hunderte verschiedener Sinnesorgane ist optimiert in seiner Funktion, kann als Vorbild dienen für den Physiker, den Techniker oder den Arzt; wobei bisher noch alle ähnlich viele inneren Sinnesorgane unerwähnt blieben, die der Atmung, Nahrungs-Aufnahme und ihrer Verdauung dienen: Atemzwang, Hunger, Durst und Appetit sowie die zur Nahrungsaufnahme reziproken Bedürfnisse, ferner die Wahrnehmung und Regelung von Körpertemperatur und pH-Wert (des Blutes), Versorgung aller Körperteile mit Wasser, Wärme, Sauerstoff, Brenn-und Baustoffen, zugleich Entsorgung von CO 2 und Schlacken, sowie das vielseitige und lernfähige Immunsystem, das diese Prozesse nach Kräften vor unerwünschten Eindringlingen (Krankheitserregern) schützt, und last not least die sexuellen Sinne der Fortpflanzung. Alle diese Regelkreise und bewussten und unterbewussten Wahrnehmungen unserer selbst nebst Umwelt erlauben uns -zusätzlich gesteuert durch unser Gehirn -die Welt um uns herum vielschichtig zu erkennen und nach unseren eigenen Plänen und Wünschen zu beeinflussen. Nur selten wird uns der Kompliziertheitsgrad dieser Struktur ,Leben' voll bewusst [Dröscher 1991 ]. Seine Stabilität wünschen wir uns oft unter dem Pauschalnamen ,Gesundheit'. Sie ist leider nicht immer automatisch gewährleistet; das braucht uns durchaus nicht zu wundern. Noch sind wir nicht auf die Pflanzen eingegangen, von denen man vielfach sagt, sie seien ähnlich optimal an ihren Kampf ums Dasein angepasst wie die Tiere. Pflanzen sind zwar gewöhnlich ortsfest, allein wegen ihrer Abhängigkeit von Nährstoffen aus dem Boden, die sie über ihre Wurzeln aufnehmen. Aber bereits ihr robustes Baumaterial, Holz, macht sie in vieler Hinsicht widerstandsfähiger und längerlebig als Tiere. Pflanzen haben die Fähigkeit, ihre Lichtausbeute zu optimieren, durch Verbesserung ihrer Gestalt, mittels Fototropismus, zugleich Geotropismus, und durch Ranken, mithilfe dynamischer Anpassung ihres Astwerks, sowie durch kontrolliertes Öffnen und Schließen ihrer ,Schließzellen' (stomata) an den Blattunterseiten (zwecks Aufnahme von CO 2 , wenn auch auf Kosten von Wasserverlust, genannt ,Transpiration'). Pflanzen kooperieren oft mit Pilzgeflechten im Boden, den Mykorrhizen, durch symbiotischen Austausch von Fotosyntheseprodukten gegen mineralreiches Bodenwasser. Sie decken ihren tierischen Eiweißbedarf gelegentlich durch Einfangen und Resorbieren von Insekten. Und sie schützen sich bisweilen, einzeln oder kollektiv, gegen Kahlfraß, z.B. durch Giraffen, Gnus, Lemminge, oder auch Blattläuse, durch Anlocken helfender Tiere mittels Nektar: Ameisen, Wespen, Vögel, oder durch Anreicherung und/oder Ausströmen von abweisenden oder giftigen leichtflüchtigen Stoffen, z.B. äthe-rischen Ölen, um sich ungenießbar zu machen. Nicht nur Tiger und Haifische können kämpfen... Ja, und was hat all dieses mit Alkali-Ionen und Zell-Kraftwerken zu tun, mit denen wir uns doch in diesem ersten Abschnitt des neuen, biologischen Kapitels beschäftigen wollten? Ganz einfach: Wenn Tiere und Pflanzen aus physikalischen Maschinen bestehen, dann brauchen sie auch Kraftwerke, am besten elektrische Spannungsgeneratoren. Genauer: Tiere und Pflanzen bestehen hauptsächlich aus Zellen -als kleinste autonome Einheiten -und jede Zelle muß beständig arbeiten, u.a. zu ihrer Ver-und Entsorgung, wie jeder menschliche Haushalt. Dazu gehört u.a. die Stabilisierung des optimalen pH-Wertes ihrer Zellflüssigkeit, des ,Cytoplasmas', nämlich gleich demjenigen von physiologischer (0,9 %-iger) Kochsalzlösung, auch gleich demjenigen des Blutes; größere Abweichungen davon wirken tödlich. Zellversorgung verlangt u.a. auch den An-und Abtransport großer Moleküle durch wasserdichte Schleusen in der sie umhüllenden Membran, z.B. von Zuckermolekülen. Solche Routine-Kraftakte, entfernt vergleichbar mit Unterwassergeburten, werden fortwährend in den Zellen der Tiere und Pflanzen von Elektro-Lokomotiven besorgt, im Membran-Spannungsfeld von 0,07 Volt und mehr (.0,3 V), über Distanzen (Membrandicken) hinweg von & 50 Å, entsprechend .10 2 MV pro Meter (bei konstanter Feldstärke): Vorsicht Hochspannung! Vielleicht war diese Hochspannungswarnung nicht ganz fair: Schließlich wirken die zellulären Feldstärken, die wir bei unserer Spannungsumrechnung als konstant vorausgesetzt haben, lediglich über Zellmembrandicken, d.h. über Distanzen der Länge großer Moleküle. Immerhin sind die zugehörigen Energien vergleichbar mit den thermischen Energien der dortigen Moleküle und Atome, außerdem sind die elektrischen Kräfte geordnet, nämlich senkrecht zur Membran, können also nicht als Störkräfte abgetan oder ignoriert werden. Insofern vermissten Marko Robnik und wir ihre gebührende Diskussion in den (international führenden) empirisch-betonten Büchern von Alberts et al [1989] oder Nultsch [1991] ; erst das (weitschauende und umfassende) Buch von David Layzer [1990] hat uns auf ihre Wichtigkeit hingewiesen, allerdings ohne eine vollständige Klärung ihrer Wirkungsweise beizufügen: Schaufelräder symbolisieren dort das Funktionieren der Ionenpumpen. Offenbar befinden wir uns hier noch im Frontgebiet der Forschung; vgl. auch [Ward 2005] und [Kundt 2005 ]. Doch kehren wir zurück zur Physik der Zellen von Tieren und Pflanzen und beginnen mit deren Struktur, noch einmal ganz von vorn. Alle Lebewesen -Viren und Prionen ausgenommen -bestehen aus Zellen, angefangen bei den Einzellern: den Bakterien, Spermien und (sonstigen) ,Protisten', mit den Pantoffeltierchen als wohl ihren größten Vertretern, (der Länge Abb. 9.1.1 Pflanzliche oder tierische Membran, die jede Zelle (quasi) wasserdicht umgibt und gegen ihre Umgebung abgrenzt, mit aktiven, wasserdichten Schleusen zum An-und Abtransport von benötigten Molekülen; nach Henderson: Nature 490, 348 (2012). Pflanzliche Zellen sind zusätzlich noch durch dicke, steife Wände (aus Zellulose) verstärkt, zwecks größerer Festigkeit. Und zwar besteht jede Membran aus einer verformbaren, äußerlich (außen wie innen) benetzbaren, jedoch insgesamt wasserundurchlässigen (weil innen fettigen) Phospholipid-Haut, in welche eine große Zahl von Proteinen eingelagert sind, die sowohl passiven als auch aktiven Molekültransport durch die Membran erlauben, d.h. das Zellinnere fortgesetzt ver-und entsorgen. .0,3 mm), und gipfelnd bei den heutigen Säugetieren, mit ihren 10 16;4 Zellen. Üblicherweise sind Zellen mikroskopisch klein (. sub-mm), sie können aber in Ausnahmefällen fast körperlang werden, z.B. als Axon-Schwänze von Neuronen (Nervenzellen), oder in Eiern. Zellen sind stets durch mindestens eine phospholipide Membran gegen ihre Außenwelt abgeschirmt, d.h. durch einen (elektrisch) isolierenden, hydrophilen Film, der (von Fall zu Fall unterschiedlichen) Dicke zwischen 5 nm und 10 nm, 1 nm = 10 9 m = 10 3 m = 10 Å. Eine solche Membran besteht aus zwei Lagen einander gegenüberliegender hydrophober (und zugleich lipophiler) Fettsäureschwänze mit nach außen hin aufgepfropften (hydrophilen) Phosphat-Köpfen, s. Abb. 9.1.1. Membranen sind ziemlich undurchlässig -nämlich nur durchlässig für (kleine, neutrale) Moleküle der Massenzahl <75, wie reines Wasser -ferner verbiegbar, dabei aber quasi flächentreu (wie ,flüssige Mosaike'), und werden durch Proteine verschiedenster Größe, Bauart und Funktion durchsetzt, die dem Austausch mit dem Außenraum dienen und von Zelle zu Zelle variieren. Zellen können von innen her versteift sein wie Zelte, durch ,Stangen' aus Tubulin-Röhren und ,Seile' aus Actin-Filamenten, längs derer zugleich der Materialtransport erfolgt, angetrieben durch Dynesin-bzw. Myosin-,Laufkatzen'. Pflanzenzellen benötigen größere Steifigkeiten als tierische, u.a. im Bereich großer (osmotischer) Wurzeldrücke, wo Drucksprünge .1 bar zwischen Nachbarzellen aufzufangen sind. Sie verstärken ihre Membranen über 100-fach, durch sog. ,primäre' und ,sekundäre Zellwände', hauptsächlich aus Zellulosefasern, der Gesamtdicke & 1 m, wobei die sekundären Wände mindestens doppelt so dick sind wie die primären und sich erst später bilden, in einem quasi ausgewachsenen Stadium ihrer Zellen. Während des Zellwachstums -um Volumenfaktoren . 10 6 -helfen Expansin-Proteine, das verflochtene Netzwerk der Polysaccharide in den wachsenden Primärwänden sich strecken zu lassen, durch vorübergehende Auflockerung. Jetzt endlich nähern wir uns der zentralen Fragestellung dieses Abschnitts: der Funktionsweise der Na C -K C -Pumpen in den Zellmembranen (vorzugsweise) der Warmblütler, als Beispiel der vielseitigen Klasse der Ionenpumpen in Zellmembranen, die bei Pflanzen meist mit Protonen (Wasserstoffionen, H C ), K C -Ionen oder Ca CC -Ionen betrieben werden statt mit Na C -Ionen. Ihnen allen ist gemein, dass sie die Zellmembranen, in denen sie sitzen, elektrisch aufladen -außen positiv, innen negativ -auf Spannungen . 0,3 V. Dabei sollen im ersten (tierischen) Fall die osmotischen Konzentrationen außerhalb und innerhalb der Zelle einander gleich bleiben, während im zweiten ( Abb. 9.1.2 Elektrische Aufladung der Zellen (auf 0,07 V), bei Tieren mittels der sog. Na C -K C -Pumpen. Die Pumpen -oder besser ,aktiven Ventile' -sind durchlässig für die (etwas kleineren) hydratierten K C -Ionen, nicht hingegen für die (etwas größeren) hydratierten Na C -Ionen, die aus dem Zellinneren ,herausgepumpt' werden, gegen den elektrischen Potenzialgradienten, (sprich: gegen das elektrische Feld). Dabei lässt sich offenbar nicht verhindern, dass für je drei durchgeschleuste Na C -Ionen zwei K C -Ionen in entgegengesetzter Richtung durch das Ventil schlüpfen, die sich dabei allerdings als hilfreich erweisen: bei der ATP-Regenerierung. Die nach innen geschlüpften K C -Ionen können durch engere, passive Kanäle wieder in den Außenraum zurückgelangen, sozusagen verdampfen, entgegen dem anliegenden elektrischen Feld, aber geschoben vom anliegenden Druckgradienten, zurück zu ihrer thermischen Gleichgewichtsverteilung; vgl. Abb. 9.1.3. Ja, und wie konstruieren die Zellen ihre Kraftwerke? Kraftwerke sollten energiesparend arbeiten, sonst gäbe es Unterhaltsprobleme, und sonst würden sie sich bei starker Belastung überhitzen. Deshalb arbeiten sie alle als Wärmepumpen, bei denen die (ungeordnete) thermische Energie ihrer Ionen angezapft wird, beim freien Fall gegen das angelegte Potenzial (entlang des Ionenkanals der ATPase). Außerdem lassen sich die Na C -Ionen der Na C -K C -Pumpen durch den Konzentrationsgradienten der K C -Ionen helfen, durch Schubverstärkung beim Fall gegen die Spannung, s. Abb. 9.1.2: Die Kalium-Ionen sind im Zellinneren elektrisch eingesperrt, wollen andererseits aufgrund ihres Partialdrucks expandieren, vergleichbar einer überfüllten Rinderkoppel innerhalb eines elektrischen Zauns: An den Gattern entstehen Turbulenzen. Was auf den ersten Blick als eine Ineffektivität der tierischen Ionenpumpen erscheint -nämlich dass für je drei nach außen ,gepumpte' Na C -Ionen zwei K C -Ionen nach innen zurückfallen -erweist sich auf den zweiten Blick als eine geniale Lösung des Generatorproblems. Bei den Pflanzen hingegen ist Abb. 9.1.3 Größen biologisch häufig vorkommender Alkali-Ionen, ohne und mit Hydrathüllen, nach [Nultsch 1991] . Diese Größen sind ausschlaggebend für ihr Vermögen, gewisse Kanäle zu passieren, z.B. die engeren Kanäle der Na C -K C -Pumpen. Zu beachten ist, dass Hydratation die Größenverhältnisse oft umkehrt. Überhitzung kein Aspekt, da spielen Materialbeschaffungsprobleme und Kräfte eine übergeordnete Rolle; ihre Pumpen sind für (etwas) höhere Spannungen ausgelegt. Etwas mehr Detail erwünscht? Lässt sich die An-und Ablieferung von gelösten Stoffen an Zellen in den gewünschten Proportionen nicht bereits durch verschieden weite Schleusenkanäle erzielen, wegen der verschieden großen Moleküldurchmesser? Die Natur hat dies von Anfang an eingeplant: Es gibt z.B. Kalium C -Kanäle, die für (hydratierte) Natrium C -Ionen zu eng sind, d.h. faktisch nicht existieren. Wobei bereits berücksichtigt wurde, dass die Alkali-Ionen Li C , Na C , K C , Rb C , Cs C zwar in dieser Reihenfolge nach wachsenden Durchmessern angeordnet sind, entsprechend ihrer wachsenden Zahl kompletter Elektronenschalen, dass sie sich hingegen in wässriger Lösung mit ausgedehnten Hydratationshüllen umgeben, durch Dipolkräfte, die ihren effektiven Durchmesser D in umgekehrter Reihenfolge zunehmen lassen, mit z.B.: D(Na C ) = 0,48 nm >D(K C ) = 0,36 nm, s. Abb. 9.1.3. Um jedoch gleichzeitig die gewünschten Konzentrationen für sieben oder mehr Ionensorten innerhalb einer Zelle zu realisieren, werden als Membranproteine nicht nur ständig offene oder katalytisch und/oder potenzialgesteuerte ,Ionenkanäle' unterschiedlichen Querschnitts angetroffen, sondern auch (pockenförmige, zeitweilig geschlossene) ,Porine', ,Symports' (für simultanen Durchgang zweier Ionensorten), ,Antiports' (für gegenläufigen Durchgang), und ,Uniports', deren selektive Förderungsraten durch Trägerionen erzielt werden. Und alle diese gesteuerten Austauschprozesse werden ermöglicht durch (aktive) Ionen-,Pumpen', auch ,ATPasen' genannt, welche die Membranspannung aufbauen, indem sie die spannungserzeugenden Na C -Ionen mithilfe von chemischer Energie zur Membranaußenseite befördern: kein Spannungsgenerator ohne Energiezufuhr. Als (chemische) Energie wird dabei die Umwandlung von Adenosintriphosphat (ATP) in Adenosindiphosphat (ADP) mittels Hydrolyse verwendet: ATP + H 2 O = ADP + H 3 PO 4 + 0,32 eV, einheitlich im Pflanzen-wie im Tierreich. ATP ist die biologische Energieeinheit. In der Na C -K C -Pumpe wird der mechanische Rückstoß der ATP-Hydrolyse umgesetzt in einen Schub der Na C -Ionen aus dem Innenraum in den Außenraum der Zelle, entgegen der vorhandenen Membranspannung, wobei die ungeordnete thermische Bewegung der Na C -Ionen entscheidend ausgenutzt (abgebaut) wird, als Wärmepumpe. ATPasen sind elektrische Generatoren. Sogar in jeder lebendigen Zelle muss für die ständige Energienachlieferung gesorgt werden, d.h. ADP in ATP rückverwandelt werden. Das besorgen die Mitochondrien, oder auch Chloroplasten, die primären Kraftwerke der Zellen. Jede lebendige Zelle enthält mindestens ein Mitochondrion, bisweilen sogar einige Tausend davon; nicht hingegen die abgestorbenen Zellen der Pflanzen, allen voran ihre Leitungsgefäße, die ja auch keine Membranspannung haben. In den Mitochondrien wird u.a. durch (katalytische) Zuckerverbrennung ADP zu ATP regeneriert (phosphoryliert), hauptsächlich zur Versorgung der ATPasen in ihren Zellmembranen, beim Aufbau des Membranpotenzials. Hiermit hat sich für uns der Gedankenkreis der Na C -K C -Pumpen in den Membranen der tierischen Zellen geschlossen: Es handelt sich um ATP-getriebene Ionenpumpen, die Na C -Ionen aus der Zelle herauswerfen, während die gleichzeitig vorhandenen K C -Ionen für elektrische Neutralität (in 0. Näherung) und physiologische Osmolarität im Inneren sorgen, darüber hinaus den Aufladevorgang der ATPasen durch ihren Konzentrationsgradienten unterstützen. Das Herauswerfen der Na C -Ionen arbeitet als Wärmepumpe, (wodurch die Umgebung geringfügig abgekühlt wird, um .0,2 K). Die extrazellulären Na C -Ionen stehen dann als ,Träger' zur Verfügung, z.B. für das aktive Hereinschleusen von Zuckermolekülen. Der Aufladeprozess hat diffusiven Charakter, mit einer Zeitkonstante t gegeben durch die Gleichgewichts-Ionensäulendichte N = W/4 e 2 d =10 10;9 cm 2 auf der Zellaußenseite, (W(Na C ) = 0,07 eV, d = 50 Å), dividiert durch die Pumprate Ð 10 2 s 1 pro Zelle von N p . 10 12 cm 2 Pumpen pro Membranfläche, ergibt t = N / N p & 10 3 sec. Diese Zeitkonstante der elektrischen Aufladung von Na C -K C -Pumpen, t & msec, bestimmt u.a. die Schnelligkeit von Nervensignalen bei Tieren und damit zugleich die Geschwindigkeit ihrer Reaktionen; sie hat also eine fundamentale Bedeutung als minimale Reaktionszeit alles Lebendigen. So sind Fliegen und Mücken deutlich kleiner als Menschen; ihre Nervenstränge (Axonen) sind deutlich kürzer, daher können sie etwas schneller reagieren als wir; jedoch nicht schneller als mit Millisekunde. Wann immer Tiere größere elektrische Spannungen benötigen, erzeugen sie diese durch Hintereinanderschaltung (Serienschaltung) von Na C -K C -Pumpen. So ergeben einige Hundert Batterien in Serie die nötigen 10 Volt für elektrische (Radar-) Ortung von Fischen in trüben Gewässern, deren re-flektierte Signale sie mit Empfindlichkeiten von bis zu 5 nV/cm (!) auswerten. Spannungsrekorde von . 0,8 kV erzielen der Zitterrochen (torpedo ray), der südamerikanische Zitteraal (electric eel) und der afrikanische echte Wels (cat fish) zur Lähmung ihrer Opfer, durch Serienschaltung von 10 4 solcher Batterien, bei deren Entladung während Sekundenbruchteilen 10 kW Leistung umgesetzt werden. Übrigens bewegt die Mimose die blitzartig umklappenden Gelenke ihrer Blattstiele bei Berührung ebenfalls mittels elektrischer Pulse ihrer Ionenpumpen. Nicht nur Tiere haben Herzen, bemerkte bereits der indische "Scientist and Dreamer" Acharya Jagadish Chandra Bose, geboren 1858 im Dorf Rarikhal (Ost-Bengalen, heute Bangladesch) und späterer Gründer des Bose Instituts in Kalkutta (1917) , dessen weitgespannte physikalische, zoologische und botanische Tätigkeiten die Forschung bis über seinen Tod hinaus (1937) befruchtet haben, s. [Bose 1996 ]. Er erkannte die Herzen an ihrer Eigenschaft, den Wasserkreislauf und damit die Versorgung und das Wohlergehen einer Pflanze anzutreiben, als mechanischen Taktgeber, der sich elektrisch beeinflussen lässt und der in ganz ähnlicher Weise auf Anregungsmittel und Gifte reagiert wie menschliche und tierische Herzen (von Fröschen oder Fischen) sowie über deren Leben und Tod entscheidet. Und er lokalisierte die ,röhrenförmigen' Herzen am Innenrand der Rindenschicht (cortex) ihrer Wurzeln, durch elektrisches Sondieren. Da es zu seiner Zeit noch keine Elektronenmikroskope gab, kannte er noch nicht die Plasmodesmen in den Porenfeldern der äußeren und inneren peripheren (,periklinen') Wände der Endodermis, einer Zellschicht, die bereits unter dem optischen Mikroskop auffällt durch die (wellblechartigen, lignifizierten) Caspary-Gürtel ihrer radialen (,antiklinen') Zellwände und die wir (seit den 1990-er Jahren) für die mechanischen Pumpen halten. Diese mechanischen Pumpen, so meinen wir, bewirken eine Umkehrosmose in der sog. ,Wurzelhaarzone' der jungen Wurzeln, um das osmotisch stark angereicherte, aus dem Erdboden aufgesogene Bodenwasser ein zweites Mal osmotisch verfügbar zu machen, für die saugenden Blätter in den Kronen der Pflanzen, mit einer Pumpfrequenz von &1 Hz, s. Abb. 9.2.1. Dabei wird sich sogar die ,osmotische Anreicherung in der Rindenschicht der Wurzelhaarzone' als ein Ergebnis der pumpenden Herzen herausstellen, und es werden die Phänomene des Ausschwitzens von Wasser bei Verletzungen (,Exsudation') sowie des bisweilen täglichen Auspressens von reinem Wasser aus den Blatträndern (,Guttation') natürliche Erklärungen finden. Bis zum heutigen Tage ist die soeben skizzierte Erklärung der pflanzlichen Organisation keineswegs Allgemeingut, obwohl sie erneut von Pickard [1981] in Erwägung gezogen wurde. Das mag zwei Ursachen haben: Einerseits spielt sich die Umverteilung der aus dem Boden aufgenommenen Nährlösung einer Pflanze und der in ihren Blättern erzeugten Fotosyntheseprodukte auf Äste, Stämme, Blätter, Blüten, Früchte und Wurzeln nur sehr langsam, fast unsichtbar und lautlos ab, durch Millionen bis Billionen feiner und feinster, vielverzweigter Röhren, sodass sie sich nicht leicht filmen oder im Detail vermessen lässt. Insbesondere sind die (unzähligen) antreibenden Mikropumpen, die die Umkehrosmose ausüben und die wir ,Herzen' nennen, submikroskopisch klein, daher bislang nur als Schnappschüsse abgebildet, nicht dynamisch (als Film) erfasst worden. Und andererseits sind die Botaniker Otto Renner (1915 ), Ralph Slater (1960 ) und Sterling Taylor (1962 bei der quantitativen Beschreibung des Wassertransports in den Pflanzen von einer ungeschickten Definition des sog. Wasserpotenzials ausgegangen, die in der Folge zu aller-Abb. 9.2.1a-e Wassertransport in Bäumen, mit vier schrittweisen Vergrößerungen um Faktoren f100, 32, 32, 100g, nach [Kundt & Gruber 2004] : Wir haben uns überzeugt, dass das Wasser in Pflanzen durchweg osmotisch bewegt wird, in Richtung des Gradienten des -geeignet definierten -Wasserpotenzials, und dass das aus dem Boden von den Wurzelenden angesaugte Wasser beim Durchgang durch ihre Endodermis eine Umkehrosmose erfährt, bewirkt durch ihre Plasmodesmen, s. Abb. 9.2.2. Die Plasmodesmen sind ursprünglich nur elektronenmikroskopisch erkannt worden; seit 2010 auch durch sog. optische Fluoreszenz-Abbildung mit ,Super-Auflösung'. Wahrscheinlich wird ihre achsparallele Aktinspirale periodisch verengt durch Myosin VIII-Laufkatzen, die an ihr entlanglaufen wie Zahnräder und durch die der Desmotubulus dann ebenfalls verengt wird. lei Verwirrungen geführt hat: Sie haben nämlich als Wasserpotenzial einer wässrigen Lösung die Differenz aus dem Potenzial L der Lösung und demjenigen des reinen Wassers 0 definiert, := L 0 , statt mit L selbst zu arbeiten, sodass ihr für reines Wasser identisch verschwindet und somit seine Eigenschaft als Potenzial der treibenden Kräfte verliert. In den Lehrbüchern der Physik wird (stattdessen) unter dem ,Wasserpotenzial' einer Lösung die Gibbs'sche freie Enthalpie der Lösung verstanden, die aus ihrem ,chemischen Potenzial' hervorgeht durch Multiplikation mit der Teilchen-Anzahldichte n: WD n . Für eine einkomponentige Flüssigkeit im Schwerefeld der Erde gilt = g z , mit als Massendichte, g als Fallbeschleunigung (auf der Erde) und z als Vertikalkoordinate. Dann ist also die potenzielle Energiedichte der Flüssigkeit, und der räumliche Gradient r von gibt (bis aufs Vorzeichen) die Kraftdichte ! b an, die im jeweiligen Punkt auf die Flüssigkeit wirkt: g . Als Folge hiervon fließt eine (schwere) Flüssigkeit stets bergab, wie jeder Bach. Sperrt man nun aber die Flüssigkeit in Rohre ein, wie in jedem städtischen Frischwassernetz, so kann das Wasser auch bergauf fließen, solange sein Druck p groß genug ist; dies lässt sich wiederum mit dem (jetzt verallgemeinerten) Wasserpotenzial beschreiben, diesmal unter Addition des Druckes (Druckpotenzials): = g z + p . Eine weitere Komplikation tritt ein, wenn die Flüssigkeit eine variable Dichte n L gelöster Teilchen enthält, deren ,osmotischer Druck' = n L kT als Sog auf das Lösungsmittel (Wasser) wirkt. Schließlich muss bei sehr engen Gewebestrukturen, vom effektiven Radius . m , die Anziehung ihrer (hydrophilen) Wände mitberücksichtigt werden, der sog. ,Kapillarkräfte', beschrieben durch den ,Quellsog' oder das (positive) ,Matrixpotenzial ' , besonders von Samen und Sporen, aber auch von Teilstrukturen in den Blättern und im Holz. Man erhält so die allgemeine Formel: Osmotische Soge gehorchen der idealen Gasgleichung, sind also von der Stärke "bar" für atmosphärische Dichten der gelösten Substanz, und saturieren spätestens bei vergleichbarer Dichte mit dem Lösungsmittel, entsprechend "kbar", bzw. entsprechend einer Wassersäule von 10 km Höhe. Im pflanzlichen Realfall betragen sie allerdings meist nur . 60 bar, mit den höchsten (gemessenen) Werten bei den Wüstenpflanzen, deren Böden . kbar Saugkraft haben können. Quellsoge (von Samen) werden (noch) höher berichtet, bis zu 3 kbar. Die höchsten Bäume, Sequoia und Eukalyptus, der Höhe . 140 m, stellen also kein Problem dar für eine osmotische Versorgung mit Bodenwasser, solange ihre Xylemröhren fest genug sind für die Anlieferung. Und sogar das (hochosmotische) Salzwasser der Ozeane ist genießbar für die durstigen Mangroven, die in der Rindenschicht ihrer Wurzeln einen zweiten Satz von Porenfeldern mit Plasmodesmen haben, in ihrer Exodermis, d.h., die sozusagen mit zwei Lokomotiven fahren. Auch Reis und Mais sind dergestalt ausgestattet. Andererseits kann man in gegenwartsnaher Literatur bisweilen von hohen "Transpirationssogen" der Blätter lesen, der Größenordnung kbar, sogar in Schulbüchern; dabei wurde mit dem chemischen Potenzial verwechselt, das sich für Dampf um den Faktor n(flüssig)/n(dampfförmig) Ð 1000 vom Wert der flüssigen Phase unterscheidet, eine schlimme Verwechslung. Transpiration ist außerdem ein Verlustprozess, bei Pflanze wie bei Tier, kann also nicht den Wassertransport in Pflanzen antreiben. Pflanzen bemühen sich, ihre Transpirationsverluste gering zu halten, durch dampfundurchlässige Wachsfilme ihrer Blätter, und durch geeignete Steuerung ihrer Schließzellen. Andererseits stellen Transpirationsverluste kein Problem dar, solange ausreichend Bodenwasser vorhanden ist, weil Letzteres automatisch durch erhöhte osmotische Konzentration und/oder erhöhte Kapillarität in den Blättern (nach Wasserverlust) wieder aufgefüllt wird. Sobald diese grundsätzliche Frage geklärt ist, wie Pflanzen ihre Wasserzufuhr bewirken -nämlich primär osmotisch -verbleibt noch die Festigkeitsfrage, wie die Pflanzen bisweilen die erheblichen Höhen (von 140 m) stabil erreichen, die für menschengefertigte Hochhäuser (von bis zu & 800 m Höhe) keineswegs unproblematisch sind. Hätten die (langen!) fördernden Xylemröhren in ihren Stämmen keine tragenden (schrägen) Querwände, würde der Druck ihrer Wassersäulen von der Krone zur Wurzel um & 10 bar anwachsen, und die kleinste Verletzung, z.B. durch ein saugendes Insekt, würde sich als Hochdruck-Wasserstrahl (bzw. als tödlicher Sog, falls man an Saugspannungen glaubt) bemerkbar machen. Vielmehr haben Ulrich Zimmermann und Ernst Steudle mit ihren Drucksonden bereits in den 1960-er Jahren gleichbleibende Xylemdrücke der Größenordnung bar in unterschiedlichen Höhen über dem Boden bei Regenwaldriesen gemessen. Und die tragenden, druckregulierenden Querwände der Xylemröhren sind bereits viel früher entdeckt und dokumentiert worden, als ,behöfte Tüpfel' bei den Nadelhölzern, und als (leiterförmige) ,Perforationsplatten' bei den (schneller fördernden) Laubhölzern, in unterschiedlichen vertikalen Abständen der Größenordnung Meter. Die Querwände funktionieren ähnlich wie Patentventile (von Fahrradschläuchen): Sie sind Barrieren für gelöste Stoffe, die dafür sorgen, dass die osmotische Konzentration in den Röhren proportional mit der Höhe einer Steigleitung zunimmt, sodass die beiden Druckkomponenten gz und in Gleichung (9.2.1) gleich schnell mit z anwachsen, während der Rohrdruck p konstant bleibt. Das Füllgewicht der Wassersäule wird somit auf den Holzteil des Stammes übertragen. Entscheidend für das Funktionieren des Wassertransports ist die hohe osmotische Konzentration in den Nadeln oder Blättern der Baumkronen, um dort das Wasser (nicht nur kapillar, sondern vor allem auch) osmotisch festzuhalten. Und welche Rolle spielen bei dem Wassertransport die Herzen der Pflanzen, in ihren (jungen) Wurzelspitzen? Sie haben mehrere Funktionen. Auf jeden Fall müssen sie dafür sorgen, dass die vorübergehend hohe Konzentration in der Rindenschicht des aus dem Boden osmotisch angesaugten Wassers wieder abgesenkt wird, beim Übergang in den Zentralzylinder, auf die (niedrigere) Bodenkonzentration, damit beim Transport kein Defizit oder Stau an gelösten Stoffen entsteht und damit die Kronen erneut osmotisch saugen können. Die Herzen bewirken die erforderliche Umkehrosmose. Sie reduzieren den hohen osmotischen Sog der inneren Rindenschicht bei nicht abnehmendem gewöhnlichem Druck, der es den Wurzeln erlaubt, in harte Böden einzudringen sowie das aufgenommene Wasser in Richtung Krone zu pressen, schonender als die städtischen Wasserleitungen. Als sog. Wurzeldruck ist ihre Wirkung seit Jahrhunderten bekannt, der den Fels sprengen sowie Häuser, Zäune und Straßenbeläge anheben und verbiegen kann. Ohne ständig stabilisierten Druck ist keine ständige Arbeitsleistung möglich. Und wie arbeiten die Herzen? Mit dieser Frage betreten wir ein Frontgebiet der Forschung. Im Folgenden geben wir den Vorschlag von Kundt & Gruber [2004] wieder, dessen endgültiger experimenteller Beweis noch auf sich warten lässt. In Abb. 9.2.2 und Abb. 9.2.1e sind Kombinationen aus eletronenmikroskopischen Abbildungen zusammengestellt. Man erkennt in Abb. 9.2.1e ein hantelförmiges, membranumspanntes Gebilde, genannt ,Endoplasmatisches Retikulum' (ER) oder auch ,Vakuole', das den Innenbereich einer inneren Cortex-Zelle mit demjenigen einer benachbarten Endodermis-Zelle verbindet. Das ER wird osmotisch gestrammt durch eine hohe Konzentration von K C -Ionen (10 2 mMol/l, entsprechend 10 3 Gewichtsanteilen, oder ,gasförmiger' Dichte) und eine weit niedrigere, dafür aber pumpbar variable, elektrisch wirksame Konzentration von Ca CC -Ionen, (10 4 bis 1) mMol/l, in dem von ihm umschlossenen Volumen, (das sich physiologisch ,außerhalb' der Endodermis-Zelle befindet, und ,Endoplast' genannt wird); es ist nur für reines Wasser durchlässig, (nicht für die Ionen), welches es von der äußeren (linken) Zelle zur inneren (rechten) Zelle transportiert, und zwar durch das dünne, schlauchförmige Verbindungsstück in der Mitte, genannt ,Desmotubulus'. Der Desmotubulus durchsetzt eine schlauchförmige Öffnung in der primären Zellwand; er ist von einer Aktinspirale umklammert, die ihn einengen kann, sobald eine Myosin-VIII-Laufkatze die Spirale tordiert (spannt). Der Ärmelbereich der schlauchförmigen Öffnung erlaubt den Durchtritt des unverdünnten Bodenwassers. Dieses Gesamtgebilde heißt auch ,Plasmodesmos' oder schlichter ,Pore'; von ihm sind ca 100 Exemplare in einem ,Porenfeld' angeordnet, und etwa 10 Porenfelder sind in jede periphere Endodermiswand eingelagert, sodass insgesamt 10 3 Plasmodesmen pro Zellwand in Parallelschaltung arbeiten. Jedes der 10 3 Plasmodesmen arbeitet als selbstständige Mikropumpe, als Mikro-Herz, indem es das von außen eintretende, Ionenangereicherte Bodenwasser der inneren Rindenschicht wieder verdünnt, durch zusätzliches Einspritzen von reinem Wasser mittels der (vollgepumpten) ER-Schleuse. Dabei wurde das reine Wasser dem von außen eintretenden Bodenwasser entzogen. Noch einmal zur Arbeitsweise der Herzen, ein wenig detaillierter: Das von außen in die Endodermis eintretende, Ionen-angereicherte Bodenwasser muss sich durch den ,Ärmelbereich' eines der rund 10 3 Plasmodesmen pro Zellwand drängeln -ähnlich einer großen Schar von Flugpassagieren, die eine von sehr vielen parallelen Sicherheits-Kontrollen passieren müssen, bevor sie ins Flugzeug einsteigen dürfen, wobei jeweils durch das lokale ER reines, dem Bodenwasser entnommenes Wasser hinzugepresst wird, gedrückt durch die sich (,peristaltisch') verengende Aktin-Helix um den Desmotubulus. Am Ausgang des ,Ärmelkanals' befindet sich dann noch ein Actomyosin-Ringmuskel, auch ,Sphinktor' genannt, der durch erhöhte Ca CC -Ionendichte angespannt (verkürzt) werden kann, wie tierische Muskeln, wenn der Plasmodesmos abgeschaltet werden soll. Ein Plasmodesmos arbeitet also ganz ähnlich wie eine mit Salz-oder Zuckerlösung gefüllte Schweinsblase, die man per Hand zusammendrückt, um reines Wasser aus ihrem Inneren herauszupressen; es bewirkt eine Umkehrosmose in dem strömenden Bodenwasser. Derselbe Vorgang wird gleich noch einmal wiederholt, beim Durchtritt aus der Endodermis in den benachbarten Perizykel, wo sich dann wieder die Eingangs-Ionendichte einstellt. Wenn in jeder Endodermiswand der ,Wurzelhaarzone' einer jungen Wurzel, in welcher haarartige Zellfortsätze die Wurzeloberfläche stark vergrößern, bereits 10 3 Plasmodesmen als Mikro-Herzen pumpen, zwischen dem teilungsfähigen Meristem an der extremen Wurzelspitze und dem bereits verholzten älteren Wurzelstrang, dann besitzen selbst kleine Pflanzen schon mehrere Millionen davon. Pflanzen haben ungezählt viele Herzen: je größer die Pflanzen sind, desto mehr. Um eine Tonne Wasser pro Tag in die Krone zu heben, benötigt ein großer Baum 10 12 Plasmodesmen. Diese Plasmodesmen bewirken nun aber nicht nur die Umkehrosmose, beim Übergang von der Rindenschicht in den Zentralzylinder, zwecks Weitertransports in die Krone; sie bewirken zugleich das stufenweise Anwachsen der Ionenkonzentration in der Rindenschicht von außen nach innen, entsprechend einem Anwachsen des osmotischen Sogs um typischerweise 7 bar, durch welches das Bodenwasser radial angesaugt wird. Denn der Entzug von reinem Wasser beim Durchtritt durch die pumpenden Poren führt dort zu einem Anwachsen der Ionenkonzentration, sodass sich die nachfolgenden Ionengenerationen in der Rindenschicht stauen. War die räumliche Ionendichte vor dem Einschalten der Pumpen konstant, so wächst ihre Dichte nach dem Einschalten stufenweise von Zellschicht zu Zellschicht an, so lange, bis ihre strömende Rate nach ihrer anschließenden Verdünnung in der Endodermis wieder die Rate des von außen einströmenden Bodenwassers erreicht hat. Dieser stationäre Endzustand, mit konstanter Ionenrate in der Rindenschicht, dürfte sich nach einer Reihe von Pumpzyklen als stabile Lösung des (plasmodesmisch) gestörten Strömungsproblems von selbst einstellen, ohne irgendwelche zusätzlichen Aktionen. A.J.C. Bose war im Jahre 1918 von der "betenden Dattelpalme" nahe Faridpur (Bengalen) fasziniert, die jeden Nachmittag (bei 35 ı C Lufttemperatur), wenn die Tempelglocken zum Gebet riefen, ihr mit langen Blättern bestücktes Haupt (um einen Meter) bis auf den Boden senkte, um ihren 5 m langen Stamm -nebst Nacken -anschließend, während der darauffolgenden (14) Nachtstunden, wieder aufzurichten, (bei &23 ı C Lufttemperatur), auf einen Winkel von 60 ı gegen die Vertikale, den ihr ein vorangegangenes Unwetter eingebracht hatte. Er verglich diese tagesperiodischen Bewegungen der Palme mit denjenigen von über zehn ähnlichen, wie auch recht unterschiedlichen Pflanzen, konnte aber keine ihn befriedigende physikalische Erklärung finden für dieses offenbar recht universelle, temperaturgesteuerte, geotrope Verhalten. Insbesondere konnte er Tageslicht und Luftfeuchtigkeit ausschließen als Verursacher der Bewegungen. Ein Jahr später starb die Palme, und mit ihr ihre täglichen Andachten: ohne Herzschlag keine Verbeugungen. Uns scheint neuerdings plausibel, dass die Verbeugungen durch interne Quelldrücke bewirkt wurden, d.h. durch elastisches, dampfdruckbedingtes An-und Abschwellen ihres Stammdurchmessers (von Ð25 cm), wobei die (vielen, festen) Halteseile in ihrem Stamm wie Stahlseile den Baum (und seinen Nacken) anheben und absenken, wenn das Volumen der ihnen zwischengelagerten Parenchymzellen zu-und abnimmt. Taktgeber der Bewegungen ist die Temperatur, indem sie die Herztätigkeit steuert; dabei geschieht das Anschwellen jeweils über Nacht. Mitochondrien und Chloroplasten -verwenden Pflanzen und Tiere protonische (statt elektronischer) Ströme, um ADP in die biologische Energieeinheit ATP zurückzuverwandeln. Der Grund ist evident: Die Wiedervereinigung von ADP mit dem Phosphatrest PO 3 erfordert nicht nur den (vorhandenen) Energieübertrag von eV/3, sondern gleichzeitig den hohen Impulsübertrag eines Protons dieser Energie, der beim Elektron 43-mal kleiner wäre. ,Hau den Lukas' ist eine Attraktion auf den Jahrmärkten, bei der kräftige junge Männer ihre Muskeln spielen lassen können. Je schwerer der Hammer, desto größer der Erfolg, solange er sich noch voll nach oben durchschwingen lässt. Nähmen die Rivalen etwa einen 100-fach leichteren Hammer, würde dessen maximal erreichbarer Impuls Mv -bei physisch begrenzter Schwungenergie Mv 2 /2 -auf ein Zehntel absinken, nämlich proportional zu p M, und der Lukas am anderen Ende des Hebelarms bliebe weit unter dem tönenden Anschlag. Dasselbe mechanische Problem lösen alle Blätter bei der Fotosynthese, wenn sie Lichtenergie in chemische Energie umwandeln. Dabei setzen die Blätter, grob gesprochen, die Photonenenergie eines eine Stunde lang gut besonnten Quadratmeters -das sind 10 13;7 erg oder 1,13 Kilowattstunden -in ein Gramm Stärke um. Bei dieser Fotosynthese sorgen Chlorophyll-Moleküle in der Thylakoidmembran dafür, dass bei Sonnenlichteinfall eine (den Photonen) entsprechende Anzahl von Elektronen kaskadenförmig in feste Bindungszustände an der Membranaußenseite gelangt, welche sich damit auf beinahe ein Volt negativ auflädt gegenüber der Membraninnenseite, an der sich die gleiche Anzahl ungebundener Protonen frei bewegen kann, als Gegenladung des elektrischen Membranfeldes. Sobald die freien Protonen einen Kanal zur anderen Seite der Thylakoidmembran finden, durchfallen sie dieses starke Spannungsfeld und neutralisieren jeweils eine Elementarladung, unter Freisetzung der Energie von einem Drittel Elektronenvolt (1 eV = 10 11;8 erg). Dieser seltene Fall, bei dem ein irdischer, elektrischer Stromkreis nicht durch Elektronen, sondern dominant (>50 %) durch Ionen (speziell: Protonen) geschlossen wird, kommt unseres Wissens sonst nur bei Elektrolyten vor. Immerhin wird er von allen Pflanzen unseres Planeten realisiert. Und die Pflanzen haben einen guten Grund für diese ausgefallene Anwendung der Elektrodynamik: Ihnen steht bei der Fotosynthese routinemäßig eine feste Energie zur Verfügung, das eV/3 beim Durchfallen der Spannung der Thylakoidmembran. Für die Phosphorilierung von ADP zu ATP, einem wich-Abb. 9.3.1 Protonische Ströme bei der Rückgewinnung der Energieeinheit ATP aus ADP, bei der Fotosynthese wie auch in den Mitochondrien. Da diese Rückwandlung von ADP nach ATP impulsabhängig ist, sind Protonen gefragt als Ladungsträger, statt (der 1832-mal leichteren) Elektronen, bei gegebener Leistung des Stromflusses. Dabei werden die absorbierten Fotoelektronen durch Chlorophyllmoleküle in der Thylakoidmembran gebunden und zur "-"-Seite (nach ,oben') geschleust, während die hierdurch frei werdenden Protonen auf der "+"-Seite der Membran (unten) beweglich bleiben, angedeutet durch den dicken Leiter, und dabei ihren Weg durch Membrankanäle zur ATP-Synthese (auf der."-" Seite) finden; nach [Nultsch 1991]. tigen Ausgangsprozess bei der Stärke-Gewinnung, der bereits in Abschnitt 2.1 besprochen wurde, genügt zwar diese Energie, nicht aber auch der dazugehörige Impuls, sofern der Energieträger ein Elektron wäre, statt ein 1836-mal schwereres Proton: Der Phosphatrest PO 3 will von starker Hand an den ADP-Rumpf gepresst werden, um sich mit ihm zu ATP zu vereinen, und das kann ein Proton ( p 1836 =) 43-mal besser als ein Elektron. ADP, Wasser und der Phosphatrest warten am Ende des Protonenkanals auf ihre Wiedervereinigung, wo sich zugleich der Stromkreis mit Schwung schließt. Wieder einmal überraschen die Pflanzen mit einer physikalisch wahrscheinlich optimalen Lösung ihres Ernährungsproblems, s. Abb. 9.3.1. Und nicht nur in der pflanzlichen Thylakoidmembran gibt es protonische Ströme, sondern auch in ihren Mitochondrien und Chloroplasten sowie in allen tierischen Mitochondrien, den Kraftwerken, die in keiner lebenden Zelle fehlen dürfen, weil sie ADP in ATP zurück verwandeln. Alle diese, der Versorgung dienenden Organellen fixieren die Elektronen und lassen die Protonen arbeiten. Auch die Bewegungen der Pflanzen werden elektrisch gesteuert, wie z.B. das tägliche Ausrichten der Köpfe der Sonnenblumen nach der Sonne -genannt Heliotropismus -wobei Motorzellen im (schwenkbaren) sog. Pulvinus reversible Drehmomente ausüben. Diese Drehmomente der Motorzellen entstehen dadurch, dass Kalium-Ionenkonzentrationen durch solare (Blaulicht-) Einstrahlung erhöht werden, die die lokalen osmotischen Zelldrücke reversibel anheben. Zuverlässig arbeitende Maschinen sind keineswegs leicht zu erfinden. Eine einmal von der Natur gefundene Lösung wird nach Kräften immer wieder eingesetzt. Uns allen ist wohlbekannt, dass Katzen ihre Mäuschen nicht tagsüber fangen, sondern nachts, wenn zumindest wir die Jagd nicht verfolgen können. Ebenfalls ist uns bekannt, dass Katzenaugen nachts (im Optischen) reflektieren, durch ihr Tapetum lucidum, eine reflektierende Schicht direkt hinter ihrer Netzhaut. Hieraus, und aus den bekannten Durchsichtigkeits-und Verkabelungseigenschaften des Katzenauges haben wir geschlossen, dass Katzen (und alle ähnlich ausgestatteten, nachtaktiven Tiere) etwa eine Oktave weiter zum Infraroten hin sehen können als wir, dafür aber deutlich schlechter im Optischen sehen, bei Tage, nur mit etwa der halben Winkelauflösung. Aufgabe des Tapetum Lucidum ist es, das äußere Auge der Katze kühl zu halten, u.a. auch durch Isolation gegenüber ihrem 37 ı C warmen Blutkreislauf, ähnlich wie bei allen technischen Infrarotempfängern. Diese Erklärung haben wir bisher noch nicht offiziell zu hören oder zu lesen bekommen. Uns allen, die wir diese Zeilen lesen, dürften die sprichwörtlichen ,Katzenaugen' bekannt sein, besonders dem nächtlichen Autofahrer, dem einmal ein Kätzchen vor die Scheinwerfer gelaufen ist: Ihre Augen strahlen ebenso hell zurück, wie sie angestrahlt werden. Dasselbe machen die Augen eines Rehs, das die nächtliche Fahrstraße quert, und wahrscheinlich die Augen aller Tiere, die bei Nacht jagen oder vor einem Raubtier fliehen können: Eule, Fuchs, Gekko, Rehwild sowie u.a. die dämmerungsaktiven: Buschbaby (Galagos), Rind, Ziege, Krokodil, Koala, Opossum, Flughund (fruit bat), Buntbarsch, See-Elefant (Pinniped), Knorpelfisch, Quastenflosser und Tiefseekrabbe, kurz: alle, die bei Nacht besser sehen können als wir Menschen, deren Augen spiegeln. Dabei handelt es sich nicht etwa nur um einen Faktor 2, oder auch 6 der registrierten Photonen, wie man bisweilen bei Zoologen lesen kann, vgl. [Yogeshwar 2008, Kap.45] , sondern eher um einen Faktor &10 5 , um die Alternative blind oder sehend. Haben Sie schon einmal junge Kätzchen in einem nachtdunklen Zimmer Fangen spielen gesehen (oder besser ,gehört'), über Sofas, Fensterbretter, Vasen und Geschirr hinweg, so schnell wie Pingpongbälle, ohne dabei auch nur einen einzigen Blumentopf umzuwerfen? Wir haben es getan, und konnten dabei nicht einmal erkennen, wo sich die Fenster, Türen oder Stühle unseres Zimmers befanden. Seit es Digitalkameras gibt, ist bekannt, dass eine einigermaßen gute Bildauflösung eine Million Pixel erfordert, entsprechend einer Winkelauflösung von mindestens 4'. Mit anderen Worten: Nachtaktive Tiere können fast so gut bei Nacht sehen wie wir bei Tage; und das bedeutet einen großen Faktor in der registrierten Photonenzahl. Wie machen sie das? Sobald wir uns einig sind, dass das nächtliche Sehen mittels der Augen erfolgt, bleibt nur noch eine Erklärung: Dunkelheitssichtige Lebewesen sehen im benachbarten Infrarotbereich, bei Wellenlängen zwischen 0,8 m und 1,6 m, s. Abb. 9.4.1. Sie sehen die (modulierte) Temperaturstrahlung warmer Körper, der ungefähren Temperatur 300 K, 20-mal kälter als die Spektraltemperatur (5754 K) unserer Sonne. Der angegebene Wellenlängenbereich liegt dann zwar im extremen Wien-Bereich der Planck-Strahlung, aber selbst dort werden noch genügend viele Photonen emittiert, um scharfe Bilder auf der Netzhaut der Dämmerungsaktiven zu erzeugen: Bei T = 300 K hat die Photonenzahldichte N ihr spektrales Maximum nahe = 10 m, mit rund 10 18 /cm 2 s emittierten Photonen pro Fläche und Zeit. Trotzdem werden (nach Wien) bei Wellenlängen unterhalb von 1 m noch 10 10 davon emittiert, d.h. 10 8 /cm 2 s. Längere Wellenlängen als 1,6 m scheiden allerdings für tierische Augen aus, weil dann das Wasser im Glaskörper und in der Linse ihres Augapfels (99 %) absorbiert. Die soeben ausgesprochenen Behauptungen über Dunkelheitssichtige werden nicht nur nahegelegt durch unzählige Beobachtungen, vor allem von Hauskatzen, die auf einmal flink werden, wenn die Nacht hereinbricht und sie ihre große Chance gegenüber den Mäuschen erinnern, oder durch Infrarotaufnahmen nächtlicher Häuser im Winter, die klar erkennen lassen, durch welche Spalten, Fenster oder sogar Wände unsere wohlige Hauswärme in die klirrende Kälte der Nacht entweicht. Unsere Behauptungen werden auch gestützt durch sorgfältige Direktuntersuchungen an Katzenaugen: Deren (im Optischen) reflektierendes ,Tapetum lucidum', welches aus Guanin-Kristallen besteht und die Netzhaut von der (weiter innen liegenden) warmen Aderhaut trennt, hat vornehmlich die Aufgabe, den Augapfel kühl zu halten: Dieses Problem kennt jeder, der einmal Präzisionsmessungen an langwelliger Strahlung gemacht hat, z.B. an der 2,725 K sog. ,kosmischen Hintergrundstrahlung', in die unser Sonnensystem eingebettet ist; dabei muss jedwede Streustrahlung der warmen Umgebung sorgfältig abgeschirmt werden. Vor allem aber: Abb. 9.4.1 Bau des Katzenauges, der ihm erlaubt, eine Oktave ins Infrarote hinein zu sehen (gegenüber dem optischen Spektrum). Diese Fähigkeit wird erzielt durch das Tapetum lucidum, eine spiegelnde und zugleich wärmeisolierende Membran hinter der Netzhaut -jedoch vor der Aderhaut -die dafür sorgt, dass das äußere Auge kühl bleibt, damit der Empfang im nahen IR störfrei(er) wird. In der Netzhaut von Katzenaugen sind Tausende von Sehzellen (horizontal) miteinander verkabelt, was ihre Trennschärfe im sichtbaren Spektralbereich schwächt, dafür aber ihre Sehschärfe im infraroten Licht der Nacht erst ermöglicht, als Mehr-Photonen-Empfänger. Wieder einmal hat sich die Hypothese bewährt, dass die Natur keine Möglichkeit ausgelassen hat, ihre Geschöpfe mit physikalisch optimalen Sinnesorganen auszustatten, jedenfalls dann, wenn es deren Existenznische vergrößern hilft. Wir Menschen haben zwar eine beeindruckende dynamische Sehfähigkeit im sichtbaren Spektralbereich, von 1 : 10 10 , nämlich wenn wir uns das eine Mal im vollen Sonnenlicht befinden, ein anderes Mal in einer dunklen Neumondnacht; aber wenn wir uns unsere Umwelt mithilfe ihrer Wärmestrahlung anschauen wollen, dann sind wir auf komplizierte IR-Kameras angewiesen. Wahrscheinlich kommt dies unserer täglichen Leistungsfähigkeit zugute; denn wenn uns des Nachts ein ähnlicher Informationsstrom zur Verfügung stünde wie des Tags im Sichtbaren, fiele uns wohl die Entscheidung noch schwerer, wann wir unserem Gehirn seine benötigte ungestörte ,Nachtruhe' gönnen sollen. Und da wir gerade bei den außeroptischen Sinnesorganen im Tierreich sind: Bereits seit Jahrzehnten ist bekannt, dass viele Schlangenarten: Nattern, Boas, Pythons, sogar die Vampir-Fledermäuse IR-sensibel sind, durch wärmeempfindliche Flecken auf ihrer Gesichtshaut, sodass sie Beutetiere in unmittelbarer Nähe ihres Mauls (.20 cm) an einer geeigneten Körperstelle beißen und/oder stechen können. Seit Kurzem ist ferner bekannt, dass nicht nur blütenbestäu-bende Insekten [Dröscher 1991 ], sondern auch einige Säugetiere UV-sichtig sind, z.B. Rentiere, winterhartes Wild, das dadurch den UV-schwarzen Polarfuchs leichter erkennt, als dunklen Punkt in der Landschaft. Bei Wikipedia lernt man ferner, dass wir Menschen als ,Trichromaten' eher die Ausnahme als die Regel darstellen im Tierreich, mit unseren drei unterschiedlichen Farbsensoren in den Zäpfchen der Netzhaut: Viele Tierarten haben dort vier (statt drei) Sensoren -die sog. ,Tetrachromaten' -wobei deren vierter Sensor empfindlich ist entweder im gelben, oder aber im ultravioletten Frequenzbereich. Zu ihnen zählen Beuteltiere, Fische, Amphibien, Reptilien und Vögel, ja sogar Spinnen und Insekten. Trichromasie scheint für uns Menschen als ausreichend empfunden worden zu sein, vielleicht, um unser großartiges Gehirn nicht durch für uns redundante Informationen übermäßig zu belasten. Immer noch offenbaren sich Nischen der Unkenntnis, die die Natur bereits vor fast einer Jahrmilliarde angelegt hat. Ormia ochracea art, dass aus ihrem Amplitudenverhältnis auf die Richtung des einfallenden Schallsignals (mindestens bis zu .1/30 im Bogenmaß) rückgeschlossen werden kann, s. Abb. 9.5.1. Um die Leistung dieses Ortungssinnes voll zu würdigen, vergleiche man ihn mit dem menschlichen Richtungshören (ähnlicher Empfindlichkeit), bei einem ungefähr 300-mal größeren Trommelfellabstand: Ormia müßte die richtungsabhängigen Phasendifferenzen seiner beiden Ohren 300-mal sensibler auslesen können als wir, d.h. mit einer Zeitauflösung im s-Bereich (statt im ms-Bereich). Diese Möglichkeit diskutieren o.g. Arbeiten sogar, nach fast zehnjähriger, sorgfältiger Beschäftigung mit diesem Phänomen, und nennen sie "temporal hyperacuity"; sie scheint uns nicht gegeben zu sein, weil sich die Messung im Milli-Periodenbereich der Schallwelle abspielen würde. Auch haben wir bereits in Abschnitt 9.1 gefunden, dass tierische Reaktionszeiten nicht schneller als mit msec erfolgen können. Immerhin erwägen obige Autoren sogar eine medizinische Anwendung dieses Phänomens, als "Ormiaphon". Einmal mehr sind wir überrascht von dem Einfallsreichtum der Natur, wie sie die scheinbar absoluten Empfindlichkeitsgrenzen akustischer Antennen um mehrere Größenordnungen ausweitet, durch Verwendung mechanisch gekoppelter Resonatoren. Wir brauchen uns dessen nicht zu schämen: Pottwale sind für ihre Tauchorgien optimal ausgestattet [Denny 1993, S.41] . Ihre großen Körper, verbunden mit der dicken, wärmeisolierenden Fettschicht unter ihrer Haut, stabilisieren ihre Innentemperatur bei einem einstündigen Abtauchmanöver in (gelegent-Abb. 9.6.1 Der Pottwal, extrem ausgestatteter Tieftaucher (unter den Meeressäugern), dessen Mahlzeiten gewöhnlich am Boden der Weltmeere auf ihn warten. Den hierfür benötigten Ab-und Aufstieg -von mehreren Kilometern Höhendifferenzkann er nahezu ohne Arbeitsleistung vollbringen, [Kundt 1998b, S. 226-227] . Er muss sich lediglich vor dem Abtauchen ausreichend abkühlen, durch längeres (.20 min), kräftiges Atmen an der Wasseroberfläche. lich) 4 ı C-kaltes Tiefenwasser auf besser als 0,1 K, ohne Nachheizen. Der ,westliche' Verwandte dieses Vogels, der Große Sturmtaucher, schafft im Jahr ,nur' 24000 km. Aber auch er beeindruckt, vor allem durch seine extreme Navigation, wenn er auf seiner Reise von Skandinavien über Island, Grönland und Neufundland, fast nur über See fliegend, mitten im Südatlantik die winzige Inselgruppe von Tristan da Cunha ansteuert, um dort mit vier Millionen Artgenossen zu nisten. Dabei ist er sich beim Anflug offenbar des rechten Weges wohl bewusst, denn er beginnt bereits auf hoher See mit der Balz, mit Imponierflügen und mit Streitereien. Ein ähnliches Navigationswunder vollbrachte vor einigen Jahrzehnten eine Brutkolonie Albatrosse im Nord-Pazifik: Als durch sie der Flugbetrieb eines neuen Fliegerhorstes der amerikanischen Marineluftwaffe auf einer der Midway-Inseln gestört wurde, ließen die Zoologen 18 erwachsene Albatrosse mit Flugzeugen 5000 km weit forttransportieren, und zwar nach allen Himmelsrichtungen: nach Kalifornien, Alaska, Japan, Neu-Guinea und Samoa. Von diesen 18 kehrten 14 Albatrosse innerhalb kurzer Zeit nach Midway zurück, der schnellste sogar schon nach zehn Tagen! Das Experiment der Zoologen war an den unerwarteten Orientierungsfähigkeiten dieser Vögel gescheitert. In diesem Abschnitt geht es uns um den magnetischen Sinn: Ob manche Tiere ihn haben oder nicht. Oder genauer gesagt: ob manche Tiere ein magnetisches Feld wahrnehmen können, oder vielleicht nur im eingeschränk- Wenn uns die extrem fahrplanmäßigen Weltreisen der Zugtiere also ins Staunen versetzen, so sollten wir uns Gedanken machen, welche Sinne ihnen dafür zur Verfügung stehen. Hier dürfte gleich nach dem gewöhnlichen Sehen ihre Infrarot-(Wärme-) Sehfähigkeit an zweiter Stelle stehen, vgl. 9.4: Ein Vogel, der aus einigen Kilometern Höhe auf die Erde hinabschaut, kann bereits optisch ihre Meridiankreise erkennen, während der morgendlichen und abendlichen Dämmerungen, als Schattengrenzen, und ihre Breitenkreise im nahen Infrarot, als Streifen mehr oder weniger einheitlicher Temperatur, die durch die unterschiedlich starke Sonneneinstrahlung beinahe monoton variiert. Auch können sich IR-sichtige Tiere hervorragend bei Nacht orientieren. IR-Sichtigkeit dürfte auch unentbehrlich sein für die meisten Tiefseetiere, selbst wenn dort unten ein Großteil der ,Ansässigen' sichtbares, (ziemlich) ,kaltes' Licht ausstrahlen, ausgesandt von Luciferin bei Anwesenheit von Luciferase, ,gezündet' durch Acetylcholin, und energetisiert durch ATP (s. 9.1). Auch in den finsteren Meerestiefen haben fast alle Tiere Augen, und wissen sie zu nutzen. Ein dritter, oft ausschlaggebender Sinn für zielsichere Ortsveränderung ist der Geruchssinn. Er führt nicht nur zur Futterstätte, sondern in vielen Fällen auch zum Ehepartner, nah oder fern. So findet z.B. das Seidenspinnermännchen -mit seinen großen Duftantennen -sein Weibchen in der Regel über viele km (!) hinweg im direkten Anflug. Ameisen markieren ihre ,Straßen' mit unterschiedlichen Düften verschiedener Kurzlebigkeit. Vor allem aber finden ausgewachsene Lachse nach ihren (bis zu) sieben Wanderjahren durch die Weltmeere (mit Schwerpunkt Sargassosee) anschließend in die Flussmündungen zurück, aus denen sie einst ausgeschwärmt waren, Jahr für Jahr, fast auf den Tag genau, um gleich danach stromauf zu ihrem Geburtstümpel zu hasten, zum Laichen; in Kanada, Europa oder Asien. Bis zu 100 Millionen Lachse treffen -bzw. trafen -dafür alljährlich in den größeren Flussmündungen ein, um dann zwei bis drei Wochen lang flussauf zu stürmen, nonstop bei Tag und Nacht, ohne Nahrungsaufnahme, mit Durchschnittsgeschwindigkeiten von 4 km/h, bis sie das Quellgewässer ihrer ersten Jugendmonate erreicht haben. Aufwändige Experimente mit Plombierungen haben erwiesen, dass diese sportliche und geografische Höchstleistung der Lachse durch ihren Geruchssinn gesteuert wird, der ihnen bei jeder Flussverzweigung sagt, wo es längs geht. Offenbar sehnen sie sich kompromisslos nach der spezifischen Duftmischung ihres Geburtsgewässers, die keine Mehrdeutigkeiten kennt. Ähnliche, jedoch deutlich unterschiedliche Höchstleistungen beim Weltenbummeln vollbringen die Aale, deren Geruchssinn ähnlich sensibel ist wie derjenige der Lachse. Sie werden in der tangreichen Sargassosee geboren, von wo aus sie sich drei Jahre lang treiben lassen, um amerikanische oder europäische Flussmündungen zu erreichen, als 7 cm kleine Glasaale. Dort beginnen sie im Frühjahr den Aufstieg in die (Süßwasser-) Flüsse und klettern z.B. längs des Rheins auf Schweizer Gebirgshöhen bis zu 3000 m. In diesen Binnen- Doch zurück zur zentralen Fragestellung dieses Abschnitts: Haben (vor allem) die Zugtiere einen magnetischen Sinn? Oder genügen optisches und Wärme-Sehen, Geruch und Temperaturfühligkeit, akustisches Echolot (mittels Ultraschall, z.B. bei Fledermäusen, fliegenden Hunden, Robben und Walen) und Erkennen der linearen Polarisation des Himmelslichts (bei den Bienen, Wespen, Hummeln, Ameisen und Fliegen, bei Raupen, Käfern und Spinnen, ja sogar bei Kraken und Tintenfischen), um alle Navigationswunder im Tierreich zu erklären? Wie finden denn die Weddell-Robben unter dem 3 m dicken Packeis zu ihren Jungen zurück, in die selbstgebauten Eishöhlen, nach ihren &30-km weiten Unterwasser-Fischzügen? Fragen über Fragen. Eine zuverlässige Antwort fällt uns schwer, trotz der vielen, aufwändigen Beobachtungen und Experimente der Zoologen. Immerhin scheint uns der Sinn für die Lorentzkraft bestenfalls eine untergeordnete Rolle zu spielen, in Anbetracht der vielen anderen Sinne, die im Tierreich hervorragend ausgebildet und z.T. noch gar nicht erschöpfend untersucht sind. "Absence of evidence is not evidence of absence", lautet ein englischer Spruch. Känguruhs haben eine recht seltene und begehrenswerte Fähigkeit: Wenn es darauf ankommt, ihr Kind vor einem Fressfeind zu schützen, können sie trotz der Mehrbelastung in ihrem Beutel ebenso schnell fliehen wie mit leerem Beutel. Ihnen hilft dabei ein elastischer Energiespeicher irgendwo in ihrer unteren Körperhälfte, aber wo genau? In der Literatur gibt es konkrete Vorschläge für einen solchen Energiespeicher, der (kinetische) Fallenergie partiell in Sprungenergie zurück- Känguruhs begeistern den Tierliebhaber durch ihre ausgefallene Fortbewegungsart, die ihnen problemlos Silber bis Gold bei jeder Tierolympiade einbringen würde, mit bis zu 13,50 m beim Weitsprung, und mit Sprunghöhen von 3,30 m; lediglich der Weißwedelhirsch hat es schon einen knappen Meter weiter geschafft. Känguruhs sind wehrhaft, durch ihre kräftigen Beine, scharfen Krallen und ihren starken, langen Schwanz, der u.a. ihrer Stabilisierung dient, beim Hocken wie auch beim Springen. Es gibt Känguruhs in den verschiedensten Größen, von Rattenformat bis zu menschlichen Ausmaßen, wobei die mittelgroßen auch ,Wallabys' genannt werden, und die größten ,Riesen-Känguruhs', oder ,Makropodidae'; auch baumbewohnende Känguruhs gibt es. Die meisten von ihnen sind anspruchslose Pflanzenfresser und kommen mit sehr wenig Wasser aus. Ihre Babys sind bei der Geburt extrem winzig, wiegen .1 g, über 30000-mal leichter als ihre Mütter, sind daher monatelang auf die anschließende mütterliche Bauchtasche angewiesen. Doch die vermutlich einzigartige Veranlagung der Känguruhs im gesamten Tierreich ist ihre Fähigkeit, ihre Hüpfgeschwindigkeit in einem gewissen Gewichtsbereich steigern zu können ohne Mehraufwendung von Kräften, bei konstantem Sauerstoffverbrauch. Diese Fähigkeit, sich deutlich schneller fortbewegen zu können bei gleichbleibender (metabolischer) Leistung, oder sich gleichschnell fortbewegen zu können bei erheblicher Zusatzbelastung ohne Mehraufwand an Kräften, erstreckt sich über einen Übergewichtsbereich von 0 % bis .20 % und hilft insbesondere einer Känguruhmutter, ohne oder mit einem Säugling im Bauchbeutel gleichschnell hopsen zu können, während ihrer fast achtmonatigen Tragezeit. Elastische Energiespeicherung beim Sprung ermöglicht dies, im günstigen Arbeitsbereich. Die Fähigkeit teilweise elastischer Fortbewegung hat man bisweilen auch anderen Huftieren zugesprochen, z.B. Rennpferden, sogar auch den Frauen der Luo-und Kikuyu-Stämme in Kenya, vielleicht auch Hasen beim Hakenschlagen; aber uns fehlen z.Z. überzeugende Daten, um dies prüfen zu können. Insbesondere im schnellen Nach-vorn-Schleudern der Vorderbeine -eigentlich der ,Hände' -galoppierender Rennpferde, wie es in Nature 421, 35-36 (2003) behauptet wird, sehen wir eher einen Rechenfehler als die Notwendigkeit elastischer Energieversorgung: Solche Leistungen lassen sich mit denjenigen Elfmeter-schießender Fußballerbeine oder ausschlagender Pferde oder Giraffen vergleichen, die bislang mittels normaler Muskeltätigkeit verstanden worden sind. Bei den Wallabys überzeugen uns nicht nur die Beobachtungen der Einheimischen, dass Mütter mit oder ohne nahezu erwachsenem Säugling im Beutel ähnlich leicht einem Verfolger entkommen, sondern vor allem die in Baudinette & Biewener [1998] beschriebenen Tretmühlenexperimente an zahmen Tieren mit vorgehaltener (durchsichtiger) Durchflussmaske zur Messung der absorbierten Sauerstoffrate, wobei letztere bei veränderlicher Belastung (und konstanter Sprungrate) konstant bleibt, während die Muskel-und Sehnenspannungen mit zunehmender Belastung anwachsen. Dabei verlängert sich zugleich die Dauer der Bodenberührung pro Sprungperiode durch die beiden Füße: Die Füße arbeiten zunehmend länger (pro Sprung) und stärker, bei der Inversion der Fallbewegung und zugleich Aufrechterhaltung der Horizontalgeschwindigkeit. Hierbei, so kann man sogar neuerlich bei Wikipedia (als ,Lehrbuchwissen' des 21. Jahrhunderts) nachlesen, speichern die drei oder mehr Sehnen (tendons) der Hinterhand periodisch einen signifikanten Anteil der Fallenergie elastisch, geben ihn also gleich anschließend wieder ab an die nächste Aufwärtsbewegung, s. Abb. 9.8.1. Nein: Bei der letzten Aussage ist die moderne Physik auf Abwege geraten, behaupten wir. Denn der angebliche elastische Energiespeicher muss u.a. die folgenden drei notwendigen Bedingungen erfüllen, die offenbar in der umfangreichen Literatur übersehen worden sind: Erstens muss er in Resonanz mit dem Antrieb arbeiten, d.h., Aufnahme und Rückgabe der Fallenergie müssen während des Zeitintervalls t starker Bodenberührung erfolgen, welches gegeben ist durch den freien Fall im irdischen Schwerefeld g mit der Periode P, und durch die Fußhöhe h des Springers, als t = 2h/gP = einige Zehntelsekunden (für h im Dezimeterbereich und P in Bruchteilen einer Sekunde), entsprechend einer Arbeitsfrequenz := 1/ t von einigen Hertz. Sehnen sind aber fast unausdehnbar und massearm: Sie haben Resonanzfrequenzen = p E/%/2 l im kHz-Bereich, wobei E = Elastizitätsmodul der Sehnen Ð1GPa = 10 4 bar = 10 10 dyn/cm 2 , = deren Massendichte Ð 1g/cm 3 und l = typische Länge Ð einige cm, nämlich das geometrische Mittel aus der Länge der Sehne und ihrer Mehrausdehnung. Sehnen reagieren also rund 10 3 -mal zu schnell, um als Speicher infrage zu kommen; Wikipedia gibt eine fehlweisende Auskunft. Zweitens muss der gesuchte Energiespeicher der Wallabys massereich genug sein, um einen signifikanten Bruchteil der Fallenergie des springenden Tieres periodisch zu speichern, (jeweils während Sekundenbruchteilen). Da er naturgemäß viel leichter ist als das ganze Tier, muss er entsprechend robuster sein, d.h. schwer verformbar, ohne dabei die erste (Resonanz-) Forderung zu verletzen, d.h. zu schnell zu reagieren; uns kommt so etwas wie Hartgummi in den Sinn, oder wie ein Flummi. Sitzt er nahe bei der Ferse, nahe beim Knie, oder nahe bei der Hüfte? Die Autoren im Journal of Experimental Biology 201, 198, 1829-1841 (1995) . 1681-1694 (1998) lassen die letzte dieser drei Möglichkeiten ganz außer acht; in ihrer Figur 2B fällt der starke, spindelförmige Muskel Plantaris (PL, zwischen Ferse und Knie) besonders ins Auge, der menschlichen Wade analog, hier aber offenbar aus drei Teilmuskeln bestehend. Hat PL vielleicht die singuläre Eigenschaft, dass er bei Zugbelastung (reversibel) schlanker wird, wie gedehnte Gummibänder, d.h. in seinem ganzen Inneren Verformungsenergie elastisch speichert? Er wäre dann viel leichter verformbar als die Sehnen, u.a. weil transversal, jedoch mit viel größerem Volumen, und mit viel langsamerer Reaktionszeit, mit einer 10 6 -mal geringeren Transversalspannung xz als (effektivem) Elastizitätsmodul E in obiger Formel für . Diese Deutung würde zugleich den in der o.g. Arbeit zitierten Bedenken von R.I.Griffiths recht geben, dass die Sehnen als Speicher ungeeignet seien, weil sie in Serie mit (weicheren) Muskeln arbeiten. Ferner greift PL (vernünftigerweise) am Überbein des Fußes an, mit vergrößertem Hebelarm (gegenüber dem Muskel FDL), also mit viel größerem Verformungsweg. Schließlich würde unsere neue Deutung die eigenartigen Messkurven der Figuren 6 bis 8 sowie 3 (in o.g. Arbeit) verständlich machen, in denen die Muskelkraft von PL um Größenordnungen variiert, bei nahezu konstanter Muskellänge: Die Muskelfasern dehnen sich zwar aus mit wachsender Zugkraft, aber nur gerade so sehr, wie es die zunehmende Entfernung zum Ende des Überbeins bei zunehmend tieferer Kniebeuge verlangt. Ist vielleicht das hochelastische Muskelprotein ,Titin' involviert, vgl. Nature 465, 44-45 (2010) ? Noch eine dritte Forderung ergeht an den bislang einzigartigen Energiespeicher der Känguruhs: Er soll periodisch Fallenergie in Sprungenergie umwandeln, d.h. die Vertikalkomponente ihrer Bewegungsenergie periodisch spiegeln, wie der gelegentlich von Kindern geschätzte Pogo-Sprungstab, bei dem die Füße des Springers auf Pedalen stehen, die eine seinen Stab umfangende spiralige Metallfeder periodisch ausdehnen und sogleich sich wieder zusammenziehen lassen, wobei dann die Feder ihn hochwirft. Hierfür muss der Speicher nicht nur massereich und langsam genug sein, sondern muss außerdem auf die Beinknochen einwirken, sollte also anatomisch bestens erkennbar sein. Andererseits sollte sein Gewicht keinen störenden Ballast für das Tier darstellen. Wir haben bereits die Sehnen ausgeschlossen, als zu fest und zu leicht. Wir haben die PL-Muskeln verdächtigt, entgegen der Deutung ihrer Vermesser, weil sie allen primären physikalischen Anforderungen genügen. Daher kommt unseres Erachtens nur mehr eine einzige weitere Komponente ihres Bewegungsapparates in Betracht: ihre Knochen. Sind sie biegsam und elastisch genug, mit der Frequenz einiger Hertz? Falls "Ja", dann könnten sie Ähnliches vollbringen wie der Glasfiberstab eines Stabhochspringers. Haben eventuell die Frauen der Luo-und Kikuyu-Stämme Knochen mit solchen Eigenschaften? Bislang sind uns derartig elastisch verbiegbare Knochen nicht bekannt. Deshalb geben wir der sonderbaren PL-Muskelgruppe der Wallabys den Vorzug, als resonantem Energie-Speicher, dicht unterhalb ihrer Knie. Es gibt im Tierreich auch noch eine andere Art der Energiewandlung, von potenzieller in kinetische Energie: bei den Grashüpfern, Flöhen und Schnellkäfern (Schaumzikaden, froghoppers, spittle bugs), deren Beschleunigungen beim Absprung das 8-Fache, &200-Fache, bzw. &400-Fache der Gravitationsbeschleunigung g betragen. Sie speichern ihre Sprungenergie in elastischen Hornschalen oder Häuten, die sie vor dem geplanten Exkurs anspannen. Zum Vergleich: Wir Menschen nehmen gewöhnlich bereits Schaden bei Beschleunigungen (Unfällen) mit mehr als 6 g ! Viele Überlegungen dieser Art finden sich in dem reichlich bebilderten Buch von McMahon & Bonner [1985] . Was ist Intelligenz? Tiere haben Gehirne, die ihr Verhalten steuern. Unser menschliches Gehirn, (1,4˙0,2) kg schwer, ist wohl das bestausgestattete Gehirn aller Lebewesen, mit seinen 10 10;6 Neuronen und deren &10 14;3 Synapsen, dicht gefolgt vom Gehirn der Delphine, dann von dem der Menschenaffen, Paviane (baboons), Elefanten, Krähen und Papageien. (Die genaue Kapazität des menschlichen Gehirns ist sehr unsicher, ist auch schon mit &10 17 synaptischen Speicherplätzen angegeben worden). Als ein grobes quantitatives Maß für die Leistungsfähigkeit eines Gehirns hat sich sein ,Enzephalisations-Quotient' (EQ) herausgestellt, das ist die Größe M(G)/M(K) 2=3 dividiert durch ihren Mittelwert Ð 10 2 kg 1=3 für alle erfassten Wirbeltiere, wobei M(G) und M(K) ihre jeweilige ,Gehirn'-bzw. ,Körper'-Masse bedeuten [McMahon & Bonner 1985 , Güntürkün 2008 . D.h., man hat herausgefunden, durch doppelt logarithmisches Auftragen des Gehirngewichts gegen das Körpergewicht für 200 (neuerdings 3700) verschiedene Tierarten, dass die Gehirnmasse eines Tieres ungefähr wie die 2/3te Potenz seiner Körpermasse anwächst -kleine Tiere haben kleine Gehirnmassen, große Tiere große -wobei selbst einige Gramm leichte Tiere noch immer zehnmal schwerer sind als ihr Gehirn, während das schwerste aller Tiere, der Blauwal mit seinen .140 Tonnen, über ein Gehirn von (nur) & 6 kg verfügt. Darüber hinaus hat man aber bemerkt, dass seine Masse allein nicht die Leistungsfähigkeit eines Gehirns misst, eher schon die Stärke der Abweichung des Quotienten M(G)/M(K) 2=3 von seinem oben angegebenen Mittelwert, und betrachtet die oben definierte Größe EQ als ein dimensionsloses, brauchbares Maß für die durchschnittliche Intelligenz eines Lebewesens. Männer haben schwerere Gehirne als Frauen, aber (im Mittel) gleiche EQ-Werte. EQ variiert bei den Wirbeltieren zwischen . 8 und & 0,02 , mit Homo sapiens an der Spitze, und mit Alligatoren und Aalen nahe dem unteren Rand der Verteilung, s. Abb. 9.9.1. Hiernach wurde der Delphin erst vor 1,5 Millionen Jahren von Hominiden in seiner geistigen Führungsrolle auf unserem Planeten abgelöst [Morris 2005 ]. Funktioniert unser Gehirn so ähnlich wie ein Computer, d.h. wie eine elektronische Rechenmaschine? Oft hat man Gehirne vereinfachend als ,neuronale Netze' bezeichnet. Aber Jeff Hawkins [2005] hat auf diese Frage bereits vor über 30 Jahren mit einem deutlichen "Nein" geantwortet: Gehirne sind intelligent, im Gegensatz zu Computern. Ermutigt worden war er in seiner Passion, die Arbeitsweise des menschlichen Gehirns zu verstehen, u.a. durch Francis Crick, dem einen der beiden mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Entschlüsseler der DNS und zugleich einem der Autoren der Septemberausgabe 1979 von Scientific American über das Gehirn, der dort schrieb: "What is conspi-cuously lacking is a broad framework of ideas". Oder auch, mit den Worten von Jeff Hawkins: "We don't have a clue how this thing works". Immerhin war Hawkins damals schon klar, dass das Gehirn ganz anders funktioniert als ein Computer, als ,künstliche Intelligenz' (artificial intelligence, AI): AI wird programmiert, während das Gehirn selbst lernt. AI kann nur fehlerfrei oder gar nicht arbeiten, während das Gehirn flexibel und fehlerverzeihend vorgeht. Und: AI hat einen zentralen Prozessor, im Gehirn gibt es keine zentrale Kontrolle. Dabei ähneln die Speicherkapazitäten der (gegenwärtigen) leistungsfähigen Computer denjenigen der menschlichen Gehirne: TeraByte-Speicher entsprechen 10 14;4 -stelligen Zahlen, wir denken mit 10 14;3 Synapsen. In vielen Fähigkeiten ist das Gehirn einem Computer haushoch überlegen, z.B. im Erlernen von Sprachen, im Suchen nach versteckten Strukturen (z.B. in Vexierrätseln), im Erkennen von Gesten, im Heraushorchen eines einzigen Gesprächs inmitten einer lebhaft plaudernden Gesellschaft, oder im Beherrschen komplizierter Motorik, z.B. beim Radfahren, Jonglieren, bei schnellen Ballspielen. Das Gehirn ist überlegen, obwohl seine Synapsen nur alle 5 msec feuern, statt alle nsec, wie die Einzeloperationen in einem Computer, d.h. mehrmillionenfach langsamer arbeiten als moderne Elektronik; es ist überlegen durch seine große Redundanz und durch seine Fähigkeit, in die Zukunft zu extrapolieren. Auch kann sich das Gehirn eines betagten Menschen an erstaunlich viele Dinge und Geschehnisse aus seinem Leben erinnern, oft mit verblüffendem Detailwissen, obwohl seine 10 14;3 Synapsen keineswegs ausreichen, alles Gesehene, Gehörte, Gerochene, Geschmeckte, Gefühlte, Empfundene, Getane mit hinreichender Zeitauflösung abrufbar zu speichern; es kann sich nur leisten, geeignet reduzierte Informationen zu speichern. Hawkins spricht von "invarianter Form", in der "Folgen von Mustern" gespeichert werden, die "auto-assoziative Erinnerungen" erlauben, z.B. von Verwandten, Freunden, Wohnungen, Gärten, Landschaften, Arbeitsstätten und deren Verkehrsverbindungen, sowie den täglichen Routinetätigkeiten des Kochens, Essens und Trinkens, Waschens, Tränkens und Fütterns, von denen wir viele nahezu unterbewusst verrichten. Die invarianten Fakten werden täglich auf den neuesten Stand gebracht, in invarianter Form gespeichert; dafür braucht das Gehirn Ungestörtheit, dafür müssen wir schlafen. Unfälle haben gezeigt, dass dem Gedächtnis Informationen über Geschehnisse verlorengehen können, die sich oft nur einige Sekunden, oft auch etwa eine Stunde, oder in einem Fall gar mehrere Tage vor dem Unfall ereignet hatten; sie waren offenbar zur Zeit des Unfalls noch nicht dauerhaft invariant weggespeichert worden. Und welche Rolle spielt beim Schlafen das Träumen, Hilfestellung oder Ballast? Allmählich mag sich der aufmerksame Leser fragen, wo denn im vorliegenden Abschnitt die Physik auf Abwege gerät. Nein, beim Gehirn befinden wir uns z.Z. noch im weglosen Frontgebiet der Forschung, im Durcheinander sich schlängelnder Trampelpfade ins unbekannte Dickicht. Immerhin dürfte dieser Fragenkreis zu den wichtigsten überhaupt in der Biophysik dieses Jahrhunderts zählen, wo jede bescheidene neue Teileinsicht willkommen ist. Deshalb stört es uns im Nachherein, dass Hawkins Forschungsanträge zu diesem Thema im Jahre 1980 -auf seinem Weg ins Neuland -sowohl von Intel als auch am MIT abgewiesen wurden mit den Begründungen, dass sie "didn't believe it would be possible to figure out how the brain works in the foreseeable future" bzw. dass sie "didn't believe that you needed to study real brains to understand intelligence and build intelligent machines". Unsere Computer von heute führen genau die Operationen aus, für die wir sie programmieren, nichts darüber hinaus; sie sind grundsätzlich nicht ,intelligent'. Hingegen hat ein Gehirn offenbar die Fähigkeit, neue Einsichten zu gewinnen, wie es die großen Forscher der Vergangenheit demonstriert haben. Ein Gehirn hat die Fähigkeit zur Vorhersage. Das menschliche Gehirn ist offenbar strukturreich genug, um im physikalischen Sinne Bewusstsein, Vorstellungskraft, Realität, Selbsterkenntnis, Geist, Instinkt und Seele seines Besitzers zu realisieren. Unser Handeln ist zielorientiert. Falls es gelänge, eine Maschine zu bauen, die wesentliche Eigenschaften des Gehirns imitieren kann, so sollte diese Maschine intelligente Eigenschaften haben. Das Ziel ist also klar. Und wie bewältigt das Gehirn diese Aufgaben? Wegweisend sind die Sonderfälle eines Erik Weihenmayer, ein Spitzensportler aus Colorado, der im Alter von 13 Jahren erblindete und trotzdem als Erwachsener (im Jahre 2002) den Gipfel des Mount Everest erstieg, als Blinder. Er lernte im Jahr darauf ein zweites Mal das Sehen, durch eine auf seine Stirn geschnallte Kamera und einen Chip auf seiner Zunge, der das von der Kamera eintreffende Bild in ein mechanisches Druckbild übersetzte. Sein Gehirn registrierte nach kurzer Zeit die mechanischen Muster auf seiner Zunge in ähnlicher Weise wie die elektrochemischen Muster seiner Augen in seiner Kindheit es getan hatten. So flexibel kann ein Gehirn arbeiten! Inzwischen ist er Profibergsteiger und Freund des blind geborenen Lienzer Andy Holzer, einem nicht weniger talentierten Bergsteiger, in dessen (alleiniger) Begleitung er u.a. (im Jahre 2006, in den Dolomiten) die "Südrampe" am Roten Turm bestieg. Ein drittes Beispiel dieser Art menschlicher Extremleistungen ist Helen Keller, ein Mädchen, das blind und taub geboren wurde, dennoch eine Sprache erlernte und eine erfolgreiche Schriftstellerin wurde. Aus solchen und unzähligen weiteren (gesammelten) Beobachtungen schließt Hawkins, dass das Gehirn ein außerordentlich flexibles Organ ist, dem es in seinen Eingangsbereichen (genannt ,Lage 1') ständig möglich ist, mehrere Millionen verschiedener, gleichzeitig einlaufender Signale zu empfangen und sortiert weiterzuleiten, aus Augen, Ohren, Nase, Mund und allen (weiteren) Sinnesorganen, dazu alle motorischen Signale über Gestalt und Bewegung des Körpers, dem es angehört, derart, dass hier wenig später -gemessen in Millisekunden -eine Vorhersage eintrifft, von den sechs ,höheren Lagen', die mit den neu einlaufenden Signalen (Fakten) verglichen und sogleich zu neuen, verbesserten motorischen Anweisungen verwendet werden. Man denke z.B. an einen Boxkampf, wo es in jedem Augenblick darauf ankommt, optimale, hochaktuelle Bewegungen auszuführen, in Abhängigkeit von den Bewegungen des Gegenübers. Bei diesem iterierten Vorhersage-Fakten-Aktualisierungs-Zyklus erfolgen beständige Rücksprachen der Großhirnrinde (Neocortex) mit dem Thalamus, den Basal-Ganglien, dem Cerebellum und dem Hippocampus, die es noch genauer zu verstehen gilt. Aufschlussreich für die Arbeitsweise des menschlichen Gehirns ist dabei vor allem die Aufbereitung optischer Signale auf der Netzhaut der beiden Augen, wo die von 130 Millionen erregbarer Nervenleitungen empfangene Bildinformation in nur eine einzige Million solcher Stränge projiziert wird, die dann gebündelt im Sehnerv zum Gehirn weitergeleitet werden, wo deren Auswertung ca 135 Millisekunden in Anspruch nimmt. Wir erfahren unsere Umwelt daher stets nur eingeschränkt und mit etwa einer Zehntelsekunde Verspätung, was unser Gehirn durch eine zukunftsorientierte Extrapolation um 6 Millisekunden (partiell) auszugleichen versucht, um uns das Verfolgen schnell ablaufender Vorgänge nach Kräften zu erleichtern oder überhaupt erst zu ermöglichen. Darüber hinaus führen unsere Augäpfel beständig Zitterbewegungen (saccades) aus, dreimal pro Sekunde -die wir gar nicht bewusst erleben -während deren sie variable, selektive Bildausschnitte anvisieren, um .10 Bogenminuten seitlich versetzt, zur dynamischeren Bildanalyse. Augen von Fröschen, welche sich wegen ihres kleineren Gehirns solch eine Zitterbewegung nicht leisten können, sehen ihre Umgebung viel eintöniger als wir, behaupten die Zoologen; dafür entgeht ihnen nur selten ein Insekt, dessen Flugbahn sich unbeabsichtigt ihrem Maul nähert. Die soeben besprochene Zitterbewegung unserer Augäpfel darf übrigens nicht verwechselt werden mit unserem Blinzeln, dem regelmäßigen Schließen oder beinahe Schließen unserer Augenlider, etwa 15-mal pro Minute, jeweils eine Viertelsekunde lang, je nach Stärke unserer Konzentration. Das Blinzeln dient wohl hauptsächlich der Spülung; es findet über 10-mal seltener statt als die Zitterbewegung, offenbar komplementär (auf Lücke) dazu. Augen wollen beständig gewartet werden. Doch zurück zu den Funktionen des Gehirns. Ist ,Instinkt' eine Teilstruktur davon? Oder wird ein Gehirn ohne jegliche Anfangsinformation geboren? Bekommen z.B. Zugvögel, wie die Glanzkuckucke, ihre Wanderroute (von Neuseeland über die Ostküste Australiens zum Bismarck-Archipel) über ihre Gene mitgeteilt -sodass sie einen Monat nach ihren Eltern entlang der gleichen Route fliegen wie diese, ohne sie überhaupt kennengelernt zu haben -oder lediglich als eine Art Fernweh, in Gestalt allgemeiner Verhaltensmuster? Sollten tierische (und menschliche) Verhaltensweisen nicht vielmehr gesteuert sein durch Bedürfnisse, Düfte, Verlockungen, statt durch ererbte, starre Klischees? Oft schließen die Zoologen bei Instinkten auf vererbliche Fähigkeiten, statt auf noch unbekannte Sinne; auch gibt es Gegenbeispiele, bei denen sich junge Zugvögel anders verhalten als ihre älteren Verwandten. Dröscher [1991] nennt Beispiele, bei denen Bienen oder Ameisen mit außergewöhnlichen Problemen konfrontiert wurden, die sie in klarer Erkennung der Situation zielstrebig kollektiv lösten. Und wie schafft es eine neugeborene Giraffe, bereits wenige Minuten nach ihrer Geburt einer hungrigen Löwin davonzulaufen, sobald sie die offene Steppe erreicht hat? Und wie gelingt es dem neugeborenen, weniger als grammschweren Känguruhbaby, ohne mütterliche Hilfe in deren Bauchbeutel zu klettern und sich an einer ihrer vier Zitzen festzusaugen? Lernt das Gehirn bereits im Uterus? Vielleicht. Vor allem aber sollten wir nicht übersehen, dass sich selbst in uns ausgewachsenen Menschen fortlaufend Prozesse abspielen, die wir weder erlernt noch verbessert haben, die uns vom ersten Atemzug an bedingungslos zur Verfügung standen: Herzschlag, Atmung, Verdauung, Temperaturregelung (durch ,Gänsehaut' oder Schwitzen), Schlafen. Bereits der Säugling macht von ihnen Gebrauch. Diese Prozesse werden gesteuert durch ,unterbewusste' Sinne; wir brauchen sie nicht zu erlernen, auch nicht zu aktualisieren, oder gar zu intensivieren. Sie dienen uns automatisch. Wahrscheinlich haben die unterbewussten Sinne (ebenfalls) ihre festen Plätze im Gehirn, verschieden von den bewussten Sinnen wie auch von den sog. Instinkten, die es wahrscheinlich gar nicht gibt. Vielleicht sind die recht unterschiedlichen Fähigkeiten der verschiedenen Tiere, und insbesondere ihrer Säuglinge, vollständig zu begreifen als unterschiedliche Aufteilungen zwischen bewussten und unterbewussten Fähigkeiten, vor allem bei den ganz jungen Lebewesen. Das Gehirn besser zu verstehen erscheint uns eine große physikalische Herausforderung, eine lohnende, wahrscheinlich lösbare und umsetzbare wissenschaftliche Aufgabe. Ist ein erster Schritt in diese Richtung bereits getan [Strukov 2011]? Zwei weitere mögliche Zugänge zum Verständnis der Arbeitsweise unseres Gehirns sollten nicht unerwähnt bleiben: 1) die extremen Inselbegabungen einiger seltener Individuen -im Amerikanischen ,Savants' genannt -riesige Datenmengen schnell und fehlerfrei speichern zu können: wie z.B. den Inhalt von (Telefon-) Büchern, den Anblick von Städten, vielstellige Ergebnisse langer Rechnungen, nur einmal gehörte Musikstücke, neue Sprachen (binnen weniger Tage), die genauen Formen nur einmal gesehener Tiere, eine auf die Sekunde genau ablesbare innere Uhr, oder den Verlauf aller Tage ihres bisherigen Lebens. Oft handelt es sich bei solchen individuellen Sonderbegabungen um Autisten, die Schwierigkeiten mit den meisten alltäglichen Tätigkeiten haben. (Die ,gewöhnlichen Autisten' treten mit einer Wahrscheinlichkeit von &1 % auf, sind also keineswegs selten). Vor allem die Savanten demonstrieren, dass das menschliche Gehirn in Ausnahmefällen die Fähigkeit fehlerfreier Speicherung oder auch Verarbeitung großer Datenmengen besitzt, vergleichbar einem maschinell gefertigten Computer, meist auf Kosten elementarer, sozialer Beziehungen. Zwar besteht im menschlichen Normalfall die auffällige Tendenz zu gelegentlichen Fehlerinnerungen und Fehlleistungen: ,Irren ist menschlich'; sie ist aber offenbar nicht unumgänglich. Falls die kleine Statistik von nur etwa 50 bekannten Fällen auf der ganzen Erde nicht fehlleitet, zurückgehend bis ins 18. Jahrhundert, so handelt es sich bei diesen Savanten fast immer, aber nicht ausschließlich um männliche, oft mit stark beschädigter linker Hirnhälfte; sind zwei gesunde Hirnhälften notwendig für das normale Verhalten des Gehirns, oder zumindest eine intakte linke Hälfte? Fehlt den extremen Autisten vielleicht die Fähigkeit ihrer Gehirne zur Reduktion, bei der die volle Information schnell wieder gelöscht wird, zugunsten von nur stark projizierter, invarianter Information? Wobei sich mit zunehmender Reduktion -und anschließender Rekonstruktion -dann auch die Fehleranfälligkeiten häufen, zugleich aber auch die Fähigkeiten zu Fantasie und Inspiration, zu Ideenreichtum. Haben normalveranlagte Menschen daher (noch) leistungsfähigere Gehirne als Savanten, bei geeigneter Bewertung? Und hier der zweite Zugang: 2) Alle Tiere haben Gehirne, wie bereits eingangs beim EQ erwähnt, vom 10 2 Tonnen schweren Blauwal oder Elefanten bis hinab zur Biene und zur Ðmg leichten Ameise, wobei uns vor allem die hochgradig geordneten, kollaborativen Leistungen der diversen Bienen-und Ameisenvölker beeindrucken, bei bis zu 10 11 -fach geringeren Körpermassen (als die Giganten), entsprechend bis zu 10 7 -fach geringeren Gehirnmassen (bei ähnlichem EQ). Immer wieder faszinieren die unterschiedlichen Verhaltensweisen und athletischen Rekordleistungen der verschiedensten Tiergruppen, die sich keineswegs einfach auf die Synapsenzahl ihrer Gehirne zurückführen lassen. Immerhin reagieren kleinere Lebewesen (z.B. Fliegen) bekanntlich schneller als größere (Menschen, oder gar Elefanten) auf drohende Gefahren. Aber ganz unabhängig von dem, was in manchen Büchern behauptet wird: Wie können einige biologische Spezies durch eine Katastrophe binnen Tagen komplett weltweit aussterben -vielleicht auch nur binnen Jahrhunderttausenden -während andere Spezies überleben? Und warum stirbt dabei jeweils nur ein gewisser Teil aller Arten, nicht nur ganz wenige, oder aber gleich alle? Können nicht ganze Arten von Tieren oder Pflanzen binnen wenigen friedvollen Jahrhunderten aussterben, lediglich weil sie gefressen werden, oder weil ihre Nahrung knapp wird, weil eine Seuche wütet, oder weil sich die Klimabedingungen zu ihren Ungunsten entwickeln?! Katastrophen töten Individuen, nicht Arten. Artensterben hat, unserer Meinung nach, überhaupt nichts mit Katastrophen zu tun. Die großen historischen Katastrophen korrelieren nicht -in ihrer Anzahl und/oder in ihren Zeitpunkten -mit den großen registrierten Artensterben. Das englische Wort ,mass extinctions' ist missverständlich geprägt worden, ,extinctions of species' wäre besser gewesen. Lokale Massensterben korrelieren mit Katastrophen, Artensterben jedoch nicht. Artensterben gehen einher mit langsamen, quasi friedvollen Veränderungen der Lebens-und Koexistenzbedingungen, wobei neuerdings Homo sapiens kräftig mithilft. Sie charakterisieren das Phänomen der biologischen Evolution, auf das wir im kommenden Abschnitt näher eingehen möchten. Wir kommen zur Schöpfungsgeschichte: Entstand das Leben auf der Erde während der vertrauten biblischen sieben Tage? Oder nahm sich Charles Robert Darwins Evolution hierfür die plausibleren (3˙1) 10 9 Jahre, zwischen einer Frühphase der Erde mit schwerem kosmischem Bombardement und der gegenwärtigen Dominanz von Homo sapiens, während der letzten 10 4˙2 Jahre der irdischen Evolution? Vor allem aber: Durch welchen Mechanismus entstanden kompliziertere Lebewesen aus einfacheren, entstand Homo sapiens aus der Maus, wobei zugleich das biologische Erbgut, die DNS, an Länge und Effektivität korreliert wuchsen? Diese letztgenannte Evolution des Erbgutes in Sprüngen, von David Layzer [1990] Makro-Evolution genannt, ist noch immer unbeobachtet und spekulativ. Für sie schlagen wir (gelegentliche) genetische Virusin-fektionen vor, in Analogie zu den gelegentlichen großen Seuchen der Menschheit und der Tierwelt. Eine genetische Virusinfektion dürfte alle Randbedingungen erfüllen, die an eine Darwin'sche Evolution im Zeitalter der DNS zu stellen sind. Den Begriff ,Makro-Evolution' haben wir von David Layzer [1990] gelernt, als einen unstetigen Entwicklungsschritt in der Darwinschen Evolution der Lebewesen. Bei der gewöhnlichen, quasi stetigen Evolution unterscheiden sich die ererbten Eigenschaften der Kinder nur wenig von denen ihrer Eltern: Ein Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Solche kleinen Änderungen in den ererbten Eigenschaften, sog. ,Mikro-Evolution', lassen sich leicht im Labor verfolgen, gehorchen den Mendel'schen Gesetzen und sind befriedigend erklärt durch eine geeignete (zufällige) Mischung der auf den (etwas) voneinander verschiedenen RNS-Strängen kodierten Eigenschaften der beiden Eltern bei der Befruchtung der weiblichen Eizelle. Auf diese Weise entstehen in jeder Generation neue, bisweilen sogar besser angepasste Individuen der gleichen Spezies.Warum sollte es dann außerdem noch eine Makro-Evolution geben, ein Abweichen von dieser einfachen und plausiblen Regel? Das soeben skizzierte Darwin'sche Evolutionsschema mag plausibel klingen, in Anbetracht der hervorragenden Weise, in welcher das Phänomen Leben alle uns bekannten Nischen der Erde erobert hat: Land, Luft und Wasser, tiefe und hohe Temperaturen (f-22, 121g ı C), niedrige und hohe Drücke, niedrige und hohe Feuchtigkeiten, niedrige und hohe Salzgehalte und mit CO 2 -reichen Atmosphären gefüllte, dunkle Höhlen sowie Bakterienkolonien (im Darm) und Spermienschwärme (im Samenleiter) als eigenständige Fremdkolonien innerhalb aller größeren Lebewesen. Zur "konvergenten Evolution" empfehlen wir das faszinierende Buch von Simon Conway Morris [2003] , welches deutlicher als irgendein anderes das physikalische ,Wunder' des Phänomens ,Leben' präsentiert: Alle Kreaturen sind quasi-perfekt an ihre Umwelt angepasst, d.h. stabil als physikalische Maschinen, heute wie vor Jahrmilliarden, und folgen ähnlichen Entwicklungsschemata, in scheinbarem Widerspruch zum 2. Hauptsatz der Thermodynamik, (nach dem bei etwas komplizierteren Maschinen gewöhnlich alles schiefgeht, was überhaupt schiefgehen kann). Steht bei solch hochgradig komplexen und zugleich zielstrebigen Prozessen der organischen Chemie gewöhnlich quantenmechanische Verschränkung Pate, wie in 10.7 spekuliert? Aber haben sich alle die verschiedenen Kreaturen wirklich ganz von selbst im Zuge zunehmender Anpassung gebildet, allein durch Aussterben der jeweils schlechter Angepassten, so wie Darwin es bei Betrachtung des paläontologischen Stammbaums der Lebewesen interpretiert hat, und wie Richard Dawkins es in seinem "Blinden Uhrmacher" [1987] in großer Ausführlichkeit neu begründet? Danach überließ der Schöpfer die Evolution seiner Kreatu-ren dem ,blinden' Zufall! Wobei zugleich die Länge und der Bauplan der Desoxyribo-Nuklein-Säure (DNS) von den Eltern zum Sprössling springen müssten, in optimaler Weise! In diesem Zusammenhang spricht Gold [1999] in seinem 9. Kapitel vom "Darwinschen Dilemma": Eine quantitative Abschätzung der hierfür notwendigen, dem Zufall überlassenen Mutationsraten lässt so etwas plausibel erscheinen auf der Massenskala der Viren mit ihren astronomisch hohen Reproduktionsraten, ist hingegen hoffnungslos zu langsam z.B. für den Entwicklungsschritt vom Primaten zum Homo sapiens, der sich innerhalb von (nur) .2 Millionen Jahren abgespielt hat, entsprechend .10 5 Generationen. Denn um eine neue Art zu erzeugen, die nicht sogleich wieder ausstirbt, muss man schon in derselben Generation (der Erzeugung) mindestens 10 2 Individuen der neuen Art erschaffen, die sich dann (hoffentlich) in der Folge exponentiell vermehren. Hat man nur 10 5 Generationen Zeit, und benötigt 10 2 lebensfähige ,Missgeburten' (derselben Art!) in mindestens einer dieser Generationen, so steht das in krassem Widerspruch zu der Tatsache, dass wir in den vergangenen 10 2 Jahren einige 10 11 Geburten von Menschen und ihren Haustieren miterlebt haben, ohne dass dabei auch nur ein einziges Mal ein fortpflanzungsfähiges Pärchen einer (genetisch) neuen Art geboren worden wäre. Und es steht gleichermaßen in krassem Widerspruch zur bekanntlich hochgradig fehlerfreien (.10 9 ) Reproduktion der DNS bei allen ihren Vervielfältigungen; und zwar sowohl ihrer für Proteine kodierenden Anteile als auch ihrer noch immer nicht voll durchschauten sog. ,Junk'-Anteile, denen wahrscheinlich ähnlich wichtige Aufgaben zufallen [Ponting & Lunter 2006 , Biémont & Vieira 2006 ]. Die Paläontologie hat uns nun aber gelehrt, dass der rekonstruierte Stammbaum der Lebewesen horizontale Äste aufweist, in statistisch gleichmäßigen zeitlichen Abständen, d.h. dass in der Vergangenheit immer wieder neue Arten aufgetreten sind, von einem Zeitschritt zum nächsten, wobei fossil aufgelöste Zeitschritte 10 4 bis bestenfalls 10 3 Jahre andauern, s. Abb. 9.11.1. David Layzer [1990] hat auf dieses Phänomen der Makro-Evolution hingewiesen und geschlossen, dass es einer Steuerung bedarf, weil es viel häufiger als zufällig auftritt, nämlich ähnlich häufig wie viele der großen Seuchen der Vergangenheit. Hierzu gehören: afrikanische Schweinepest, Aids, Ebola, Gelbfieber, Gelbsucht, Grippe, Hepatitis A, B, E, Herpes, Masern, Maul-und Klauenseuche, Mumps, Pfeiffersches Drüsenfieber, Pocken, Polio, Röteln, Sars, Schnupfen, Tabakmosaik, Tollwut, Warzen und Windpocken. Dürfen wir spekulieren, dass Makro-Evolution durch gelegentliche genetische Viruserkrankungen stabiler Populationen zustande kam? Ist bisweilen ein ,Bornavirus' von der Partie, s. Nature 463, 39 (2010)? Folgen dann auch die Stichlinge im Tanganjikasee und seinen Nachbarseen diesem Evolutionsschema, als Geschwindigkeits-Rekordhalter in genetischer Aufspaltung unter den Wirbeltieren, mit &500 neuen Arten in (nur) 15000 Jahren [Kocher 2005] , oder haben sie eine unabhängige, noch schnellere Lösung gefunden? Der mühsam erarbeitete paläontologische Stammbaum der Lebewesen gründet sich auf ihre Erscheinungsformen, auf ihre Morphologie. Seit einigen Jahrzehnten lässt er sich in zunehmendem Maße durch die weit zuverlässigere, molekular-genetische Abstammungsrelation testen und ggf. korrigieren, sodass nach und nach alle Inkonsistenzen zwischen den beiden Stammbäumen verschwinden sollten, vgl. Ward [2005] . Danach begann das irdische Leben mit höchstens Einzellern, Bakterien oder auch nur Viren, aus denen sich dann sukzessive alle übrigen, insbesondere vielzelligen Lebewesen entwickelten. Noch immer bleibt dabei offen, wie diese ersten Einzeller entstanden sind: irgendwo im benachbarten Weltenraum, genannt ,Panspermia', oder aber hier ,daheim', auf unserer Erde? Während es Freeman Dyson [1985] schaffte, eine mögliche abiogene, rein thermodynamische Erzeugung einer Basismenge von Proteinen vorzurechnen -der sog. biologischen ,hardware' -bevorzugt Christian De Duve [1995] die gleichzeitige Erzeugung von hardware und ,software', d.h. von Proteinen und Kernschleifen, weil sie sich in hohem Maße gegenseitig bedingen. Zum besseren Verständnis: Alle uns bekannten Lebewesen sind (katalytisch) gesteuert von Millionen verschiedener Proteine, die sich aus 20 verschiedenen (linkshändigen) Aminosäuren zusammensetzen und für den Metabolismus zuständig sind, sowie bauplanmäßig gesteuert von ihrem Erbgut oder Genom, das sich aus vier verschiedenen (rechtshändigen) Nukleinsäuren U, C, A und G plus (rechtshändigem) Zucker und Phosphat aufbaut, in Gestalt einer gewendelten Leiter mit vier verschiedenen Sprossen, der berühmten RNS oder DNS, deren Länge bis zu 10 10 Sprossen zählen kann. Je drei aufeinanderfolgende Sprossen der DNS werden als ,Buchstaben' des genetischen Codes bezeichnet und können u.a. für eine Aminosäure kodieren; der genetische Code besitzt also 4 3 = 64 verschiedene Buchstaben. In der DNS ist der vollständige Bauplan eines Individuums gespeichert. Die außerordentlich ähnlichen Eigenschaften eineiiger Zwillinge zeigen, dass unterschiedliche Umweltbedingungen zwar nicht vernachlässigbar sind, jedoch die geerbten Fähigkeiten eines Individuums nur wenig abzuwandeln vermögen. Kehren wir zum Anfang der Evolution zurück, zum Wunder der Urzeugung des Lebens: Am Anfang der Evolution stand ein höchstens Einzeller, bestehend aus dem gleichen Baumaterial wie wir, und organisch keinesfalls schlechter ausgestattet als wir, denn wenn er nicht stabile Nachfahren erzeugt hätte, wäre der Stammbaum nie gewachsen, es gäbe uns gar nicht. Jener gemeinsame Urahne allen Lebens, LUCA genannt (Last Universal Common Ancestor), war per definitionem in der Lage, sich zu ernähren und fortzupflanzen, wie keineswegs alle heute geborenen Lebewesen; er unterschied sich von toter Materie. War er irdischer Herkunft? Wir meinen "Ja". Denn wenn wir außer Dyson [1985 ] und De Duve [1995 auch noch Thomas Gold [1999, 2012] zu Worte kommen lassen, der als möglichen Entstehungsort des Lebens weder Urozeane noch warme Tümpel in Betracht zog, sondern vielmehr die gesamte obere Erdkruste, .10 km dick, mit ihren thermisch und druckmäßig stabilisierten sowie gegen das (anfängliche) kosmische Bombardement abgeschirmten Höhlen und Spalten, mit hilfreichen Kristall-und Lehm-Schablonen, und mit permanenter Nahrungs-und Energieversorgung durch emporquellende Kohlenwasserstoffe -insbesondere Methan -dann fällt uns kein noch geeigneterer Ort für die Urzeugung des Lebens ein. Und das langwierige Transportproblem der ersten Zelle durch den lebensfeindlichen interplanetaren Raum entfällt. Unser Heimatplanet Erde, der das Leben bereits mehrere Milliarden Jahre lang stabil beherbergt hat, sollte auch die geeignete Nische für die Urzeugung bereitgestellt haben. Jetzt endlich sind die nötigen Voraussetzungen beisammen, um uns dem eigentlichen Problem dieses Abschnitts zuwenden zu können, der Makro-Evolution: Wer hat dem Genom zu seinen gelegentlichen Makro-Sprüngen verholfen? Gab es eine Steuerung der Evolution im Layzer'schen Sinne, die aus einem Einzeller den Fadenwurm Caenorhabdtis elegans hervorgehen ließ, desgleichen die Taufliege Drosophila melanogaster, später die Maus, und noch viel später die Primaten, und dann uns, den Homo Sapiens? Wer hat die jeweiligen DNSn verlängert, sukzessive von .10 4 auf &10 9 Basispaare? Mikro-Evolution kann so etwas nicht, bei ihr behält die DNS ihre Länge und Gliederung in Strenge bei. Aber Viren können das Erbgut verändern, jedenfalls von Bakterien, sog.,transduction'; das hat Joshua Lederberg [2008] gezeigt. Auch wissen wir seit einigen Jahren, dass die menschliche DNS Sequenzen von Virus-DNS enthält. Nun ist zwar die stabile Vermehrung von Säugetieren abgesichert gegen Eindringlinge in die weibliche Eizelle. Aber Viren sind bekannt als Banditen, die in Sonderfällen das Unmögliche möglich machen. Die Anzahl aller Viren ist astronomisch groß, ihre Vermehrung schneller als diejenige aller anderen Lebewesen, und nach hinreichend vielen Fehlversuchen ist ihnen zuzutrauen, eine Spezies hervorzubringen, die es schafft, in die weibliche Eizelle einer gegebenen Lebensgemeinschaft einzudringen und ihr Erbgut darin zu deponieren, derart, dass ein neues Lebewesen mit neuer (und i.A. zugleich längerer) DNS entsteht. Und sobald diese Viren-Spezies dies einmal geschafft hat, wird sie es auch mindestens 100 weitere Male in derselben Generation schaffen, wie bei einer Epidemie: Ein genetischer Makro-Sprung ist angesagt! Danach wird eine resistentere Population überleben, bei der solche illegitimen Erbgutveränderungen vorerst nicht wieder auftreten. Die soeben geäußerte Spekulation deutet an, wie der Stammbaum der Lebewesen gewachsen sein könnte, trotz der andernfalls garantierten (fast) fehlerfreien Reproduktion der DNS. Wir nennen sie eine ,genetische Virus-Infektion'. Uns scheint diese Möglichkeit naheliegend, weil sie an der Grundidee von Darwin und Dawkins festhält, dass allein der ,blinde' Zufall die Evolution hervorgebracht hat, nicht irgendein außerirdischer Eingriff. Sie ist quantitativ verträglich mit der paläontologisch bekannten Häufigkeit ihres Auftretens, mit der bekannten Zuverlässigkeit der DNS-Reproduktion und mit dem singulären Verhalten der Viren. Und sie lässt uns Seuchen in einem neuen Lichte sehen: ohne Seuchen keine Evolution! Als vielleicht bestes Beispiel für einen Makro-Sprung in der Evolution möchten wir erneut den Pottwal (vgl. 9.6) anvisieren: Wer war sein direkter Vorfahre? Seine Mutter im Stammbaum muss wasserlebig und sehr groß gewesen sein, um ihn zur Welt zu bringen, sonst wäre er als Baby nicht gesäugt worden. Der Blauwal ist als zwar größter, jedoch krillfressender Bartenwal unwahrscheinlich als direkter Vorfahre: Pottwale sind (kampffähige) Zahnwale. Ähnelte der direkte Vorfahre des Pottwals vielleicht einem Seeelefanten? Auf jeden Fall sollte sein direkter Vorfahre ebenfalls ein guter Taucher gewesen sein, d.h. ein Bewohner der (salzreichen) Weltmeere, weil das Tieftauchen eine Reihe von Sonderorganen erfordert, nämlich: 1) ein Spezialwachs und Spezialöle, die das Gewicht temperaturabhängig (und druckstabil) regulieren, sodass ohne Arbeitsleistung getaucht werden kann, 2) gute Wärmeisolierung während des Tauchgangs, sowie Kühlaggregate in den Flossen, um den Tauchgang einzuleiten, 3) Wundernetze und einen kurzschließbaren Blutkreislauf, (wie Giraffen in ihren Köpfen), um Embolieprobleme beim Auftauchen zu vermeiden, 4) eine zusammenfaltbare Lunge sowie mit Sauerstoff aufladbare Muskeln, um den Stickstoff beim Tauchen weitgehend zurückzulassen und als Ausstattung für die oft erbitterten Kämpfe mit der Beute am Meeresboden, und 5) eine Regulierung des Atemzwanges, die den Tauchbedürfnissen gerecht wird. Ein derartig anspruchsvolles Funktionsschema sollte einen entsprechend unterschiedlichen Bauplan, sprich eine unterschiedliche DNS verlangen, die sich schwerlich durch eine lange Kette von Mikro-Mutationen erreichen lässt; ein Makro-Sprung scheint unentbehrlich. Anwachsen der historischen Artenvielfalt: im Mittel exponentiell, jedoch mit starken Einbrüchen -zu Zeiten des großen Artensterbens -daher genauer "iteriert logistisch"; s ) verschiedener Arten von Pflanzen und Tieren auf der Erde im Mittel exponentiell mit der Zeit t zugenommen: N(t) Ï e˛t, genauer jedoch nur ,intervallweise logistisch' zugenommen, d.h. das exponentielle Wachstum hat zwischenzeitlich mehrfach stagniert, sogar mit anschließenden kleinen Einbrüchen (75 %), jedoch nie gravierenden solchen, s. Abb. 9.10.1, auch dass es noch Fußabdrücke und Knochenreste von Dinosauriern gäbe, die nur 30000 Jahre alt seien! Die Dinos seien von Indianern realistisch an Felswände gezeichnet worden, und als ,Drachen' in die gegenwartsnahe Weltliteratur eingegangen. Dabei weist er u.a. darauf hin, dass sich beim Ausbruch des Mount St. Helens (am 18. Mai 1980) Gesteinsprofile binnen Tagen gebildet haben, denen man andernorts paläontologische Alter von Jahrmillionen Abb. 9.11.1 Makro-Evolution, nach T.rex and the Crater of Doom, Penguin Books Young wallabies get a free ride Junk DNA as an evolutionary force Scientific Papers 1895-1918, collected by Prantosh Bhattacharyya & Meher Engineer Aus Staub geboren: Leben als kosmische Zwangsläufigkeit, Spektrum Verlag Air and Water Magie der Sinne im Tierreich, dtv Taking the Back off the Watch Also: astro-ph/9810059 Human brain gene wins genome race 2012: Clusters of iron-rich cells in the upper beak of pigeons are macrophages, not magnetosensitive neurons