key: cord-0035875-s414ombz authors: Engelmann, L. title: Die Diagnose der Sepsis date: 2006 journal: Diagnostik und Intensivtherapie bei Sepsis und Multiorganversagen DOI: 10.1007/978-3-7985-1729-5_1 sha: 0946c8cb46b9c3429c3d27ffc521bbd9a0de8e0f doc_id: 35875 cord_uid: s414ombz Die frühe Diagnostik der Sepsis ist das Nadelöhr für die weitere Senkung der Sepsissterblichkeit. Inzwischen liegen Befunde vor, dass, vergleichbar mit akutem Myokardinfarkt und Schlaganfall, dem Faktor Zeit eine wichtige Rolle zukommt. Demgegenüber gibt es keine allgemein akzeptierte Sepsisdiagnostik, die der Forderung nach früher Diagnose und der Unabhängigkeit vom Erfahrungsstand des jeweiligen Arztes Rechnung tragen könnte. The diagnosis of sepsis " Summary The early diagnosis of sepsis is mandatory for the further reduction of mortality due to sepsis. Current findings exist that accentuate the role of the time factor, comparable with acute myocardial infarction or with ischemic stroke. On the other hand, there are no generally accepted diagnostics for sepsis, realizing the demands of early diagnosis and based on the physician's experience. The diagnostics start with the recognition of the inflammatory reaction caused by infection (at least 2 of 4 criteria of inflammatory reaction have to be fulfilled). This definition has high sensitivity, but remarkably lower specificity and it leads either to too frequent admissions or only to hospitalization in case of a complicating organ failure. Making a careful history and knowledge about sepsis are essential for the out-patient department physicians. In addition to the varying pictures of sepsis, the clinicians have laboratory findings available, most of all procalcitonin. Patients have to be considered as septic with a serum PCT level higher than 1 ng/ml particularly when clinical signs do not exclude sepsis and in cases of positive blood cultures. Initially PCT is a product of macrophages if the defense reaction starts, but it becomes an infection marker, when the serum PCT level declines less than the half life falls. " Key words Sepsis ± diagnosis ± infection marker ± procalcitonin ± inflammatory response " Zusammenfassung Die frçhe Diagnostik der Sepsis ist das Nadelaehr fçr die weitere Senkung der Sepsissterblichkeit. Inzwischen liegen Befunde vor, dass, vergleichbar mit akutem Myokardinfarkt und Schlaganfall, dem Faktor Zeit eine wichtige Rolle zukommt. Demgegençber gibt es keine allgemein akzeptierte Sepsisdiagnostik, die der Forderung nach frçher Diagnose und der Unabhångigkeit vom Erfahrungsstand des jeweiligen Arztes Rechnung tragen kaennte. Ausgangspunkt der Diagnose ist die durch Infektion hervorgerufene inflammatorische Reaktion (mindestens 2 von 4 SIRS-Kriterien erfçllt), die eine hohe Sensitivitåt, aber eine geringe Spezifitåt besitzt. Hier besteht das Dilemma fçr die ambulant tåtigen Ørzte, die dann entweder zu håufig einweisen oder erst einweisen, wenn die Sepsis zum Organversagen gefçhrt hat. Der ambulante Arzt kommt um das sorgfåltige Erheben der Anamnese und das Wissen der Befunde bei Sepsis nicht herum. Ørzten von Notaufnahmen und klinisch tåtigen Ørzten steht neben dem Wissen um die variable Klinik des septischen Patienten vor allem der Laborparameter Procalcitonin zur Verfçgung. Patienten mit einem PCT ³ 1 ng/ml sollten als septisch betrachtet werden, wenn die Klinik die Sepsis nicht ausschlieût und erst recht dann, wenn positive Blutkulturbefunde vorliegen. PCT ist zunåchst das Produkt der Makrophagen am Be-ginn der Abwehrreaktion, wird aber zum Infektionsmarker, wenn der Abfall des Serum-PCT nicht dessen Halbwertzeit folgt. n Klinisches Bild Die klinische Symptomatik kann von der lokalisierten Organinfektion bis hin zur schweren Allgemeinerkrankung reichen, was impliziert, dass die Symptomatik der vermeintlich lokalisierten Organinfektion eine Sepsis nicht ausschlieût. So kann die Pneumonie einmal eine auf das Organ begrenzte Infektion zum anderen eine systemische Infektion sein. In beiden Fållen wird eine systemisch inflammatorische Reaktion vorliegen und die SIRS-Kriterien werden erfçllt sein. Hinweisend kann deren starke Intensitåt bei Sepsis sein, das betrifft vor allem das Verhalten der Leukozyten und das Fieber, wobei neben der selteneren Hypothermie alle Fiebertypen und håufig Schçttelfrost auftreten kaennen. Pathophysiologisch beinhaltet die Sepsis Vasodilatation, Blutvolumenumverteilung und kompensatorisch den Anstieg des Herzzeitvolumens, so dass die meisten Patienten eine warme Peripherie und eine rosige bis rote Haut aufweisen. Abhångig von der Intensitåt des infektiaesen Insultes und einer individuell unterschiedlichen Antwortreaktion kann es beim gegebenen Intravasalvolumenbestand des Patienten zu unterschiedlichen Graden einer relativen Hypovolåmie kommen, die sich entweder in einer erheblichen Tachykardie, in Blutdruckabfall oder aber in einer anderen Schockformen vergleichbaren Zentralisation mit nun kalter Peripherie darstellt. Die relative Hypovolåmie kann von einer absoluten Hypovolåmie begleitet sein, wenn die Sepsis çber Tage besteht und eine, gemessen am Fieber, unzureichende Flçssigkeitszufuhr erfolgte. Dann finden sich gleichzeitig die Zeichen der Exsikkose. Wåhrend die warme und rosige Peripherie die Sepsis nahelegt, schlieût die Zentralisation die Sepsis nicht aus. Differentialdiagnostisch wird es wichtig Die von uns benutzte Werteinterpretation fçr PCT folgt dabei weniger irgendeiner Statistik als tatsåchlich der jahrelangen klinischen Beobachtung (Tab. 8). Die SIRS-Kriterien als Ausdruck der Inflammation enthalten neben den mehr akut reagierenden Variablen wie Tachypnoe und Tachkardie die weniger schnell reagierenden Parameter Temperatur und den Laborparameter Leukozytenzahl. In den deutschen Kliniken wird von 90,1% der Intensivmediziner das CRP als Sepsisparameter genutzt [4] . CRP ist das Produkt der durch Zytokine stimulierten Hepatozyten und somit das Endergebnis der Inflammationsreaktion, damit ein Akut-Phase-Protein [48] . Es kann dann als Sepsisparameter genutzt werden, wenn die Sepsis diagnostiziert, also die infektiaese Ursache gesichert ist. Damit unterscheidet es sich grundsåtzlich vom PCT, das die Infektion beschreibt. Sinkt aber das PCT und nachfolgend die infektionsgetriggerte Inflammation, dann fållt auch das CRP. Dessen Halbwertzeit liegt bei 48 Stunden [49] , damit ist CRP ein eher tråge reagierender Parameter der Inflammation [50] . Patienten mit Inflammationreaktion septischer und nicht-septischer Genese unterscheiden sich nicht im CRP-Verlauf (Abb. 4), wåhrend bei gesicherter Sepsis dem CRP-Verhalten eine prognostische Bedeutung zukommt (Abb. 5; [41, 50] ) Die Inflammationsreaktion ist eine weitestgehend uniforme Reaktion des Organismus auf Schådigung. Initial steht die Aktivierung des Makrophagensystems, die u.a. çber die Produktion ¹proximalerª Zytokine wie IL-1 und TNF-alpha die Inflammationsreaktion triggert und die die Produktion ¹distalerª proinflammatorische Zytokine (z. B. IL-6, IL-8) in allen Zellen des Kaerpers induziert. Die proinflammatorische Reaktion ist unerlåsslich fçr die Elimination der Schådigung. Der Organismus wird aber versucht sein, die Entzçndungsreaktion durch gleichzeitige Antiinflammation (z. B.IL-10) zu steuern, um sich selbst zu erhalten (Abb. 6). Gelingt die Kontrolle der inflammatorischen Reaktion nicht, was von einer Reihe von Faktoren abhångt (Stårke der Schådigung, genetische Prådisposition, Immunstatus), fçhrt die Inflammationsreaktion zu Immunparalyse, Multiorganversagen und Tod. Vor diesem Hintergrund kann die Bestimmung ausgewåhlter ¹proximalerª sowie pro-und antiinflammatorischer ¹distalerª Zytokine wichtige Infor- Tab. 8 Befundinterpretation fçr PCT · PCT erhaeht bei Infektion mit grampositiven und gramnegativen bakteriellen Erregern, Pilzen und Protozoen (Malaria; [43] ), nicht bei Virusinfektionen · Øtiologisch wegweisend [44, 45] · 0,25±1 ng/ml lokale Infektion · 1±2 ng/ml-cut-off-Bereich fçr systemische Infektion · Je haeher die Werte, desto ausgeprågter die Infektion · Haehe des Initialwertes ohne prognostische Bedeutung fçr die Sepsis · PCT-Verlauf wichtig fçr Prognose und Beurteilung des Therapieeffektes [46] · Vergleichbares PCT-Verhalten bei neutropenen und immunkompetenten Patienten [47] Abb Procalcitonin, soluble interleukin-2 receptor, and soluble E-selectin inpredicting the severity of acute pancreatitis Predictive value of procalcitonin and interleukin-6 in critically ill patients with suspected sepsis Serum procalcitonin and C-reactive protein levels as marker of bacterial infections: a systematic review and meta-analysis Usefulness of procalcitonin serum levels for the diagnosis of bacteremia Procalcitonin serum levels in tertian malaria Usefulness of procalcitonin to differentiate typical from atypical community-aquired pneumonia Usfulness of procalcitonin levels in community-aquired pneumonia according to the patients outcome research team pneumonia team severity index Procalcitonin kinetics in the prognosis of severe communityaquired pneumonia Potential use of procalcitonin as a diagnostic criterion in febrile neutropenia: experience from a multicentre study C-reaktives Protein (CRP) In: Thomas L (Hrsg) Labor und Diagnose, 5. Aufl. TH-Books Verlagsgesellschaft mbH Spsis und Sepsismarker±Update Comparison of procalcitonin (PCT) and C-reactive protein (CRP) plasma concentrations at different SOFA scores during the course of sepsis and MODS High circulating levels of interleukin-6 in patients with septic shock: evolution during sepsis, prognostic value, and interplay with other cytikines Prognostic value of serum cyteokines in septic shock Circulating interleukin-8 concentrations in patients with multiple organ failure of septic and nonseptic origin Early dedection and markers of sepsis Balance of inflammatory cytokines related to severity and mortality of murine sepsis Pro-versus anti-inflammatory cytokine profile in patients with severe sepsis: a marker for prognosis and future therapeutic options Circulating endithelin-1 and tumor necrosis factor-a: early predictors of mortality in patients with septic shock Interleukin-10: a complex role in the pathogenesis of sepsis syndroms and ist potential as an anti-inflammatory drug HLA-DR-Expression auf Monozyten bei Peritonitis und Sepsis ± Maeglichkeiten eines therapeutischen Ansatzes Verbesserung der Monozytenfunktion ± ein therapeutischer Ansatz? In: Update in Intensive Care and Emergency Medicine Bd 18 Is low monocyte HLA-DR expression helpful to predict outcome in severe sepsis? HLA-DR as a marker for increased risk for systemic inflammation and septic complications after cardiac surgery