key: cord-0035779-46jcl4sx authors: Berg, Jeremy M.; Tymoczko, John L.; Gatto jr., Gregory J.; Stryer, Lubert title: Entwicklung von Arzneistoffen date: 2017-12-06 journal: Stryer Biochemie DOI: 10.1007/978-3-662-54620-8_36 sha: ace11c77c124445d1ae677aa186eb4204a154d3d doc_id: 35779 cord_uid: 46jcl4sx nan die biologische Wirkung, bevor das molekulare Ziel identifiziert ist. Die Wirkungsweise der Substanz wird erst später in vielen zusätzlichen Arbeitsschritten ermittelt. Der zweite Ansatz geht von einem bekannten Zielmolekül aus. Es werden Verbindungen gesucht, entweder durch Screening, oder indem man Moleküle mit den gewünschten Eigenschaften konzipiert, die an das Zielmolekül binden und dessen Eigenschaften verändern. Sobald solche Verbindungen vorliegen, können Wissenschaftler deren Wirkung an geeigneten Zellen oder Organismen erforschen. Man kann bei diesem Vorgehen auf viele unerwartete Ergebnisse stoßen, welche die Komplexität biologischer Systeme widerspiegeln. In diesem Kapitel beleuchten wir die Pharmakologie. Wir untersuchen eine Reihe von Fallbeispielen, welche die Entwicklung von Arzneistoffen veranschaulichen -einschließlich vieler Konzepte, Methoden und Herausforderungen. Anschließend erfahren Sie, wie die Konzepte und Werkzeuge der Genomik die Ansätze für die Entwicklung von Arzneistoffen beeinflussen. Den Abschluss des Kapitels bildet ein zusammenfassender Überblick über die bei der Entwicklung von Arzneistoffen erforderlichen klinischen Versuchsphasen. Viele Verbindungen haben eine deutliche Wirkung, wenn sie vom Körper aufgenommen werden, aber nur ein kleiner Teil von ihnen sind nützliche Arzneistoffe. Eine fremde Verbindung, die sich im Verlauf der Evolution an ihre Aufgabe in der Zelle angepasst hat, muss eine Reihe spezieller Eigenschaften besitzen, um wirksam zu sein, ohne ernsthafte Schäden zu verursachen. Betrachten wir einige der Schwierigkeiten, mit denen die Arzneistoffentwickler konfrontiert sind. Viele Arzneistoffe binden an spezifische Proteine, in der Regel sind dies Rezeptoren oder Enzyme im Körper. Um eine Wirkung zu zeigen, muss der Arzneistoff in ausreichender Menge an seine Zielproteine binden, wenn er in angemessener Dosis eingenommen wird. Wegen der genetischen Unterschiede zwischen den Individuen sind viele Arzneistoffe nicht bei jedem wirksam. Nichtreagierende Individuen können entweder leichte Abwandlungen des Arzneistoffzielmoleküls oder der Proteine besitzen, die am Arzneistofftransport oder -metabolismus beteiligt sind. Ziel der neu aufkommenden Pharmakogenetik und Pharmakogenomik ist es, Arzneistoffe zu konzipieren, die entweder bei allen Menschen einheitlich wirken oder für Personen mit bestimmten Genotypen maßgeschneidert sind. Allerdings reagieren manche Menschen auf Betablocker nicht wie gewünscht. Innerhalb der Bevölkerung der USA gibt es zwei Genvarianten, die den β 1 -adrenergen Rezeptor codieren. Beim am weitesten verbreiteten Allel befindet sich an der Position 49 ein Serin und an Position 389 ein Arginin. Bei manchen Menschen ersetzt jedoch Glycin eine dieser Aminosäuren. Bei klinischen Untersuchungen reagierten die Teilnehmer mit zwei Kopien des üblichen Allels gut auf Metoprolol: Ihr diastolischer Tagesblutdruck verringerte sich im Durchschnitt um 14,7 ± 2,9 mm Hg. Im Gegensatz dazu zeigten die Teilnehmer mit einer Allelvariante eine geringere Blutdruckabnahme, und bei den Teilnehmern mit zwei Allelvarianten hatte der Arzneistoff keine signifikante Wirkung (7 Abb. 36.26). Diese Beobachtungen weisen darauf hin, dass eine genetische Typisierung einzelner Menschen an diesen Positionen hilfreich sein kann. Es ließe sich dann vorhersagen, ob eine Behandlung mit Metoprolol oder anderen Betablockern wahrscheinlich wirksam ist oder nicht. Angesichts der Bedeutung, welche die ADME-und die Toxizitätseigenschaften für die Bestimmung der Arzneistoffwirksamkeit haben, überrascht es nicht, dass Änderungen an Proteinen, die am Transport und Stoffwechsel von Arzneistoffen beteiligt sind, die Wirksamkeit eines Arzneistoffes verändern können. Ein wichtiges Beispiel ist die Verwendung von Thiopurinarzneistoffen wie 6-Thioguanin, 6-Mercaptopurin und Azothioprin zur Behandlung von Krankheiten einschließlich Leukämie, Immunerkrankungen und entzündlichen Darmerkrankungen. Das Humangenom codiert für schätzungsweise 21.000 Proteine, und zählt man die Abkömmlinge hinzu, die auf alternatives Spleißen der mRNA und posttranslationale Modifikation zurückgehen, sind es weit mehr. Die Genomsequenzen kann man nach potenziellen Zielmolekülen für Arzneistoffe absuchen. Große Proteinfamilien, von denen bekannt ist, dass sie an physiologischen Schlüsselvorgängen beteiligt sind wie die Proteinkinasen und die 7TM-Rezeptoren, lieferten jeweils mehrere Zielmoleküle, für die man Arzneistoffe entwickelt hat. Auch die Genome von Modellorganismen sind für die Wirkstoffforschung nützlich. Mausstämme, bei denen bestimmte Gene zerstört worden sind, waren für die Bestätigung bestimmter Zielmoleküle von Nutzen. Die Genome von Bakterien, Viren und Parasiten codieren viele potenzielle Zielstrukturen, die man dank ihrer wichtigen Funktionen in den Organismen und ihrer Unterschiede zu den menschlichen Proteinen verwenden kann, wodurch die Wahrscheinlichkeit von Nebenwirkungen verringert wird. Genetische Unterschiede zwischen einzelnen Menschen können analysiert und mit unterschiedlichen Reaktionen auf Arzneistoffe in Beziehung gesetzt werden; dies ist möglicherweise sowohl für die klinische Behandlung als auch für die Arzneistoffentwicklung hilfreich. Bevor man Menschen Verbindungen als Arzneimittel verabreichen kann, müssen sie ausgedehnten Sicherheits-und Wirksamkeitsprüfungen unterzogen werden. Klinische Studien werden in mehreren Stufen durchgeführt: Zuerst testet man auf Sicherheit, dann auf Sicherheit und Wirksamkeit innerhalb einer kleinen Personengruppe und schließlich auf Sicherheit und Wirksamkeit in einer größeren Population, um selten vorkommende unerwünschte Nebenwirkungen aufzudecken. Aufgrund der Kosten, die hauptsächlich mit klinischen Studien verbunden sind, schätzt man die Entwicklungskosten für ein neues Medikament in den USA auf mehr als 800 Mio. US-Dollar. Komplikationen können selbst dann noch auftreten, nachdem ein Arzneistoff zur Anwendung zugelassen wurde. Bei Infektionskrankheiten und Krebs entwickeln die Patienten häufig eine Resistenz gegen einen Arzneistoff, nachdem ihnen dieser über einen langen Zeitraum verabreicht wurde. Grund dafür ist, dass Varianten des krankmachenden Agens entstehen, die weniger empfindlich für den Arzneistoff sind und sich auch bei Anwesenheit des Arzneistoffes vermehren. Beschreiben Sie für jeden der nachfolgenden Arzneistoffe, ob dessen physiologische Wirkungen vor oder erst nach Identifizierung des Zielmoleküls bekannt waren Sildenafil (Viagra) Rofecoxib (Vioxx) Sortis) e) Aspirin Welche der folgenden Verbindungen erfüllen alle Lipinski-Regeln? (Die log(P)-Werte sind in den Klammern angegeben.) a) Atenolol Sildenafil (3,18) c) Indinavir (2,78) Es wurden beträchtliche Anstrengungen unternommen, um Computerprogramme zu entwickeln, welche die log(P)-Werte vollständig auf der Grundlage der chemischen Struktur abschätzen können. Warum wären solche Programme hilfreich? Man hat eine Gesetzgebung vorgeschlagen, die es erfordern würde, dass Paracetamoltabletten N-Acetylcystein zugegeben wird. Was würde dieser Zusatz bewirken? Nennen Sie die Unterschiede zwischen klinischen Studien in Phase I und Phase II, und zwar bezüglich Anzahl der beteiligten Testpersonen In diesem Kapitel wurde erwähnt, dass Coumadin ein sehr gefährlicher Arzneistoff sein kann, weil ein Zuviel unkontrollierte Blutungen verursachen kann. Personen, die Coumadin nehmen, müssen vorsichtig sein, wenn sie zusätzlich andere Arzneimittel einnehmen, besonders solche, die an Albumin binden Erklären Sie, warum Arzneistoffe, die P 450 -Enzyme inhibieren, besonders gefährlich werden können, wenn man sie in Kombination mit anderen Medikamenten einnimmt Nennen Sie einen Vorteil eines nichtkompetitiven Inhibitors als potenzieller Arzneistoff gegenüber einem kompetitiven Inhibitor Sie hätten einen Arzneistoff entwickelt, der in der Lage ist, den ABC-Transporter MDR zu inhibieren. Schlagen Sie eine potenzielle Anwendungsmöglichkeit für diesen Arzneistoff in der Chemotherapie gegen Krebs vor Während eines Stadiums ihres Lebenszyklus leben diese Organismen im Blut und beziehen ihre gesamte Energie aus der Glykolyse, die in einem spezialisierten Organ, dem Glykosom, innerhalb des Parasiten stattfindet. Machen Sie Vorschläge für potenzielle Zielmoleküle zur Behandlung der Schlafkrankheit. Welche möglichen Schwierigkeiten sind mit Ihrem Ansatz verknüpft? Inwiefern könnten genomische Informationen für eine effektive Anwendung von Imatinib Mesylat (Glivec) in der Chemotherapie bei Krebs hilfreich sein?