key: cord-0035722-rertto2d authors: Eber, S. W. title: Pädiatrische Transfusionsmedizin date: 2007 journal: Therapie der Krankheiten im Kindes- und Jugendalter DOI: 10.1007/978-3-540-71899-4_170 sha: a7e1af963a9f1c3757746f218e9bc8f9d296e77e doc_id: 35722 cord_uid: rertto2d Die Indikation zur Transfusion von Blutprodukten wird in den letzten Jahren zurückhaltender gestellt. Dazu trägt die Sorge vor möglichen übertragbaren Infektionen ebenso bei wie eine verbesserte Kenntnis der Gewebeoxygenierung. Prinzipiell sollten nur die fehlenden Blutkomponenten verabreicht werden, die der Patient benötigt, und alle unnötigen und möglicherweise gefährlichen Bestandteile vermieden werden („Hämotherapie nach Maß“). In der Intensivmedizin erlaubt z.B. die Messung der zerebralen Sauerstoffausschöpfung eine auf die individuelle Oxygenierung des Patienten abgestimmte Entscheidung zur Erythrozytensubstitution; vorgegebene starre Transfusionsgrenzen verlieren dadurch an Bedeutung. Die Indikation zur Transfusion von Blutprodukten wird in den letzten Jahren zurückhaltender gestellt. Dazu trägt die Sorge vor möglichen übertragbaren Infektionen ebenso bei wie eine verbesserte Kenntnis der Gewebeoxygenierung. Prinzipiell sollten nur die fehlenden Blutkomponenten verabreicht werden, die der Patient benötigt, und alle unnötigen und möglicherweise gefährlichen Bestandteile vermieden werden (»Hämotherapie nach Maß«). In der Intensivmedizin erlaubt z. B. die Messung der zerebralen Sauerstoffausschöpfung eine auf die individuelle Oxygenierung des Patienten abgestimmte Entscheidung zur Erythrozytensubstitution; vorgegebene starre Transfusionsgrenzen verlieren dadurch an Bedeutung. Auf die Verhinderung von Primärinfektionen mit dem Zytomegalievirus (CMV) muss bei der Auswahl von Blutprodukten für seronegative Kindern besonders geachtet werden. Bei Früh-und Neugeborenen mit -noch nicht bekanntem -Immundefekt kann eine geringe Beimengung von Lymphozyten zur Transfusion eine schwere Graft-versus-Host-Reaktion (»graft-versus-host-disease«, GVHD) auslösen. Im letzten Jahrzehnt hat die Aids-Katastrophe die Akzeptanz von Eltern und Jugendlichen für eine Transfusion deutlich verringert. Infolge des Fortschritts in der Behandlung von Gerinnungsstörungen, von schweren Infektionen und in der Stammzelltransplantation benötigt der Pädiater erweiterte Kenntnisse auf dem Gebiet der Transfusionsmedizin. Neben akuten Transfusionsreaktionen müssen auch Spätfolgen, wie transfusionsbedingte Immunsuppression, GVHD, Eisenüberladung u. a. bedacht werden. Ziel dieses Kapitels ist es, über die gängigen Richtlinien hinaus die übliche Transfusionspraxis im Kindesalter sowie die Gründe für eine spezifische Präparatewahl darzustellen. Sie sollen die wichtigsten Indikationen für eine Transfusion von Erythrozyten, Thrombozyten und Leukozyten sowie für die Entnahme von Eigenblut beherrschen lernen. Für die Transfusion ist der ausführende Arzt verantwortlich: Es werden daher die wichtigsten Nebenwirkungen von Blutprodukten und die maßgeblichen Richt-und Leitlinien für deren Anwendung dargestellt. Die pädiatrische Transfusionsmedizin unterscheidet sich durch Erkrankungen, die auf eine gestörte serologische Reaktion zwischen Mutter und Fetus zurückzuführen sind, sowie durch die altersabhängig unterschiedlichen Blutvolumina und Transfusionsgrenzen wesentlich vom Erwachsenenalter. Die rechtlichen Grundlagen für Transfusionen sind durch das Transfusionsgesetz (Gesetz zur Regelung des Transfusionswesens 1998), das Arzneimittelgesetz und die Apothekenbetriebsverordnung geregelt. Die nachfolgenden Empfehlungen zur Bluttransfusion im Kindesalter beruhen auf den Leitlinien zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten (Vorstand und wissenschaftlicher Beirat der Bundesärztekammer 2003) und den Richtlinien zur Blutgruppenbestimmung und Bluttransfusion (Wissenschaftlicher Beirat der Bundesärztekammer und des Bundesgesundheitsamtes 2000), beide herausgegeben vom wissenschaftlichen Beirat der Bundesärztekammer, sowie den Kriterien des »Pediatric Hemotherapy Committee of the American Association of Blood Banks« (Guidelines for blood utilization review 2001). Während eine Alloimmunisierung gegen Erythrozytenantigene im Neugeborenen-und jungen Säuglingsalter offenbar nur äußerst selten vorkommt (Wilson et al.1991) ,haben transfusionsbedingte Infektionen eine zunehmende Bedeutung. Das Expositionsrisiko ist besonders groß bei sehr unreifen Frühgeborenen, die regelmäßig kleine Mengen Blut von vielen Blutspendern benötigen. Durch sorgfältige Befragung (Ausschluss von Risikogruppen) und regelmäßige Untersuchung der Blutspender sowie verbesserte Nachweismethoden im Labor (NAT-, PCR-Testung) konnte das Infektionsrisiko durch Blutprodukte zwar reduziert, nicht aber völlig ausgeschlossen werden. Genaue Zahlen über die Häufigkeit der transfusionsbedingten Infektionen im Kindesalter existieren nicht. Das Risiko kann in Deutschland aufgrund der Durchseuchungsrate der Blutspender folgendermaßen geschätzt werden: > > Geschätztes Restrisiko (nach Offergeld et al. 2005 Aufgrund der generellen HCV-PCR-Testung von Blutprodukten in Deutschland seit 1999 ist das Restrisiko dieser Virusübertragung minimal. Die Posttransfusionshepatitis ist daher praktisch nur noch durch HBV möglich, da die potenziellen Überträger regelhaft »low level carrier« sind, die in einer Pool-PCR nicht detektierbar sind. Die Übertragung von HIV durch Blutprodukte ist sehr selten. Nicht zuletzt infolge der verpflichtenden HIV-PCR-(alt: NAT-)Testung seit 2004 ist das diagnostische Fenster (Zeitabstand zwischen einer stattgehabten Infektion und dem möglichen Nachweis) deutlich verkleinert worden. Bei HIV-, HCV-oder HBV-Infektionen von Blutspendern oder Empfängern von Blutkomponenten bzw. Plasmaderivaten ist eine Rückverfolgung möglicherweise mitbetroffener Empfänger und Blutspender durchzuführen (sog. Look-back-Verfahren). Selten werden Plasmodien (Malaria, 1 Fall/4-6 Mio. Erythrozytentransfusionen; Witt et al. 1998 ), Trypanosomen (Chagas-Krankheit), Yersinia und andere Parasiten übertragen. Die potenziell infektiösen Blutspender können z. Z. nur durch sorgfältige Befragung erkannt undfalls indiziert -mit gezieltem Antikörpertest von der Spende ausgeschlossen werden. Nach Thrombozytentransfusion kann eine bakterielle Kontamination der Konserve zu einer systemischen fieberhaften Infektion (bis zum Vollbild einer Sepsis) führen (s.Abschn. 170.7). Erregeraktivierung. Wegen des bestehenden Restrisikos sollten möglichst nur noch virusinaktivierte oder Quarantäne-Blutprodukte eingesetzt werden. Bisher war eine Virusinaktivierung nur in Plasmafraktionen und Plasma möglich. Durch ein neues Pathogen-Inaktivierungsverfahren (Intercept) können neuerdings Viren und Bakterien auch in Thrombozytenkonzentraten -die am ehesten für eine bakterielle Kontamination in Frage kommen -inaktiviert werden. Um lymphotrope Viren zu entfernen, die Gefahr der Prionenübertragung zu eliminieren sowie die Immunisierungsrate zu erniedrigen, dürfen nur leukozytendepletierte Blutzellenprodukte (Ausnahme: Stammzellen-und Leukozytenapherisate) verwandt werden (Leukozytengehalt <1 ¥10 6 /Einheit; Leukozytendepletion durch Filtrierung mit dem Adhäsionsfilter oder durch Elutriation bei Aphereseprodukten). Ob tatsächlich ein leukozytendepletiertes Produkt einem CMV-negativ getesteten Produkt äquivalent ist, wird kontrovers diskutiert. Im Notfall kann auf die ausreichende Sicherheit der Leukozytendepletion vertraut werden. Für immunsupprimierte,CMV-negative Empfänger sollte weiterhin auf jede mögliche Verhinderung einer CMV-Übertragung geachtet und nach Möglichkeit CMV-negative Blutprodukte transfundiert werden. Siehe hierzu ⊡ Tabelle 170-1. Das CMV ist ubiquitär verbreitet und befindet sich vorwiegend intrazellulär in Leukozyten. Etwa 50-60% der Blutspender haben Antikörper gegen CMV; ca. 10% dieser Spender müssen als infektiös angesehen werden. Nur CMV-seronegative Patienten mit einem beeinträchtigten Immunsystem haben ein hohes Risiko, dass im Verlauf einer transfusionsbedingten CMV-Infektion schwer wiegende Folgeerkrankungen auftreten. Deshalb sollte diese Risikogruppe CMV-negative Blutprodukte erhalten. Kriterien zur Transfusion von CMV-negativen Blutprodukten bei seronegativen Patienten sind Bundesärztekammer u. Paul Ehrlich Institut 2005; eigene Ergänzungen in Klammern:  Frühgeborene (besonders mit einem Geburtsgewicht < 1.200 g),  (potenzielle) Empfänger von (seronegativen Organen oder) Knochenmark,  Kinder mit schweren angeborenen (oder erworbenen) Immundefekten,  CMV-negative schwangere Frauen und/oder ihre Kinder, wenn pränatale Bluttransfusionen erforderlich sind. Das Risiko für extrem unreife Frühgeborene (Geburtsgewicht unter 1.200 g) ist deshalb erhöht, weil ihr Immunsystem bei fehlendem schutzbringendem Antikörper von der Mutter noch nicht voll leistungsfähig ist. Bei CMV-seropositiven Patienten ist ein Nutzen von CMV-negativen Blutprodukten nicht belegt. Aufgrund der hohen Durchseuchung können logistische Probleme bei der Versorgung der Risikopatienten auftreten. Im Notfall und bei Versorgungsschwierigkeiten können daher ausschließlich leukozyten-depletierte Präparate transfundiert werden. Plasmaprodukte sind ausreichend leukozytenarm und gelten als sicher. Nach Übertragung von teilungsfähigen Spenderlymphozyten kann es bei bestimmten Risikopatienten mit gestörtem Immunsystem zu einer GVHD kommen. ben; hierbei besteht eine Haploidentität im Human-leucocyte-antigen-(HLA-)System zwischen Spender und Empfänger. Die Empfängerlymphozyten können die HLA-haploidenten Spenderlymphozyten nicht als fremd erkennen, während die homozygoten Spenderlymphozyten den nichtgemeinsamen HLA-Haplotyp als fremd abstoßen. Waschen von Blutprodukten entfernt das restliche Plasma. Gewaschene Produkte sollten bei Verdacht auf IgA-Mangel des Empfängers gegeben werden. Die Haltbarkeit von gewaschenen Blutkomponenten beträgt in der Regel bis zu 6 h. Da Erythrozytenkonzentrate heute standardmäßig weniger als 3-5% Plasma enthalten, kann von wenigen Ausnahmen abgesehen (wiederholte Transfusionsreaktion) auf das Waschen von Erythrozyten verzichtet werden.  In seltenen Fällen müssen bei Patienten mit rezidivierenden, schweren allergischen Reaktionen, die nicht auf die Gabe von Antihistaminika und/oder Prednison ansprechen sowie bei rezidiverenden febrilen Episoden die Blutprodukte gewaschen werden. Besonders im Kindesalter gehen einige Erkrankungen mit einer Aktivierung von T-Antigen auf der Erythrozytenoberfläche einher. Die Bedeutung dieses kryptischen Antigens für eine verstärkte Hämolyse ist bisher nicht bewiesen (Eder u. Manno 2001; Crookston et al. 2000) . Die Hämolyse ist häufig gesteigert; eine kausale Assoziation zwischen der häufigen Aktivierung von T-Antigen und der gesteigerten Hämolyse ist nicht bewiesen. Der Nachweis von T-Antigen ist für die Interpretation der serologischen Daten von wesentlicher Bedeutung. Da sich aus dem Nachweis keine klinischen Konsequenzen ergeben, ist die Untersuchung auf T-Antigenaktivierung bei der nekrotisierenden Enterokolitis (NEC) -mit Ausnahme von schwerer unklarer Hämolyse nach Transfusionnicht erforderlich. Patienten, bei denen nach Transfusion eine unklare, schwere Hämolyse auftritt, sollten Anti-T-Antikörper-schwaches Frischplasmapräparat bekommen, sofern eine T-Aktivierung nicht ausgeschlossen ist. Beim hämolytisch-urämischem Syndrom (HUS) infolge einer Pneumokokkensepsis und/oder -meningitis kommt es zu einer sehr schweren Hämolyse. Durch die bakterieneigene Neuraminidase wird das T-Antigen auf Erythrozyten und Glomerulazellen aktiviert. Möglicherweise trägt bei dieser Sonderform des HUS die T-Antigenaktivierung zur Morbidität bei. Daher empfehlen wir beim atpyischen HUS auch ein Screening auf T-Antigen (Eber et al. 1993 Die Transfusion von gelagertem Vollblut wird aus medizinischen und ökonomischen Gründen heute praktisch nicht mehr durchgeführt. Fast immer kann dafür die Kombination von Erythrozytenkonzentrat und Frischplasma gegeben werden.(Erythrozyten der Gruppe 0,Rhneg. gemischt mit Plasma der Gruppe AB, Rh-neg. Irreguläre Antikörper sollten durch Antikörpersuchtest im Plasma der Patienten ausgeschlossen sein.) Dies gilt auch für den vollständigen Blutaustausch beim Neugeborenen und die Massivtransfusion bei schwerem akutem Blutverlust. Die Hauptindikation für eine Blutaustauschtransfusion ist nach wie vor die schwere Hyperbilirubinämie bei gesteigerter Hämolyse (mit oder ohne Blutgruppenunverträglichkeit), gefolgt von Sepsis und disseminierter intravasaler Gerinnung und der chronischen Blutungsanämie des Neugeborenen (s. Kap. 3). Massivtransfusionen fallen an bei einer Verwendung des extrakorporalen Kreislaufs in der Kardiochirurgie und während der extrakorporalen Membranoxygenierung (ECMO) beim Neugeborenen. Bei Massivtransfusion (Ersetzen von mehr als einem Blutvolumen in weniger als 24 h) kann es zu einem Mangel an Gerinnungsfaktoren und Thrombozyten kommen. Eine Behandlung durch Zufuhr von Plättchen und/oder Gerinnungsfaktoren kann im Falle einer Blutung, die durch diesen Mangel verursacht wird, sinnvoll sein. Bei Neugeborenen sollte vor der Austauschtransfusion das kaliumhaltige Additiv abzentrifugiert und durch Plasma oder Humanalbumin ersetzt werden. Bei der Polyglobulie des Neugeborenen (Hämatokrit, HKT-Wert >70%) sollte bei klinischen Symptomen der kardialen Überlastung und bei Respirationsstörungen ein partieller Blutaustausch mit 5%igem Albumin erfolgen. Mütter der Blutgruppe 0, die Kinder der Blutgruppe A oder B erwarten, bilden leicht plazentagängige IgG-Antikörper der Spezifität Anti-A/Anti-B, die sich auch ohne Symptome einer AB0-Erythroblastose im kindlichen Organismus befinden können. Die kindlichen Erythrozyten werden wegen nur schwacher Ausbildung der A-und B-Antigene, insbesondere bei unreifen Frühgeborenen, praktisch nicht beschleunigt abgebaut. Werden jedoch blutgruppengleiche adulte Erythrozyten mit stark entwickelten Blutgruppenantigenen transfundiert, kann es zu einer meist protrahierten hämolytischen Transfusionsreaktion mit unzureichendem Hb-Anstieg, Hyperbilirubinämie und einem positiven direkten Coombs-Test kommen. Man sollte daher im ersten Monat die AB0-Konstellation zwischen Mutter und Kind Eigenblutspende, Hämodilution Dies sind in seltenen Fällen elektive Eingriffe und Operationen mit einem erwarteten Blutverlust von mehr als 10-20 ml/kg KG. Voraussetzung ist eine Herstellungsgenehmigung der zuständigen Regierungsbehörde für die Institution!  Vorbestehende Anämie (Hb <10,0 g/dl bzw. 6,2 mmol/l),  Gewicht <20 kg oder Alter <3 Jahre,  schwere Grunderkrankung,  bakterielle Infektion,  positive Virusmarker für HBs-Ag, HCV, HIV. Aus Gründen der Praktikabilität (ausreichende Kooperation und venöser Zugang) ist eine Eigenblutspende in der Regel erst ab einem Gewicht von >30 kg und einem Alter >7-10 Jahren zu empfehlen. Der Zellsaver ist für alle Altersgruppen die effizienteste Technik, um intraoperativ Blut zu sparen. Bei Erwachsenen wird neuerdings in einigen Zentren die normovolämische Hämodilution angewandt,bei der vor oder bei Einleitung der Narkose 2-4 Bluteinheiten Eigenblut entnommen und das Volumen mit kristallinen Lösungen aufgefüllt wird. Die Effektivität dieser Technik ist umstritten, und das Verfahren sollte daher im Kindesalter nur in besonderen Situationen, wie z. B. einer Knochenmarkspende, eingesetzt werden. Bei der Hämodilution wird eine Blutverdünnung mit kristallinen Lösungen auf einen HKT-Wert von 23-25% durchgeführt. Dadurch gehen intraoperativ weniger Erythrozyten verloren, so dass eine Bluttransfusion überflüssig ist oder weniger Konserven notwendig sind. Eine genaue Kontrolle der Volämie ist dabei intraund postoperativ entscheidend, um Phasen von Hypotension oder Volumenüberladung zu vermeiden. Derzeit kann das Verfahren nur Kliniken mit größerer Erfahrung in der Hämodilution empfohlen werden. Es ist möglich, dass diese Technik in Zukunft auch im Kindesalter eine größere Anwendung findet, sofern sauerstofftragende Lösungen zur Verfügung stehen (Brecher et al. 1999) . Mit Ausnahme der Eigenblutspende ist von allen anderen gerichteten Blutspenden grundsätzlich abzuraten. Die Transfusion von Thrombozyten ist bei Kindern mit verminderten oder nichtfunktionsfähigen Thrombozyten meist in Verbindung mit Blutungszeichen indiziert. Zunächst sollte jedoch eine ursächliche Abklärung der Thrombozytopenie oder Thrombozytopathie sowie eine Behandlung der Grunderkrankung erfolgen. Die Indikation zur prophylaktischen Transfusion von Thrombozyten beruht nicht auf wissenschaftlich gesicherten Erkenntnissen, sondern auf klinischer Erfahrung und ist meist empirisch begründet. Das Risiko von oft lebensbedrohlichen Blutungen ist bei Thrombozytenzahlen unter 10.000-20.000/µl erhöht. Bei Fieber, bei bestehender Blutung, bei notwendigen invasiven Eingriffen und bei Gerinnungsstörungen müssen schon bei höheren Grenzwerten Thrombozyten prophylaktisch transfundiert werden. Wegen zusätzlicher Störungen der Plättchenfunktion und Gerinnungsfaktoren bei Neugeborenen, insbesondere Frühgeborenen, ist das Risiko einer Hirnblutung besonders ausgeprägt. In der Regel sollten bei einem Wert <10.000/µl (Kinder <3 Jahre: <20.000/µl) ungerichtet ausgewählte Thrombozyten unter Berücksichtigung der Blutgruppe substituiert werden (z. B. Aplasie unter Chemotherapie, schwere Verbrauchskoagulopathie u. a.]. Hämolyse durch Isoagglutinine. Bei fehlendem Anstieg muss nach antithrombozytären Antikörpern gesucht werden. Dabei handelt es sich entweder um eine Sensibilisierung durch vorausgegangene Thrombozytentransfusionen (Bildung von HLA-Antikörpern oder thrombozytenspezifischen Antikörpern) oder um Autoimmunantikörper bei der idiopathisch-thrombozytopenischen Purpura (ITP). Nur bei nachgewiesenen HLA-Antikörpern ist die Gabe von HLA-identen Thrombozytenkonzentraten sinnvoll. Höhere Thrombozytenwerte als Transfusionsgrenze gelten in folgenden Fällen:  >20.000/µl bei zusätzlichen blutungsfördernden Zuständen, wie Fieber, Infektionen, intravasaler Gerinnung oder vor diagnostischen Eingriffen/Punktionen,  >10.000/µl (<20.000/µl bei Fieber) bei heparinisierten Patienten,  >20.000/µl bei Knochenmarkversagen/nach Knochenmarktransplantation,  >50.000/µl (ab der 2. Woche <30.000/µl) bei belastungsstabilen Neu-und Frühgeborenen,  >50.000/µl bei bestehender Blutung und/oder kleineren invasiven Eingriffen (gilt auch für Lumbalpunktion, besonders von unruhigen oder kleinen Kindern),  >50.000/µl bei schweren oder nichtbeherrschbaren Blutungen bei Patienten mit Funktionsstörungen der Thrombozyten (z. B. Morbus Bernard-Soulier),  >80.000/µl bei allen größeren Operationen mit oder ohne bestehender Blutung,  >100.000/µl bei schwer erkrankten Frühgeborenen,  >100.000/µl bei bestehender Blutung und gleichzeitiger Gerinnungsstörung  sowie bei schweren Blutungen bei angeborenen Funktionsstörungen der Thrombozyten mit normaler Zahl (z. B. Thrombasthenia Glanzmann). Bei sehr unreifen Frühgeborenen oder Neugeborenen mit Kreislaufschwierigkeiten muss evtl. eine Volumenreduktion des Plättchenkonzentrats erfolgen. Die Thrombozyten sollten neben der AB0-Verträglichkeit möglichst auch Rh(D)-kompatibel und, wenn erforderlich, auch CMVnegativ sein. Die Infusion sollte so rasch wie möglich (ein gepooltes Konzentrat über ca. 30 min) erfolgen; Pumpen und Druck-Manschette sind erlaubt. Ein Mischen mit anderen Infusionslösungen außer 5bis 10%iger Glukose-oder 0,9%iger NaCl-Lösung (auch nicht über Y-Stück) ist nicht zulässig: Jedoch ist die gleichzeitige Gabe über 2 Lumina eines doppellumigen Katheters erlaubt. Bei Rh-neg. Mädchen, die wegen Mangel an Rh-negativen Spendern ausnahmsweise ein Rh-positives Thrombozytenkonzentrat erhalten, erfolgt eine Anti-D-Prophylaxe (0,5 ml). Durch eine posttransfusionelle Thrombozytenzählung (sog. Wegen des nicht unerheblichen Risikos des Kindes durch die pränatale Diagnostik und die Besonderheiten der prä-und postnatalen Therapie sollten Schwangere mit solchen Kindern als Risikoschwangerschaften angesehen und nur in perinatologischen Zentren mit besonderer Erfahrung behandelt werden. Diese verläuft milder und wird durch mütterliche IgG-Autoantikörper hervorgerufen (z. B.Werlhof der Mutter). Eine Therapie ist meist nicht erforderlich. Nur Neugeborene mit ausgeprägter Thrombozytopenie (<50.000/µl) sollten intravenöse g-Globulinpräparate (1 g/kg KG an 2 Tagen) oder Steroide (1-2 mg/kg KG/Tag) erhalten. Bei der ITP (s. hierzu auch Abschn. 47.2) kommt es durch Autoantikörper oder zirkulierende Immunkomplexe zu einem raschen Abbau der eigenen wie auch fremden Thrombozyten. …Therapie ‥Therapieprinzip Die Behandlung der Wahl besteht in der Gabe von hoch dosierten Immunglobulinen und/oder Steroiden. Nur bei lebensbedrohlicher Blutung werden Thrombozytenkonzentrate transfundiert. Bei Erkrankungen, die mit einer erhöhten Thromboseneigung einhergehen, wie hämolytisch-urämisches Syndrom und thrombotisch-thrombozytopenische Purpura, sind Transfusionen von Thrombozyten kontraindiziert. Einige Patienten entwickeln nach rezidivierenden Thrombozytengaben Antikörper gegen HLA-Eigenschaften der Spenderthrombozyten.Bei fehlendem Anstieg der Thrombozyten nach Substitution (<10.000/µl) müssen diese vermutet werden. Bei entsprechendem Nachweis sollten HLA-idente Einzelspendethrombozyten nach entsprechender Austestung verabreicht werden. In der Phase der Konditionierung vor Stammzelltransplantation und der anschließenden Aplasiephase sollte die Zufuhr von Isoagglutininen mit der Thrombozytengabe, die gegen die anwachsenden Spendererythrozyten gerichtet sind, unbedingt vermieden werden: Inkompatible Isoagglutinine können das Angehen der Spendererythropoese verzögern. In den letzten Jahren hat sich die Transfusion von Granulozyten bei Kindern mit anhaltender schwerer Neutropenie und mit invasiven Infektionen zunehmend bewährt (Sachs et al. 2006; Peters et al. 1999) . Die gegenüber früheren Daten besseren Ergebnisse sind v. a. auf eine erhöhte Mobilisation von Granulozyten durch Gabe von »granulocyte colony-stimulating factor« (GCSF) an den Spender vor Apherese erzielt worden. Daten zur Applikation nach Stammzelltransplantation ergeben eine verbesserte Überlebensrate bei Sepsis und anderen schweren Infektionen. Aufgrund der großen Leukozytenzahlen sind die Risiken von transfusionsbedingten Infektionen,des TRA-LI-Syndroms (transfusionsassoziierte Lungeninsuffizienz), Alloimmunisierung sowie auch der GVHD besonders groß. Die Indikation zur Granulozytentransfusion muss daher streng gestellt werden, und die Gabe bleibt neutropenen Patienten mit schwerer Sepsis oder Aspergillose als »Ultima ratio« vorbehalten. Kriterien zur Transfusion von Granulozyten sind (Guidelines for blood utilization review 2001):  Granulozytenzahlen <3.000/µl bei Neugeborenen in den ersten 2 Wochen und bei bakterieller Sepsis,  prolongierte Granulozytenzahlen <500/µl bei Kindern mit bakterieller Sepsis und Antibiotikaresistenz, Mykobakterieninfektion oder systemischer Aspergillose,  nachgewiesene Infektionen bei Patienten mit einem qualitativen Granulozytendefekt und Antibiotikaresistenz,  Granulozytenzahlen <500/µl bei Kindern nach Stammzelltransplantation und mit therapieresistentem Fieber unklarer Ursache. Der Spender -in der Regel Eltern oder nahe Verwandtemuss folgende Voraussetzung erfüllen:  AB0-kompatibel (aber nicht HLA-ident),  negative Infektserologien (HBV, HCV, HIV; Lues; falls möglich CMV-negativ),  Abklärung der Spendefähigkeit (wenn möglich sollten alle Bedingungen eines »normalen« Blutspenders erfüllt sein, einschließlich negativer PCR-Testung für HCV und HIV),  Spendebereitschaft über 2 Wochen. Die Granulozytenmobilisation erfolgt mit 5 µg/kg KG GCSF s.c. 6-12 h vor Entnahme. Ein therapeutisches Granulozytenpräparat sollte 1-2¥10 9 /kg KG Leukozyten enthalten. Der Anstieg der Neutrophilen (≈1,5¥10 9 /l; Peters et al. 1999 ) wird 1 h nach Transfusion kontrolliert (gleichzeitig Thrombozytenanstieg um 30.000-50.000/µl; kein Amphotericin B 4 h vor und nach der Gabe!). Granulozytentransfusionen sollten täglich bis 2-tägig gegeben werden, bis die Infektion bekämpft ist oder die Granulozytenzahlen über den kritischen Werten liegen. Alle Granulozytenpräparate sollen prätransfusionell bestrahlt werden. Bei Neugeborenen kommt es häufiger zu lebensbedrohlicher Sepsis und stark verminderten Leukozytenzahlen.Vor einer Granulozytengabe sollte versucht werden, die endogene Produktion und Ausschüttung von Granulozyten durch die Gabe von GCSF an das kranke Neugeborene zu verbessern. Bei Nichtansprechen sollte die Transfusion von Granulozyten bedacht werden, da zusätzlich die Funktion von Neugeborenenleukozyten beeinträchtigt ist. Die Gabe von Frischplasma ist bei unklaren Gerinnungsstörungen, die mit klinisch relevanter Blutung einhergehen (oft mit Fehlen multipler Gerinnungsfaktoren), die Ersttherapie der Wahl. Meist wird Frischplasma bei disseminierter intravasaler Gerinnung eingesetzt. Die initiale Dosis beträgt 10-20 ml/kg KG Frischplasma, das rasch (über eine 0,5-1 h) verabreicht wird. Gerinnungstests [Quick-Wert und partielle Thromboplastinzeit (PTT)] sollten vor und nach der Gabe kontrolliert werden. Die Gabe von Frischplasma ist bei Kindern mit einem angeborenen oder erworbenen Mangel an Gerinnungsfaktoren (II,V u. a.) indiziert, für die keine spezifischen Gerinnungskonzentrate zur Verfügung stehen. Durch eine Dosierung von 10-15 ml/kg KG alle 12-24 h wird theoretisch eine Erhöhung der Gerinnungsfaktoren um 10-20% erreicht. Der schwere, angeborene oder erworbene Protein-S-Mangel wird ebenfalls durch Frischplasmagaben ersetzt; allerdings ist die Menge Protein S Beim Patienten sollten als Mindestforderung die AB0-Eigenschaft sowie der Rhesusfaktor D bestimmt werden. Bei Patienten,die voraussichtlich häufiger Bluttransfusio-170.6 · Praktische Durchführung 2017 nen erhalten, müssen zusätzlich die Rhesusfaktoren CcEe sowie der Kell-Faktor K festgestellt werden. Zur Erkennung von irregulären Erythrozytenantikörpern wird bei jeder Blutgruppenbestimmung der Antikörpersuchtest und eine Verträglichkeitsprobe durchgeführt. Das Ergebnis der Blutgruppenbestimmung muss vor der Transfusion in einer zweiten Blutprobe bestätigt werden.Bei Säuglingen jünger als 3 Monate mit vorausgegangenen Transfusionen/Blutgruppenbestimmung sollte die Blutgruppenbestimmung wiederholt werden, sobald Isoagglutinine nachweisbar sind (>6. Lebensmonat); der Abstand zur Transfusion muss mindestens 3 Monate betragen. Bei Patienten mit regelmäßiger Transfusion sollten die Infektionstiter (HIV; HCV, HBV) in jährlichen Abständen getestet werden, um im Fall eines positiven Titers nach Transfusion den Infektionsweg nachverfolgen zu können. Für die Identität der an das Laboratorium übersandten Blutproben ist der Arzt verantwortlich, der die Blutentnahme durchgeführt hat. Die Beschriftung der Blutprobe muss Namen, Vornamen und Geburtsdatum des Patienten sowie Zeitpunkt der Blutabnahme enthalten. Bei Neugeborenen werden Geburtsdatum und Geschlecht sowie der Hinweis »Neugeborenes von Frau (Name, Geburtsdatum)« angegeben.Wenn zusätzlich mütterliches Blut mitgeschickt wird, können leicht Verwechslungen auftreten. Eine schnelle Unterscheidung ist durch die NaOH-Probe möglich: Zu 1 ml einer 1%igen NaOH-Lösung werden Vorgehen Die Bluttransfusion erfolgt mit einem Bluttransfusionsübertragungsgerät zum einmaligen Gebrauch, das durch einen Standardfilter (DIN 58360, Porengröße 170-230 µm) grobe Partikel, wie Gerinnsel, auffängt. Abgesehen von den besonderen Bedingungen des extrakorporalen Kreislaufs in der Kardiochirurgie und bei der ECMO werden Mikroaggregatfilter (40 µm) in der pädiatrischen Transfusionsmedizin gewöhnlich nicht verwendet. Die Bluttransfusion erfolgt bei Neugeborenen gewöhnlich mit Einmalspritzen, die über Spritzenpumpen eine exakte Dosierung ermöglichen. Um die Gefahr einer mechanischen Hämolyse zu vermindern, sollten nicht zu englumige Katheter und Kanülen eingesetzt werden, und die Transfusion sollte nicht zu schnell erfolgen. Der transfundierende Arzt soll die Transfusion einleiten, muss aber auch nach Delegation an eine erfahrene Schwester jederzeit schnell erreichbar sein. Die Blutmenge bei einer Transfusion beträgt gewöhnlich 12-15 ml/kg KG und wird meist in 30-60 min verab- ‥Therapieprinzip Die Therapie besteht in der Gabe von Steroiden und Sauerstoff (Cave: kein Lasix). Der Blutspender sollte auf Antikörper gegen Granulozyten untersucht werden. Nach Triulzi (2006) ist das TRALI eine der wichtigsten Ursachen von Transfusionsmorbidität und -mortalität. Sie wird hervorgerufen durch Antikörper gegen Leukozytenantigene. Nach Einführung der Leukozytendepletion ist die Häufigkeit stark zurückgegangen. In der Regel reicht eine fiebersenkende Therapie. In der Regel reicht eine fiebersenkende Therapie. Die Ursache kann meist nicht ermittelt werden. Klinisch kommt es ohne Temperaturanstieg zu leichten Hautreaktionen wie Flush oder Urtikaria, die gut auf Antihistaminika ansprechen. In den seltenen schweren Fällen mit Luftnot und Blutdruckabfall ist die zusätzliche Gabe von Steroiden erforderlich. Sie tritt meist 3-4 Wochen (frühestens 1 Woche) nach Bluttransfusionen bei Frauen auf, die durch vorangegangene Schwangerschaften Thrombozytenantikörper meist der Spezifität Anti-HPA-1a (PI A1 ) gebildet haben. Dabei werden nicht nur die HPA-1a-positiven Spenderthrombozyten, sondern auch die patienteneigenen antigennegativen Thrombozyten zerstört. Der Pathomechanismus ist bisher nicht befriedigend geklärt. In bedrohlichen Situationen wird eine Plasmapherese oder die i.v.-Gabe von hoch dosiertem g-Globulin empfohlen. Beispielsweise Übertransfusion, bakterielle Kontamination und metabolische Nebenwirkungen (Hyperkaliämie, Hypokalzämie, Mikroaggregate im gelagerten Blut) kommen bei sachgerechter Erythrozytentransfusion nur selten vor. ‥Therapieprinzip Nach Thrombozyten--oder Granulozytengaben -kann eine Therapie mit Diuretika (Furosemid 0,25 mg/kg KG) erforderlich sein, um eine Volumenüberlastung zu vermeiden. ! Bakterielle Verunreinigungen von Thrombozytenkonzentraten sind nicht so selten und können zur Sepsis mit letalem Verlauf führen (⊡ Tabelle 170-4). Pro Milliliter Erythrozytenkonzentrat werden 1 mg Eisen zugeführt The value of oxygen-carrying solutions in the operative setting, as determined by mathematical modeling Richtlinien zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Hämotherapie). Bundesanzeiger (5.11 Guide to the preparation, use and quality assurance of blood components, 12th edn RBC T activation and hemolysis: implications for pediatric transfusion management Hämolytisch-urämisches Syndrom bei Pneumokokkenmeningitis und -sepsis: Bedeutung der T-Transformation Does red cell T-activation matter? Transfusion medicine: First of two parts-blood transfusion American Association of Blood Banks Human immunodeficiency virus, hepatitis C and hepatitis B infections among blood donors in Germany 2000-2002: risk of virus transmission and the impact of nucleic acid amplification testing Leucocyte transfusions from rhGCSF or prednisolone stimulated donors for treatment of severe infections in immunocompromised neutropenic patients Safety and efficacy of therapeutic early onset granulocyte transfusions in pediatric patients with neutropenia and severe infections IgA anaphylactic transfusion reactions Status of NAT screening for HCV, HIV and HBV: experience in Germany Transfusion-related acute lung injury: an update Leitlinien zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten Transfusionsmalaria als Ursache von unklarem Fieber