key: cord-0034087-m8lxwxax authors: Hildebrand, Karl Heinrich title: Nierenerkrankungen undihre Beziehungen zu Infektherden im Hals-Nasen-Ohrengebiet und an den Zähnen date: 1950 journal: Arch Ohren Nasen Kehlkopfheilkd DOI: 10.1007/bf02121593 sha: 8904a3c51f1586da470777d40b46c9b5159a9dc1 doc_id: 34087 cord_uid: m8lxwxax nan weniger zuriickhaltend, wenn nach der Vorgeschichte der Befallene mit einer gewissen Wahrseheinlichkeit dem allergisehen Formenkreis zuge-hSren diirfte. Im allgemeinen gehe ich leichter den Rat zur Tonsillektomie als zu einer weitgehenden Zahnentfernung. Die Entfernung der Tonsillen verursacht keine neuen StSrungen, wi~hrend eine radikale Gebil~-Sanierung fiir junge Menscheti, insbesondere aber fiir Frauen, fiir die Zukunft nicht gleichgiiltig ist. Xhnlieh wie bei der Tuberknlose tauchte auch bei der Fokalinfektion der Begriff der Aktivit~tswertung auf. Im Gegensatz zu den Angaben SCHILLINGS konnte ich reich nicht davon iiberzeugen, dal~ man sich bei tier Aktivit~tsdiagnose weitgehend auf das Blutbild oder die Senkungsreaktion stiitzen kSnnte. Ich kann ferner nicht die Angahen yon SnArK best~tigen, dal~ die Bestimmung der Retikulocyten irgendwie weiterffihrt. GUTZEIT meint, yon einer Aktivit~tt des Herdes dann sprechen zu kSnnen, wenn naeh Kurzwellenapplikation auf einen Herd die Blutsenkung ansteigt. Die Beurteilungen dieser Methode gehen recht auseinander. Dasselbe gilt yon der Itistamineutanreaktion, die RATSCHOW empfahl. Wichtiger ist meines Erachtens die Feststellung einer Herdnephritis und am bedeutungsvollsten zweifelsohne die faehmiinnische Beurteilung des Tonsillen-bzw. Zahnbefundes. Soweit es nut irgend mSglich, stelle ich als Internist, mit der Einsehr/~nkung des vordem fiir die Formes frustes der Sepsis Gesagten, nicht die absolute Indikation, sondern suche das Gesamtbild mit dem betreffenden Fachkollegen zu kl~ren, was, wie ich aufzuzeigen reich bemiihte, bei dem Fokalproblem durchaus nicht einfach ist. Von KARL HnINmCH HILDEBRAND (Fulda). Zahn-und Ohreiterungen auf; wir bezeichnen sie daher als postinfekti6s im Gegensatz zu den intrainfekti6sen Herdnephritiden; im Kriege sahen wir sie nach Hauteiterungen, Bronehitiden und unmittelbar einer schweten Kglteeinwirkung und Durchngssung folgen. Gelegentlich wurde eine Vorerkrankung vermil]t, ja bei den Feldnephritiden fehlte sie in 18--62~ der Fi~lle, so dab yon GUTZEIT, ASSMANN, DIETRICH, JAKOBI eine Virus-~*iologie angenommen wurde, bisher mangelt es jedoch an Beweisen. Die akute diffuse Glomerulonephritis kann in einem sehr hohen Prozentsatz ausheilen, wenn sie friihzeitig erkannt und mit extremer Herzund Nierenschonbehandlung, d. h. mit mehrti~gigem Hungern und Dursten nach VOLgARD behandelt wird. Die MSglichkeit der Ausheilung ist allerdings zeitlich begrenzt, der kritische Terrain liegt nach unseren Erfahrungen in der 6. Woche nach dem Infekt and nur in seltenen Fgllen spgter. Wird keine Ausheilung erzielt, also im ungfinstigen Falle, bleiben ttochdruck oder 0dem oder Urinbefund oder alle 3 bestehen, dann schreitet der KrankheitsprozeB unabwendbar fort, nur das Tempo ist verschieden, in dem die Nierenleistung abnimmt, in dem das Stadium der Niereninsuffizienz und schliei~lich vSlliges Nierenversagen erreicht werden. Demzufolge werden die subakute Verlaufsart unterschieden, die das Endziel in Wochen oder Monaten erreicht, die subchronische Verlaufsart, die in einigen Jahren zum ~Tierenzusammenbruch ffihrt und schliel~lich die chronisehe Verlaufsart mit einer jahrzehntelangen Ablaufszeit. Welches Stadium jeweils vorliegt, lgBt sich 1nit den bekannten Nierenfunktionspriifungen feststellen. Bei der akuten Nierenentziindung setzt unter dieser extrelnen Sehohung und Strophantinbehandlung des Kreislaufes die 0delnaussehwelnmung ein, 1neist Tage sparer und langsalner folgt das Absinken des Blutdruckes, ihln geht oft die Abnahme der Albuminurie einigerma-Ben parallel, der Druck fgllt weiter systoliscli und diastolisckund sinkt sehlieBlich auf hypotone Werte, um sieh anschlieSend auf norlnale I-IShe einzustellen. Zum Schlul3 schwindet auch der Urinbefund. Diesen Ablauf nehmen dabei etwa 70% der Fi~lle in eineln Zeitrauln yon 6--8 Woehen, nur die MikroM1naturie und die Albulninurie kSnnen in leiehter Form Toxinwirkungen an. Die Nierenfunktion bleibt hier meist ungestSrt erhalten, die.~bnorme Eiweil~durehl~ssigkeit der Glomeruli ist reversibel, sobald die toxische Alteration wegfgllt. Die reinen chronisehen Nephrosen sind --im Prinzip-sogar noch naeh Jahren heilbar; nur in wenigen Fgllen entwiekelt sieh als Folge der Albuminurie eine prim~re Verdiekung der Basalmembran der Glomeruli, die schliel~lich dann sekund~r eine DurehblutungsstSrung zur Folge hat mit Blutdrueksteigerung, fortsehreitender StSrung der Nierenfunktion und so zur sekund~ren glomerulonephrotischen Schrumpfniere fiihrt. Viel h~ufiger sind dig Pseudonephrosen, d. h. Nephritiden mit nephrotisehem Einsehlug, die das nephrotische Syndrom bieten, aber meist geringe Blutdrucksteigerung aufweisen. OERTS, L hat das Krankengut der VoL~A~Dschen Klinik an Nephrosen nachuntersucht und zusammengestellt. Von den 59 chronisehen Nephrosen batten 18 eine luische Atiologie, 3 F~llen lag eine exogene Toxinwirkung zugrunde, 38 waren sogen~nnte reine chronisehe Nephrosen bei versehiedenen Grundleiden. Bei 6 F~llen konnte einwandfrei ein ursgchlieher Zusammenhang zwischen der Nephrose und einem ehronischen Infektherd an Tonsillen, Zghnen oder NebenhShlen nachge wiesen werden; unmittelbar n~eh Ausschaltung des Herdes trot Besserung dieser Nephrosen tin, die dann in 5 F~llen in Heilung iibergingen. Wenn also die Giftproduktion aufhSrt oder Immunit~tt eintritt, heilen die Nephrosen noch naeh ]ahrelanger Dauer. Bei den Sklerosen (essentielle Hypertonie, benigne und maligne Nephrosklerose) spielen urs~chlieh Alter und Hereditgt die Hauptrolle, dem Infekt kommt nach den Erfahrungen der VOLgARDsehen Klinik keine praktisehe Bedeutung zu, such nicht fiir den ,,Umschl~g" der benignen in die maligne Sklerose. ljTber dig Indikationen der Herdbeseitigung werden sieh berufene Faehvertreter der Hals-Nasen-Ohren-und auch der Zahnheilkunde gu-~ern. Dem Internisten bitte ich zu gestatten, dal~ er aueh einmal lediglich ~uf Grund der Vorgesehiehte die Indikation zum Eingriff stellt, denn jeder yon Ihnen kennt Fglle, in denen harmlos erscheinende Tonsillen bei der Entfernung einen linsengrof3erl Absee~ finden liel3en. Gegenindikationen der Herdbeseitigung sind eine akute Tonsillitis, akute Sinusitis oder Otitis. Eine Ausnahme verlangt der Tonsillarubsce~, wenn er yon FrSsteln oder Sehiittelfrost begleitet ist. Besondere Vorsicht ist bei Kranken mit anhaltendem ()demstadium zu empfehlen. Diese Fglle haben eine Abwehrsehwgche gegenfiber Infekten, Verminderung des y-Globulins und ungenfigende Produktion yon AntikSrpern, sie k6nnen naeh dem Eingriff bezfiglieh 0dem und Albuminurie sogar ffir lgngere Zeit verschlimmert werden. Deshalb empfiehlt sieh zur Vorbereitung reichlich Vitamin-C-Zufuhr zur Aufftillung des erwiesenen Defi-zits, Bluttrangfusionen oder Serumkonserve zur Besserung der An~mie, Hypalbumih~mie und der Mlgemeinen Immunit~tslage; der ehirurgisehe Eingriff sollte unter dem Sehutz yon mehrt~gigen Gaben yon SUlfonamiden, Penicillin oder Pyramidon erfolgen. Zur Zeit der I~ekonvaleseentenhyposthenurie ist vermehrte Durehspiilung mit Obsts~ften empfehlenswert. Eine absolute Gegenindikation stellt das vorgesehrittene Stadium der Niereninsuffizienz dar mit spezifisehen Harngewiehten unter 1020 oder eventuell erh6htem Blutspiegel der harnpfliehtigen Substanzen. Hier kann beispielsweise nach einer Tonsillektomie der postoperativ erh6hte Eiweigzerfall einen ur~mischen Zustand ausl6sen. Bei mehreren Infek~herden empfiehlt sich etappenweise abet kongequente Sanierung, die Fureht vor Anaehorese (AscoLLI) braucht naeh unseren Erfahrungen bei den Nierenkrankheiten das akute Vorgehen nieht zu l~hmen. Als Zeitpunkt des Eingriffes empfiehlt sieh bei der verz6gert abheilenden diffusen Glomerulonephritis die Phage naeh der 0demaussehwemmung, wenn etwa erhShte Blutwerte der harnpfliehtigen Stoffe abgesunken sind, wenn der Blutdruek 2 und mehr Woehen der Behandlnng trotzt, also etwa in der 5. Woche nach der Vorerkrankung. Zu dieser Zeit erzielt der Eingriff sehnell einsetzende, eindrucksvolle Erfolge. Bei den bereitg abgeheilten Nephritiden soll die ehirurgisehe AussehMtung nieht sp~ter als in der 8.--10. Woche erfolgen. Bei den Nephrosen muB die Herdbeseitigung erfolgen, bevor Sekund~re Ver/~nderungen der Glomerulidurehblutung oder Amyloidkomplikationen eintreten k6nnen. Bei den Herdnephritiden kommt dem Zeiffaktor keine so entseheidende Bedeutung zu. Als unmittelbare Folge der Herdbeseitigung treten insbesondere bei den Friihherdbehandelten, z. B. bei den Friihtonsillektomierten in etwa 25% der F~lle Verst~rkung der H~maturie und Albuminurie ein, seltener erfolgt ein Blutdruckanstieg, aber alle diese Erscheinungen gehen nach wenigen Tagen wieder zur/ick. Eine Verstgrkung der Albuminurie und des ()dems auf l~ngere Zeit erfolgt nut bei Nephrosen oder bei den Glomerulonephritiden mit nephrotisehem Einschlag. tiber einen trugisehen Auggang berichtet VOLgAP~D, dort war weder die Zeitspanne nach dem akuten Infekt eingehalten, der eine war 14 Tage, der andere 3 Tage vorausgegangen, noch die erh6hten Blutwerte harnpflichtiger Substanzen beriicksichtigt, ttier kam es im Anschlu~ an die Friihaussch~tlung zu einem septischen Krankheitsbild und zum Tode. MiBerfolge sind bei klarer Indikation und pr~ziser TermineinhMtung recht selten. Bei meinen vielen hunderten yon Feldnephritiden sah ich nur 3 mM trotz rechtzeitiger Herdbeseitigung ein Versagen. Sofern subakute Eiterungen der NebenhShlen und des,Mittelohrs die Ausheilung einer akuten Nierenentzfindung gefghrden und durch lokale und allgemeine Behandlung nicht entscheidend beeinflugt werden, mul~ reehtzeitig eine ehirurgisehe Ausri~umung erfolgen. Dasselbe gilt ffir ehronische Schleimhauteiterungen mit subakuten Exacerbationen. Und wie steht es mit den experimentellen Ergebnissen, die einen Zusammenhang zwischen J0~okalinfektion und Nierenerkrankung annehmen lassen ? I)as Vo]lbild einer akuten diffusen Glomerulonephritis auf allergischer Basis zu erreiehen (mit Antinierenserum einer anderen Tierspezies)gelang MAsIrGI. Die Untersuehungen der Amerikaner SCtIWENDTKER, COMPLOIEt~ und besonders CAVSLTI kommen der mensehlichen Nephritispathogenese insofern n~Lher, als sie erreichten, arteigene Nierensubstanz dureh Streptokokkeneinwirkung zu einem Antigen zu maehen, eine typisehe Nierenerkr~nkung auszul6sen und im Blute die gebildeten Anti-kSrper mit ihrer Organ-und Artspezifit~t nachzuweisen. Parenteral in die Blutbahn eingebraehte EiweigkSrper 15sen aber die Bildung yon Proteinasen ans, die streng spezifiseh sind und den Organismus yon den'k6rperfremden , stSrenden EiweiBstoffen dureh Abbau derselben zu PePtiden und Aminos/~uren zu befreien suehen. Im Ham werden diese Fermente ausgesehiede n und yon ihrem Entdeeker EMIL ABDEI~-HALDEN als Abwehrfermente bezeichne~. SAI~RE und MAnR gelang es bei akuten und chronisehen Nierenentzfindungen ebenso wie bei fortgesehrittenen maligne n Sklerosen in der Klinik solche Proteinasen naehzuweisen. Interessanterweise erfolgte eine Verst~rkung der Reaktion naeh einer in der I-Ieilphase der Nephritis durehgeffihrten Tonsillektomie, wobei aueh klinisehe Zeiehen einer st~rkeren l%eizerseheinung der Niere beobaehtet warden konnten. Noeh steht der Beweis aus, dab die spezifisch gegen das Niereneiweil3 gerichteten Proteinasen urs~tehlieh auf die von CAVELWI besehriebenen Antigene und AntikSrper zurfiekzufiihren sin& Nit seiner Immunisierungsmethode konnte' CAVELTI nieht nur ein sondern zwei mit Niere in vitro reagierende AntikSrper darstellen, er vetmuter, dag es sieh um eine noeh grSgere Zahl handeln dfirfte. Wenn einige der stimulierenden Antigene yon den Glomeruli, andere yon ~ den Tubuli und noeh andere yon den iibrigen Strukturen des Nierengewebes stammen, dann k6nnen Sch~tdigungen untereinander ~lifferieren, j e naehdem der eine oder andere Antik6rper gegen Niere fiberwiegt. In diesem Zusammenhang gewinnen die Hoehdrueksubstanzen ein besonderes Inter-eSse. Bekanntlieh enthglt die gesunde Niere I%en!n, einen grogmolekularen EiweiBkSrper, der blutdrueksteigernd wirkt, fiber dessen physiologisehe Bedeutung noeh niehts bekannt ist. l%enin ~ls Ferment tritt zu seinem Substrat Hypertensinogen, einem e-Globulin und bildet das Hypertensin, das seinerseits dureh Hypertensinase --aus den roten BlutkSrperehen --zerst6rt werden kann. ~r konnte an der VOLttARDschen Klinik zeigen, daft der normale Menseh groge Renindosen vertr~igt, dab akute und ehronisehe Nephritiden aber auf 1/200 der Dosis se]lon hyperergisch d. h. bei intracutaner Injektion mit entziindlicher Quadde] und allgemein mit anfi~nglicher Blutdrueksteigerung und sp~terem Blutdruckabfalt reagieren. Ja bei der akuten Nephritis hielt die Blutdrueksenkung an und die anderen Krankheitssymptome sehwanden. M6LLEIr vermutet eine Desensibilisierung der Reniniiberempfindlichkeit erreicht zu haben. Uber die Verkniipfung von Antik6rpern CAVELTIS und Hochdrueksubstanzen in einem Allergiekomplex liegt noch der Sehleier des Geheimhisses ausgebreitet. Vielleicht gelang es dureh die bisherigen Mal~nahmen, dutch VOL~ARDS Hunger-Durst-Therapie, durch rechtzeitige Fokalbehandlung, oder dureh l%enininjektionen M6LLERS in diese komplexen Allergievorg~tnge spezifiseh oder unspezifisch einzugreifen. Uns bleibt die Verpfliehtung an die Stelle vieler kiihner Hypothesen beweisende Ergebnisse zu setzen. Vorerst aber empfiehlt die klinisehe Beobaehtung, bei einer Anzahl der Nierenerkrankungen der Fokalinfektbehandlung noet{ weiter eine wichtige Bedeutung beizumessen. Wir alle kommen aus der Internen Medizin", so sagte Cz~Y an seinem Lebensabend in: ,Die F~diatrie meiner Zeit". So mSchte sieh also der Kinderarzt am liebsten Gretehens: Worte zu Faust zu eigen maehen : ,DAB mir zu tun fast niehts mehr fibrig bleibt Eine solehe Tatsaehe ist das sehr interessante Freibleiben yon den-]cindlichen Rheumatosen in einer bestimmten Alte~sgruppe, d. h. der.Kinder in den ersten 4 Lebensjahren. Man bedenke mit LEIOHTE~T~ITT, dab hier ein beaehtlieher Widersprueh zur reinen Streptokokkeniitiologie vorliegt, da bekanntlich der -Saugling diesen Bakterien gegeniiber besonders anfi~llig ist