key: cord-0031652-sfo4ar47 authors: Seibt, J.; Heide, S.; Budde, D.; Pietsch, J. title: Untersuchungen zum Einfluss verschiedener Mund-Nase-Schutzmasken auf die beweissichere Atemalkoholmessung date: 2022-05-16 journal: Rechtsmedizin (Berl) DOI: 10.1007/s00194-022-00574-0 sha: 2bd3166f15c3c6683726eb9592a1d50ca5b8cd49 doc_id: 31652 cord_uid: sfo4ar47 On the occasion of a judicial expert opinion on the question of whether wearing a face mask can lead to a falsification of the breath alcohol value leading to detriment of the accused, an experimental series of tests was carried out under pandemic conditions on six healthy test subjects (four men, two women), who practiced low-risk recreational alcohol consumption. On each day of the study one specific mask type (surgical mask, textile mask, FFP2 mask) was examined. After ingestion of an individually calculated amount of alcohol and a 30-min absorption phase, 6 consecutive breath alcohol measurements were carried out at 30-min intervals, with one mask or no mask worn between measurements. Subsequently, pairs of values for periods with and without a mask were formed and the hourly breath alcohol elimination rates were calculated. As a result, the breath alcohol elimination rates with and without masks did not differ from each other. There were no error messages from the breathalyzer that can be attributed to the previous wearing of a mask. Im Zuge der pandemischen Lage in den Jahren 2020/2021 ist das Tragen von Mund-Nase-Schutzmasken (MNS) zur Eindämmung des Sars-CoV-2-Infektionsgeschehens mittlerweile zum Alltag geworden. Während von der Bevölkerung zu Beginn der Pandemie mangels Alternativen oft selbstgenähte Textilmasken aus Baumwollstoffen ("community masks") genutzt wurden, trat im Verlauf aufgrund strengerer Vorgaben im Infektionsschutzgesetz die Nutzung von medizinischen Masken und Atemschutzmasken der Kategorie 2 (FFP2/KN95) in den Vordergrund [21] . Eine im Zusammenhang mit der erweiterten Maskenpflicht erstmals aufgetretene Einlassung im Rahmen einer Ordnungswidrigkeit, dass das Tragen einer MNS vor der beweissicheren Atemalkohol-messung durch Ethanolretention in der Ausatemluft unter der Maske zu überhöhten Messwerten führen würde, sollte durch ein rechtsmedizinisches Gutachten überprüft werden. Das korrekte Tragen einer MNS führt zu einer spürbaren Erwärmung und Befeuchtung der Luft hinter der Maske und kann zu erhöhter Atemanstrengung mit Anstieg der Atem-und Herzfrequenz und damit einhergehendem Gefühl der Atemnot, Kopfschmerzen, Hitzegefühl oder Schwindel führen [6] . Im Zusammenhang mit der beweissicheren Atemalkoholmessung können insbesondere Änderungen der Atemtemperatur (z. B. durch Modulation der Atemtechnik) bekanntlich zu Mess- [5] . Die Standardmessabweichung des Geräts liegt für Messwerte zwischen 0 und 0,400 mg/l bei < 0,006 mg/l, im Messbereich > 0,400-1,000 mg/l bei < 1,5 % vom Messwert. Messergebnisse unter 0,05 mg/l werden als 0,00 mg ausgegeben [5] . Die Teilnehmer*innen wurden angehalten, die Masken möglichst eng am Gesicht zu tragen, um Randleckagen weitestgehend zu unterbinden. Um die Untersuchung so realitätsnah wie möglich entsprechend den Abläufen bei der polizeilichen Messung zu gestalten, wurden die Probanden und Probandinnen bei den Messungen nach vorherigem Tragen der MNS aufgefordert, direkt vor der Atemprobenabgabe tief zu inspirieren und erst dann die Maske herunterzuziehen, um in den Schlauch zu atmen. In den 2-3 min zwischen den beiden Einzelmessungen wurde die Maske nicht wieder aufgesetzt. Weiterhin wurden die Teilnehmer*innen aus Gründen der Vergleichbarkeit gebeten, an den Untersuchungstagen das Gleiche zu frühstücken, um ähnliche Aus-gangsbedingungen zu schaffen. Zwischen den Messungen war Nahrungsaufnahme, Kaugummikauen, Bonbonluschen und Rauchen verboten. Nach Beendigung der Messserien erfolgte die Ausnüchterung unter ärztlicher Aufsicht. Analog zu vorangegangenen AAK-Studien im Institut [14] erfolgte die Auswertung nicht mit dem auf 2 Dezimalstellen verkürzten Ausgabewert des Gerätes, sondern mit dem Mittelwert der beiden Einzelmessungen (3 Nachkommastellen), was die Messwertpräzision zwar nicht erhöhte, wodurch aber auch detailliertere Unterschiede zwischen den Messwerten sichtbar wurden. Die erhobenen Daten wurden deskriptiv statistisch ausgewertet. Anschließend wurden Wertepaare zwischen 2 aufeinanderfolgenden Messungen gebildet. Im Zeitraum zwischen diesen Messungen wurde entweder kontinuierlich eine der 3 MNS oder keine MNS getragen. Für die erstellten Wertepaare wurde die durchschnittliche stündliche Abbaurate (Δ AAK/Δ t) berechnet. Wertepaare, bei denen sich Hinweise für eine nichtabgeschlossene Resorptionsphase (z. B. AAK2 > AAK1) ergaben, wurden bei der weiteren Auswertung nicht berücksichtigt. Nach Ermittlung und Elimination von Ausreißern mit Alkoholabbauraten > 0,120 mg/l/h bzw. < 0,030 mg/l/h (MWalle MNS ± 1S) wurden für die Wertepaare mit und ohne Maske (alle, OP, FFP2, Textil) Mittelwerte mit Standardabweichung, Mediane und Interquartilsabstände berechnet. Eine Signifikanzprüfung wurde bei geringer Probandenzahl nicht durchgeführt. Es wurden 2 weibliche und 4 männliche Probanden zwischen 28 und 37 Jahren in die Studie eingeschlossen. Die aufgenommene Alkoholmenge betrug rechnerisch nach der Widmark-Formel zwischen 122 und 210 ml Gin oder Rum, musste jedoch wegen zu niedriger Ausgangswerte bei allen Probanden ab dem zweiten Untersuchungstag auf 160-260 ml erhöht werden. Die maximale Alkoholbelastung lag dadurch zwischen 0,78 und 0,96 g Ethanol/kgKG und h. Die Ausgangs-AAK-Werte zu Beginn aller Messserien lagen bei 0,149-0,533 mg/l. Der Atemalkoho- [13, 14] Bei 3 von 6 Proband*innen verliefen alle 18 Messungen, verteilt auf 3 Untersuchungstage, problem-und fehlerlos. Bei 8 von insgesamt 111 Messungen (7,2 %) wurde durch das Gerät eine Messabweichung dokumentiert, woraufhin die Messung abgebrochen und wiederholt wurde. Dies waren jeweils 4 Messungen mit bzw. ohne MNS. Ursache waren ein Nichterreichen des erforderlichen Atemvolumens in der vorgegebenen Zeit bzw. eine zu starke Differenz der Atemzeiten zwischen den beiden Einzelmessungen. In einem Fall konnte im Zeitfenster für die Atemprobenabgabe kein gültiger Messwert erzielt werden. Bei einem Probanden wurde auf die letzte Messung am 1. Messtag verzichtet, da der AAK-Wert bei der vorangegangenen Messung bereits 0,00 mg/l betrug. Fehlermeldungen, die zumindest theoretisch auf das Tragen der MNS zurückzuführen wären, z. B. unzulässige Abweichungen der Atemtemperaturen zwischen den Einzelmessungen eines Messvorgangs oder Detektion von Mundrestalkohol, wurden nicht beobachtet. Es konnten insgesamt 36 gültige Wertepaare gebildet werden, bei denen zwischenzeitlich keine Maske getragen worden war. In dieser Gruppe wurden 2 Ausreißer beobachtet. Der durchschnittliche Abbau betrug 0,070 ± 0,020 mg/l und h. Für alle Zeiträume, in denen eine Maske getragen worden war, konnten 51 gültige AAK-Wertepaare gebildet werden. Die durchschnittliche Abbaurate betrug unbereinigt für alle untersuchten Maskentypen 0,076 ± 0,041 mg/l und h. Nach Bereinigung von 13 Ausreißern (7 Werte > 0,120 mg/l und h, 6 Werte < 0,030 mg/l und h) betrug die mittlere Abbaurate 0,069 ± 0,022 mg/l und h. Die Wertepaare mit den ausreißerbereinigten AAK-Abbauraten mit und ohne Masken sind in . Tab. 3 dargestellt. . Tab. 4 gibt eine Übersicht über die mittleren AAK-Abbauraten (MW ± SD) mit und ohne MNS. Die Box-Whisker-Plots der AAK-Abbauwerte mit und ohne Masken sind in . Abb. 3 dargestellt. Seit 1998 ist die Messung der Atemalkoholkonzentration bei Ordnungswidrigkeitsverfahren in Deutschland als Beweismittel zugelassen. Insbesondere in den nachfolgenden Jahren wurde eine Reihe von Einlassungen vorgebracht, in denen eine Verfälschung des Messergebnisses aufgrund verschiedenster Einflussfaktoren geltend gemacht wurde. Dazu zählen z. B. ethanolhaltige Inhalationssprays, Medikamente, Mundspüllösungen und Mundgele [4, 8, 9] . In den letzten Jahren wurde diese Aufstellung durch weitere mögliche Einflussfaktoren wie z. B. ethanolhaltige Zahnprothesenhaftcreme und Zahnpflegemittel [7, 15, 17] , alkoholfreie Kaugummis, Pastillen und Zigaretten [14] sowie das Dampfen von E-Zigaretten [12] ergänzt. Nunmehr bieten die derzeitigen Pandemieumstände durch das Tragen einer MNS eine zusätzliche Variante einer möglichen Beeinflussung. Da sich die Rekrutierung von Probanden für die Überprüfung dieser Einlassung unter Pandemiebedingungen sowie den daraus resultierenden Vorgaben der Ethikkommission außerordentlich problematisch gestaltete und zudem die Untersuchungsbedingungen coronakonform gestaltet werden mussten, war lediglich eine kleinere Übersichtsstudie möglich. Aufgrund der dadurch nur geringen Probandenzahl war eine statistische Signifikanzprüfung nicht möglich. Dennoch ist aus den Ergebnissen abzuleiten, dass die Atemalkoholabbauraten mit und ohne Maske keine wesentlichen Unterschiede zeigen, lediglich die Spannweite ist bei den AAK-Abbauraten für alle Masken zusammen etwas größer. Systematische Untersuchungen der Atemalkoholabbauraten aus den letzten 2 Jahrzehnten zeigten durchschnittliche AAK-Abbauraten von 0,064-0,080 mg/l und h (. Tab. 5). Unter Berücksichtigung der dort angegebenen Standardabweichungen ergaben sich ein oberer Grenzwert von 0,122 mg/l und h [13] und ein unterer Grenzwert von 0,042 mg/l und h [14] On the occasion of a judicial expert opinion on the question of whether wearing a face mask can lead to a falsification of the breath alcohol value leading to detriment of the accused, an experimental series of tests was carried out under pandemic conditions on six healthy test subjects (four men, two women), who practiced low-risk recreational alcohol consumption. On each day of the study one specific mask type (surgical mask, textile mask, FFP2 mask) was examined. After ingestion of an individually calculated amount of alcohol and a 30-min absorption phase, 6 consecutive breath alcohol measurements were carried out at 30-min intervals, with one mask or no mask worn between measurements. Subsequently, pairs of values for periods with and without a mask were formed and the hourly breath alcohol elimination rates were calculated. As a result, the breath alcohol elimination rates with and without masks did not differ from each other. There were no error messages from the breathalyzer that can be attributed to the previous wearing of a mask. Breath alcohol analysis · FFP2 mask · Surgical mask · Mandatory mask · Measurement influence Berechnung der Blutalkoholkonzentration aus Trinkmengenangaben unter Berücksichtigung individueller Parameter bei Frauen Alkoholkonsum und Krankheiten Rückatmung von Kohlendioxid bei Verwendung von Operationsmasken als hygienischer Mundschutz an medizinischem Fachpersonal. Dissertation an der Technischen Universität München, Klinikum rechts der Isar Verfälschungen der Atemalkoholmessung durch ethanolhaltige Inhalationssprays Dräger Alcotest 9510 DE, Gebrauchsanweisung The impact of commonly-worn face masks on physiological parameters and on discomfort during standard work-related physical effort Zur Beeinflussung der Atemalkoholmessung durch ethanolhaltige Haftcreme Alkoholhaltige Sprays -eine ideale Schutzbehauptung? Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen Zum Einfluss ethanolhaltiger Medikamente auf die Atemalkoholkonzentration, gemessen mit dem Alcotest 7110 Evidential MK III Comparative regression analysis of concurrent elimination-phase blood and breath alcohol concentration measurements to determine hourly degradation rates Comparison of ethanol concentrations in venous blood and endexpired breath during controlled drinking study Elimination rates of breath alcohol Untersuchung der Beeinflussbarkeit der Messung der Atemalkoholkonzentration mit dem Messgerät Alcotest 7110 Evidential durch alkoholfreie Kaugummis und Pastillen sowie durch Zigarettenrauch Verfälschung der beweissicheren Atemalkoholanalyse durch ethanolhaltige Zahnprothesenhaftcreme Intra-individual and inter-individual variation of breath alcohol pharmacokinetics: the effect of short-term variation Atemtemperatur und alveoläre Kontaktzeit -durch Hypo-und Hyperventilation beeinflussbare Faktoren der Atemalkoholkonzentration Stellungnahme des Koordinierungskreises für Biologische Arbeitsstoffe (KOBAS) der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (30 Die Berücksichtigung individueller Parameter bei der Errechnung des Fragestellung Analysegerät n Mittlere AAK-Abbauraten mit SD (in mg/l und h) Jones et al. 2003 [11] AAK-Abbauraten Intoxilyzer 5000S 19 0,080 ± 0,0105 a Jachau et al. 2004 [10] Ethanolelimination in Blut und Urin Alcotest 7110 MK III Evidential 56 0,079 ± 0,0195 Pavlic et al. 2007 [13] Abbaurate AAK Alcotest 7110 MK III Evidential 59 0,082 ± 0,04 Pietsch et al. 2012 [14] Einfluss von Kaugummis/Pastillen Zigarettenrauch Da die Studie unter Pandemiebedingungen mit einer nur geringen Probandenzahl durchgeführt werden konnte und dadurch keine Signifikanzprüfung möglich war, sind die Ergebnisse nur begrenzt aussagekräftig. Zur Überprüfung wäre eine Testreihe mit größerer Teilnehmerzahl erforderlich.Der Untersuchungsaufbau erfolgte unter der Maßgabe möglichst reale Messbedingungen zu schaffen, wie sie auch in praxi anzutreffen sind. Die initial berechnete Menge Alkohol, die bei den Proband*innen zu einer BAK von ca. 1 ‰ hätte führen sollen, erwies sich jedoch als nicht ausreichend, um am Ende des Untersuchungstages noch suffiziente Messwerte zu erhalten, sodass die Ethanolmenge um ca. 25 % erhöht werden musste. Die Alkoholbelastung der Teilnehmer lag dadurch mit durchschnittlich 0,88 g Ethanol/kgKG und h im Bereich forcierten Trinkens, wodurch eine Resorptionszeit bis zu 120 min hätte berücksichtigt werden müssen, was jedoch für den zeitlichen Versuchsablauf nicht umsetzbar war und auch nicht den Realbedingungen im polizeilichen Alltag mit meist unbekanntem exakten Trinkende nahekommt.