key: cord-0030826-b02qt0st authors: Betz, Ulrich; Clarius, Michael; Krieger, Manfred; Langanki, Laura; Büttner, Matthias; Fencel, Sabine; Eckhard, Lukas; Klonschinski, Thomas; Drees, Philipp title: Entlassbarkeit versus Entlassung – Ergebnisse der PROMISE-Studie date: 2022-04-12 journal: Orthopade DOI: 10.1007/s00132-022-04247-4 sha: d9a939dac65c3346625975377c52dc0c13902720 doc_id: 30826 cord_uid: b02qt0st BACKGROUND: In the context of optimized treatment processes for knee and hip replacements, lengths of stay are given for Germany that clearly exceed the internationally published ones. In this context, the present analysis of data from the PROMISE study deals with the relationship between discharge readiness and discharge. METHODS: In the PROMISE study, a jointly developed, optimized standard of care was established in three hospitals of different levels of care and realized for a typical, largely unselected cohort of patients. Among others, data were collected on achievement of discharge criteria (DC) and actual discharge. Univariate comparisons were performed by chi-square tests or the Mann-Whitney‑U tests. RESULTS: A total of 1782 patients were included, of whom a mean of 85.3% achieved all previously defined DCs at a mean of 2.4 (median 2) days postoperatively. Discharge for this group occurred after a mean of 5.4 (median 5) days. 14.7% of the participants did not achieve at least one DC. This group was discharged after a mean of 6.5 (median 6) days. Significant differences in outcomes were observed for different subgroups. CONCLUSION: The so-called DCs are used as relative criteria. Achievement generally does not result in timely discharge. If this were to happen, internationally established lengths of stay would also be a reality in Germany. What actually determines discharge from inpatient treatment remains open. A variety of medical, organizational, structural and financial factors could be of importance. Die Prinzipien des Enhanced Recovery after Surgery (ERAS) auch in der Hüft-und Knieendoprothetik anzuwenden, ist international inzwischen weit verbreitet. Die ERAS Society hat für die Durchführung ein Konsenspapier veröffentlicht [1, 2] und es liegen mehrere systematische Reviews und Metaanalysen zu den Behandlungsresultaten vor [3] [4] [5] . Als durchschnittliche stationäre Aufenthaltsdauer werden international 2-4 Tage genannt [6-9]. Für vorselektionierte Gruppen sind auch stationäre Aufenthaltszeiten unter 24 h möglich [10] . Auch in Deutschland findet das ERAS-Konzept in der Endoprothetik zunehmend Anwendung [11] . Für eine ausgewählte Patientengruppe im Bereich der Hüftendoprothetik wird hier ebenfalls von stationären Aufenthaltszeiten < 24 h berichtet [12] . Für unselektionierte Kohorten werden in Deutschland 5-7 Tage bis zur Entlassung aus dem Krankenhaus angegeben [13, 14] . Sind Entlasskriterien angegeben, unterscheiden sich diese nicht grundsätzlich. Gefordert werden ein Mindestmaß an selbstständiger Aktivität (Lagewechsel, Essen am Tisch, Anziehen, Waschen, Mindestgehstrecke, Treppensteigen), tolerierbarer Schmerz und trockene Wundverhältnisse [8, [13] [14] [15] [16] . Bei "hip in a day" sind die Entlasskriterien noch um die Abwesenheit von Schwindel, Übelkeit, Erbrechen oder Schwäche und keine Einwände durch Operateur, Anästhesist oder Pflege erweitert. Zudem muss der Patient einen Coach an seiner Seite haben [12] . Holm [20] und in der Lage waren, Art und Umfang der Studie zu verstehen. Ausschlusskriterien waren eine Lebenserwartung von weniger als einem Jahr (z. B. Krebs im fortgeschrittenen Stadium), Erkrankungen, die einen elektiven chirurgischen Eingriff ausschließen könnten sowie medizinische oder psychologische Faktoren, die eine Teilnahme oder eine schriftliche Einwilligung nach Aufklärung verhindern würden. Das Studienprotokoll wurde ausführlich beschrieben [17] Von 85,3 % (n = 1520) aller Teilnehmenden konnten während des stationären Aufenthaltes alle Entlasskriterien erreicht werden (Gruppe EKe). In der Frage ob die Entlasskriterien erreicht wurden oder nicht, spielt das Alter keine relevante Rolle. Der Anteil der weiblichen Patientinnen ist in der Gruppe derjenigen, die die Entlasskriterien nicht komplett erreichen (Gruppe EKn) konnten, gegenüber der Gruppe EKe signifikant größer (EKe 54,2 %; EKn 64,9 %; p = 0,002). Ebenso verhält es sich mit den Kniepatienten (EKe 47,1 %; EKn 63,6 %; p < 0,001). Der Anteil der ASA-2-Patienten dominiert auch in der Gruppe EKn (49,4 %), aber der Anteil der ASA-3-Patienten ist auf 43,2 % gegenüber EKe (28 %) erhöht (p < 0,001). Die postoperative Aufenthaltszeit unterscheidet sich zwischen den Gruppen EKe (5,2 Tage) und EKn (6,5 Tage) ebenfalls signifikant (p < 0,001) (. Tab. 1). In der Gruppe EKe (85,3 %; n = 1520), dauert es im Mittel 2,4 Tage . 2) . Aus den Freitextkommentaren zu den Gründen für das nicht Erreichen der Entlasskriterien kann abgelesen werden, dass diese sehr unterschiedlich sind und teilweise miteinander zusammenhängen, z. B. "kein Treppen steigen wegen zu starker Schmerzen". TeilweiseistdieDurchführung des Kriteriums tatsächlich noch nicht möglich, z. B. das selbstständige Gehen > 150 m wegen "Schwäche", "seit 5 Jahren kaum mehr gegangen", oder "Notwendigkeit zur Entlastung wegen periprothetischer Fraktur". Ein Teil der Patienten konnte die geforderten Kriterien auch vor der Operation schon nicht erfüllen, z. B. "Pat. benötigt auch zuvor Hilfe beim Waschen". Teilweise sind aber auch die Rahmenbedingungen Ursache für das Nichterreichen, z. B. "Stühle zu niedrig, Zimmer zu eng" oder "bei Adipositas per magna passte der Patient nicht an den Tisch". Teilweise wird der Patient nicht ausreichend über das Kriterium informiert und zur Umsetzung aufgefordert, z. B. "Schwester stellt Essen ans Bett", oder er lehnt die Umsetzung ab, z. B. "Pat. wollte nicht am Tisch sitzen", "Findet es im Bett bequemer". Beide Tatsachen weisen darauf hin, dass Entlasskriterien in Deutschland als relative Kriterien eingesetzt werden, die im Sinne einer Zieldefinition erreicht werden sollen, aber nicht erreicht werden müssen. Unterstützt wird dieses Vorgehen eventuell dadurch, dass kein Set allgemein anerkannter und vorgeschriebener Entlasskriterien existiert. Wie beschrieben, gibt es zwar grundsätzliche Übereinstimmungen, aber in Detail und im Differenzierungsgrad bestehen Unterschiede. So wird in [17] zusätzlich zum selbstständigen Anund Entkleiden speziell das Anziehen der Schuhe gefordert, in [15] [16] [17] das Treppen steigen und in [14] das Gehen zur Toilette. Auch die geforderte Gehstrecke differiert mit 45 m [15] , 100 m [16] oder 200 m [12] . Teilweise sind die Kriterien auch nicht mit objektivierbaren Schwellenwerten hinterlegt (Gehen an Unterarmgehstützen [8], Treppen steigen [15] ). Relativiert werden Entlasskriterien auch dadurch, dass sie teilweise schon vorher nicht erreichbar waren, im Einzelfall durch äußere Rahmenbedingungen kaum zu erreichen sind, von den beteiligten Berufsgruppen nicht entsprechend eingefordert oder vom Patienten abgelehnt werden. An welchen Kriterien sich die Entlassung in Deutschland tatsächlich orientiert, bleibt offen. Da Deutschland weiterhin über weit mehr stationäre Betten verfügt als andere Länder (Krankenhausbetten je 1000 Einwohner 2019, Deutschland: 7,91; Dänemark: 2,59 [21] ) ist der Belegungsdruck weit geringer als in fast allen anderen Ländern der Welt. Dies könnte dazu führen, dass die Verantwortlichen den Patienten weitere Tage stationären Aufenthaltes zugestehen, obwohl die Entlasskriterien bereits erreicht sind. Wir beobachten in der Praxis, dass diese Tage von Patienten teils aktiv eingefordert werden, auch um die Zeit bis zur Aufnahme in eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme zu überbrücken. Dies ist eine Besonderheit Deutschlands, da nur hier für alle Patienten ein Anspruch auf eine Anschlussheilbehandlung besteht. Die Tatsache der großen Anzahl verfügbarer Betten könnte auch die Frage der Wirtschaftlichkeit einer früheren Entlassung beeinflussen. Nöth et al. [22] berech-nen zwar für ein Krankenhaus mit 1120 Fällen und einer Reduktion der Aufenthaltszeit von 7 auf 5 Tage, eine theoretisch mögliche Fallzahlsteigerung um 448 Fällen. Würden lediglich 25 % davon umgesetzt, wäre dies mit einer Umsatzsteigerung von 684.649  verbunden. Sie merken jedoch an, dass dies nur bei entsprechender Operationskapazität und entsprechendem Personal realisiert werden kann. Zudem muss für die Realisierung zusätzlicher Umsätze die Nachfrage nach zusätzlichen Operationen bestehen. Hier könnte sich die absehbare Alterung unserer Gesellschaft auswirken, die mit einer Projektion bis 2050 zu 43 % mehr Kniegelenksimplantationen [23] und bis 2060 zu 62 % mehr Hüftgelenksimplantationen [24] führen könnte. Die gesellschaftlichen Entwicklungen sind jedoch auch direkt verbunden mit dem immer drängender werdenden Problem des Fachkräftemangels [25] . Dieser könnte über die Limitierung der betreibbaren Krankenausbetten Druck auf die Umsetzung kürzerer stationärer Aufenthaltszeiten erhöhen. Ganz aktuell wird in der Corona-Pandemie deutlich, wie wertvoll und limitiert Ressourcen zur stationären Behandlung sind, sodass die Diskussion um kürzere stationäre Aufenthaltszeiten intensiver werden könnte [26] . Vor dem Hintergrund der Pandemie könnte auch das lang bekannte, aber jetzt ganz aktuell sehr bewusst gewordene Problem einer möglichen Infizierung im Krankenhaus neu bewertet werden. Auch aus dieser Sicht sind verkürzte stationäre Aufenthaltszeiten positiv zu bewerten [26] . Neben der bereits diskutierten Frage der Realisierbarkeit errechneter finanzieller Vorteile einer Verkürzung stationärer Aufenthalte, kann auf der anderen Seite auch das Vermeiden von finanziellen Nachteilen durch das in Deutschland bestehende DRG-System mit vorgegebenen unteren Grenzverweildauern und drohenden Kurzliegerabschlägen bei zu frühen Entlassungen Einfluss auf die stationären Aufenthaltszeiten ausüben [27] . Sind diese Abschläge der Grund für die Divergenz zwischen Entlassbarkeit und Entlassung, könnte die Neufassung der gesetzlichen Rahmenbedingungen zu den Qualitätsverträgen ( § 110a SGB V) eine Chance bieten. Optimierte Versorgungen auf Basis der evidenzbasierten Empfehlungen der In the context of optimized treatment processes for knee and hip replacements, lengths of stay are given for Germany that clearly exceed the internationally published ones. In this context, the present analysis of data from the PROMISE study deals with the relationship between discharge readiness and discharge. Methods: In the PROMISE study, a jointly developed, optimized standard of care was established in three hospitals of different levels of care and realized for a typical, largely unselected cohort of patients. Among others, data were collected on achievement of discharge criteria (DC) and actual discharge. Univariate comparisons were performed by chi-square tests or the Mann-Whitney-U tests. Results: A total of 1782 patients were included, of whom a mean of 85.3% achieved all previously defined DCs at a mean of 2.4 (median 2) days postoperatively. Discharge for this group occurred after a mean of 5.4 (median 5) days. 14.7% of the participants did not achieve at least one DC. This group was discharged after a mean of 6.5 (median 6) days. Significant differences in outcomes were observed for different subgroups. The so-called DCs are used as relative criteria. Achievement generally does not result in timely discharge. If this were to happen, internationally established lengths of stay would also be a reality in Germany. What actually determines discharge from inpatient treatment remains open. A variety of medical, organizational, structural and financial factors could be of importance. Endoprothetik auf der Suche nach Perfektion" 7. bis 8. Dezember Hüftgelenkersatz im tagesklinischen Setup Excellent functionaloutcomeandqualityoflifeafterprimary cementless total hip arthroplasty (THA) using an enhanced recovery setup Outcome of an "enhanced recovery" program in contemporary total hip arthroplasty in Germany Preoperative physical therapy education reduces time to meet functional milestones after total joint arthroplasty Fast-Track-Endoprothetik -intra-und postoperatives Management The PROMISE study protocol: a multicenter prospective study of process optimization with interdisciplinary and crosssectoral care for German patients receiving hip and knee endoprostheses Detection of older people at increased risk of adverse health outcomes after an emergency visit: the ISAR screening tool An ultra-brief screening scale for anxiety and depression: the PHQ-4 Indikationskriterien für den endoprothetischen Gelenkersatz bei Gonarthrose -eine multiperspektivische Konsensstudie Anzahl von Krankenhausbetten in OECD-Ländern in den Jahren Herausforderungen der Fast-Track-Endoprothetik in Deutschland The projected volume of primary and revision total knee arthroplasty will place an immense burden on future health care systems over the next 30 years Future burden of primary and revision hip arthroplasty in Germany: a socioeconomic challenge Ministerium für Arbeit S (2022) Transformation und Digitalsisierung Rheinland Pfalz. Ergebnisse Fachkräftesituation Enhanced recovery after surgery (ERAS) for hip and knee replacement-why and how it should be implemented following the COVID-19 pandemic Fast-Track-Strategien in der Hüftendoprothetik Deutsche Krankenhausgesellschaft Rahmenvereinbarung für Qualitätsverträge in der stationären Versorgung Institut für Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) Qualitätsverträge nach § 110a SGB V Evaluationskonzept zur Untersuchung der Entwicklung der Versorgungsqualität gemäß § 136b Abs. 8 SGB V 2017 Enhanced Recovery after Surgery · Hip replacement · Hospital stay · Knee replacement · Patient discharge arthroplasty: results from a systematic review and meta-analysis.