key: cord-0030651-extqr18n authors: von Stuelpnagel, C. C.; Petersen, J.; Augustin, M.; Sommer, R. title: Dermatologische Versorgung von älteren Menschen mit Psoriasis vor und nach Eintritt in ein Pflegeheim: Eine qualitative Analyse aus Sicht von medizinischen Versorgern date: 2022-04-28 journal: Hautarzt DOI: 10.1007/s00105-022-04989-4 sha: f3eb6f6cabf2f7d9349c364ca25095a3a1f6167f doc_id: 30651 cord_uid: extqr18n BACKGROUND: Demographic changes are causing a rapid increase in the number of people over 65 years of age. This is associated with an increase in the number of multimorbid patients in need of care. Nationally as well as internationally, there is little information on the treatment of psoriasis patients in the nursing home setting and on the question of how this is influenced by entry into a nursing home. OBJECTIVE: The aim was to discuss the results of previous routine data analyses on the treatment of psoriasis patients in nursing homes with medical providers (dermatologists, general practitioners, nursing service managers, and nursing staff) on the basis of interviews and focus groups, to identify difficulties in the treatment and finally to derive recommendations for action regarding sustainable gerontodermatological treatment. MATERIALS AND METHODS: Qualitative guideline-based interviews and focus groups with dermatologists (n = 5), general practitioners (GPs, n = 7), nurses (n = 7), and care managers (n = 2) were conducted. The data were evaluated by content analysis. RESULTS: The analyses resulted in 344 statements, which could be categorized into 14 main topics. The results show that there is a need for improvement in the quality of care for people with skin diseases, especially psoriasis, in nursing homes. This is evident at both the medical and nursing levels. According to the providers (N = 21), this can be addressed in particular through increased remote consultations (telemedicine), dermatological training for GPs and nurses, and closer cooperation between the individual disciplines. CONCLUSION: Remote consultations, but also a specific guideline on the “skin of the ageing person” can be useful to improve the dermatological care situation in nursing homes and thus increase the well-being of those affected. Über die dermatologische Versorgung von Menschen mit Psoriasis bei Pflegeheimeintritt ist unzureichend bekannt. Auf Basis einer vorausgehenden Sekundärdatenanalyse sollen unter Einbeziehung versorgungsrelevanter Akteure Schwierigkeiten der Versorgung aufgedeckt und diskutiert werden und Handlungsempfehlungen für eine zukunftsfähige gerontodermatologische Versorgung abgeleitet werden. Demografische Veränderungen bewirken einen steilen Anstieg der Anzahl der über 65-Jährigen bei gleichzeitigem Rückgang der Bevölkerung in Deutschland im erwerbsfähigen Alter. Damit verbunden ist der Anstieg der Anzahl pflegebedürftiger, multimorbid Erkrankter und der daraus resultierenden Multimedikation [1] . Derzeit werden in Deutschland rund 800.000 Pflegebedürftige in Pflegeheimen versorgt. Laut aktuellen Vorausberechnungen werden bis zum Jahr 2060 4,5 Mio. Menschen in Deutschland pflegebedürftig und damit 221.000 mehr Menschen betroffen sein als in früheren Projektionen angenommen [2] . Die ärztliche Versorgung von Heimbewohnern erfolgt derzeit durch ambulant tätige Haus-und Fachärzte. Untersuchungen zeigen, dass nahezu alle Bewohner regelmäßigen Kontakt zu Hausärzten haben; andere Facharztgruppen hingegen nur in geringem Maß an der Versorgung beteiligt sind [3, 4] . Nach unserem Kenntnisstand gibt es keine bevölkerungsbezogenen Daten zur dermatologischen Versorgung älterer Menschen in Pflegeheimen [5, 6] . National wie auch international gibt es insbesondere keine Information zur Versorgung von Psoriasiserkrankten im Setting Pflegeheim und zur Frage, wie diese durch den Eintritt in ein Pflegeheim beeinflusst wird. Erste Arbeiten aus Deutschland zur Gerontodermatologie zeigen, dass sich Pflegekräfte in Heimen -als enge Kontaktpersonen der Bewohner im pflegerischen Alltag -im Umgang mit dermatologischen Krankheiten wie auch mit der Nutzung dermatologischer Fachtermini und Hautstatusbeschreibungen unsicher fühlen. Zudem sind Defizite in der Kooperation mit Haus-und Hautärzten zu erkennen [7] . Zusätzlich weisen erste internationale Untersuchungen aus dem Setting Pflegeheim auf, dass der Bedarf an dermatologischer Versorgung in Pflegeheimen hoch ist [8, 9] . Trotz benannter hoher Relevanz, geriatrische Patienten adäquat zu versorgen, haben nur wenige Patienten Kontakt zu Dermatologen [10] . Der jährliche Versorgungsbedarf für dermatologische Erkrankungen wurde in einer populationsbezogenen deutschen Studie bereits unter den 61-bis 70-Jährigen mit fast 40 % angegeben [11] . Für die Durchführung der Interviews bzw. Fokusgruppen wurden vorab auf Basis der Ergebnisse der Routinedatenanalyse getrennt Leitfäden für Ärzte, Pflegekräfte und PDLs entwickelt. Die Fragen des Leitfadens bezogen sich u. a. auf Komorbidität, ärztliche Versorgung, Diagnosestellung, Prädiktoren der dermatologischen Versorgung im Pflegeheim, Arzneimitteltherapie und Möglichkeiten der Verbesserung der Versorgung. Die Experten wurden zunächst in Einzelinterviews befragt in der Annahme, dass in einer Gruppenbefragung zusammen mit Kollegen anderer Berufsgruppen über manche Aspekte weniger offen gesprochen werden kann (z. B. Versäumnisse von Ärzten oder Pflegekräften). Aufbauend auf den so gewonnenen Erkenntnissen zur Versorgungssituation von Heimbewohnern mit Psoriasis wurden erste Ideen bezüglich möglicher Interventionsmaßnahmen formuliert und in einen Moderationsleitfaden für die Fokusgruppen überführt, welcher die wichtigsten Fragestellungen beinhaltete. Im Rahmen der Fokusgruppen wurden die so gewonnenen Erkenntnisse und Ideen für Interventionsmaßnahmen diskutiert und weiterentwickelt. Die Interviews/Fokusgruppen wurden von jeweils einer geschulten Moderatorin durchgeführt und dauerten zwischen 15 und 30 min, die Fokusgruppen zwischen 60 und 90 min. Alle Interviews und Fokusgruppen wurden digital aufgenommen, wörtlich transkribiert und in die qualitative Analysesoftware NVivo 11 for Windows (QSR International, Melbourne, Australia) importiert. Im Zentrum der computergestützten Auswertung stand die Entwicklung eines Kategoriensystems. Dieses besteht aus Haupt-und Unterkategorien, die primär aus den Themenblöcken der Leitfäden abgeleitet und induktiv durch weitere relevante, im Rahmen der Interviews geäußerten Themen ergänzt wurden. Jede Kategorie wurde durch Definitionen und Ankerbeispiele beschrieben. Das Interviewmaterial wurde darauffolgend im Hinblick auf die deduktiv und induktiv festgelegten Kategorien kodiert und ausgewertet. Jeder Auswertungsschritt wurde dokumentiert, um die Nachvollziehbarkeit der Analyse zu gewährleisten [12] . Um die Reliabilität der Analyse zu gewährleisten, wurde die Analyse von zwei Wissenschaftlern (RS, CCvS) durchgeführt [12] . Alle Interviews und Fokusgruppen wurden nach Auswertung durch beide Wissenschaftler konsentiert. [4] . Die Haut von Menschen des höheren Lebensalters -und dies gilt im Besonderen für Pflegeheimbewohner -wird stark beansprucht, beispielsweise durch Inkontinenz, Immobilität oder auch kognitive Einschränkungen und der damit verbundenen mangelnden Formulierung von Hautzustandsveränderungen [13, 14] . Aktuelle Forschungsaktivitätenwidmensichzunehmend der Hautgesundheit von Menschen im Pflegeheim. Die Versorgungssituation von Menschen mit Psoriasis in Pflegeheimenistallerdings unerforscht, nichtzuletzt da sie nicht als eine typische Erkrankung des höheren Lebensalters gilt. In Therapieempfehlungen wird diese Personengruppe daher nicht ausreichend berücksichtigt. Im Kontext des demografischen Wandels und der Chronizität der Erkrankung gewinnt sie aber zunehmend an Relevanz in der alltäglichen Gesundheitsversorgung. Die Ergebnisse zeigen, ähnlich wie die vorausgehenden Routinedatenanalysen auf Basis der DAK-G, dass für die Versorgungsqualität von Menschen mit Hautkrankheiten in Pflegeinrichtungen ein Verbesserungsbedarf besteht. Dieser zeigt sich sowohl auf ärztlicher als auch auf pflegerischer Ebene. Auch vor dem Hintergrund, dass weitreichende Untersuchungen belegen, dass über 80 % der Menschen im Alter von über 80 Jahren mindestens 1-mal jährlich Bedarf nach einer dermatologischen Versorgung aufweisen, lassen sich folgende Empfehlungen zur Verbesserung der Qualitätsstandards in der Versorgung von Menschen mit chronischen Hautkrankheiten in Pflegeheimen aus den Ergebnissen ableiten. Auf ärztlicher Ebene besteht erkennbar eine Verzögerung im Zugang zu Fachärzten, teilweise auch Hausärzten. Es fehlt oftmals die Verfügbarkeit zur rechten Zeit am rechten Ort. Dafür gibt es erste Lösungsansätze, welche teilweise bereits in der Praxis angewendet werden [15, 16] . Vorausgehende Studien haben am Beispiel der Versorgung von Menschen mit chronischen Wunden in Pflegeeinrichtungen bereits gezeigt, dass ein erheblicher Zugewinn und Nutzen in der Einführung telemedizinischer Unterstützung der vor Ort versorgenden Ärzte besteht [15, 16] . Zum Teil können diese mit Konsultationen unterstützt werden, zum Teil sind auch direkte Interventionen auf telemedizinischem Wege in den Pflegeheimen durch geschulte Dermatologen mit telemedizinischer Ausbildung sinnvoll. In Analogie zur medizinischen Versorgung bedarf auch die Pflegeversorgung durchPersoneninder Kranken-oder Altenpflege einer kontinuierlichen Unterstützung, da hier fehlendes Fachwissen aus dermatologischer Sicht vermittelt werden muss. Nach eigenen Berichten aus Heimen ist nur selten in einem Pflegeheim eine Pflegefachkraft als Experte für den Bereich Dermatologie fortgebildet. Auch hier hat sich die Durchführung von Pflegekonsilen auf digitalem Wege im Sinne der Telepflege als wirksam und nutzbringend erwiesen [15, 16] In der ärztlichen Versorgung von Personen in Pflegeheimen könnte mit Blick auf das beobachtete Defizit in der dermatologischen Versorgung eine spezifische Leitlinie zur "Haut des alternden Menschen" von Nutzen sein. Eine entsprechende S2-Leitlinie kann zeitlich wie auch inhaltlich umgehend umgesetzt werden. Ein Aufruf an die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) über die Qualitätskommission der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft ist sinnvoll. Des Weiteren ist eine bessere Implementierung dermatologischer Expertise in die Ausbildung von Hausärzten und geriatrisch tätigen Ärzten aller Richtungen zu empfehlen. Die zum Teil Jahre oder Jahrzehnte lang zurückliegende dermatologische Grundbildung vieler Ärzte hält mit dem aktuellen Entwicklungsstand der Dermatologie, insbesondere der Entwicklung moderner therapeutischer Ansätze, nicht mehr mit. Als bestehende Basislektüre für die versorgenden Ärzte in Pflegeheimen sind insbesondere die folgenden Leitlinien zu empfehlen: Konsensus Xerosis cutis [18] , Leitlinie topische Therapie der Psoriasis [19] , Lehrbuch chronische Wunden [20] . Auf struktureller Ebene ist es wünschenswert, wenn neue Erkenntnisse zur Pflege und Versorgung von Hautkrankheiten auch in die nationalen Pflegestandards einfließen. Zur Disseminierung der Leitlinienempfehlungen aus dem ärztlichen Bereich bieten sich Online-Portale für die Pflege sowie kurze digitale Schulungen an. Diese könnten beispielsweise über die neu entstandenen Pflegekammern organisiert und geleitet werden. Auch die Erarbeitungvonleitlinienbasierten Pocket-Versionen für die Kitteltasche wäre eine praktische Möglichkeit, Grundlagen der Hautgesundheit im hohen Lebensalter einerseits, aber auch neueste Erkenntnisse zur dermatologischen Pflege und Versorgung andererseits schnell und praxisnah in den klinischen Alltag einfließen lassen zu können. Co-and multimorbidity patterns in primary care based on episodes of care: results from the German CONTENT project Ärztliche Versorgung von Pflegeheimbewohnern: Ergebnisse der Studie "Inappropriate medication in patients with renal insufficiency in nursing homes Lühmann D Beschreibung und Bewertung der fachärztlichen Versorgung von Pflegeheimbewohnern in Deutschland Prävalenz von Hautkrankheiten bei hospitalisierten geriatrischen Patienten: Assoziation mit Geschlecht, Hospitalisationsdauer und geriatrischem Assessment Biologic and conventional systemic therapies show similar safety and efficacy in elderly and adult patients with moderate to severe psoriasis Kenntnisse von professionell Pflegenden im Bereich Dermatologie: Verbesserung des Kenntnisstands und der Kommunikation mit Dermatologen in geriatrischen Einrichtungen Current dermatologic care in Dutch nursing homes and possible improvements: a nationwide survey Skin care practice in German nursing homes: a German-wide cross-sectional study Skin cancer care in institutionalized elderly in the Netherlands: a nationwide study on the role of nursing home physicians Prevalence of skin lesionsandneedfortreatmentinacohortof90 880 workers Purposeful sampling forqualitativedatacollectionandanalysisinmixed method implementation research Förderung der Hautgesundheit im Alter Teledermatologie binnen Nederlandse verpleeghuizen Keywords Focus groups · Healthcare needs · Care · Remote consultations · Guideline · Dermatology Hofmann-Wellenhof R (2012) Pilot study on the acceptance of mobile teledermatology for the home monitoring of high-need patients with psoriasis Telepflege. In: Bechtel P, Smerdka-Arhelger I, Lipp K (Hrsg) Pflege im Wandel gestalten -Eine Führungsaufgabe Positionspapier: Diagnostik und Therapie der Xerosis cutis Topische Therapie bei Psoriasis vulgaris -ein Behandlungspfad Chronische Wunden: Diagnostik -Therapie -Versorgung Dermatological care of elderly people with psoriasis before and after entering a nursing home. A qualitative analysis from the perspective of medical providers Background: Demographic changes are causing a rapid increase in the number of people over 65 years of age. This is associated with an increase in the number of multimorbid patients in need of care. Nationally as well as internationally, there is little information on the treatment of psoriasis patients in the nursing home setting and on the question of how this is influenced by entry into a nursing home. Objective: The aim was to discuss the results of previous routine data analyses on the treatment of psoriasis patients in nursing homes with medical providers (dermatologists, general practitioners, nursing service managers, and nursing staff) on the basis of interviews and focus groups, to identify difficulties in the treatment and finally to derive recommendations for action regarding sustainable gerontodermatological treatment. Materials and methods: Qualitative guideline-based interviews and focus groups with dermatologists (n = 5), general practitioners (GPs, n = 7), nurses (n = 7), and care managers (n = 2) were conducted. The data were evaluated by content analysis. Results: The analyses resulted in 344 statements, which could be categorized into 14 main topics. The results show that there is a need for improvement in the quality of care for people with skin diseases, especially psoriasis, in nursing homes. This is evident at both the medical and nursing levels. According to the providers (N = 21), this can be addressed in particular through increased remote consultations (telemedicine), dermatological training for GPs and nurses, and closer cooperation between the individual disciplines. Conclusion: Remote consultations, but also a specific guideline on the "skin of the ageing person" can be useful to improve the dermatological care situation in nursing homes and thus increase the well-being of those affected.