key: cord-0030543-szbn9mhb authors: Thomssen, Christoph title: Nebenwirkungsmanagement immunonkologischer Therapien – was gibt es zu beachten? date: 2022-04-26 journal: Gynakologe DOI: 10.1007/s00129-022-04941-6 sha: 6ae68eddc0dc375e92683edf3c3bd33d18454065 doc_id: 30543 cord_uid: szbn9mhb The principles of immuno-oncology treatment have different spectra of side effects. In addition to acute treatment-related adverse events (AE), which sometimes lead to termination of treatment, there are also AEs that can occur after a latent time period, even long after discontinuation of the immuno-oncology agents, for example autoimmune reactions. Monitoring with respect to immune-related adverse events (irAE) is essential. It is decisive to estimate and grade the severity of possible AEs as well as to consider and exclude other differential diagnoses. The grading of the degree of severity of AEs using the Common Terminology Criteria for Adverse Events scale, is followed by clinical therapeutic reactions and consequences when necessary. Die immunonkologischen Therapieprinzipien haben unterschiedliche Nebenwirkungsspektren. Neben den akuten therapiebedingten unerwünschten Ereignissen ("adverse events", AE), die bisweilen zu Therapieabbrüchen führen, gibt es AE, die mit einer zeitlichen Latenz, auch lange nach Absetzen der Immunonkologika, auftreten können, etwa autoimmune Reaktionen. Ein Monitoring dieser "immune-related adverse events" (irAE) ist essenziell. Entscheidend ist es, den Schweregrad möglicher AE abzuschätzen und zu graduieren und andererseits Differenzialdiagnosen in Betracht zu ziehen und auszuschließen. Anhand des mittels der Common Terminology Criteria for Adverse Events Skala graduierten Schweregrads von AE erfolgen ggf. klinisch-therapeutische Reaktionen und Konsequenzen. Immuncheckpointinhibitoren · Atezolizumab · Pembrolizumabir · irAE · Kortikosteroide Bei bestimmten Stadien des tripel-negativen Mammakarzinoms, des Zervixkarzinoms und auch des Endometriumkarzinoms ist der Einsatz sogenannter Immuncheckpointinhibitoren (ICPi) inzwischen Routine. Der Einsatz dieser Medikamente kann in diesen Indikationen zu höheren Ansprechraten, zur Verlängerung des progressionsfreien Intervalls und auch zur relevanten Verlängerung des Überlebens führen. Die Behandlung mit ICPi ist nicht nebenwirkungsfrei. Die Aufhebung der Blockade des Immunsystems kann zu Autoimmunreaktionen gegen nahezu alle Körpersysteme führen. Am häufigsten sind Fatigue (ca. 30 %), Hautreaktionen (> 25 %), Diarrhö und Kolitis (ca. 20 %), Funktionsstörungen der Schilddrüse (> 15 %), Arthralgien (> 10 %), Anämie (< 10 %), Fieber (ca. 7 %), Hepatitis (ca. 5 %), Pneumonitis (ca. 3 %). Berichtet wird auch über metabolische Störungen, Nephritis, Pankreatitis, sowie Infusionsreaktionen mit Fieber und Schüttelfrost. Kardiovaskuläre (Myokarditis) und neurologische ("Guillain-Barré-like-syndrome") sind selten, aber schwerwiegend [6] . Generell sind Nebenwirkungen der Grade 3 und 4 und die Notwendigkeit, die Therapie mit ICPi vollständig abzusetzen, selten (2 %). Eine passagere Therapie mit Kortikosteroiden wird in bis zu 10 % aller Therapien beschrieben, die Patientinnen müssen dementsprechend überwacht und behandelt werden. Im Jahre 2018 wurde der Nobelpreis für Physiologie und Medizin dem US-Amerikaner James P. Allison und dem Japaner Tasuku Honjo für die Entdeckung der Krebstherapie durch Hemmung der Immunregulation verliehen. Sie hatten die Bedeutung der CTLA4("cytotoxic T-lymphocyte antigen 4")-und PD1("programmed death receptor 1")-Signalwege, über welche die 28 % AE "adverse event(s)", CTLA4 "cytotoxic T-lymphocyte antigen 4", PD1 "programmed death receptor 1", PD-L1 "programmed cell death 1 ligand 1" Regulation der Immunabwehr gesteuert wird, untersucht und als erste gezeigt, dass durch Medikamente diese physiologisch sinnvolle Blockade des Immunsystems aufgehoben werden kann, um Tumoren in Remission zu bringen. Dabei wird mit Antikörpern die Interaktion der genannten Rezeptoren mit ihren Liganden effektiv unterdrückt und so der Immunzelle freie Bahn zur Abwehr einer Tumorzelle gegeben. Beim metastasierten malignen Melanom ist der Erfolg dieses völlig neuen Therapieprinzips erstmals beschrieben worden, die Prognose konnte eindrucksvoll verbessert werden. Die physiologische Hemmung des Immunsystems ist ein sinnvoller Prozess, da er eine unkontrollierte Immunreaktion gegen körpereigenes Gewebe unterdrückt. Dies erklärt somit auch das völlig neue Spektrum an Nebenwirkungen beim Einsatz dieser Medikamente. Beschrieben werden dementsprechend Autoimmunreaktionen an fast allen Körpersystemen: Thyreoiditis, Adrenalitis, Hypophysitis, Hepatitis, Kolitis, Dermatitis, Nephritis, Karditis, Neuritis etc. Diese Reaktionen ähneln den Symptomen rheumatischer Erkrankungen; dementsprechend wird spekuliert, dass Defekte der Interaktion zwischen PD1 und PD-L1 ("programmed cell death 1 ligand 1") mit Funktionsstörungen der regulierenden T-Zellen an der Entwicklung von Autoimmunerkrankungen beteiligt sein könnten [8] . Grundsätzlich kommen 3 Therapieprinzipien in Frage, die sich gegenseitig ergänzen können, aber ein etwas unterschiedliches Nebenwirkungsspektrum haben: -PD-1 wird vor allem auf B-und T-Lymphozyten exprimiert und gilt als Inhibitor der Immunabwehr [8] . In der gynäkologischen Onkologie werden als PD- Wichtige Informationsquellen für Monitoring und Behandlung von Nebenwirkungen bei der Therapie mit ICPi sind die umfangreichen Empfehlungen der American Society of Clinical Oncology [1, 21] und der European Society of Medical Oncology [11] sowie die Empfehlungen der AGO [24] Zunächst sollte der behandelnde Arzt die möglichen unerwünschten Ereignisse der verordneten Substanz kennen und die Patientinnen darüber aufklären. Das Erkennen der z. T. neuartigen Nebenwirkungen steht am Anfang des Managements. Allgemein ist es entscheidend, den Schweregrad der aufgetretenen Nebenwirkungen abzuschätzen und zu graduieren und andererseits Differenzialdiagnosen auszuschließen. Die Graduierung der Nebenwirkungen erfolgt anhand der Common Terminology Criteria for Adverse Events Skala (CTCAE v5.0; . Tab. 2); sie bestimmt das Ausmaß der therapeutischen Reaktionen und Konsequenzen (. Tab. 3) . Bei Grad-1-Toxizitäten kann die Therapie mit den ICPi unter engmaschigem Monitoring bis auf wenige Ausnahmen (neurologisch, hämatologisch, kardial) beibehalten werden. Bei Grad-2-Toxizitäten kann die Therapie mit ICPi unterbrochen werden, bis die Nebenwirkungen unter Grad 1 abgeklungen sind. Eine limitiert dosierte Kortikoidtherapie (Start mit 0,5-1,0 mg/kg/Tag p.o. Prednison oder Äquivalent) kann indiziert werden und sollte wenigstens über 4-6 Wochen gegeben werden. Bei Grad-3-Toxizitäten muss die Therapie mit ICPi unterbrochen werden und eine höher dosierte Kortikoidtherapie begonnen werden (Start mit 1,0-2,0 mg/kg/Tag i.v. Prednison oder Äquivalent). Bei Persistenz der Beschwerden trotz hochdosierter Steroidtherapie soll die Indikation zum Einsatz des TNF(Tumornekrosefaktor)α-Blockers Infliximab diskutiert werden. Eine intensivierte Diagnostik, auch invasiv, und eventuell eine Biopsie sind zur Untermauerung der Therapieentscheidungen notwendig. ICPi-Therapie im Allgemeinen dauerhaft abzusetzen Das Management bei Grad-4-Toxizität erfolgt ähnlich wie für Grad-3-Toxizitäten beschrieben. Neben der hochdosierten Kortikosteroidtherapie sollte der Einsatz des TNFα-Blockers Infliximab in Betracht gezogen werden. Bei Grad-4-Toxizitäten ist die ICPi-Therapie im Allgemeinen dauerhaft abzusetzen. Neben diesen generellen Empfehlungen (. Tab. 3) gelten für die betroffenen Organsysteme jeweils spezifische Empfehlungen. Der Gynäkologe 3 Haut. Eine Inspektion der Haut (und Dokumentation) sollte vor jeder Therapiesitzung erfolgen. irAEs ("immune-related adverse events") an der Haut können schon nach 4 Wochen beobachtet werden mit einer Spannweite von 2-150 Wochen. Zur Basisbehandlung gehört der Einsatz topischer Emollienzien (Feuchtigkeitscremes). Antihistaminika und topische Kortikosteroide werden ebenfalls eingesetzt. Bei Unklarheit sollte frühzeitig der dermatologische Facharzt hinzugezogen werden. Gastrointestinaltrakt. Durchfall ist ein regelhaftes Symptom der Störung der Darmschleimhaut insbesondere im kolorektalen Abschnitt. Dieses Symptom sollte immer erfragt werden und ggf. mit einem Tagebuch objektiviert werden. Auch Appetitlosigkeit, Übelkeit, Fieber, abdominale Schmerzen, blutige Stuhlgänge, Pruritus und Urinverfärbung gehören zu den klinischen Symptomen und sollten dokumentiert werden. irAEs im Bereich des GI-Traktes treten im Median nach 6 Wochen auf mit einer Spannweite von 1-108 Wochen. Neben den üblichen Blutuntersuchungen mit Entzündungsparametern und Leberwerten, Nierenwerten und TSH ("thyroid stimulating hormone") sowie Untersuchungen auf Clostridium difficile, Tuberkulose, Parasiten und Virusinfektionen einschließlich CMV (Zytomegalievirus), Hepatitis A und B sowie HIV ("human immunodeficiency virus") sollte Laktoferrin im Stuhl und vor allem sequenziell Calprotectin im Stuhl zur Überwachung der Aktivität der Darmtoxizität im weiteren Verlauf untersucht werden. Koloskopien und Computertomographien des Abdomens sollten nach Schweregrad und Verlauf großzügig veranlasst werden. Leber. Zur frühen Diagnose einer relevanten Lebertoxizität sollte vor jeder ICPi-Infusion eine Bestimmung von AST (Aspartat-Aminotransferase), ALT (Alanin-Aminotransferase) und Bilirubin im Serum erfolgen. Bei relevanter Veränderung der Leberwerte muss unter Umständen eine wöchentliche Kontrolle erfolgen. Es versteht sich von selbst, dass Differenzialdiagnosen, wie Infektionen (Hepatitis A, B, C u. a.), nutritiv-toxische Belastungen (Alkohol, Medikamente, Eisen), Progredienz von Metastasen der Grunderkrankung und thromboembolische Ereignisse ausgeschlossen werden müssen. Eine Leberbiopsie (ab Grad 3) bei Steroidresistenz kann dazu beitragen, Differentialdiagnosen auszuschließen und die Eskalation einer immunsuppressiven Therapie zu begründen. Lunge. Das Auftreten einer Pneumonitis unter ICPi ist eher selten, aber von erheblicher Bedeutung. Im Median treten die Pneumonitiden nach 34 Wochen Therapie auf mit einer Spanne von 1,5 bis zu 127 Wochen. Grundsätzlich muss die infektbedingte Pneumonie jeder Genese ausgeschlossen werden, im Zweifelsfall sollte ab Grad-2-Toxizität bei erhöhten Entzündungsparametern (Fieber, Leukozytose, CRP [C-reaktives Protein]) mit einer empirischen antibiotischen Therapie begonnen werden; falls über 48 h ohne Effekt, sollen zusätzlich Steroide gegeben werden. Aktuell dürfte die wichtigste Differenzialdiagnose eine COVID("coronavirus disease")-Erkrankung sein, die in der Computertomographie der Lunge ähnliche Befunde zeigen kann. Bronchoskopie und bronchoalveoläre Lavage sind die typischen diagnostischen Maßnahmen. Endokrines System (Schilddrüse, Nebennieren, Hypophyse, Pankreas). Im Median treten die Störungen des endokrinen Systems 14,5 Wochen nach Therapiebeginn auf (mit einer Spanne von 1,5-130 Wochen). Die häufigste Affektion des Endokriniums betrifft die Schilddrüse, sowohl in Form einer Unterfunktion als auch einer Überfunktion. Da ein regelmäßiges Monitoring (alle 4-6 Wochen) der Schilddrüsenparameter im Serum vor und während einer ICPi-Therapie empfohlen wird, wird diese Komplikation im Allgemeinen schnell erkannt und kann auch effektiv und leicht behandelt werden. Eine Hypophysitis wird vor allem unter Ipilimumab beobachtet und geht mit Gesichtsfeldveränderungen und Kopfschmerzen einher [18] . Zunehmende Adynamie, Hypotonie und unerklärte Synkopen sollten an eine NNR(Nebennierenrinden)-Insuffizienz denken lassen; Blutzuckerschwankungen, Polydipsie und Polyurie, aber auch unklare abdominale Beschwerden und Management of immune-related adverse events in patients treated with immune checkpoint inhibitor therapy The role of immunotherapy in small cell lung cancer Regulation of PD-L1: a novel role of pro-survival signalling in cancer Commontermino-logycriteriaforadverseeventsSkala((CTCAE)v5.0) First-line atezolizumab monotherapyinpatientswithadvancedBRAFV600 wild-type melanoma Characterization and management of neurological adverse events during immune-checkpoint inhibitors treatment: an Italian multicentric experience IMpower010 Investigators (2021) Adjuvant atezolizumab after adjuvant chemotherapy in resected stage IB-IIIA non-smallcell lung cancer (IMpower010): a randomised, multicentre, open-label Inhibitory receptorsandpathwaysoflymphocytes: theroleof PD-1 in Treg development and their involvement in autoimmunity onset and cancer progression Adjuvant pembrolizumab versus IFNα2b or ipilimumab in resected high-risk melanoma GlaxoSmithKline (2020) GSK presents new data from the GARNET study demonstrating potential of dostarlimab to treat a subset of women with recurrent or advanced endometrial cancer Management of toxicities from immunotherapy: ESMO Clinical Practice Guidelines for diagnosis Survival outcomes following discontinuation of ipilimumab and nivolumab for advanced melanoma in a population-based cohort Efficacy and safety in key patient subgroups of nivolumab (NIVO) alone or combined with ipilimumab (IPI) versus IPI alone in treatment-naïve patients with advanced melanoma (MEL) (CheckMate 067) Efficacy of pembrolizumab in patients with noncolorectal high microsatellite instability/ mismatch repair-deficient cancer: results from the phase II KEYNOTE-158 study Safety and Tolerability of PD-1/PD-L1 Inhibitors Compared with Chemotherapy in Patients with Advanced Cancer: A Meta-Analysis Preliminary safety, efficacy, and pharmacokinetic/ pharmacodynamiccharacterizationfromGARNET, aphaseI/IIclinicaltrialoftheanti-PD-1monoclonal antibody, TSR-042, in patients with recurrent or advanced MSI-h and MSS endometrial cancer Soc Gynecol Oncol (SGO) Annu Meet Women Cancer Pembrolizumab in patients with microsatellite instability-high advanced endometrial cancer: results from the KEYNOTE-158 study How we treat endocrine complications of immune checkpoint inhibitors Atezolizumab versus docetaxel in patients with previously treated non-smallcell lung cancer (OAK): A phase 3, open-label, multicentre randomised controlled trial IMpassion130 Investigators (2020) Atezolizumab plus nab-paclitaxel as firstline treatment for unresectable, locally advanced or metastatic triple-negative breast cancer (IMpassion130): updated efficacy results from a randomised, double-blind, placebo-controlled, phase 3 trial Management of immune-related adverse events in patients treated with immune checkpoint inhibitor therapy: ASCO guideline update Metaanalysis of immune-related adverse events of Abstract Management of immune-related adverse events (irAEs) -what needs to be respected? The principles of immuno-oncology treatment have different spectra of side effects. In addition to acute treatment-related adverse events (AE), which sometimes lead to termination of treatment, there are also AEs that can occur after a latent time period, even long after discontinuation of the immuno-oncology agents, for example autoimmune reactions. Monitoring with respect to immune-related adverse events (irAE) is essential. It is decisive to estimate and grade the severity of possible AEs as well as to consider and exclude other differential diagnoses. The grading of the degree of severity of AEs using the Common Terminology Criteria for Adverse Events scale, is followed by clinical therapeutic reactions and consequences when necessary. Keywords Immune checkpoint inhibitors · Atezolizumab · Pembrolizumabir · irAE · Corticosteroids immune checkpoint inhibitor therapy in cancer patients Immune-related adverse events with PD-1 versus PD-L1 inhibitors: a meta-analysis of 8730 patients from clinical trials AGO recommendations for the diagnosis and treatment of patients with locally advanced and metastatic breast cancer: update 2021 Atezolizumab in patients with metastatic urothelial carcinoma who have progressed after first-line chemotherapy: results of real-life experiences Management of immune-related adverse events and kinetics of response with ipilimumab Efficacy and safety of PD-L1 inhibitors versus PD-1 inhibitors in firstline treatment with chemotherapy for extensivestage small-cell lung cancer