key: cord-0025703-ek1b7qmo authors: Dudareva, Sandra; Faber, Mirko; Zimmermann, Ruth; Bock, C.-Thomas; Offergeld, Ruth; Steffen, Gyde; Enkelmann, Julia title: Epidemiologie der Virushepatitiden A bis E in Deutschland date: 2022-01-14 journal: Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz DOI: 10.1007/s00103-021-03478-8 sha: b96cf09ace356add42cb6648d01506eb79fc7080 doc_id: 25703 cord_uid: ek1b7qmo Viral hepatitis A to E describes various infectious inflammations of the liver parenchyma that are caused by the hepatitis viruses A to E (HAV, HBV, HCV, HDV, and HEV). Although the clinical pictures are similar, the pathogens belong to different virus families and differ in terms of pathogenesis, transmission routes, clinical course, prevention, and therapy options. In Germany, there is mandatory reporting according to the Infection Protection Act (IfSG) for direct or indirect laboratory evidence and for suspicion, illness, and death of viral hepatitis. The data are transmitted to the Robert Koch Institute. In this article, on the basis of published studies and notification data, we describe the epidemiology of hepatitis A to E as well as current challenges and prevention approaches. In particular, the latter contains the improvement of existing vaccination recommendations (hepatitis A and B); improvement of access to prevention, testing, and care including therapy with antiviral drugs (hepatitis B, C, and D) and the detection and prevention of foodborne infections and outbreaks; and improvements in the field of food safety (hepatitis A and E). Die Infektion mit dem HAV verursacht bei den meisten Erwachsenen (> 70 %) eine akute symptomatische Hepatitis, wobei die Krankheitsschwere und das Risiko eines fulminanten Verlaufs mit dem Lebensalter und Vorerkrankungen der Leber zunimmt. Bei Kindern verläuft die Infektion meist asymptomatisch oder mit leichten Symptomen [1] . Chronische Infektionen kommen nicht vor, wobei Rückfälle oder protrahierte Verläufe bei bis zu 10-15 % der Personen mit manifester Hepatitis A beschrieben werden [2] . Infizierte Personen scheiden Hepatitis-A-Viren mit dem Stuhl aus. Die Viren sind sehr widerstandsfähig und können über Wochen bis Monate in der Umwelt infektiös bleiben [3] . Die Übertragung erfolgt fäkal-oral, entweder durch den Verzehr von kontaminierten Lebensmitteln und Wasser, direkten Kontakt, Schmierinfektionen z. B. über kontaminierte Gegenstände oder Sexualkontakte. Aufgrund der langen Inkubationszeit (15 bis 50 Tage) und dadurch, dass infizierte Personen bereits 1-2 Wochen vor Symptombeginn ansteckend sind, verlaufen Ausbrüche häufig protrahiert und sind schwer zu kontrollieren. Eine wirksame Schutzimpfung steht zur Verfügung und wird von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfoh-lenfüralleReisendeninRegionenmithoher Hepatitis-A-Inzidenz sowie für Personen mit erhöhtem beruflichen und sexuellen Expositionsrisiko (z. B. Männer, die Sex mit Männern haben -MSM), mit häufigem Kontakt zu Blutbestandteilen, bestehenden Lebererkrankungen und für die Bewohnerschaft psychiatrischer oder vergleichbarer Fürsorgeeinrichtungen. Eine postexpositionelle Immunisierung ist ebenfalls möglich und wird von der STIKO mit einem monovalenten Hepatitis-A-Impfstoff bis 14 Tage nach Kontakt zu Hepatitis-A-Kranken (insbesondere in Gemeinschaftseinrichtungen) empfohlen [4] . Deutschland ist ein Niedriginzidenzland für die Hepatitis A. In der repräsentativen seroepidemiologischen Studie unter Kindern und Jugendlichen in Deutschland 2003-2006 (KiGGS-Studie) wiesen 14 % Antikörper (Anti-HAV) auf; davon waren 11 % mindestens einmal gegen Hepatitis A geimpft, bei den verbleibenden 3 % deuten die Antikörper auf eine durchgemachte Hepatitis-A-Infektion hin. Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund waren häufiger von Hepatitis-A-Infektionen betroffen, auch wenn sie in Deutschland geboren wurden [5] . In der repräsentativen seroepidemiologischen Studie unter 2008-2011 in Deutschland lebenden Erwachsenen (DEGS-Studie) wurden bei etwa der Hälfte der Männer und Frauen Hepatitis-A-Antikörper nachgewiesen [6] . Wie auch in der Vorgängerstudie 1998 stiegen die Antikörperprävalenzen insgesamt mit dem Alter an. Jedoch wurde 2008-2011 eine deutliche Zunahme der Antikörperprävalenz bei den unter 40-Jährigen beobachtet (vermutlich durch Impfungen z. B. vor Reisen), während in der Altersgruppe der über 50-Jährigen der Anteil von Personen mit [8] . Durch das Auftreten von Ausbrüchen in verschiedenen Bevölkerungsgruppen variiert die Alters-und Geschlechterverteilung in den unterschiedlichen Jahren z. T. deutlich. In den letzten 3 Jahren wurden ähnliche Inzidenzen bei Männern und Frauen beobachtet. Die höchsten Inzidenzen wurden in den Altersgruppen der 5-bis 29-Jährigen und der über 70-Jährigen beobachtet (. Tab. 1). Von den übermittelten Fällen im Zeitraum 2018-2020 hatten 57 % einen Ikterus, 62 % wurden hospitalisiert und 0,3 % (n = 8) verstarben aufgrund der Hepatitis A. Die meisten Hepatitis-A-Erkrankungen wurden in Deutschland erworben. Neben vereinzelten lokalen Geschehen, z. B. ausgehend von Gemeinschaftseinrichtungen oder Bäckereien, betrafen Ausbrüche in den letzten Jahren u.a. Asylsuchende aus Endemiegebieten, die in Massenunterkünften untergebracht wurden [9] , MSM [10] , Reiserückkehrer aus endemischen Gebieten sowie nichtgereiste Personen, die importierte Lebensmittel verzehrt hatten [11, 12] . InNiedriginzidenzländerneinschließlich Deutschland werden zunehmend Ausbrüche durch mit HAV kontaminierte Lebensmittel festgestellt. Häufig handelt es sich bei den Vehikeln um Datteln oder gefrorene Früchte, insbesondere Beeren, die aus Endemiegebieten importiert wurden und daraus hergestellte Produkte wie Smoothies, Kuchen/ Torten oder Desserts [12] [13] [14] . Lebensmittelbedingte Ausbrüche sind häufig überregionale Geschehen und können in der Regel nur mithilfe molekularer Typisierungsverfahren detektiert und epidemiologisch untersucht werden. Aufgrund ungleichmäßiger Kontamination von Lebensmitteln, niedriger Viruslast und schwieriger Probenmatrix gelingt der Polymerasekettenreaktion-(PCR-)Nachweis von Hepatitis-A-Viren in Lebensmitteln häufig nicht [15] . Der epidemiologischen Evidenz kommt daher bei der Untersuchung und Aufklärung solcher Ausbrüche eine wichtige Rolle zu. HBV kann eine akute, klinische oder subklinische Infektion verursachen, die später in eine chronische Verlaufsform übergehen kann. Eine chronische Verlaufsform liegt dann vor, wenn das HBV-Oberflächenantigen (HBsAg) über mehr als 6 Monate nachweisbar ist. Häufig verläuft die akute Hepatitis B mit unspezifischen Krankheitszeichen. Nur in etwa einem Drittel der Fälle entsteht das klinische Bild einer akuten ikterischen Hepatitis. In 0,5-1 % der Fälle verläuft die Infektion fulminant mit akutem Leberversagen. Bei bis zu 5 % der HBV-infizierten Erwachsenen entwickelt sich eine chronische Verlaufsform [16] . Bei Kindern erfolgt die Chronifizierung viel häufiger. Eine Infektion im Säuglingsalter führt in 90 % zu einer chronischen Infektion [16] . Etwa 10-20 % der chronisch HBV-infizierten Personen entwickeln eine Zirrhose [16] , die zum hepatozellulärem Karzinom (HCC) führen kann. Eine wirksame Impfung steht zur Verfügung und ist seit 1995 Bestandteil der Bundesgesundheitsbl https://doi.org/10.1007/s00103-021-03478-8 © Der/die Autor(en) 2022 Mit Virushepatitis A bis E werden verschiedene infektiöse Entzündungen des Leberparenchyms bezeichnet, die durch die Hepatitisviren A bis E (HAV, HBV, HCV, HDV und HEV) ausgelöst werden. Zwar ähneln sich die Krankheitsbilder, die Erreger gehören jedoch zu verschiedenen Virusfamilien und unterscheiden sich bezüglich der Pathogenese, der Übertragungswege, des klinischen Verlaufs und der Präventionsund Therapiemöglichkeiten. In Deutschland besteht eine namentliche Meldepflicht nach Infektionsschutzgesetz (IfSG) für den direkten oder indirekten Nachweis und für Verdacht, Erkrankung und Tod. Die Daten werden an das Robert Koch-Institut übermittelt. In diesem Beitrag wird die Epidemiologie der Hepatitiden A bis E anhand publizierter Studien und Meldedaten beschrieben und es werden aktuelle Herausforderungen und Präventionsansätze aufgezeigt. Letztere bestehen insbesondere in der verbesserten Umsetzung bereits bestehender Impfempfehlungen (Hepatitis A und B), dem verbesserten Zugang zu Prävention, Testung und Versorgung, einschließlich Therapie mit antiviralen Medikamenten (Hepatitis B, C und D), und der Erkennung und Verhinderung lebensmittelbedingter Infektionen und Ausbrüche und Verbesserungen auf dem Gebiet der Lebensmittelsicherheit (Hepatitis A und E). Hepatitis A · Hepatitis B · Hepatitis C · Hepatitis D · Hepatitis E · Epidemiologie · Deutschland Viral hepatitis A to E describes various infectious inflammations of the liver parenchyma that are caused by the hepatitis viruses A to E (HAV, HBV, HCV, HDV, and HEV). Although the clinical pictures are similar, the pathogens belong to different virus families and differ in terms of pathogenesis, transmission routes, clinical course, prevention, and therapy options. In Germany, there is mandatory reporting according to the Infection Protection Act (IfSG) for direct or indirect laboratory evidence and for suspicion, illness, and death of viral hepatitis. The data are transmitted to the Robert Koch Institute. In this article, on the basis of published studies and notification data, we describe the epidemiology of hepatitis A to E as well as current challenges and prevention approaches. In particular, the latter contains the improvement of existing vaccination recommendations (hepatitis A and B); improvement of access to prevention, testing, and care including therapy with antiviral drugs (hepatitis B, C, and D) and the detection and prevention of foodborne infections and outbreaks; and improvements in the field of food safety (hepatitis A and E). Hepatitis A · Hepatitis B · Hepatitis C · Hepatitis D · Hepatitis E · Epidemiology · Germany empfohlenen Standardimpfungen für Säuglinge, Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit bestimmten Indikationen [17] . Jedoch liegt die Impfabdeckung unter Kindern mit 65,8-90,5 % noch unter dem angestrebten Ziel von 95 % [18] . Auch bei Indikationsgruppen liegt sie z.T. sogar unter 60%, wie z.B. bei MSM [18, 19] . Für die Therapie der HBV stehen abhängig vom Stadium der Erkrankung wirksame Therapieoptionen zur Verfügung, welche die Viruslast sen-ken und Spätfolgen verhindern können [20] . Die [22] . Plasmaderivate sind durch die effektiven Inaktivierungsschritte HBV-sicher [22] . Deutschland zählt in Bezug auf die Allgemeinbevölkerung zu den HBV-Niedrigprävalenzländern. In bevölkerungsbasierten Studien waren 0,3 % der Erwachsenen (2008-2011) und 0,2 % der Kinder (2003-2006) akut oder chronisch mit HBV infiziert (HBsAg-positiv; [6, 23] ). Die Anti-HBc-Prävalenz, welche auf eine akute, chronische oder durchgemachte Infektion hinweist, lag in diesen Studien bei 5,1 % unter Erwachsenen und 0,5 % unter Kindern [6, 23] . In den bevölkerungsbasierten Studien DEGS1 und KiGGS waren Gruppen mit erhöhtem Expositionsrisiko unterrepräsentiert [6, 23] . In den anderen Studien konnten für Personen mit injizierendem Drogengebrauch eine HBsAg-Prävalenz von 1,1 % (Datenerhebung 2011-2014) und eine Anti-HBc-Prävalenz von 25 % nachgewiesen werden [24, 25] . Die HBsAg-Prävalenz lag bei Personen mit Migrationshintergrund in Studien zwischen 2,3 % und 3,9 % [25] [26] [27] . Nach Geburtsland stratifizierte Daten zur Hepatitis-B-Prävalenz sind jedoch kaum systematisch verfügbar. Unter HIV-positiven Personen wurde eine HBsAg-Prävalenz von 4,5 % berichtet [28] . Ab 2001 bis 2009 wurde ein Rückgang der gemeldeten HBV-Infektionen beobachtet, der vermutlich auch auf einen verbesserten Impfschutz durch die Einführung der generellen Impfempfehlung für Säuglinge im Jahr 1995 zurückzuführen ist (. Abb. 1b) . Dieser Trend stagnierte mit geringen Schwankungen zwischen den Jahren 2009 und 2014. Die seit 2015 starke Zunahme der gemeldeten Fall-zahlen ist darauf zurückzuführen, dass seither auch ausschließlich labordiagnostisch identifizierte HBV-Infektionen unabhängig vom klinischen Verlauf meldepflichtig sind. Mit der IfSG-Änderung im Jahr 2017 sowie der Änderung der Falldefinition, nach der auch chronische Fälle die Referenzdefinition erfüllen, steigen die berichteten Fallzahlen gesamt weiter an [29, 30] . Im Jahr 2020, vermutlich bedingt durch die SARS-CoV-2-Pandemie, wurden 2148 (24 %) weniger Infektionen in allen Infektionsstadien als im Vorjahr gemeldet [30, 31] . Für Auch wenn in den letzten 20 Jahren ein erheblicher Rückgang der Inzidenz zu verzeichnen ist, sind zielgerichtete Präventionsmaßnahmen sowie die Identifizierung von akuten und chronischen Infektionen von großer Bedeutung, um die Anzahl derNeuinfektionenweiterzusenken. Der unter Kindern und definierten Indikationsgruppen immer noch unzureichende Impfschutz [18] sollte vervollständigt werden. Da die Krankheitslast in vulnerablen Gruppen erheblich größer ist, muss der Zugang dieser Gruppen zu zielgerichteten Maßnahmen, wie Information, Impfung, Testung und Therapie, verbessert werden. Eine Infektion mit dem HDV kann als Koinfektion gemeinsam mit dem HBV oder als eine Superinfektion von chronischen Trägern des HBV auftreten. Der Verlauf einer HBV/HDV-Koinfektion ist dem Verlauf einer HBV-Monoinfektion vergleichbar. Nach einer Superinfektion von HBV-Trägern kommt es in 70-90 % der Fälle zu einem zusätzlichen chronischen Verlauf der HDV-Infektionen. Das HDV ist ein inkomplettes Virus, welches für die Replikation und die Bildung von infektiösen Partikeln das Hüllenprotein des HBV benötigt. Die Übertragung des HDV erfolgt wie bei HBV sexuell, durch kontaminiertes Blut oder Blutprodukte. Das HDV ist schätzungsweise für 18 % der mit Hepatitis B assoziierten Leberzirrhosen und für 20 % der HCC verantwortlich [32, 33] . Jahrzehntelang stand keine wirksame antivirale Therapie gegen HDV zur Verfügung [32, 34, 35] . Im Juli 2020 erhielt die neue Substanz Hepcludex 1 eine bedingte Marktzulassung in der Europäischen Union (EU). Weitere Substanzen werden zurzeit in klinischen Studien der Phase II und III erforscht [36, 37] . In Deutschland lag die HDV-Prävalenz bei chronisch mit HBV infizierten Personen zwischen 0 % und 7,4 % [28] . In einer bundesweiten Studie aus 74 hepatologischen Schwerpunktzentren lag die [45, 46] . Bei HCV-positiven Müttern ist die Wahrscheinlichkeit einer perinatalen Übertragung abhängig von der mütterlichen Viruslast und steigt bei HIV-positiven Müttern deutlich an [47] . In Deutschland liegt die Prävalenz von Antikörpern gegen HCV (Anti-HCV) bei 0,3 % in der erwachsenen Allgemeinbevölkerung, damit ist Deutschland ein Niedrigprävalenzland [6, 28] . In einem vom RKI durchgeführten systematischen Review bewegte sich die Gesamtprävalenz von Anti-HCV in der Allgemeinbevölkerung je nach betrachteter Subgruppe zwischen 0,2 % und 1,9 % [28] . Für Gesundheitspersonal wurde in den eingeschlossenen Studien eine sehr niedrige Prävalenz von 0-0,04 % beobachtet, während sie in anderen Bevölkerungsgruppen deutlich höher lag (Menschen mit Migrationshintergrund: 0,4-1,9 %; Menschen mit HIV: 8,2-10,6 %; Menschen, die Drogen injizieren: 63,0-68,0 %; [28] . 1c) . Im Jahr 2014 stieg die Inzi-denz leicht an und schwankte dann aufgrund von Änderungen im Meldesystem in den folgenden Jahren. Im Jahr 2020 war die Inzidenz um 28 % geringer als in den Vorjahren 2018 und 2019. In der männlichen Bevölkerung war die Inzidenz zwischen 2018 und 2020 mit im Schnitt 9,2 Infektionen pro 100.000 Einw. mehr als doppelt so hoch wie in der weiblichen (4,0) Bevölkerung (. Tab. 1) . 30 Von 2014 bis 2020 wurden in Deutschland insgesamt~76.400 Personen in der gesetzlichen Krankenversicherung mit DAA der 2. Generation behandelt. Ein Peak an verschriebenen Therapieregi-men pro Monat war im März 2015 zu beobachten, seitdem ist die Zahl der monatlich verschriebenen Therapieregime kontinuierlich rückläufig [48] . Ein Grund für den deutlichen Abfall übermittelter HCV-Infektionen 2020 im Vergleich zu den beiden Vorjahren ist sicherlich die SARS-CoV-2-Pandemie, die durch die hohe Belastung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes auch erhebliche Auswirkungen auf die Erfassung, Meldung und Übermittlung von anderen meldepflichtigen Infektionskrankheiten hatte [31, 48] . Auch waren hepatologische Spezialsprechstunden im ersten Lockdown teilweise geschlossen oder Erkrankte haben diese weniger aufgesucht [49] . Dies könnte zu einer Untererfassung von HCV-Neudiagnosen geführt haben. Der stabil gebliebene Anteil übermittelter akuter HCV-Infektionen (etwa ein Fünftel) deutet darauf hin, dass die tatsächliche Inzidenz der HCV-Infektionen in etwa gleich geblieben ist. Trotz der sehr großen Fortschritte in der HCV-Therapie sinkt seit 2015 in Deutschland die Anzahl der verordneten Therapieregime und es gibt noch immer eine große Anzahl nicht diagnostizierter und nicht therapierter Infizierter [48, 50] . Insbesondere die Weiterleitung von HCV-positiven Menschen mit aktivem Drogenkonsum in eine antivirale Behandlung ist mit erheblichen Hindernissen und Schwierigkeiten verbunden [51, 52] . Um die Inzidenz und Prävalenz in der am stärksten in Deutschland von Hepatitis C betroffenen Gruppe der Drogengebrauchenden langfristig zu senken, besteht hier, wie auch bei Personen in Haft, Verbesserungsbedarf [53] . Noch vor 10 bis 15 Jahren wurde die Hepatitis E als eine in Deutschland seltene Erkrankung wahrgenommen, die ausschließlich akut verläuft und die sich Personen vorwiegend bei Fernreisen nach Afrika oder Asien zuzogen. Diese Sichtweise hat sich grundlegend geändert: Neben den weiterhin vereinzelt auftretenden importierten Infektionen mit Genotyp 1 und 2 bestimmen heute die Genotypen 3 und 4 die Epidemiologie der Hepatitis E als eine in allen westlichen Industriestaaten häufig vorkommende, lebensmittelbedingte Zoonose [54] . In der Regel stehen die typischen Symptome einer akuten Hepatitis im Vordergrund. Zunehmend werden jedoch auch extrahepatische, insbesondere neurologische Manifestationen wie die neuralgische Schulteramyotrophie, das Guillain-Barré-Syndrom und Enzephalitiden beobachtet [55] . Bei immunsupprimierten Personen, insbesondere Transplantatempfängern, kommen auch chronische Infektionen vor [56] . Die Hauptrisikofaktoren für Infektion bzw. Erkrankung sind mittlerweile gut erforscht. In den Industrieländern werden die Genotypen 3 und 4 hauptsächlich durch den Verzehr von Produkten, die aus dem Fleisch infizierter Haus-und Wildschweine hergestellt werden, auf den Menschen übertragen [57] [58] [59] . Hierunter finden sich insbesondere verzehrfertige Produkte, die keinen Erhitzungsschritt durch den Konsumenten vorsehen. Mithilfe molekularer Untersuchungen konnte HEV-RNA in Deutschland in Schweinemastbetrieben [60] , in kommerziell erhältlichen Schweinelebern [61] und in > 20 % einer Stichprobe von Leber-bzw. Rohwurst aus dem Handel gefunden werden [62] . Eine Übertragung kann ebenfalls durch den Verzehr filtrierender Organismen (z. B. Schalentiere [63] ), durch kontaminierte Blutprodukte [64] oder Umweltkontaminationen (z. B. im Rahmen beruflicher Tätigkeiten) stattfinden. Diese spielen jedoch wahrscheinlich eine untergeordnete Rolle [57] . Risikofaktoren für die Entwicklung einer manifesten Erkrankung oder eines schweren Verlaufs nach relevantem Kontakt mit HEV sind neben einem höheren Lebensalter das Bestehen von Vorerkrankungen, insbesondere der Leber [57, 65] . Infektionen mit Genotyp 1 und 2 werden, ähnlich wie bei Hepatitis A, auf Reisen in Endemiegebieten durch die Aufnahme von kontaminierten Speisen oder Wasser ausgelöst. Direkte Mensch-zu-Mensch-Übertragungen scheinen bei allen Genotypen nicht in relevantem Maße vorzukommen. Weitere, mit dem "klassischen" HEV der Genotypen 1 bis 4 verwandte Viren können bei einer ganzen Reihe unterschiedlicher Tierspezies nachgewiesen werden. Inwiefern diese für die Epidemiologie der Hepatitis E in Deutschland eine Rolle spielen, ist nicht abschließend geklärt. Der Bedeutungswechsel der Hepatitis E ist anhand der nach IfSG gemeldeten Fälle nachvollziehbar: Wurden in den ersten Jahren nach Einführung des IfSG (2001-2003) etwa 20-30 überwiegend importierte Fälle pro Jahr gemeldet, so waren es im Jahr 2019 mehr als 3700 klinisch-labordiagnostisch gesicherte Fälle, wovon bei 93,7 % keine Reiseanamnese übermittelt wurde (. Abb. 1e und . Tab. 1). Die Inzidenzstiegentsprechend von 0,03 auf 3,94 Fälle pro 100.000 Einw. und Jahr. Im Jahr 2020 war, wahrscheinlich bedingt durch Effekte der SARS-CoV-2-Pandemie, ein leichter Rückgang der Fallzahlen zu beobachten. Akute Hepatitis-E-Erkrankungen betreffen hauptsächlich ältere Erwachsene. Fast drei Viertel der übermittelten Erkrankungen der Jahre 2018-2020 traten in der Altersgruppe der 30-bis 79-Jährigen auf; der Inzidenzgipfel liegt in der 6. Lebensdekade (. Tab. 1). Bei Kindern ist die Erkrankung offensichtlich sehr selten. In fast allen, insbesondere den höheren Altersgruppen sind Männer deutlich überrepräsentiert. Zur Inzidenz und Prävalenz der chronischen HEV-Infektion bei Immunsupprimierten stehen im Rahmen der gesetzlichen Meldepflicht keine Daten zur Verfügung. In einer im Jahr 2021 veröffentlichten Metaanalyse wurde die Prävalenz der aktiven HEV-Infektion (RNA-Nachweis) bei Empfängern von Organtransplantationen mit 1,2 % angegeben [66] . Bemerkenswert ist der Kontrast zwischen der Häufigkeit diagnostisch gesicherter, klinischer Hepatitis E und der Seroprävalenz in der Bevölkerung. Untersuchungen zweier bevölkerungsrepräsentativer Stichproben der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland ergaben eine mit dem Lebensalter zunehmende Prävalenz spezifischer Antikörper (HEV-IgG) von insgesamt 15,3 % (2010) bzw. 18,6 % (1998 Bezüglich der Hepatitis C ist eine einfach zu handhabende, nebenwirkungsarme und hocheffektive Therapie verfügbar. Jedoch wird auch in Deutschland noch ein erheblicher Teil der HCV-infizierten Personen nicht von Therapieangeboten erreicht. Hier gilt es, durch Aufklärung Barrieren sowohl bei Patientinnen und Patienten als auch bei Ärztinnen und Ärzten abzubauen und den Zugang zur Versorgung insbesondere für vulnerable und schwer zugängliche Gruppen zu erleichtern [51, 52] . Darüber hinaus ist eine breit angelegte und auf unterschiedliche Bevölkerungsgruppen angepasste Teststrategie für die Hepatitis-B-, C-und -D-Fallfindung essenziell. Ein erster Schritt ist die aktuelle Einführung eines einmaligen kostenlosen Hepatitis-B-und -C-Screenings im Rahmen des medizinischen "Check-up 35" für Personen mit gesetzlicher Krankenversicherung. Die Elimination von Hepatitis B und C kann in Deutschland nur dann erreicht werden, wenn die Maßnahmen, die in der leicht zugänglichen Allgemeinbevölkerung bereits gut umsetzt sind, auch vulnerablen Gruppen, wie z. B. Personen mit Migrationshintergrund, Drogengebrauchende, Inhaftierte und Wohnungslose, erreichen. Bezüglich der Hepatitis A und Hepatitis E sehen die AutorInnen aktuelle Herausforderungen insbesondere auf dem Gebiet der Erkennung und Verhin-derung lebensmittelbedingter Infektionen und Ausbrüche. Lebensmittel, wie z. B. Fleisch-und Wurstprodukte oder Tiefkühlbeeren, werden heute überwiegend in industriellem Maßstab produziert und überregional vertrieben. Dementsprechend sind Krankheitsfälle, die zu einem lebensmittelbedingten Ausbruch gehören, häufig über ganz Deutschland verstreut und Häufungen ohne die Anwendung molekularer Typisierungsverfahren kaum sichtbar. Der Aufbau einer mit der klassischen Krankheitsüberwachung integrierten molekularen Surveillance ist deshalb von großer Bedeutung. Weiteres Präventionspotenzial besteht in der Elimination oder Reduktion vermehrungsfähiger HAV und HEV in Lebensmitteln, die keine relevanten Erhitzungsschritte durch den Verbraucher vorsehen, der Untersuchung von lebensmittelbedingten Ausbrüchen und des zeitnahen und vollständigen Rückrufs betroffener Produkte. Zudem könnten durch eine noch bessere Umsetzung der Hepatitis-A-Impfempfehlungen Infektionen und Erkrankungen weiter reduziert werden, z. B. unter Reisenden und Personen mit erhöhtem sexuellen Expositionsrisiko. mäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden. Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen. Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der Lizenzinformation auf http://creativecommons.org/ licenses/by/4.0/deed.de. ,9 %) 1. Russische Föderation Ägypten (6,6 %) 2. Türkei (8,6 %) ,5 %) 2. Kasachstan Russische Föderation (3,2 %) Hepatitis A in day-care centers. A community-wide assessment Relapsing hepatitis A. Review of 14 cases and literature survey Persistence of hepatitis A virus in fresh produce and production environments, and the effect of disinfection procedures: a review Ständige Impfkommission (2020) Empfehlungen derStändigenImpfkommissionbeimRobertKoch Hepatitis A virus infections, immunisations and demographic determinants in children and adolescents Die Seroepidemiologie der Hepatitis A, B und C in Deutschland Hepatitis A outbreak amongMSM inBerlinduetolowvaccinationcoverage: epidemiology, management, and successful interventions Hepatitis A virus infections and outbreaks in asylum seekers arriving to Germany Hepatitis A outbreak disproportionately affecting men who have sex with men (MSM) in the European Union and European Economic Area Two concurrent outbreaks of hepatitis A highlight the risk of infection for non-immune travellers to Morocco Resurgence of an international hepatitis A outbreak linked to imported frozen strawberries SundqvistLetal(2015)Large and prolonged food-borne multistate hepatitis A outbreak in Europe associated with consumption of frozen berries Hepatitis A outbreak associated with consumption of dates Detection and typing of norovirus from frozen strawberries involved in a large-scale gastroenteritis outbreak in Germany Ständige Impfkommission (2020) Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Hepatitis B vaccination coverage in Germany: systematic review Are men who have sex with men in Europe protected from hepatitis B? S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs-und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) zur Prophylaxe, Diag-nostikundTherapiederHepatitis-B-Virusinfektion Estimating the residual risk for HIV, HCV and HBV in different types of platelet concentrates in Germany Hepatitis B virus infections among children and adolescents in Germany: migration background as a risk factor in a low seroprevalence population A large proportion of people who inject drugs are susceptible to hepatitis B: results from a bio-behavioural study in eight German cities Prevalence of hepatitis C in the adult population of Bulgaria:apilotstudy Screening for infectious diseases among asylum seekers newly arrived in Germany in 2015: a systematic singlecentre analysis Screening for infectious diseases among newly arrived asylum seekers Prevalence of hepatitis B, C, and D in Germany: results from a scoping review Implications of achangeincasedefinitionandscreeningofasylum seekers for hepatitis B surveillance in Germany in Virushepatitis B und D im Jahr 2020 Impact of the COVID-19 pandemic and associated nonpharmaceutical interventions on other notifiable infectious diseases in Germany: An analysis of national surveillance data during week 1-2016 -week 32-2020 The global prevalence of hepatitis D virus infection: systematic review and meta-analysis Hepatitis B virus infection: epidemiology and vaccination Hepatitis delta virus Newtherapeutic options for hepatitis D Hepatitis D virus in 2021: virology, immunology and new treatment approaches for a difficult-totreat disease HuppeD(2012)Epidemiologyandclinical characteristics of patients with chronic hepatitis B (CHB) in Germany-results of a nationwide crosssectional study RKI-RatgeberHepatitis C Estimation of stage-specific fibrosis progression rates in chronic hepatitis C virus infection: a meta-analysis and meta-regression Hepatocellular carcinoma: epidemiology and molecular carcinogenesis Addendum: Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Hepatitis-C-Virus(HCV)-Infektion Hepatitis-C-Meldedaten nach IfSG Sexually transmitted hepatitis C virus infections: current trends, and recent advances in understanding the spread in men who have sex with men High incidence of HCV in HIV-negative men who have sex with men using pre-exposure prophylaxis Vertical transmission of hepatitis C virus: systematic review and meta-analysis Zur Situation bei wichtigen Infektionskrankheiten in Deutschland -Virushepatitis C im Jahr 2020 Versorgungsprobleme von Patienten mit chronischer Hepatitis C während der COVID-19-Pandemie und der Lockdown-Verordnungen Real-world treatment for chronic hepatitis C infection in Germany: analyses from drug prescription data Barrierstoinitiationofhepatitis C virus therapy in Germany: a retrospective, casecontrolled study Abschlussbericht zum Projekt "HIV? 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