key: cord-0023020-ouxfuziw authors: Fleischmann-Struzek, Carolin; Rose, Norman; Reinhart, Konrad title: Sepsisassoziierte Todesfälle in Deutschland: Charakteristika und regionale Variation date: 2021-11-08 journal: Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz DOI: 10.1007/s00103-021-03427-5 sha: 6cf4981055a2eb7dd8343ff2f70d950a801a5651 doc_id: 23020 cord_uid: ouxfuziw BACKGROUND: An estimated 11 million deaths are associated with sepsis worldwide. The epidemiology of sepsis-associated deaths in Germany is insufficiently understood, as sepsis deaths cannot be identified in the German mono-causal causes of death statistics. AIM: We aim to analyze the epidemiology and characteristics of sepsis-associated hospital deaths as well as to describe regional disparities. MATERIALS AND METHODS: Retrospective cohort study based on the 2016 German-wide diagnosis related groups (DRG) statistics. Sepsis-associated hospital deaths were identified by explicit and implicit sepsis ICD-10-GM codes. Deaths were described based on clinical characteristics and place of residence by official municipality key. The proportion of sepsis-associated hospital deaths among all deaths was calculated based on the national population statistics. RESULTS: In 2016, there were 58,689 hospital deaths associated with explicitly coded sepsis (14.1% of all hospital deaths). Sepsis mortality was 73 per 100,000 inhabitants and varied 1.8-fold between federal states and 7.9-fold between districts. Of the national deaths, 6.4% were sepsis-associated hospital deaths. This proportion was highest in the 40–64 years age group (9.6%) and higher in males compared to females (7.7% vs. 5.2%). Compared to this, the proportion of deaths associated with implicitly coded sepsis was 47.2% among all hospital deaths and 21.6% among all national deaths. DISCUSSION: Although the direct cause of death cannot be assessed based on our data, the high proportion of sepsis-associated deaths calls for further research and epidemiological surveillance, e.g., by cohort studies or based on multi-causal death statistics in Germany. Sepsis ist ein lebensbedrohliches Organversagen, das durch eine fehlgesteuerte Immunantwort des Körpers auf eine Infektion ausgelöst wird [1] . Sie kann zu Schock, Multiorganversagen und Tod führen, insbesondere wenn sie nicht früh erkannt und rechtzeitig behandelt wird [2] . Eine aktuelle Analyse der Global-Burden-of-Disease-Studie schätzt, dass weltweit 49 Mio. Menschen an Sepsis erkrankenund 20 % derglobalenTodesfälle mit Sepsis assoziiert sind [3] . Häufig tritt die Sepsis als Komplikationen nichtübertragbarer Erkrankungen und nach Unfällenauf [3] . Sie stelltauchdie Gesundheitssysteme von Industriestaaten vor große Herausforderungen [4] . Todesfälle im Zusammenhang mit Sepsis und mögliche regionale Unterschiede sind in Deutschland bisher unzureichend erforscht. Sepsis wird in der Systematik der Todesursachen als "intermediär" oder "unmittelbar zum Tod führende Erkrankung" klassifiziert. Da nur das ursächliche Grundleiden in die deutsche Todesursachenstatistik Datenquelle Forschungsdatenzentrum des Statistischen Bundesamtes und Statistische Ämter der Länder (DRG-Statistik 2016), eigene Berechnungen. einfließt ("monokausale Aufbereitung"), kann eine direkte Abschätzung der sepsisassoziierten Todesfälle über diese Datenquelle nicht erfolgen. Eine erste Schätzung der sepsisassoziierten Todesfälle in Deutschland lieferte in 2020 die Global-Burden-of-Disease-Studie, in der die Daten multikausaler Todesursachenstatistiken aus 4 Ländern (USA, Brasilien, Mexiko, Taiwan) unter Adjustierung für den Zugang und die Qualität des Gesundheitswesens für andere Länder extrapoliert wurden. Die Studie schätzt für Deutschland 54.666 sepsisassoziierte Todesfälle im Jahr 2017 [3] . Die Genauigkeit dieser Schätzung ist allerdings noch unbekannt und durch die geringe Primärdatenbasis limitiert. Da sich 87 % der Sepsistodesfälle im Krankenhaus ereignen [5] , kann die Analyse von Krankenhaustodesfällen mit Sepsis zu einem besseren Verständnis sepsisassoziierter Todesfälle beitragen [6] und wird in vielen Ländern zur Erfassung der Sepsismortalität einer Population verwendet [7] . Im Jahr 2007 fanden sich, basierend auf einer vorausgegangenen Analyse der deutschlandweiten Krankenhausentlassdaten der fallpauschalenbezogenen Krankenhausstatistik (DRG-Statistik), 26 .606 sepsisassoziierte Todesfälle [8] ; bis 2015 hat sich diese Zahl auf 56.875 mehr als verdoppelt [9] . Ziel dieser Analyse ist es, basierend auf der Datengrundlage DRG-Statistik, sepsisassoziierte Krankenhaustodesfälle in Deutschland mittels unterschiedlicher Identifikationsmethoden zu analysieren und regionale Unterschiede zu beschreiben. Kategoriale Variablen werden hinsichtlich ihrer Häufigkeitsverteilung anhand von absoluten und relativen Häufigkeiten in Prozent in den jeweils betrachte- Background. An estimated 11 million deaths are associated with sepsis worldwide. The epidemiology of sepsis-associated deaths in Germany is insufficiently understood, as sepsis deaths cannot be identified in the German mono-causal causes of death statistics. Aim. We aim to analyze the epidemiology and characteristics of sepsis-associated hospital deaths as well as to describe regional disparities. Materials and methods. Retrospective cohort study based on the 2016 German-wide diagnosis related groups (DRG) statistics. Sepsis-associated hospital deaths were identified by explicit and implicit sepsis ICD-10-GM codes. Deaths were described based on clinical characteristics and place of residence by official municipality key. The proportion of sepsis-associated hospital deaths among all deaths was calculated based on the national population statistics. Results. In 2016, there were 58,689 hospital deaths associated with explicitly coded sepsis (14.1% of all hospital deaths). Sepsis mortality was 73 per 100,000 inhabitants and varied 1.8-fold between federal states and 7.9-fold between districts. Of the national deaths, 6.4% were sepsis-associated hospital deaths. This proportion was highest in the 40-64 years age group (9.6%) and higher in males compared to females (7.7% vs. 5.2%). Compared to this, the proportion of deaths associated with implicitly coded sepsis was 47.2% among all hospital deaths and 21.6% among all national deaths. Discussion. Although the direct cause of death cannot be assessed based on our data, the high proportion of sepsis-associated deaths calls for further research and epidemiological surveillance, e.g., by cohort studies or based on multi-causal death statistics in Germany. Sepsis · Septic shock · Epidemiology · Mortality · Regional disparities [19] . Die Krankenhaussterblichkeit dieser Erkrankungen lag im Vergleich bei ca. 9,2-10,5 % bei Schlaganfall (in Krankenhäusern mit bzw. ohne Spezialeinheiten für Schlaganfallpatien-ten; [19] ) und 11,3 % bei Herzinfarkt [20] . Zur Akutsterblichkeit der Sepsis kommt außerdem eine relevante Langzeitsterblichkeit der Patienten, für die eine durch epigenetische Veränderungen hervorgerufene anhaltende Immunsuppression und eine verstärkte Arteriosklerose nach Sepsis, die zum häufigen Auftreten kardiovaskulärer Ereignisse führt, verantwortlich gemacht werden [21] . Diese bleibt in unseren Analysen unberücksichtigt, trägt aber wesentlich zur Last an sepsisassoziierten Todesfällen bei. In einer systematischen Übersichtsarbeit und Metaanalyse wurde die postakute 12-Monats-Sterblichkeit auf 15 % geschätzt [22] . In Deutschland lag sie nach Ergebnissen eines monozentrischen Sepsisregisters bei 19 % im ersten Jahr nach Sepsis [23] . Auffällig sind die regionalen Unterschiede in der Sepsismortalität und im Anteil sepsisassoziierter Todesfälle, die auch nach Altersstandardisierung vorhanden bleiben. In einzelnen Kreisen waren bis zu 15,1 % aller Todesfälle mit expliziter, krankenhausbehandelter Sepsis assoziiert. Diese können einerseits durch eine höhere Sepsisinzidenz, andererseits durch eine höhere Sepsissterblichkeit in diesen Kreisen hervorgerufen werden. Sowohl Sepsisinzidenz als auch Sepsissterblichkeit werden durch das Vorliegen chronischer Erkrankungen [24] , durch die Häufigkeit invasiver oder immunsuppressiver Therapien sowie durch sozioökonomische Faktoren beeinflusst [25] . Die genannten Faktoren können in Deutschland zwischen den Kreisen variieren und zu den hier beobachteten Unterschieden beitragen. Eine kausale Analyse ist durch das Fehlen von Daten der nicht im Krankenhaus behandelten Personen und personenbezogenen sozioökonomischen Informationen in der DRG-Statistik nicht möglich. Es ist nicht auszuschließen, dass auch Unterschiede im Codierverhalten zu diesen Unterschieden beitragen, da eine höhere Aufmerksamkeit auf die Erkrankung ("Sepsis-Awareness"), beispielsweise durch Kampagnen und Schulungen, auch zu einer häufigeren Codierung von Sepsisfällen führen kann (sogenanntes Will-Rogers-Phänomen; Abb. 4 9 Relativer Anteil sepsisassoziierter Krankenhaustodesfälle an allen Todesfällen im Jahr 2016 auf Ebene der Landkreise bzw. kreisfreien Städte Deutschlands nach Patientenwohnort in %, a nach expliziter Sepsisidentifikationsstrategie,bnachimpliziterSepsisidentifikationsstrategie. (Quelle: eigene Abbildung, Geodaten und Umrisskarten wurden von https:// gadm.org/ entnommen) [26] ). Darauf weist hin, dass die regionalen Unterschiede bei impliziter Identifikation der Sepsisfälle deutlich geringer ausgeprägt sind als bei expliziter Erfassung (zum Beispiel 3,5-fache vs. 7,9-fache Variation der Sepsismortalität zwischen den Kreisen bei impliziter vs. expliziter Erfassung). Auch der Anstieg der mit explizit codierter Sepsis assoziierten Todesfälle, der sich im 10-Jahres-Intervall zwischen 26 The third international consensus definitions for sepsis and septic shock (sepsis-3) Impact of compliance with infection management guidelines on outcome in patients with severe sepsis: a prospective observational multi-center study Global, regional, and national sepsis incidence and mortality, 1990-2017: analysis for the Global Burden of Disease Study The lingering consequences of sepsis: a hidden public health disaster The burden of sepsis-associatedmortalityintheUnitedStatesfrom1999 to 2005: an analysis of multiple-cause-of-death data Varying estimates of sepsis mortality using death certificates and administrative codes-United States Incidence and mortality of hospital-and ICU-treated sepsis: results from an updated and expanded systematic review and meta-analysis Hospital incidence and mortality rates of sepsis Challenges in assessing the burden of sepsis and understanding the inequalities of sepsis outcomes between national health systems-secular trends in sepsis and infection incidenceandmortalityinGermany Prevention, diagnosis, therapy and follow-up care of sepsis: 1st revision of S-2k guidelines of the German Sepsis Society (Deutsche Sepsis-Gesellschaft e. V. (DSG)) and the German Interdisciplinary Association of Intensive Care and Emergency Medicine (Deutsche Interdisziplinare Vereinigung fur Intensiv-und Notfallmedizin (DIVI)) Epidemiology of severe sepsis in the United States: analysis of incidence, outcome, and associated costs of care Comparing the validity of different ICD coding abstraction strategies for sepsis case identification in German claims data Coding algorithms for defining comorbidities in ICD-9-CM and ICD-10 administrative data R: Alanguageandenvironment for statistical computing Classesandmethods for spatial data in R Growingburdenofsepsis-related mortality in northeastern Italy: a multiple causes of death analysis Identifying patients with severe sepsis using administrative claims: patient-level validation of the angus implementation of the international consensus conference definition of severe sepsis Prevalence, underlying causes, and preventability of sepsisassociated mortality in US acute care hospitals Sexspecific differences regarding seasonal variations of incidence and mortality in patients with myocardial infarction in Germany Late mortality after sepsis: propensity matched cohort study Evidence for a causal link between sepsis and long-term mortality: a systematic review of epidemiologic studies Long-term survival following sepsis Progression into sepsis: an individualized process varying by the interaction of comorbidities with the underlying infection Association of neighborhood socioeconomic status with risk of infection and sepsis Regulatory mandates for sepsis care-reasons for caution The epidemiology of acute organ system dysfunction from severe sepsis outside of the intensive care unit