key: cord-0021624-009pwk08 authors: Lutz, J.; Grundmann, Y.; Böger, A.; Nilges, P.; Benecke, A.; Sabatowski, R. title: Das Urteil des Bundessozialgerichts zur Einbindung von Psychologischen Psychotherapeuten in die interdisziplinäre multimodale Schmerztherapie: Eine kritische Kommentierung date: 2021-09-30 journal: Schmerz DOI: 10.1007/s00482-021-00593-y sha: b46be7b159c133c8a0d3680533315e0e0aef5baa doc_id: 21624 cord_uid: 009pwk08 In the context of their offer of interdisciplinary multimodal pain therapy (day-patient and inpatient), hospitals repeatedly have to contend with strict detailed checks of the procedure codes (OPS 8-918.xx; 8-91c) by health insurers and the medical service. The necessity of day-patient or inpatient treatment in the respective sector, documented therapy components, and the qualifications of the therapists are regularly reviewed. On 27 October 2020, the Federal Social Court ruled on the specific qualification of psychological psychotherapists (BSG, 27 October 2020, Ref.: B 1 KR 25/19 R). The ruling and its potential impact are explained and discussed in this overview. Die Ad-hoc-Kommission "Interdisziplinäre Multimodale Schmerztherapie" (AHK) der Deutschen Schmerzgesellschaft e. V. gestaltet und begleitet die Entwicklung dieser seit einigen Jahrzehnten in Deutschland etablierten und effektiven Therapieform mit, indem sie sich in regelmäßigen Veröffentlichungen zu Struktur, Rah-menbedingungen, Prozessqualität sowie konkreten Inhalten äußert (. Infobox 1) [10, 17] . Insbesondere die Vorzüge der Interdisziplinarität und der Team-basierten Struktur in der Behandlung von Patienten mit chronischen Schmerzen im Rahmeneiner interdisziplinärenmultimodalen Schmerztherapie (IMST) wurden regelmäßig diskutiert und die schwierige Durchsetzung des Ansatzes im deutschen Gesundheitswesen unterstützt. Nicht nur wissen- Die Ad-Hoc-Kommission "Interdisziplinäre Multimodale Schmerztherapie" der Deutschen Schmerzgesellschaft e. V. (AHK) begleitet und gestaltet bereits seit 2006 die für die Etablierung und Weiterentwicklung der interdisziplinären multimodalen Schmerztherapie (IMST) notwendigen Kriterien, Operationalisierungen und Anpassungen der Struktur-und Prozessqualität an den wissenschaftlichen Fortschritt und sozialgesetzlichen Wandel. Eine erste Konkretisierung und Definition der IMST veröffentlichte die AHK bereits 2009 [3] . 2012 wurden Ergebnisse einer Befragung von schmerztherapeutischen Einrichtungen zur Strukturund Prozessqualität publiziert [15] . Es folgten Präzisierungen des interdisziplinären multimodalen Assessments zu konkreten Inhalten und Aufgabenbereichen innerhalb der IMST und zu den unterschiedlichen Voraussetzungen für die Durchführung multimodaler Programme in akutstationären gegenüber rehabilitativen Abteilungen [2, 4, 7] . 2017 veröffentlichte die AHK zusammen mit den Autoren der Operationalisierung der Diagnose F 45.41 (Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren) eine konkrete Checkliste zu dieser Diagnose [5] . Die steigenden Prüfquoten durch die Krankenkassen bzw. den Medizinischen Dienst der Krankenversicherungen (MDK) in Einrichtungen, die IMST durchführen, veranlasste die AHK, sich mehr zu Fragen der medizinischen Leistungskodierung und der Interpretation von Prozedurenkodes (OPS) zu äußern [1, 11, 12] . Zuletzt wurden 2019 die Sektorengrenzen (ambulant/teilstationär/ stationär) in der Versorgung von Patienten mit chronischen Schmerzen ausführlich beschrieben und diskutiert [16] . Das BSG begründet seine Entscheidung mit der gebotenen, eng am Wortlaut orientierten Auslegung. Der OPS 8-918 setze hiernach als eines von mehreren Strukturmerkmalen voraus, dass die psychologisch-psychotherapeutische Fachdisziplin an der multimodalen Schmerzbehandlung konkret bei der (Eingangs-)Diagnostik zu beteiligen und auch ansonsten in das Behandlungsgescheheninterdisziplinär einzubeziehen sei. Die Behandler in der psychologisch-psychotherapeutischenFachdisziplinmüss-Der Schmerz 3 ten zudem approbiert, d. h. Psychologische Psychotherapeuten sein. Das BSG beruft sich in seiner Entscheidung auf die im Hinweistext des OPS-8-918.xx geforderte Interdisziplinarität der Behandlung. Nur wer über den Grad der fachlichen Spezialisierung verfügt, der sich nach den für die jeweilige Fachdisziplin geltenden Regeln definiert, sei demnach Angehöriger der Fachdisziplin und könne das damit verbundene Wissen und Können in die interdisziplinäre Diagnostik, Behandlung und Besprechung einbringen. Im Fall der Fachdisziplin der Psychologischen Psychotherapie erfordere dies das Bestehen der psychotherapeutischen Prüfung nach der Ausbildungsund Prüfungsverordnung für Psychologische Psychotherapeuten (PsychTh-APrV) und darüber hinaus die Approbation. Auf die Frage, in welcher Form PiA im Rahmen einer IMST eingesetzt werden können und in welcher Form die Verantwortung durch approbierte Psychotherapeuten praktiziert bzw. nachgewiesen werden sollte, wenn beabsichtigt ist, den OPS 8-918.xx geltend zu machen, wird in der Urteilsbegründung nicht eingegangen. Dazu hatte sich die Vorinstanz (Landessozialgericht Sachsen, vom 10.04.2019 -L 1 KR 170/15) allerdings bereits eindeutig positioniert. Bezüglich der Psychotherapeuten in Ausbildung wird festgestellt [13] : Es heißt in der BSG-Entscheidung unter Rn. 14 lediglich, dass die psychologischpsychotherapeutische Fachdisziplin an der multimodalen Schmerzbehandlung konkret bei der (Eingangs-)Diagnostik zu beteiligen und auch ansonsten in das Behandlungsgeschehen interdisziplinär einzubeziehen sei. Auch unter Rn. 18 ist von einem Einbeziehen der Vertreter der psychiatrischen oder psychosomatischen Disziplin sowie von einem Mitwirken bei der Eingangsdiagnostik die Rede. Nach Ansicht der AHK dürfte dies jedenfalls dann zu bejahen sein, wenn die verantwortlichen PP/KJP der psychotherapeutischen Fachdisziplin eng in die Diagnostik und Therapie eingebunden werden und dies durch entsprechende Mitzeichnungen in den Behandlungsunterlagen hinterlegt ist. Die regelhafte und dokumentierte Einbindung der PP/KJP in die Teamsitzungen nach Aufnahme bzw. im Behandlungsverlauf belegt diese Einbindung ebenfalls. In einer erstmals 2011 vom Berufsverband der Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten in der Schmerz-und Palliativmedizin in Deutschland e. V. (Berufsverband der Schmerztherapeuten, BVSD) zusammen mit der Sozialmedizinischen Expertengruppe (SEG4) der MDK-Gemeinschaft als Konsensuspapier erstellten Begutachtungshilfe wurden ebenfalls formale und inhaltliche Prüfkriterien zum OPS 8-918.xx operationalisiert und definiert, die immer wieder auch in sozialrechtlichen Verfahren herangezogen werden. 2018 erfolgte unter Einbeziehung der beiden schmerzmedizinischen Fachgesellschaften eine Neuformulierung. Wegen missverständlicher Interpretationen bzgl. des Einsatzes von Psychotherapeuten wurde am 25.04.2019 ein präzisierender Zusatz angefügt: "Die kontinuierliche Einbindung eines approbierten Psychologischen Psychotherapeuten, eines Facharztes für Psychiatrie oder Psychosomatik oder eines ärztlichen Psychotherapeuten in die Behandlung ist notwendig und muss in den Patientenunterlagen eindeutig nachvollziehbar dokumentiert Umsetzung der interdisziplinären multimodalen Schmerztherapie nach OPS 8-918 Multimodale Schmerztherapie für die Behandlung chronischer Schmerzsyndrome Akutstationäre multimodale Schmerztherapie und Rehabilitation Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (F45.41) Gesetze im Internet Gesetz über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (Heilpraktikergesetz Multimodal pain therapy-gold standard or need for further clarification? Die Begutachtungshilfe der MDK-Gemeinschaft zur OPS 8-918 Ist die interdisziplinäre multimodale Schmerztherapie in Gefahr Medcontroller Sächsisches Landessozialgericht L 1 KR 170/15 Struktur der schmerzmedizinischen Versorgung in Deutschland: Klassifikation schmerzmedizinischer Einrichtungen. Konsens der "Gemeinsamen KommissionderFachgesellschaftenundVerbände für Qualität in der Schmerzmedizin Struktur-und Prozessqualität multimodaler Schmerztherapie Sektorenübergreifende interdisziplinäre multimodale Schmerztherapie Interdisziplinäre multimodale Schmerztherapie Empfehlungen zur Klassifikation schmerztherapeutischer Einrichtungen in Deutschland Vergütung und Abrechnung" der MDK-Gemeinschaft; Begutachtung des OPS-Komplexkodes 8-918 Multimodale Schmerztherapie (Endfassung vom 28 sein" [19] . Wie bei anderen erlösrelevanten OPS auch, bietet der Schlüssel OPS 8-918.xx mit seinen Mindestmerkmalen den Kostenträgern zahlreiche Kritik-und damit Angriffsmöglichkeiten [11] . Auf das Verfahren einer Prüfung an sich wurde in einer Übersicht zum Thema "Kontroversen zur Notwendigkeit der stationären Behandlung" 2020 konkret eingegangen [12] . Einigen sich Krankenhaus und Kasse nach der Prüfung des Medizinischen Dienstes (MD) nicht, bleibt nur die Klärung über die Sozialgerichte. (Mit dem MDK-Reformgesetz vom 01.01.2020 wurde der Medizinische Dienst unabhängig von den Krankenkassen organisiert und wird seit 01.01.2021 als "Medizinischer Dienst" bezeichnet). Dabei müssen sich Behandler im Klaren sein, dass sich eine gerichtliche Überprüfung des Behandlungsfalls nicht nur auf die ursprüngliche Frage der Krankenkasse und der vom MD erhobenen Einwände im vorgerichtlichen Verfahren beschränken wird, sondern dass im Zweifelsfall jedes Mindestmerkmal der OPS-Kodes einer gerichtlichen Überprüfung standhalten muss. In diesem Zusammenhang wird offensichtlich, dass seitens der Behandler eine lückenlose Behandlungsdokumentation essenziell ist.Nach dem Urteil des BSG sollten Krankenhäuser, die den OPS 8-918.xx abrechnungsrelevant kodieren, besonders auf die sorgfältige Dokumentation der Einbeziehung der psychologisch-psychotherapeutischen Disziplin in den Behandlungsunterlagen achten.In der o. g. Übersicht zu den Kontroversen bezüglich der stationären Behandlung von Patienten mit chronischen Schmerzen wurde berichtet, dass dies u. a. durch hohe Prüfquoten insbesondere stationärer Fälle sichtbar wurde [12] . Aufgrund der aktuellen Pandemie mit SARS-CoV 2 sind die Prüfungen vorübergehend reduziert und Strukturprüfungen durch den MD vom letzten Jahr auf die zweite Jahreshälfte 2021 verschoben worden.Nach der hier besprochenen Entscheidung des Bundessozialgerichts ist jedoch anzunehmen, dass Kostenträger verstärkt dieses Thema in den Mittelpunkt zukünftiger Prüfungen stellen und die Prüfquote bezüglich (teil-)stationärer interdiszipli-närer Schmerztherapien wieder deutlich anheben werden. In the context of their offer of interdisciplinary multimodal pain therapy (day-patient and inpatient), hospitals repeatedly have to contend with strict detailed checks of the procedure codes (OPS 8-918.xx; 8-91c) by health insurers and the medical service. The necessity of day-patient or inpatient treatment in the respective sector, documented therapy components, and the qualifications of the therapists are regularly reviewed. On 27 October 2020, the Federal Social Court ruled on the specific qualification of psychological psychotherapists (BSG, 27 October 2020, Ref.: B 1 KR 25/19 R). The ruling and its potential impact are explained and discussed in this overview. German diagnose related groups · Medical service · Psychotherapist trainee · Chronic pain · Health insurance