key: cord-0021036-cod614bz authors: Lautenschlager, Florian; Weiss, Manfred; Feuerer, Sigrun; Wodarz, Norbert title: Kratom – eine kurze Übersicht für die Schmerzmedizin date: 2021-09-17 journal: Schmerz DOI: 10.1007/s00482-021-00588-9 sha: 49619f52c7bf176b6a9afe3a938c9d2e0bc51997 doc_id: 21036 cord_uid: cod614bz BACKGROUND: Consumption of the psychotropic plant kratom (botanical name: Mitragyna speciosa) is sometimes used for the self-medication of chronic or acute pain. An increase in the use is possible in Germany in the future. OBJECTIVE: This review provides an overview on kratom for pain specialists. The topics of the review are the pharmacological aspects, the mental effects, the effects on pain and the risks of kratom including possible addiction. MATERIAL AND METHODS: We conducted a review of literature in PubMed published until 15 January 2021 resulting in 426 publications of which 8 were specifically concerned with the topic of kratom and pain. RESULTS: In addition to other alkaloids, kratom also contains 7‑hydroxymitragynine, which is active on opioid receptors. The use of kratom is not without risks, e.g. because there is no standardized form of administration as well as the possibility of direct damage to health and of addiction. DISCUSSION: There are currently no evidence-based reasons to recommend the use of kratom as an analgesic. It is important for pain specialists to ask patients about a possible abuse of kratom and to be able to inform the patients about the potential risks of kratom. Pharmakologie · Schmerztherapeuten · Suchtmedizin · Risiken · Schmerz Einleitung Kratom und dessen Produkte werden in den USA zunehmend konsumiert. Teilweise erfolgt der Einsatz auch zur Selbstmedikation von chronischen Schmerzen. Es ist nicht auszuschließen, dass Kratom in Deutschland an Popularität gewinnt, insbesondere da es einfach und vergleichsweise kostengünstig über das Internet bezogen werden kann. Deswegen ist es sinnvoll, Kratom unter schmerztherapeutischen, aber auch suchtmedizinischen Aspekten vorzustellen. Kratom bezeichnet die aus dem Kratombaum (Mitragyna speciosa) und dessen Blättern gewonnenen Substanzen. Traditionell wurden die Blätter im südostasia-tischen Raum als Tee konsumiert [5] . Allerdings sind derzeit auch andere Formen, wie Pulver oder Extrakte, verfügbar [5] . Diese können beispielsweise auch in Gelatinekapseln gepresst sein. In Thailand ist die Substanz seit 1946 verboten [5] . In Deutschland unterliegt sie unserem Kenntnisstand nach derzeit weder dem Betäubungsmittelgesetz noch dem Neue-Psychoaktive-Stoffe-Gesetz. In der juristischen Einschätzung handele es sich laut einem Urteil des OLG Köln (11.09.2015) nicht um ein Arzneimittel [12] . In den USA wird die Anzahl an Bürgern mit Kontakt zu Kratom auf ca. 4-5 Mio. geschätzt [30] . Dort ist aufgrund zunehmender Meldungen von Intoxikationen von einer steigenden Anzahl an Konsu-PubMed a a Abb. 1 8 Ergebnisse der Recherche. a Sonstige Literaturstellen: Editorials, Leserbriefe oder Kommentare, aber auch pharmakologische Versuche außerhalb klinischer oder präklinischer Studien menten auszugehen [22] . Die Gründe für den Konsum sind vielschichtig. Neben der Anwendung als Rauschmittel erfolgt auch der Einsatz zur Selbstmedikation bei chronischen Schmerzen, Depression, Angststörungen, posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) und auch im Rahmen selbstgeleiteter Opiatentzüge [10] . In einer amerikanischen Onlineumfrage vom Oktober 2016 unter 8049 Konsumenten von Kratom gaben rund 66 % der Konsumenten an, Kratom gegen akute bzw. chronische Schmerzen zu verwenden [2] . Es gibt bereits die ersten Kollegen im deutschsprachigen Raum, die in einer Kasuistik von einem Patienten berichten, der Kratom als "natürliche" Alternative bei einer chronischen Schmerzsymptomatik wählte [19] . Kratom bezog dieser Patient über das Internet [19] . Die Kasuistik deckt sich mit unserer Einschätzung, dass sich Kratom wegen seiner leichten Verfügbarkeit über das Internet in Zukunft auch bei Patienten mit chronischen Schmerzen in Deutschland verbreiten könnte. Es erfolgte eine Recherche bei PubMed für den Suchzeitraum von 01.01.1950 bis 15.01.2021 mit dem Begriff "Kratom". Es erfolgte eine weitere Eingrenzung der Suche per "Kratom" und "Pain", sowie "Kratom" und "Pain" im Titel. Wie in . Abb. 1 dargestellt, wurden irrelevante Ergebnisse aussortiert. Wir haben versucht durch das Studium der übrig gebliebenen Literatur nachfolgende relevante Bereiche zu beleuchten: "pharmakologische Aspekte", "Wirkung auf die Psyche", "Abhängigkeit", "Risiken" und "Schmerz". Ziel der Auswahl war es, eine für SchmerztherapeutenpraxisrelevanteÜbersicht der aktuellen Literatur über "Kratom" zu erhalten. Die acht eng eingegrenzten Literaturstellen enthalten vier Fallberichte bzw. Fallserien. Es wurde die Selbstmedikation eines Patienten mit chronischen Schmerzen nach Calcaneusfraktur beschrieben. Im geschilderten Fall entwickelte sich eine Abhängigkeit mit der Notwendigkeit einer Entzugsbehandlung [19] . Außerdem gibt es einen Fallbericht über eine Selbstmedikation eines Opioidabhängigen, der unter chronischen Schmerzen, Angst und Depressionen litt. Die Selbstbehandlung verschlimmerte im Verlauf die Symptomatik und führte zur Notwendigkeit einer Entzugsbehandlung [4] . In einem anderen Fall wurde von einer Leberschädigung mit Anstieg der Transaminasen und des Bilirubins sowie einem Pruritus bei Selbstmedikation im Rahmen von LWS-Beschwerden berichtet [21] . Andere Kollegen berichteten von der erfolgreichen Selbstmedikation eines Patienten in Bezug auf COVID-19-Folgen, d. h. insbesondere von Muskelschmerzen und Abgeschlagenheit, durch die kurzzeitige Einnahme von Kratom [18] . Eine Querschnittsstudie mit 170 erfahrenen Konsumenten von Kratom berichtete beim Absetzen von Kratom vom Auftreten von moderaten bis schweren Schmerzen und moderaten bis schweren Schlafstörungen [25] . Eine randomisierte, placebokontrollierte, verblindete Studie mit 26 eingeschlossenen Probanden, die chronische Kratomkonsumenten waren, zeigte, dass die Einnahme von Kratom zu einer Zunahme der Schmerztoleranz führte [28] . Ein Versuch im Tiermodell lässt auch vermuten, dass Kratom eventuell einen positiven Effekt auf durch Chemotherapie induzierte Allodynie haben könnte [9] . Bei einem Review der verfügbaren Literatur konnten die Autoren aufgrund des bestehenden Mangels an Evidenz keine Empfehlung für Kratom als Analgetikum geben [13] . Letztlich kann die Frage, ob Kratom sich in allen Aspekten als Analgetikum eignen würde, anhand der bislang verfügbaren Literatur nicht valide beantwortet werden. Unsere durch die Recherche gewonnene Erkenntnis deckt sich daher mit aktuellen Aussagen anderer Autoren [16, 23] . Kratom enthält zahlreiche Alkaloide, deren mengenmäßig größten Anteil Mitragynin und 7-Hydroxy-Mitragynin darstellen [8] . Genaue Angaben zum Gehalt der einzelnen Alkaloide sind leider nicht immer möglich, da es sich um ein Naturprodukt handelt. So spielt hier beispielsweise die Sorte, aber auch die Saison des Anbaus eine Rolle [17] . Mitragynin wird je nach Autor eine agonistische oder auch partialagonistische Wirkung auf die μ-Opioidrezeptoren zugeschrieben [8] sowie eine dem Morphin ähnliche analgetische Potenz [13] . 7-Hydroxy-Mitragynin habe im Vergleich hierzu die ca. 10-fache analgetische Potenz von Morphin [13] . Die Wirkung von Kratom auf μ-,δ-und κ-Opioidrezeptoren ist zusammenfassend komplex und von teils gegensätzlichen Erklärungsmodellen geprägt [8] . Die Indolalkaloide Mitragynin und 7-Hydroxy-Mitragynin sollen im Rahmen ihrer Rezeptorbindung G-Proteinvermittelte Signalwege aktivieren, ohne gleichzeitig den β-Arrestin-vermittelten Signalweg zu aktiveren, was nicht zu einer Atemdepression führen sollte [13] . Dem sind allerdings die klinische Beobachtung von letalen Intoxikationen bei sehr hohen Plasmakonzentrationen von Mitragynin [6] und das in sehr hohen Dosierungen zu beobachtende Opioid-Toxidrom gegenüberzustellen [8] . Dies schränkt die zuvor genannte theoretische Unbedenklichkeit in der Praxis ein. Die Halbwertszeit von Mitragynin wird in der Literatur mit 23 h angegeben [29] . Pharmakologische Wechselwirkungen sind ebenso nicht auszuschließen. So fungiert Mitragynin als Inhibitor einzelner Untertypen von CYP450, wie z.B. CYP2D6, CYP2C9, CYP1A2 und CYP3A4 [30] . Überdies wird eine Inhibition verschiedener UDP-Glucuronosyltransferasen angenommen, darunter auch UGT2B7, deren Substrate z. B. Buprenorphin, Ketamin, aber auch Morphin und Hydromorphon sind [8, 26] [27] . Allerdings soll sich die Symptomatik im Vergleich zu einem Opiatentzug in einer milderen Form präsentieren [27] . Die Einschränkungen, die in der S3-Leitlinie "Medikamentenbezogene Störungen" bezüglich der Diagnosestellung Abhängigkeit z. B. für Opioidanalgetika gestellt werden, gelten für Kratom nicht, da es sich nicht um ein zugelassenes Arzneimittel handelt und eine fortgesetzte Therapie unter ärztlicher Kontrolle aktuell ausscheidet [7]. Neben den bereits beschrieben Risiken einer Abhängigkeit, den Interaktionen mit unterschiedlichen Pharmaka und dem Risiko von Intoxikationen bei Überdosierung gibt es zusätzliche Risiken, die sich zumindest teilweise mit dem nichtpharmazeutischen Vorgehen bei der Herstellung und dem Vertrieb erklären lassen. Unter Krypton beispielsweise wurde ein Kratomprodukt vertrieben, welchem O-Desmethyltramadol beigefügt war, welches dadurch nachweislich für 9 letale Intoxikationen verantwortlich war [14] . Auch wurde in der Literatur über eine intrazerebrale Blutung wegen des Zusatzes eines Phenylethylamins, welches eine sympathomimetische Wirkung hat, berichtet [20] . Gleichzeitiggibtes Berichte über Verunreinigungen mit Salmonellen oder Schwermetallen [8] . Diese Beispiele zeigen, dass ein Produkt, welches kein zugelassenes Arzneimittel ist, für den Anwender nicht unerhebliche Risiken birgt. Diese Risiken beinhalten die Wirkstoffmenge, Zusammensetzung, Qualität des Produkts, aber auch die Unkenntnis über die genaue Dosierung des Produkts und die jeweiligen Wechselwirkungen mit Arzneimitteln. Jede dieser Problematiken kann für sich genommen zu gesundheitlichen Schäden führen. Zusätzlich gibt es in der Literatur Berichte über schwerwiegende Leberschäden im Zusammenhang mit Kratom [24] . Qualitativ hochwertige Studien zu dieser Problematik fehlen allerdings noch. Ergänzend zu den bisher genannten Risiken wurden auch letale Intoxikationen bei extremen Überdosierungen bzw. Mischintoxikationen beschrieben [6] . Akute Intoxikationen können sich in einem umfangreichen und teils durch andere Substanzen überlagerten Mischbild zeigen [15] . Nicht ganz auszuschließen ist unserer Meinung nach auch, dass gerade die Konsumform von Kratom als "Tee" über die Zeit hinweg das Risiko einer für den Konsumenten unbemerkten bzw. unbewussten Dosissteigerung birgt. Denkbar wären hier einerseits höhere Mengen an Alkaloiden durch die Verwendung einer größeren Menge Kratom oder andererseits eine Veränderung der Ziehzeit des "Teegemischs". Gerade Letzteres scheint nicht trivial, da noch wenig über die tatsächliche chemische Stabilität der Alkaloide von Kratom bekannt ist [1] . Beide Änderungen der dosisrelevanten Parameter könnten dem Konsumenten nicht bewusst sein. Die Sorglosigkeit könnte unserer Meinung nach gerade durch die mögliche Assoziation von Kratom mit einem "Kräutertee" verstärkt werden. Alle diese Risiken bzw. Unklarheiten sollte man dem Patienten offen kommunizieren. Chronische Schmerzpatienten wenden sich auch alternativen Heilverfahren zu [3] . Schmerzpatienten erhoffen sich hier von "natürlichen" und "rein pflanzlichen" Wirkstoffen, wie Kratom, mittelfristig eine neue Perspektive. Das pharmakologische Wirkprofil von Kratom ist in der Theorie vielversprechend [13] Temperature and pHdependent stability of mitragyna alkaloids Selfreported health diagnoses and demographic correlates with Kratom use: results from an online survey Complementary and alternative medicine therapies for chronic pain A complex case of kratom dependence, depression, and chronic pain in opioid use disorder: effects of Buprenorphine in clinical management Is kratom the new "legal high" on the block?: the case of an emerging opioid receptor agonist with substance abuse potential Characteristics of deaths associated with kratom use Kratom-pharmacology, clinical implications, and outlook: a comprehensive review Mitragynine, bioactive alkaloid of kratom, reduces chemotherapy-induced neuropathic pain in rats through α-adrenoceptor mechanism Patterns of kratom use and health impact in the US-Results from an online survey Substance use disorders: Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders Diseases, tenthedition(ICD-10 Kratom and future treatment for the opioid addiction and chronic pain: periculo beneficium? Unintentional fatal intoxications with mitragynine and O-desmethyltramadol from the herbal blend krypton Living systematic review on cannabis and other plant-based treatments for chronic pain: interim progress reports. Agency for Healthcare ResearchandQuality Mitragyna speciosa: clinical, toxicological aspects and analysis in biological and non-biological samples Can kratom (mitragyna speciosa) alleviate COVID-19 pain? Kratom instrumentalization for severe pain self-treatment resulting in addiction -A case report of acute andchronicsubjectiveeffects Kratom adulterated with phenylethylamine and associated intracerebral hemorrhage: linking toxicologists and public health officials to identify dangerous adulterants Drug-induced liver injury caused by kratom use as an alternative pain treatment Amid an ongoing Opioid epidemic Kratom exposures reported to United States poison control centers A systematic review of (pre)clinical studies on the therapeutic potential and safety profile of kratom in humans Kratom(MitragynaSpeciosa) liver injury: a comprehensive review Severity of pain and sleep problems during kratom (mitragyna speciosa Korth.) cessation among regular kratom users Opioid metabolism. Mayo Clin Proc Kratom use and mental health: a systematic review Kratomandpaintolerance:arandomized,placebocontrolled, double-blind study Pharmacokinetics of mitragynine in man Pharmacologic and clinical assessment of kratom: an update