key: cord-0019468-lxt94zh2 authors: Dietrich, M.; Beynon, C.; Fiedler, M. O.; Bernhard, M.; Kümpers, P.; Hecker, A.; Jungk, C.; Nusshag, C.; Michalski, D.; Brenner, T.; Weigand, M. A.; Reuß, C. J. title: Fokus allgemeine Intensivmedizin. Intensivmedizinische Studien aus 2020/2021 date: 2021-07-29 journal: Anaesthesist DOI: 10.1007/s00101-021-00976-x sha: 4496e96bdb57c685c4449834bc2d5e66b7d47ac4 doc_id: 19468 cord_uid: lxt94zh2 nan Mit dem Beginn der Coronapandemie im Frühjahr 2020 wurden die Gesundheitssysteme weltweit durch ein intensivmedizinisches Krankheitsbild an ihre Belastungsgrenzen gebracht. Obwohl das SARS-CoV-2 nur bei einem kleinen Anteil der infizierten Patienten eine schwere Pneumonie mit Sepsis auslöst, kam es aufgrund der hohen Fallzahl zu einem massiven Bedarf an intensivmedizinischer Behandlungskapazität. Über 4 Mio. Menschen sind bisher (Stand: 08.07.2021) an einer COVID-19-Sepsis verstorben [1] . Entsprechend fokussierte sich die intensivmedizinische Forschung im Jahr 2020/2021 auf das neuartige Krankheitsbild, und ein großer Anteil der erschienenen Original-und Übersichtsarbeiten betraf das SARS-CoV-2 bzw. das von ihm ausgelöste Krankheitsbild COVID-19. Dennoch sind im vergangenen Jahr viele interessante Publikationen auch zu anderen intensivmedizinischen Fragestellungen erschienen. Wie in den vergangenen Jahren möchten wir im vorliegen-den Übersichtsartikel einige besonders relevante Veröffentlichungen vorstellen. Da viele Studien unter Akronymen "gehandelt" werden, gibt . Tab. 1 einen Überblick über die im vergangenen Jahr erschienenen Studien unter gleichzeitiger der Organfunktion konnte in keiner der Studien reproduziert werden [2] . Sowohl in der ACTS-als auch in der ORANGES-Studie zeigte sich eine schnellere hämodynamische Stabilisierung bei Patienten, die die HAT-Therapie erhalten hatten, jedoch ohne Einfluss auf die Organdysfunktion oder das Gesamtüberleben [7, 9] . Weitere In den letzten 15 Jahren hat die ständige Verbesserung der sublingualen Mikrozirkulationsmessung bei (Intensiv-)Patienten erheblich zum Verständnis der Pathophysiologie beim Schock beigetragen. Trotz ständiger Verbesserungen der Kameratechnik lassen sich so aber bislang nur schwere Störungen der Mikrozirkulation semiquantitativ abschätzen ("eyeballing"). -sprich: Die Sensitivität der Methode ist nicht besonders gut. Genau an dieser Stelle setzt die Studie von Rovas et al. an. Mithilfe des Gly-cocheck™-Systems (GlycoCheck B.V., Maastricht, Niederlande) gelang es den Autoren, in Kooperation mit Wissenschaftlern der Fa. Microvascular Health Solutions, die Fließeigenschaften der Erythrozyten viel genauer als bisher -und v. a. vollautomatisch -zu quantifizieren. Vereinfacht gesagt, misst die Glycocheck-Software, wie schnell die Erythrozyten fließen, und wie stark sie dabei von einer idealen "Fahrrinne" zur Seite hin abweichen. Je stärker die Abweichung nach außen, hin zur Gefäßwand, ist, desto größer wird die "perfused boundary region" (PBR), ein inverser Schätzwert für die Dicke der (protektiven) endothelialen Glykokalyx (vereinfacht hohe PBR = "dünne" Glykokalyx). Der Clou der Software ist aber, dass über den Durchmesser der Erythrozyten-Fahrrinne jeder kleinste Gefäßabschnitt einem ganz konkreten Gefäßdurchmesser zwischen 4 und 25 μm zugeordnet werden kann (in 1-μm-Klassen). Anhand der Messwerte von insgesamt 17 gesunden Probanden und 34 Sepsispatienten konnten die Autoren zeigen, dass die Gefäßdichte der Sepsispatienten ausschließlich in den Durchmesserklassen 5, 6 und 7 μm reduziert war (-63 %, -42 % und-28 % im Vergleich zu den Kontrollen), während die übrigen Durchmesserklassen von 8 bis 25 μm sich nicht zwischen den Gruppen unterschieden. Die Dichte dieser kleinsten Kapillaren (≤ 7 μm Durchmesser) zeigte zudem robuste inverse Korrelationen mit Interleukin-6, Prokalzitonin, Lactat und dem SOFA-Score, während diese in größeren Gefäßen fehlten oder sogar teilweise umgekehrt waren. Anschließend setzten die Autoren die jeweilige Erythrozyten-Geschwindigkeit (VRBC) von Kapillaren (≤ 7 μm) mit denen zuführender Gefäße (≥ 10 μm, "feeding vessels") in Beziehung. Dabei zeigte sich, dass gesunde Individuen eine relativ konstante mediane kapilläre VRBC zu haben scheinen, und zwar unabhängig von der zugehörigen VRBC in den zuführenden Gefäßen. Die Autoren spekulieren, dass die Einhaltung eines engen VRBC-Bereichs für ein optimales Angebot-Nachfrage-Verhältnis in den Kapillaren wichtig sein könnte. In der Sepsis entspricht die kapilläre VRBC hingegen 1:1 der VRBC in den Feeding vessels. Dieser Befund spricht dafür, dass die Anzahl der durchbluteten Kapillaren bei Sepsispatienten fixiert ist und unempfindlich gegenüber lokalen Variationen des metabolischen Bedarfs im Gewebe zu sein scheint. Basierend auf diesem Befund berechneten die Autoren in beiden Gruppen einen völlig neuen Parameter: die Kapillar-Rekrutierung (CR, in %). Die CR betrug bei Gesunden im Mittel 80 % während Sepsispatienten bei nur 10 % lagen. Abschließend wurden die verschiedenen neuen Variablen (Kapillardichte, CR und PBR) zu einem Microvascular Health Score (MVHS) fusioniert. Dieser MVHS nahm mit zunehmender Sepsisschwere deutlich ab und korrelierte gut mit zahlreichen Inflammationsparametern. Inwieweit diese neue Technik bzw. der MVHS tatsächlich relevante Endpunkte bei Sepsis-Patienten vorhersagen kann, bleibt abzuwarten. Die Autoren haben aber auch schon zwei prospektive, longitudinale Observationsstudien in der Notaufnahme und auf der Intensivstation gestartet. Gut vor-stellbar, dass der MVHS also den bisherigen Goldstandard (Eyeballing über alle Gefäße < 20 μm) ablöst und eine differenzierte Messung auch bei nur leichtgradig erkrankten Patienten möglich wird. Der antiinflammatorisch wirksame α2-Ago-nistDexmedetomidinwird aufgrund seiner sedierenden, anxiolytischen und analgetischen Wirkeigenschaften zunehmend zur Sedierung von beatmeten, kritisch kranken Patienten eingesetzt und bietet möglicherweise auch einen vielversprechenden therapeutischen Ansatz. Im Umfeld operativer Eingriffe und tierexperimentell im Rahmen der Hyperinflammation konnte eine Reduktion von Entzündungsmarkern durch die Gabe von Dexmedetomidin nachgewiesen werden [15, 16] Die akute gastrointestinale (GI-)Blutung ist ein lebensbedrohlicher Notfall, der abhängig von der Lokalisation (oberer oder unterer GI-Trakt) mit einer Sterblichkeit bis zu 10 % einher geht. Bei anderen Ursachen akuten und massiven Blutverlusts wie der traumatischen oder postpartalen Blutung konnte durch die Gabe von Tranexamsäure (TXA) eine Reduktion der Sterblichkeit beigleichzeitignichterhöhtem thrombembolischen Risiko gezeigt werden [19, 20] . Auch beim Schädel-Hirn-Trauma profitieren zumindest Subgruppen von der frühzeitigen Gabe von TXA [21] . Die HALT-IT-Studie untersuchte in einem von 2013 bis 2019 erhobenen Kollektiv an 164 Krankenhäusern in 15 Ländern die Auswirkung der Gabe von TXA bei Patienten mit akuter GI-Blutung [22] . Eine Motivation für die Durchführung der Studie war u. a. eine Metaanalyse, die eine deutliche Reduktion der Sterblichkeit bei Patienten mit GI-Blutung durch die Gabe von TXA zeigte (relatives Risiko (RR): 0,61, 95 %-Konfidenzintervall (KI): 0,42-0,89) [23] . In der prospektiven randomisierten, internationalen Multizenterstudie HALT-IT erhielten 5994 Patienten zunächst 1 g TXA als Kurzinfusion und direkt im Anschluss 3 g über 24 Bei Patienten mit oberer GI-Blutung ist häufig eine Endoskopie zur Lokalisation der Blutungsquelle und Blutstillung nötig. Empfohlen wird diese innerhalb von 24 h nach Aufnahme des Patienten. Ob jedoch eine noch zeitnähere Durchführung der Endoskopie einen Benefit für die Patienten bringt, ist unklar. Deshalb untersuchten Lau et al. in einer prospektiven randomisierten monozentrischen Studie in Hongkong 516 Patienten mit oberer GI-Blutung und hohem Risiko für Tod oder weitere Blutung, definiert durch einen Glasgow-Blatchford-Score über 12 [24] . Der Glasgow-Blatchford-Score kann das Risiko u. a. für Blutungsereignisse und Sterblichkeit bei GI-Blutungen vorhersagen und reicht von 0 (niedrigstes Risiko) bis 23 (höchstes Risiko). Die Patienten erhielten entwe-der eine dringliche Endoskopie innerhalb von 6 h oder eine frühe Endoskopie zwischen 6 und 24 h nach gastroenterologischer Beurteilung. Als primärer Endpunkt diente die Sterblichkeit nach 30 Tagen, die sich zwischen den Gruppen nicht unterschied: dringliche Endoskopie: 8,9 % vs. frühe Endoskopie: 6,6 %; (RR: 1,35, 95 %-KI: 0,72-2,54). Auch sekundäre Endpunkte konnten keine Hinweise für einen Benefit einer Endoskopie innerhalb von 6 h zeigen. So unterschied sich auch die Rate an Nachblutungen innerhalb von 30 Tagen nicht (10,9 % vs. 7,8 %; RR: 1,46, 95 %-KI: 0,83-2,58), ebenso war die Transfusionsrate gleich. Eine höhere Rate nachgewiesener aktiv blutender Ulzera und somit häufigeren endoskopischen Behandlungen der Blutungsquelle konnte die Nachblutungsrate oder gar die Sterblichkeit also nicht reduzieren. Möglicherweisehatte die vorausgehende antazide Therapie der Patienten in der Gruppe der Endoskopien innerhalb von 24 h also einen positiven Effekt auf den Verlauf der Blutung. Anhand dieser Untersuchung kann die generelle Durchführung der Endoskopie innerhalb von 6 h nicht empfohlen werden. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass die Daten aufgrund des monozentrischen Studiendesigns nicht ohne Weiteres übertragbar sind und Patienten, die sich initial nicht stabilisieren ließen und so eine dringliche Behandlung erfahren hatten, nicht eingeschlossen wurden. COVID-19 dashboard by the Hydrocortisone, vitamin C, andthiamineforthetreatmentofseveresepsisand septic shock: a retrospective before-after study Effect of vitamin C infusion on organ failure and biomarkers of inflammation and vascular injury in patients with sepsis and severe acute respiratory failure: the CITRIS-ALI randomized clinical trial Effect of vitamin C, hydrocortisone, and thiamine vs hydrocortisone alone on time alive and free of vasopressor support among patients with septic shock: the VITAMINS randomized clinical trial Oxalate nephropathy following vitamin C intake within intensive care unit Fatal vitamin C-associated acute renal failure Effect of ascorbic acid, corticosteroids, and thiamine on organ injury in septic shock: the ACTS randomized clinical trial Combination therapy of vitamin C and thiamine for septic shock: a multicentre, double-blinded randomized, controlled study Outcomes of metabolic resuscitation using ascorbic acid, thiamine, and glucocorticoidsintheearlytreatmentofsepsis: the ORANGES trial Effect of vitamin C, thiamine, and hydrocortisone on ventilator-and vasopressor-free days in patients with sepsis: the VICTAS randomized clinical trial Effect of ultrashortacting beta-blockers on mortality in patients with persistent tachycardia despite initial resuscitation: a systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials The third international consensus definitions for sepsis and septic shock (sepsis-3) Incidence of severe sepsis and septic shock in German intensive care units: the prospective, multicentre INSEPstudy Venoarterial extracorporeal membrane oxygenation to rescue sepsisinduced cardiogenic shock: a retrospective, multicentre, international cohort study Effects of dexmedetomidine on mortality rate and inflammatory responses to endotoxin-induced shock in rats Effect of dexmedetomidine on early postoperative cognitive dysfunction and peri-operative inflammation in elderly patients undergoing laparoscopic cholecystectomy Effect of dexmedetomidine on inflammation in patients with sepsis requiring mechanicalventilation: asub-analysisofamulticenter randomized clinical trial Effect of dexmedetomidine on duration of mechanical ventilation in septic patients: a systematic review and meta-analysis Effect of early tranexamic acid administration on mortality, hysterectomy, and other morbidities in women with post-partum haemorrhage (WOMAN): an international, randomised, double-blind, placebocontrolled trial Effects of tranexamic acid on death, vascular occlusive events, and blood transfusion in trauma patients with significant haemorrhage (CRASH-2): a randomised, placebo-controlled trial Effects of tranexamic acid on death, disability, vascular occlusive events and other morbidities in patients with acute traumatic brain injury (CRASH-3): a randomised, placebo-controlled trial Effects of a highdose 24-h infusion of tranexamic acid on death and thromboembolic events in patients with acute gastrointestinal bleeding (HALT-IT): an international randomised, double-blind, placebocontrolled trial Tranexamic acid for upper gastrointestinal bleeding Timing of endoscopy for acute upper gastrointestinal bleeding. Reply