key: cord-0017333-78uodiov authors: Kaiser, H. A.; Knapp, J.; Sleigh, J.; Avidan, M. S.; Stüber, F.; Hight, D. title: Das quantifizierte EEG im elektroenzephalogrammbasierten Monitoring während Allgemeinanästhesie date: 2021-05-10 journal: Anaesthesist DOI: 10.1007/s00101-021-00960-5 sha: 088527568bdf55c2ede8cd924f41cc6027408aa6 doc_id: 17333 cord_uid: 78uodiov The electroencephalogram (EEG) is increasingly being used in the clinical routine of anesthesia in German-speaking countries. In over 90% of patients the frontal EEG changes somewhat predictably in response to administration of the normally used anesthetic agents (propofol and volatile gasses). An adequate depth of anesthesia and appropriate concentrations of anesthetics in the brain generate mostly frontal oscillations between 8 and 12 Hz as well as slow delta waves between 0.5 and 4 Hz. The frontal EEG channel is well-suited for avoidance of insufficient depth of anesthesia and excessive administration of anesthetics. This article explains the clinical interpretation of the most important EEG patterns and the biophysical background. Also discussed are important limitations and pitfalls for the clinical routine, which the anesthetist should know in order to utilize the EEG as an admittedly incomplete but clinically extremely important parameter for the level of consciousness. Das Elektroenzephalogramm (EEG) findet im klinischen Alltag der Anästhesie des deutschsprachigen Raumes zunehmend Anwendung. Bei über 90 % der Patienten ändert sich das frontale EEG als Reaktion auf die Gabe der gebräuchlichen Narkotika (Propofol und volatile Narkosegase) in typischer Weise. Eine adäquate Narkosetiefe und angemessene Konzentrationen der Anästhetika im Gehirn erzeugen meist frontale Oszillationen zwischen 8 und 12 Hz (α-Oszillationen) sowie langsame δ-Wellen zwischen 0,5 und 4 Hz. Die frontale EEG-Ableitung eignet sich gut zur Vermeidung einer unzureichenden Narkosetiefe bzw. einer Überdosierung von Anästhetika. Im Folgenden werden die klinische Interpretation der wichtigsten EEG-Muster und ihr biophysikalischer Hintergrund erläutert. Ebenso werden wichtige Limitationen und "Fallstricke" für den klinischen Alltag diskutiert, die der Anästhesist kennen sollte, um das EEG als zwar unvollständigen, aber klinisch äußerst wichtigen Parameter des Bewusstseinslevels zu nutzen. Sie betreuen einen 58-jährigen Patienten zur laparoskopischen Hemikolektomie. Als relevante Vorerkrankungen sind Bluthochdruck und Adipositas (Body-Mass-Index 37 kg/m 2 ) bekannt. Der Patient erhält für den Eingriff eine Kombinationsanästhesie aus "Transversusabdominis-plane"(TAP)-Blockade und Allgemeinanästhesie mit Sevofluran und Fentanyl. Die Einleitung verläuft problemlos, aber während der Insufflation von Kohlendioxid in das Peritoneum wird der Patient ausgeprägt hypoton, mit einem Blutdruck von 65/35 mm Hg. Sie vermuten als Ursache primär das Kapnoperitoneum, aber ein Blick auf den EEG-Monitor führt Sie zu einer weiteren Differenzialdiagnose ... Trotz einer minimalen alveolären Konzentration (MAC) des Sevoflurans von nur 0,8 weist das EEG ein deutlich erkennbares Burst-Suppression-Muster auf. Nach einmaliger Gabe von 10 μg Noradrenalin und Reduktion der Sevoflurankonzentration auf 0,6 MAC stabilisiert sich der Blutdruck. Während der nächsten 90 min verläuft die Anästhesie ohne größere hämodynamische Veränderungen, und das EEG zeigt stabile α-Oszillationen und eine "Slow-wave"-Aktivität. Operativ erschweren dem Chirurgen abdominelle Adhäsionen die Arbeit. Nachdem es zu einer Verletzung des Dünndarms kommt, entscheidet sich der Operateur für ein offenes Verfahren und führt eine Laparotomie durch. Hierbei verändert sich das EEG-Muster abrupt, und es sind nur noch δ-Wellen zu erkennen. Sie sind sich unsicher, ob Sie die Narkose durch die Gabe von Fentanyl oder eine höhere Konzentration von Sevofluran anpassen sollen. Auf einen erneuten Bolus an Opioid erscheinen wieder α-Spindeln im EEG. Anscheinend war die TAP-Blockade nicht ausreichend für die Abdeckung des gesamten Laparotomiebereiches, und der akute Schmerzreiz hat zum Verlust der α-Oszillationen geführt. Die Operation verläuft weiterhin gut, bis es aufgrund einer Lazeration der V. cava inferior zu einem ausgeprägten Blutverlust kommt. Aufgrund der hämodynamischen Instabilität verringern Sie die Sevoflurankonzentration auf etwa 0,4 MAC und versuchen, den Patienten durch Infusion von Kristalloiden und Transfusion von Erythrozytenkonzentrat zu stabilisieren. Ihnen fallen jedoch beim Blick auf den Monitor erneut fehlende α-Oszillationen im EEG auf, wobei im Spektrogramm dieses Mal dem "α-Verlust" ein Anstieg der Frequenz der α-Oszillationen vorausging. Sie erhöhen daher die Konzentration des volatilen Anästhetikums wieder auf 0,5 MAC, trotz weiterhin bestehender hämodynamischer Instabilität, und supplementieren mit einem Bolus von 2 mg Midazolam, sodass wieder α-Oszillationen im EEG zu erkennen sind. Nach chirurgischer Kontrolle der Blutung stabilisiert sich der Patient zusehends; nach der Ausleitung ist er schmerzfrei und kann sich nur an Ihre Worte vor der Einleitung erinnern. The quantitative EEG in electroencephalogram-based brain monitoring during general anesthesia The electroencephalogram (EEG) is increasingly being used in the clinical routine of anesthesia in German-speaking countries. In over 90% of patients the frontal EEG changes somewhat predictably in response to administration of the normally used anesthetic agents (propofol and volatile gasses). An adequate depth of anesthesia and appropriate concentrations of anesthetics in the brain generate mostly frontal oscillations between 8 and 12 Hz as well as slow delta waves between 0.5 and 4 Hz. The frontal EEG channel is well-suited for avoidance of insufficient depth of anesthesia and excessive administration of anesthetics. This article explains the clinical interpretation of the most important EEG patterns and the biophysical background. Also discussed are important limitations and pitfalls for the clinical routine, which the anesthetist should know in order to utilize the EEG as an admittedly incomplete but clinically extremely important parameter for the level of consciousness. Consciousness · Anesthesia, general · Anesthetics, general · Intraoperative neurophysiological monitoring · Dose-response relationship, drug Angesichts der Tatsache, dass das Gehirn mit das wichtigste Organ des Menschen ist, überrascht es, dass es das einzige lebenswichtige Organ ist, dessen Funktion nicht routinemäßig im OP oder auf der Intensivstation überwacht wird. Die plausibelste Erklärung ist, dass im Gegensatz zu Nieren, Herz, Lungen oder Leber bisher keine Parameter generiert werden konnten, die einen sicheren Anhalt über die pharmakologisch induzierte Bewusstlosigkeit ergeben. In der klinischen Medizin können bestimmte Hirnfunktionen nur dann zuverlässig überwacht werden, wenn die Patienten bei Bewusstsein sind. Durch ihre Interaktion mit der Umwelt lässt sich allgemein recht verlässlich feststellen, wie gut ihre Hirnfunktion ist. Diese Möglichkeit der Überwachung fehlt in der Anästhesie und Intensivmedizin aber sehr häufig, und von daher sollten Kenntnisse über das Elektroenzephalogramm (EEG) als Messverfahren für die neuronale Aktivität und des Bewusstseins für jede Anästhesistin und jeden Anästhesisten von großem Interesse sein. Im EEG wird die summierte, synchrone elektrische Aktivität von Millionen von Neuronen der Großhirnrinde nichtinvasiv von der Kopfhaut des Patienten aus dargestellt. Bereits 1937 empfahlen die Anästhesisten Gibbs, Gibbs und Lennox, das EEG routinemäßig zu verwenden, um die anästhetikainduzierte "Hirnfunktionsstörung" zu überwachen [1] . In den letzten 3 Jahrzehnten haben Anästhesistinnen und Anästhesisten aber erst damit begonnen, diese Zusatzinformation routinemäßig zu nutzen, um die Durchführung einer Allgemeinanästhesie zu steuern. Hierbei kam es inzwischen aber im klinischen Alltag häufig zu einer Abwendung von der klassischen EEG-Interpretation hin zur Verwendung des "vereinfachten" prozessierten EEG (mit einem Index von 0: Koma bis 100: wach). Eine gängige Nomenklatur zur Beschreibung der Frequenzbänder oder Komponenten, die in komplexen EEG-Wellen vorkommen, ist in Tab. 1 aufgeführt. Diese Frequenzbänder sind willkürlich definiert und haben keine spezifische neurobiologische Bedeutung. Für die Anästhesie sind v. a. folgende 3 Schwingungs-bzw. Oszillationsmuster relevant: langsame Wellen, "slow waves" (< 1 Hz), δ-Wellen (1-4 Hz) und kontinuierliche Spindeln im α-Frequenz-Bereich ("α-Spindeln", meist zwischen 8 und 12 Hz). Bei Verwendung des Begriffs "α-Spindel" gibt es 2 wichtige Punkte zu beachten, um Missverständnisse zu vermeiden: Die GABAergen Anästhetika bewirken eine Hyperpolarisation von thalamischen und kortikalen Neuronen, wodurch die Weiterleitung des chirurgischen Schmerzreizes vom Thalamus zum Kortex eingedämmt wird. Im EEG spiegelt sich diese Hyperpolarisation durch die Erzeugung von α-und δ-Wellen wider [5] . Die derzeitige Hypothese ist, dass α-Spindeln aus sich wiederholenden abwechselnden Spike-und Burst-Mustern aus retikulären Thalamusneuronen resultieren, die rhythmische inhibitorische postsynaptische Potenziale erzeugen [6] . Die zusätzlichen δ-Oszillationen, die ebenfalls während der Anästhesie im EEG beobachtet werden (Abb. 1e), könnten ein stärker hyperpolarisiertes Niveau der Membranpotenziale der thalamokortikalen Neurone anzeigen, als wenn nur α-Spindeln erzeugt werden [7] . Bei niedrigen Anästhetikakonzentrationen, die nur eine leichte Sedierung bewirken, wird die frontale EEG-Wellenform typischerweise zu Beginn von einer langsamen β-Aktivität dominiert, die eine Frequenz um 12-20 Hz aufweist. Der Patient kann während dieser Phase Anzeichen einer paradoxen Erregung zeigen. Wenn der Patient mit steigenden Zielortkonzentrationen an Reaktionsfähigkeit verliert, ist frontal normalerweise eine Verlangsamung der β-Oszillationen hin zu α-Oszillationen (8-12 Hz) zu beobachten (Abb. 2j, k; [8, 9] Diese klassischen EEG-Reaktionen auf aufsteigende Anästhetikakonzentrationen wurden im Laufe der Jahrzehnte in vielen Publikationen detailliert beschrieben. Zu den bemerkenswertesten und umfassendsten frühen Arbeiten zählen die von Rampil [11] sowie Jameson und Sloan [12] . Brown et al. [13] konzentrierten sich in den vergangenen Jahren v. a. auf Bahnen des aktivierenden Systems, die an der Erzeugung verschiedener EEG-Muster beteiligt sind, während Übersichten mit einer klinischeren Sichtweise die von Bennett et al. [14] , Jagadeesan et al. [15] , Marchant et al. [16] und Purdon et al. [17] sind. Diese beschreiben die Veränderungen im rohen EEG-Signal [14] als auch die Veränderungen der Zusammensetzung der Frequenzen im EEG-Signal über die Zeit (v.a. im Spektrogramm [17] Die Überwachung der endtidalen Konzentration von Inhalationsanästhetika und die Aufrechterhaltung angemessener an das Patientenalter angepasster Konzentrationen sind zentrale Aufgaben jeder Anästhesistin bzw. jedes Anästhesisten, um Fälle mit expliziter Erinnerung -Awareness -an ein intraoperatives Ereignis während Allgemeinanästhesie zu vermeiden. Ein besonderes Risiko für eine Unterdosierung besteht bei totaler intravenöser Anästhesie (TIVA) in Kombination mit neuromuskulärer Blockade und wenn die endtidale Konzentration volatiler Anästhetika nicht adäquat gemessen werden kann, so z. B. während der Übergangsphase von der Herz-Lungen-Maschine zur maschinellen Beatmung (einer "Mind-the-gap"-Situation, Abb. 4k; [18, 19] ) oder wenn -wie im Fallbeispiel -die Anästhetikakonzentration aus hämodynamischen Gründen reduziert wird. Wenn die Dosis des verabreichten Anästhetikums stetig verringert wird, nehmen die Frequenz der α-Spindeln zu und die Amplitude ab, bevor sie intermittierend und zuletzt ganz verschwinden (Abb. 4g-j). Die Veränderung der α-Spindel-Frequenz in Abhängigkeit von der Zielortkonzentration ist mit zunehmendem Alter und Komorbiditäten (z. B. Diabetes mellitus, chronische Niereninsuffizienz, zerebrovaskuläre Verschlusskrankheit oder pulmonalarterieller Hypertonus) aufgrund der damit verbundenen verminderten Die Verwendung des intraoperativen EEG kann dazu beitragen, eine mögliche Überdosierung des Anästhetikums v. a. bei sensitiven, d. h. meist älteren und komorbiden, Patienten zu vermeiden. Obwohl retrospektiv ein Zusammenhang zwischen der Dauer der intraoperativen EEG-Suppression und der Inzidenz des postoperativen Deliriums beobachtet wurde [23] ist noch unklar, ob eine längerfristige EEG-Suppression schädlich ist [24] . Das offensichtlichste, wenn auch unspezifische EEG-Merkmal einer übermäßigen Dosierung von Anästhetika ist die sog. Burst-Suppression oder die anhaltende Suppression mit isoelektrischem EEG. Da das ursprüngliche Maß der minimalen alveolären Konzentration (MAC) auf der Grundlage der fehlenden Bewegung bzw. Reaktion auf einen Schmerzreiz abgeleitet wurde, basiert die Dosierung somit zu einem gewissen Grad auf der Wirkung der volatilen Anästhetika auf das Rückenmark und nicht unbedingt auf den Kortex [25] . Aus diesem Grund könnte die Einführung eines MAC-Maßes, das auch den Grad an EEG-Suppression miteinberechnet, ein zuverlässigerer Parameter für den tatsächlichen Wirkorteffekt volatiler Anästhetika sein [26] . Das EEG-Monitoring kann der Anästhesistin/dem Anästhesisten einen Anhalt dafür geben, inwieweit die Kortexaktivität eines bestimmten Patienten als Reaktion auf eine bestimmte Anästhetikakonzentration unterdrückt wird. Somit können die Patienten identifiziert werden, die aufgrund systemischer Erkrankungen oder anderen Gründen unerwartet empfindlich auf Anästhetika reagieren. Muskelaktivität wird intraoperativ elektrisch als Elektromyographiesignal (EMG-Signal) erfasst. Das EMG-Monitoring kann das EEG-Signal "unscharf" erscheinen lassen, da dieses Artefakt meist im Hochfrequenzbereich (> 20 Hz) liegt. Im Spektrogramm zeigt sich die Muskelaktivität als erhöhte Leistung über mehrere Frequenzbänder ("Breitbandrauschen", Abb. 5d). Sowohl Anästhetika als auch neuromuskuläre Blocker können die Muskelaktivität und damit das Ausmaß der EMG-Kontamination des EEG-Signals reduzieren. Ferner gibt es vereinzelt Patienten, die von Beginn an ein EEG mit kleiner Amplitude vorweisen. Bekannt ist, dass die EEG-Amplitude bzw. Leistung mit dem Alter abnehmen kann. Die verbleibende Varianz der Amplitude kann möglicherweise auf Neurodegeneration oder genetische Faktoren zurückzuführen sein. Bei solchen Patienten wird rasch fälschlicherweise der Schluss gezogen, dass das EEG supprimiert bzw. isoelektrisch sein könnte. Wird aber das EEG-Signal genauer betrachtet, während die Anästhetikakonzentration verändert wird, lässt sich manchmal ermitteln, ob es sich wirklich um Suppression oder nur niedrige Amplituden handelt. Es kann in einem solchen Fall auch sehr hilfreich sein, die Am-plitudenskala (y-Achse) der EEG-Wellenform zu verringern. Eine typische Standardamplitudenskala beträgt je nach Monitor ungefähr 50-100 μV/cm auf dem Bildschirm. Das Reduzieren der Skala auf 20 μV/cm kann helfen festzustellen, ob α-Spindeln mit kleinerer Amplitude und Slow-wave-Oszillationen vorhanden sind. Bei Verwendung von Anästhetika, deren Wirkung nicht primär über den GABA-Rezeptor vermittelt wird (z. B. Lachgas und Ketamin), zeigt das frontale EEG nicht die oben beschriebenen klassischen Merkmale, sondern es werden höhere Frequenzkomponenten mit weit weniger Leistung im α-Bereich induziert. Die zusätzliche Gabe von Ketamin während einer Allgemeinanästhesie mit Propofol oder volatilen Anästhetika kann -je nach Dosis und Patienteine EEG-Aktivität v. a. im β-Bereich provozieren. Diese tritt dann typischerweise zusätzlich "im Hintergrund" zum α-/δ-Muster auf (Abb. 6). In solchen Fällen stellt ein EEG mit zusätzlicher Leistung im höher frequenten Bereich keinen leichteren hypnotischen Zustand des Patienten dar (an den das Spektrogramm auf den ersten Blick erinnern kann), sondern in Kombination mit GABAergen Medikamenten sogar eher einen tieferen. Unerwartete nichtlineare EEG-Reaktion auf intraoperativen Schmerzreiz Bei adäquaten Konzentrationen an Anästhetika führt ein Schmerzreiz während einer Operation zu keiner Veränderung des EEG, falls das analgetische Niveau für den Patienten und das Ausmaß des chirurgischen Schmerzreizes ausreichend ist. Bei unzureichender Analgesie zeigt das EEG dagegen einen Verlust im α-und δ-Bereich und einen Anstieg hochfrequenter Wellen (β-und γ-Bereich). Der Anstieg der hohen Frequenzen wird als "β-Erregung" oder "β-Arousal" bezeichnet und ähnelt dem EEG-Muster, das bei Ausleitung einer Narkose beobachtet werden kann (Abb. 4). Paradoxerweise kann es bei unzureichender Analgesie aber auch zu einer Zunahme der δ-Aktivität kommen ("δ-Erregung" oder "paradoxe Erregung"), die sich als unerwarteter und abrupter Anstieg der δ-EEG-Amplitude äußert [27, 28] . In dieser Situation kann der von einem EEG-Monitor berechnete Index fälschlicherweise sinken und der abrupte Verlust der α-Spindeln mit der Situation beim Übergang zum Burst-Suppression-Muster verwechselt werden [29, 44] . Dies darf den Anästhesisten aber nicht dazu verleiten, die Konzentration der Anästhetika zu reduzieren, vielmehr sollte die analgetische Komponente der Narkose mit Opioiden vertieft werden. Als Hypothese zur Erklärung dieses EEG-Musters wird die δ-Erregung als ein Zeichen endogener antinozizeptiver Aktivierung diskutiert. Ein beispielhaftes Bild für eine solche Reaktion eines "α-drop-CME out" und einer "paradoxen δ-Erregung" zeigt Abb. 7. Dieses Phänomen wurde bisher v. a. bei viszeralchirurgischen Eingriffen beschrieben [30, 31, 32] . 7 Cave Ein plötzlicher Verlust der α-Spindeln und eine Erhöhung der δ-Leistung können mit dem Burst-Suppression-Muster verwechselt werden und zu einem falsch-niedrig berechneten Index im prozessierten EEG führen. Tatsächlich muss die Analgesie vertieft werden. Während die Induktion einer Allgemeinanästhesie mit Bewusstseinsverlust eine "aktive" medikamenteninduzierte Veränderung der Hirnfunktion darstellt, wird die Rückkehr des Bewusstseins nach einer Anästhesie oft noch als spiegelbildlicher "passiver" Prozess wahrgenommen. Wenn diese Hypothese zutreffen würde, wären die Anästhesiekonzentrationen im Gehirn bei Bewusstseinsverlust während der Narkoseinduktion und beim Erwachen aus der Narkose identisch. Die klinische Erfahrung ebenso wie Studien an Mäusen, Fruchtfliegen [33] und Menschen [34, 35] zeigen jedoch, dass bei Wiedererlangung des Bewusstseins wesentlich niedrigere Konzentrationen an hypnotischen Anästhetika vorliegen als beim Bewusstseinsverlust. Oder anders ausgedrückt, die MACawake ("awake": Erwachen) liegt vermutlich bei einer niedrigeren Zielortkonzentration als die MACLOC (LOC: "loss of consciousness"/Bewusstseinsverlust). Vermutlich ist das nicht nur auf die Pharmakokinetik zurückzuführen, sondern legt vielmehr nahe, dass unterschiedliche Mechanismen an den Prozessen des Bewusstseinsverlusts und des Bewusstseinswiedererlangens beteiligt sind [36] . Diese Hysterese ist in Situationen stärker ausgeprägt, in denen aktivierende Neuromodulatoren beeinträchtigt sind (z. B. im Alter, bei Narkolepsie oder unter Droperidol, Clonidin und antimuskarinergen Medikamenten). Daher kann während der Narkoseausleitung (oder wenn die Anästhesistin oder der Anästhesist absichtlich versuchen, eine "oberflächliche" Allgemeinanästhesie knapp unter der Schwelle des Erwachens aufrechtzuerhalten) nicht genau vorhergesagt werden, wann ein Patient zu Bewusstsein kommt. Am Beispiel einer Narkoseausleitung veranschaulicht Abb. 8 diese neuronale Trägheit. Jüngste Untersuchungen unter Verwendung der "isolated forearm technique" (IFT) haben gezeigt, dass vereinzelte Patienten trotz eines frontalen EEG-Musters, das eine adäquate Konzentration an Inhalationsanästhetikum anzeigt (d. h. langsame δ-sowie α-Spindel-Aktivität), zu einem gewissen Grad noch bei Bewusstsein sein können, der zum Ausführen eines Befehls reicht (in diesem Fall Händedruck, [37] ). Während solche Episoden recht selten sind und die klinische Relevanz solcher Zustände immer noch diskutiert wird [38] , deutet dieses Phänomen aber darauf hin, dass volatile Anästhetika sogar viel eher einen dissoziierten Zustand verursachen können, als man bisher angenommen hat. "Philosophisch" ausgedrückt, kann es sein, dass Anästhesistinnen und Anästhesisten nicht notwendigerweise immer die Bewusstseinsebene verringern, sondern viel mehr den Bewusstseinsinhalt modulieren [39, 40] . Eine Erklärung für diese Beobachtung könnte sein, dass δ-und α-Spindel-Aktivität zwar wichtige Surrogatmarker für ein angemessenes Anästhesieniveau sind, jedoch mit dem in der Anästhesie üblichen EEG nur der frontale Bereich des Gehirns hinsichtlich des Bewusstseinsverlusts überwacht wird. Die Vorderseite der Stirn ist frei von Haaren und bietet somit einen einfachen und verlässlichen Zugang für EEG-Elektroden. Diese pragmatische Lösung bedeutet jedoch nicht automatisch den besten Ort für die Beurteilung der Bewusstlosigkeit. Einige Autoren proklamieren inzwischen eine posteriore "hot zone", in der die für das Phänomen Bewusstsein verantwortlichen Neurone lokalisiert sein sollen [41] . Aber das letzte Wort zu dieser komplexen Thematik ist sicherlich noch lange nicht gesprochen. Eine weitere Möglichkeit könnte sein, dass Bewusstlosigkeit nicht nur mit einem spezifischen EEG-Muster an einem einzelnen Ort vergesellschaftet ist, sondern eher von der Konnektivität zwischen 2 oder mehr Hirnregionen abhängt. Beispielsweise wurde beobachtet, dass EEG-Messgrößen für die Konnektivität zwischen frontalen und parietalen Regionen abnehmen, wenn ein Verlust der Kontaktierbarkeit eines Patienten auftritt, und dies nicht nur bei der Verwendung von Sevofluran und Propofol, sondern auch beim nicht-GABAergen Ketamin [42] . Offensichtlich wurde die genauen neuronalen Korrelate der Bewusstlosigkeit noch nicht gefunden. Diese Vorsichtsmaßnahmen und ungelöste Probleme dürfen aber kein Grund dafür sein, das EEG bei Patienten mit einer klassischen Dosis-Wirkung-Beziehung zu ignorieren [43] . Effect on the electro-encephalogram of certain drugs which influence nervous activity PhysioBank, PhysioToolkit, and PhysioNet: components of a new research resource for complex physiologic signals Consciousness and anesthesia General anesthesia, sleep, and coma Thalamic reticular nucleus induces fast and local modulation of arousal state Thalamocortical oscillations in the sleeping and aroused brain Integration of low-frequency sleep oscillations in corticothalamic networks Potential network mechanisms mediating electroencephalographic beta rhythm changes during propofolinduced paradoxical excitation Electroencephalogram signatures of loss and recovery of consciousness from propofol Quantitative EEG changes associated with loss and return of consciousness in healthy adult volunteers anaesthetized with propofol or sevoflurane A primer for EEG signal processing in anesthesia Using EEG to monitor anesthesia drug effects during surgery General anesthesia and altered states of arousal: a systems neuroscience analysis Practical use of the raw electroencephalogram waveform during general anesthesia: the art and science Brain monitoring during general anesthesia Howelectroencephalographyservesthe anesthesiologist Clinical electroencephalography for anesthesiologists: part I: background and basic signatures Frontal electroencephalogram reveals emergence-like brain activity occurring during transition periods in cardiac surgery 5th national audit project (NAP5) on accidental awareness during general anaesthesia: summary of main findings and risk factors Changes in alpha frequency and power of the electroencephalogram during volatile-based general anesthesia Comorbidity-dependent changes in alpha and broadband electroencephalogram power during general anaesthesia for cardiac surgery The ageing brain: age-dependent changes in the electroencephalogram during propofol and sevoflurane general anaesthesia Intraoperative electroencephalogram suppression at lower volatile anaesthetic concentrations predicts postoperative deliriumoccurringintheintensivecareunit Effectofelectroencephalographyguided anesthetic administration on postoperative delirium among older adults undergoing major surgery: the ENGAGES randomized clinical trial Exaggerated anesthetic requirements in the preferentially anesthetized brain Burst suppression-MAC and burst suppression-CP50 as measures of cerebral effects of anaesthetics Episodic waveforms in the electroencephalogramduringgeneralanaesthesia: astudyofpatternsofresponse to noxious stimuli The effect of skin incision on the electroencephalogram during general anesthesia maintained with propofol or desflurane Transient electroencephalographic alpha power loss during maintenance of general anaesthesia Intraoperative EEG changes in relation to the surgical procedure during isoflurane-nitrous oxide anesthesia: hysterectomy versus mastectomy Surgical stimulation induces changes in brain electrical activity during isoflurane/nitrous oxide anesthesia. 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Clinical and neuroimaging evidence Disruption of frontal-parietal communication by ketamine, propofol, and sevoflurane Black swans: challenging the relationship of anaesthetic-induced unconsciousness and electroencephalographic oscillations in the frontal cortex Brain function monitors: are we just "chasing" the numbers? Zu den Kursen dieser Zeitschrift: Scannen Sie den QR-Code oder gehen Sie auf www.springermedizin.de/kurse-der-anaesthesist ? Zu Beginn einer laparoskopischen Cholezystektomie weist der Patient das in Abb. 9 ? Welche Besonderheit trifft auf α-Oszillationen/α-Spindeln zu? ◯ Im Gegensatz zu klassischen Schlafspindeln sind α-Oszillationen während einer Allgemeinanästhesie nur von kurzer Dauer. ◯ Ein abrupter Verlust der frontalen α-Oszillationen deutet auf eine unzureichende muskuläre Relaxierung hin. ◯ Frontale α-Oszillationen sind typischerweise während Narkosen mit Ketamin zu beobachten. ◯ Die Frequenz der α-Spindeln nimmt mit steigender Anästhetikakonzentration im Gehirn ab. ◯ α-Spindeln liegen per definitionem in einem Frequenzbereich von 1-4 Hz.