key: cord-0016138-7cppwix0 authors: Jünemann, Anselm G. M.; Grieb, P.; Rejdak, R. title: Bedeutung von Citicolin bei der Glaukomerkrankung date: 2021-03-17 journal: Ophthalmologe DOI: 10.1007/s00347-021-01362-z sha: 0e2bc03820372644cf84f2ec36b98c1750113052 doc_id: 16138 cord_uid: 7cppwix0 BACKGROUND: In recent years, many experimental and clinical studies have shown that in glaucoma, neuronal degeneration occurs not only at the level of the retina and optic nerve, but also along the entire visual pathway and the brain. OBJECTIVE: This article presents the neuroprotective effects of citicoline and their mechanisms in glaucoma disease. MATERIALS AND METHODS: The relevance of citicoline is explained against the background of neuroanatomy, neuroimaging, and the pathogenesis of glaucoma. Data from experimental and clinical studies are presented and a conclusion is drawn for clinical application. RESULTS: Citicoline has a neuroprotective effect via mechanisms relevant to glaucoma. The neuroprotective effect of citicoline in open-angle glaucoma can be demonstrated functionally and morphologically. It is independent of the glaucoma damage and intraocular pressure, and usually occurs only after 1 year. The effects of oral citicoline occur at a daily dose of 500–1000 mg. Citicoline can be taken permanently or in cycles. No side effects occurred in the studies when taking citicoline. Citicoline can improve cognitive performance and thus treatment adherence as well as quality of life in glaucoma patients. CONCLUSION: This relatively old nootropic drug, which is now marketed as a food supplement, seems to be a valuable addition to conventional treatment and also a rational option for prophylaxis of open-angle glaucoma. Beginns sind nur etwa 50 % aller Glaukome derzeit diagnostiziert Infolge des symptomfreien Beginns sind nur etwa 50 % aller Glaukome derzeit diagnostiziert. Die multifaktorielle Ätiologie dieser neurodegenerativen Erkrankung ist bis heute nicht im Detail geklärt. Als derzeit einziger evidenzbasierter modifizierbarer Risikofaktor für die Entstehung sowie die Progression der glaukomatösen Optikusatrophie steht die medikamentöse und chirurgische Senkung des intraokularen Drucks (IOD) im Zentrum des therapeutischen Glaukom-Managements. Da die Senkung des Augeninnendrucks einen positiven Effekt auf die Glaukomerkrankung hat [23] , wird diese von der World Health Organization (WHO) als eine vermeidbare Ursache für Erblindung angesehen und insofern als "priority eye disease" gelistet. Für die Neuroprotektion ist es ein weiter Weg von der Grundlagenforschung in die Klinik. Das weite Feld der Neuroprotektion im Rahmen der Glaukomerkrankung zeigt mit der Entwicklung von neurotrophen, antioxidativen, antiexzitotoxischen, antiischämischen, antiinflammatorischen, antiapoptotischen und immunmodulatorischen Therapieansätzen vielversprechende Fortschritte, die Neurodegeneration zu vermindern und somit die Sehfunktion zu stabilisieren. Jedoch konnten sich trotz eindrucksvoller Ergebnisse experimenteller Studien die zahlreichen getesteten Substanzen i. d. R. in den klinischen Studien nicht bewähren. Eine mögliche Ursache hierfür liegt in der inadäquaten Wahl funktioneller Endpunkte in den klinischen Studien. Ein hierfür bekanntes Beispiel in der Glaukomtherapie ist Memantin, für das trotz nachgewiesener Neuroprotektion in tierexperimentellen Studien [4] in 2 randomisierten doppelmaskierten placebokontrollierten multizentrischen Studien über 48 Monate kein protektiver Effekt im Hinblick auf die Gesichtsfeldprogression aufgezeigt werden konnte [50] . Auch wenn dieses Studienergebnis einen ne-gativen Einfluss auf die Investitionen in neuroprotektive Therapeutika durch die pharmazeutische Industrie zur Folge hatte, wurden dennoch seit der Memantinstudie im Jahr 2008 protektive Strategien für die Glaukomerkrankung weiterentwickelt. Dabei konzentrierte sich die Neuroprotektion bei der Glaukomerkrankung bisher im Wesentlichen auf Netzhaut und Sehnerv. In den letzten Jahren wurde jedoch in vielen experimentellen und klinischen Studien gezeigt, dass bei der Glaukomerkrankung die neuronale Degeneration nicht nur auf der Höhe von Netzhaut und Sehnerv, sondern im Verlauf der gesamten Sehbahn und des Gehirns erfolgt. Die glaukomatöse Neurodegeneration umfasst also die gesamte Sehbahn. Die neuroanatomischen Verhältnisse machen die Beteiligung der zerebralen Strukturen an der glaukomatösen Neurodegeneration verständlich: Der Sehnerv und seine Glia, bestehend aus Oligodendrozyten und Astrozyten, ist als Teil des zentralen Nervensystems innerhalb der Blut-Hirn-Schranke gelegen und von Meningen umgeben. Die Axone der retinalen Ganglienzellen bilden nach Durchtritt durch die Lamina cribrosa den intraorbitalen, intrakanalikulären und intrakranialen Sehnerv, das Chiasma und den Tractus opticus. Zwischen dem Sehnervenkopf als Beginn des eigentlichen Sehnervs und der Sehrinde (Area 17) befindet sich nur eine Synapse, sodass eine transsynaptische oder transneuronale Degeneration entlang dieser einzelnen Synapse sowohl zu einem primären pathologischen Prozess am Sehnervenkopf als auch zu Veränderungen im visuellen Kortex führt. Dementsprechend sind sekundäre Veränderungen der zentralen Sehbahn und anderer Hirnregionen nach einem Verlust an retinalen Ganglienzellen (RGZ) in Form unterschiedlicher Pathologien beschrieben. Auch die Neurodegeneration bei der Glaukomerkrankung ist nicht nur auf die Netzhaut, hier v. a. auf die Schicht der retinalen Ganglienzellen, und den Sehnerv begrenzt, sondern breitet sich entlang der gesamten retinogenikulokortikalen Sehbahn bis zum visuellen Kortex aus [28] . So weisen funktionelle Veränderungen insbesondere in den visuell evozierten Potenzialen (VEP) [18] auf eine supraretinale Schädigung hin. Auch mittels Neuroimaging konnten die Veränderungen in der posterioren Sehbahn nachgewiesen werden. Mehrere Fall-Kontroll-Studien zeigten, dass der Glaukomschaden mit der Größe des Corpus geniculatum laterale [26] und der Abnahme der fraktionalen Anisotropie im Traktus opticus, in der Sehstrahlung und im okzipitalen Kortex [8, 28] korreliert. Ähnliche Befunde fanden sich auch in der diffusionsgewichteten Magnetresonanztomographie (DTI, "diffusion tensor imaging") [7] . Das Neuroimagingzeigtnichtnurdie zerebrale Neurodegeneration bei der Glaukomerkrankung, sondern ist auch als Marker für den Schweregrad der Erkrankung hilfreich. Darüber hinaus sind zerebrale Mikroinfarkte als intrazerebraler Risikofaktor für die glaukomatöse Optikusatrophie identifiziert worden [44] . Die Pathogenese der Glaukomerkrankung ist multifaktoriell. Das Kennzeichen der Glaukomerkrankung ist der zeitlich beschleunigte Verlust von RGZ. Bei der glaukombedingten Neurodegeneration werden auf molekularer Ebene ähnliche Mechanismen vermutet wie bei chronischen neurodegenerativen Erkrankungen des zentralen Nervensystems, z. B. der Alzheimer-Erkrankung [45] . Experimentelle Studien an retinalen Zellkulturen und Tiermodellen (chronisch erhöhter IOD, RGZ-Axotomie, Sehnerv-Crush-Modell) weisen darauf hin, dass bei dem glaukomatösen RGZ-Verlust neben dem Augeninnendruck verschiedene Ursachen wie Exzitotoxizität, oxidativer Stress, gestörter axonaler Transport mit Mangel an neurotrophen Faktoren, mitochondriale Dysfunktion und autoimmune Dysregulation involviert sind [1] . Die Schlüsselhypothesen der Glaukompathogenese umfassen chronisch erhöhten Augeninnendruck [5] , Glutamatexzitotoxizität [30] , oxidativen Stress [6] , Störung des axonalen Transports [10] , Neurotrophinmangel [21] , mitochondriale Dysfunktion [19] , endotheliale Dysfunktion [9] , autoimmune Dysregulation [22] und gestörte zentrale Insulin-Signalkaskade [11] . Zahlreiche weitere Mechanismen werden diskutiert [12] . Da auch nach IOD-Senkung die Glaukomerkrankung fortschreiten kann, scheinen neuroprotektive Substanzen hilfreich zu sein, und es liegt nahe, die IOD-senkende Therapie durch eine neuroprotektive Therapie zu ergänzen. Neuroprotektive Substanzen zum Erhalt der visuellen Funktion korrigieren das Ungleichgewicht zwischen pro-und antiapoptotischen Signalen und reduzieren bzw. verhindern so den RGZ-Untergang und Sehbahnschaden. Dabei machen die bisherigen Ausführungen deutlich, dass bei der Glaukomerkrankung als neurodegenerativer Erkrankung die Therapie mit einer neuroprotektiven Substanz nicht nur auf die retinalen Ganglienzellen, sondern auch auf die im Rahmen der glaukomatösen Dege-neration beteiligten zerebralen Neurone gerichtet sein sollte. Citicolin oder CDP-Cholin, ein nootroper und neurotroper Wirkstoff, welcher in oraler Form seit fast 5 Jahrzehnten in klinischer Anwendung ist und seit einigen Jahren auch als Nahrungsergänzungsmittel in den USA und der EU zur Verfügung steht, erfüllt diese genannte Anforderung zur Prävention und Therapie der glaukomatösen Neurodegeneration. Citicolin eignet sich nach Ansicht der Autoren als ein Neuroprotektivum für alle an der Glaukomerkrankung beteiligten zerebralen Neurone. Citicolin zeigt auch bei anderen Erkrankungen neuroprotektive Wirkungen. So sind positive Effekt bei der Amblyopie [15] und bei der nichtarteriitischen ischämischen Optikusneuropathie [35] beschrieben. Topisches Citicolin verbessert auch die Funktion und Morphologie der Hornhautnerven bei Diabetes mellitus [14] . Citicolin ist eine Vorstufe des Neurotransmitters Acteylcholin sowie anderer neuronaler Membrankomponenten wie Phosphatidylcholin und Sphingomyelin. In verschiedensten experimentellen Ansätzen sind neuroprotektive Eigenschaften von Citicolin nachgewiesen worden. Dabei spielt eine beschleunigte Synthese von Phosphatidylcholin und Phospholipiden eine zentrale Rolle. Die Neuroprotektion mittels Citicolin erfolgt über glaukomrelevante Mechanismen. Sowohl in Glaukommodellen als auch in Modellen für andere zerebrale neurodegenerative Erkrankungen wirkte Citicolin verschiedenen pathogenetischen Mechanismen entgegen, die auch beim RGZ-Verlust im Rahmen der Glaukomerkrankung eine Rolle spielen. So wirkt Citicolin durch Reduzierung der Glutamat-Exzitotoxizität [29] , Reduzierung des oxidativen Stresses [39] , Steigerung der Neurotrophinspiegel und Verbesserung des axoplasmatischen Trans-ports [16] , Verbesserung der mitochondrialen Funktion [52] , Normalisierung der Membranstruktur [51] und Modulation der zerebralen Insulin-Signalkaskade [24] neuroprotektiv. Inzwischen sind 11 klinische Studien publiziert, die alle einen neuroprotektiven Effekt von Citicolin auf die Glaukomerkrankung nachweisen konnten (. Tab. 1). Der erste Bericht über eine Behandlung mit Citicolin bei der Glaukomerkrankung (primäres Offenwinkelglaukom, POWG) mittels i.m.-Citicolin-Injektionen stammt von Pecori-Giraldi et al. aus dem Jahr 1989 [37] . Die Fortführung dieser initialen Studie zeigte einen exzellenten Effekt der Therapie über 10 Jahre: Eine i.m.-Injektion von 1 g Citicolin täglich für 15 Tage alle 6 Monate führte zu einer signifikanten Stabilisierung des Gesichtsfelds: Bei 2 von 11 der mit Citicolin behandelten vs. 5 von 12 der nicht behandelten Patienten kam es zu einer Gesichtsfeldprogression. Eine Progression war definiert als die Flächenzunahme von Skotomen (Skotom-Areal > 500 mm 2 ) in der Videoscreen-Perimetrie [48] . Es wurden 10 Jahre nach dieser ersten Studie und ihrer Nachfolgestudie die Ergebnisse einer doppelmaskierten placebokontrollierten Studie publiziert, in der elektrophysiologische Methoden wie VEP und das Muster-Elektroretinogramm (MERG) zur Prüfung der retinalen Funktion und der Sehbahn angewendet wurden. Diese Studie zeigte eine signifikante Verbesserung beider visueller Funktionen nach i.m.-Injektionen von Citicolin [36] . Da die Verbesserungen vorübergehend waren, mussten die Behandlungen alle paar Monate wiederholt werden. Der positive Effekt von wiederholten Citicolin-Injektionen beim POWG konnte in einer Untersuchung nach einem Verlauf von 8 Jahren durch MERG bestätigt werden [32] . Nun sind i.m.-Injektionen nicht das bevorzugte Therapieregime für eine chronische Erkrankung. Daher wurde in einer kleinen Studie die orale Gabe von Citicolin (1 g pro Tag für 2 Wochen, Nootrope Substanz · Offenwinkelglaukom · Neuroprotektion · Erhöhter Augeninnendruck · Cholin The role of citicoline in glaucoma Abstract Background. In recent years, many experimental and clinical studies have shown that in glaucoma, neuronal degeneration occurs not only at the level of the retina and optic nerve, but also along the entire visual pathway and the brain. Objective. This article presents the neuroprotective effects of citicoline and their mechanisms in glaucoma disease. Materials and methods. The relevance of citicoline is explained against the background of neuroanatomy, neuroimaging, and the pathogenesis of glaucoma. Data from experimental and clinical studies are presented and a conclusion is drawn for clinical application. Results. Citicoline has a neuroprotective effect via mechanisms relevant to glaucoma. The neuroprotective effect of citicoline in open-angle glaucoma can be demonstrated functionally and morphologically. It is independent of the glaucoma damage and intraocular pressure, and usually occurs only after 1 year. The effects of oral citicoline occur at a daily dose of 500-1000 mg. Citicoline can be taken permanently or in cycles. No side effects occurred in the studies when taking citicoline. Citicoline can improve cognitive performance and thus treatment adherence as well as quality of life in glaucoma patients. Conclusion. This relatively old nootropic drug, which is now marketed as a food supplement, seems to be a valuable addition to conventional treatment and also a rational option for prophylaxis of open-angle glaucoma. Nootropic agents · Open-angle glaucoma · Neuroprotection · Ocular hypertension · Choline [34] . Aus dieser Arbeit schlossen die Autoren, dass Citicolin in der Tat neuroprotektiv, aber nicht kurativ wirkt und eine periodische Therapie notwendig ist, um den Effekt zu erhalten. In einer weiteren italienischen Studie mit 3 Studienzentren wurde der positive Langzeiteffekt von Citicolin p.o. bestätigt. Dabei wurden 41 Patienten, die ein progredientes POWG trotz eines kontrollierten IOD auswiesen, mit 500 mg Citicolin tgl. für 4 Monate mit einem anschließenden therapiefreien Intervall von 2 Monaten behandelt [31] . Die Studie war nicht randomisiert, aber der prospektiven Studienphase ging eine retrospektive Analyse der prätherapeutischen Progressionsrate im Gesichtsfeld voraus. Betrug die Progressionsrate vor Therapie -1,1 ± 0,7 dB/Jahr, so lag sie unter Therapie nach 2 Jahren im Mittel bei -0,15 ± 0,3 dB/Jahr. In einer weiteren Fall-Kontroll-Studie wurde gezeigt, dass esuntereinerTherapie mit500 mgCiticolin p.o. nach 2 Jahren zu einer signifikanten Reduktion der Gesichtsfeldprogression und der Abnahme in der retinalen Nervenfaserschicht in der optischen Kohärenztomographie (OCT) kommt [25] . Therapie führte zu einer stufenweisen Verbesserung Marino et al. [27] untersuchten die Kontrastempfindlichkeit mit dem Spaeth-Richman-Contrast-Sensitivity(SPARCS)-Test und die Lebensqualität (Glaucoma Quality of Life-15, GQL-15) unter Citicolin-Therapie (500 mg, mit Homotaurin 50 mg, Vitamin E 12 mg) [46] bei 109 Patienten mit primärem Offenwinkelglaukom, dabei betrugen der "mean defect" in statischer Weiß-Weiß-Perimetrie, MD, -1,72 dB (-19,0 bis +3,18), die Glaukomdauer 7 Jahre (1-19) und der IOD 16 mm Hg (10) (11) (12) (13) (14) (15) (16) (17) (18) (19) (20) (21) (22) (23) (24) (25) , 66 % erhielten eine Monotherapie. Jeweils nach 4 Monaten zeigte sich eine signifikante Verbesserung der Kontrastsensitivität und der Lebensqualität. Neben i.m.-und p.o.-Applikation kann Citicolin auch lokal mittels Augentropfen angewandt werden. Nach topischer Applikation ist Citicolin im Glaskörper nachweisbar [3] . Parisi et al. [33] berichten über den Effekt von topischem Citicolin als Augentropfen (Citicolin 0,2 g, 3 Tropfen tgl.) bei 47 Patienten mit Offenwinkelglaukom (mittleres Alter 52,4 ± 4,72 Jahre, IOD 23-28 mm Hg ohne Therapie, MD > -10 dB). Alle Patienten wiesen unter einer Monotherapie mit Betablockern eine IOD < 18 mm Hg auf. Bei 24 Patienten wurden zusätzlich Citicolin-Augentropfen für 4 Monate mit einer anschließenden Auswaschphase von 2 Monaten angewendet. Nach 4 Monaten zeigten MERG und VEP unter zusätzlicher Citicolin-Gabe zum Betablocker signifikant größere Amplituden und kürzere Gipfellatenzen im Vergleich zur alleinigen Therapie mit Betablockern. Am Ende der 2-monatigen Auswaschphase nach 6 Monaten waren keine Unterschiede mehr nachweisbar. Topisches Citicolin induziert somit eine Verbesserung der bioelektrischen Aktivität in der Netzhaut und im visuellen Kortex. In einer zweiten randomisierten doppelmaskierten placebokontrollierten multizentrischen Studie über 3 Jahre wurde gezeigt, dass Citicolin zu einer signifikanten Reduktion der funktionellen (Weiß-Weiß-Perimetrie) und morphologischen (Dicke der retinalen Nervenfaserschicht in der OCT) Progression führte [43] . In diese Studie wurden leicht-bis mittelgradige Offenwinkelglaukome eingeschlossen, die bei einem IOD unter 18 mm Hg in den 2 Jahren vor Studienbeginn eine Progression in der Perimetrie (MD) von bis 0,5 dB/Jahr aufwiesen. Der IOD wurde über die 3 Studienjahre mittels medikamentöser oder chirurgischer Therapie unter 18 mm Hg gehalten. Dabei erhielten 80 Patienten Citicolin-Augentropfen 3 × tgl., 80 Patienten Placebo-Augentropfen. Mit Citicolin-Therapie betrug die Gesichtsfeldprogression (MD) nach 3 Jahren -0,41 ± 3,45 dB, ohne Citicolin -2,22 ± 3,63 dB (p = 0,02). Die Abnahme der retinalen Nervenfaserschichtdicke reduzierte sich im Mittel um 1,13 μm (1,86 vs. 2,99 μm; p = 0,02). Die Studie zeigt, dass eine additive Therapie mit Citicolin zur IOD-senkenden Therapie die Progression bei Patienten mit einer progredienten Glaukomerkrankung trotz IOD < 18 mm Hg reduzieren kann [43] . Auch wenn diese Ergebnisse mit den Studienergebnissen bei oraler Applikation vergleichbar waren, so ist die topische Applikation hinsichtlich der Bioverfügbarkeit problematisch. Citicolin ist wasserlöslich und penetriert schlecht die Cornea. Präklinische Daten haben zwar gezeigt, dass topisches Citicolin den Glaskörper erreichen kann [47] . Die intraokulare Bioverfügbarkeit von Citicolin wurde jedoch nur durch eine benzalkoniumchloridvermittelte Schädigung der Augenoberfläche erreicht [2] . Dies wird wie auch bei der lokalen drucksenkenden Therapie zu einer chronischen Blepharokeratokonjunktivitis führen und ist als Applikationskonzept aus diesen Gründen daher eher nicht sinnvoll. Zudem können die altersbedingten manuellen Einschränkungen die applizierte Dosis beeinflussen. Orales Citicolin hat nach dem bisherigen Wissensstand keine Nebenwirkungen und ist daher für die Anwendung besser geeignet. Es weist eine gute Bioverfügbarkeit und eine vergleichbare Effektivität wie bei parenteraler Gabe (i.v., i.m.) auf [42] . Darüber hinaus hat Citicolin nootrope Eigenschaften und wirkt sich somit positiv auf subjektive Gedächtnisstörungen und leicht-bis mittelgradige vaskuläre kognitive Störungen aus [13] . Die begleitende Einnahme von Citicolin mit der IOD-senkenden Therapie kann somit möglicherweise auch einen positiven Effekt auf die Adhärenz zur Glaukomtherapie haben [16] . Die Beurteilung von Citicolin angesichts der evidenzbasierten Medizin wirft die Frage auf: Könnte es eine Prophylaxe oder Therapie darstellen? Jain und Aref [20] diskutieren Analogien zwischen seniler Demenz und Glaukom und vermuteten, dass bei beiden Erkrankungen an ein "Neuroenhancement" mittels Substanzen wie Citicolin gedacht werden kann, welches derzeit als Nahrungsergänzungsmittel verfügbar ist. Auf Es ist auch unrealistisch anzunehmen, dass ein Zusammenhang zwischen der Einnahme eines Nahrungsergänzungsmittels und seinem prophylaktischen bzw. therapeutischen Effekt eindeutig festgestellt werden kann. Als ein Beispiel kann Vitamin C dienen, dessen jährliche Produktion auf 110.000 t geschätzt wird [38] . Trotzdem ist die Effektivität von Vitamin C hinsichtlich der Vorbeugung und Behandlung von Erkältungskrankheiten seit über 70 Jahren Gegenstand kontroverser Diskussionen und bis heute nicht endgültig geklärt [17] . Aktuell gewinnt diese Diskussion im Hinblick auf die Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 ("severe acute respiratory syndrome coronavirus 2", Corona-Infektion) oder die Erkrankung daran (COVID-19, "coronavirus disease 2019") zusätzlich an Bedeutung [49] . Im Fall der Glaukomerkrankung ist es im Gegensatz zu akuten symptomatischen Erkrankungen schwer, aufgrund des jahrelang asymptomatischen und langsam progredienten Verlaufs sowie des Fehlens von Frühtests bzw. Screening schlüssige klinische Daten zur Effektivität einer Prophylaxe mit einem Nahrungsergänzungsmittel zu gewinnen. In einem Standardwerk zum Glaukom von 2010 ist Citicolin nur einmal kurz in einem Kapitel von Zelefski und Ritch [53] zu sog. alternativen und "nicht-traditionellen" freiverkäuflichen Wirkstoffen wie Alpha-Liponsäure, Fischöl, Omega-3-Fettsäuren oder Carnitin erwähnt. In der Einleitung schreiben die Autoren, dass es aufgrund des Fehlens klinischer Studien zu diesen natürlichen Präparaten der Einschätzung des Lesers überlassen sei, welche effektiv oder nicht effektiv bei der Glaukomerkrankung seien. Die Autoren geben keine eigene Beurteilung ab. Die Autoren der vorliegenden Arbeit haben aufzuzeigen versucht, dass die Datenlage hinsichtlichderneuroprotektiven Eigenschaften von Citicolin einschließlich klinischer Daten umfangreich und überzeugend ist. » In der EU ist Citicolin als Nahrungsergänzungsmittel (2014/423/EU) zugelassen Diese relativ alte nootrope Substanz, welche jetzt als Nahrungsergänzungsmittel vertrieben wird, scheint eine wertvolle Ergänzung zur konventionellen Therapie der Glaukomerkrankung und eine rationale Option zur Prophylaxe zu sein. In der EU ist Citicolin als Nahrungsergänzungsmittel (2014/423/EU) zugelassen, in Italien speziell für Patienten mit Glaukomerkrankung. Die derzeitige Datenlage zeigt, dass Citicolin einen neuroprotektiven Effekt bei Offenwinkelglaukomen unabhängig vom Glaukomstadium aufweist. Dieser ist auch bei progredienter Glaukomerkrankung trotz Augeninnendruckwerten unter 18 mm Hg nachzuweisen. The molecular basis of retinal ganglion cell death in glaucoma Preservatives in eye drops:the good, the bad and the ugly Human vitreous concentrations of citicoline following topical application of citicoline 2% ophthalmic solution Neuroprotectiveeffectsofmemantineintheretina of glaucomatous rats: an electron microscopic study Glaucoma and intraocular pressure in EPIC-Norfolk Eye Study: cross sectional study Mindfulness meditation reduces intraocular pressure, lowers stress biomarkers and modulates gene expression in glaucoma: a randomized controlled trial Whole-brain voxelbased analysis of diffusion tensor MRI parameters in patients with primary open angle glaucoma and correlation with clinical glaucoma stage A new approach to assess intracranial white matter abnormalities in glaucoma patients: changes of fractional anisotropy detected by 3T diffusion tensor imaging Reduced endothelial progenitor cells and brachial artery flow-mediated dilation as evidence of endothelial dysfunction in ocular hypertension and primary open-angle glaucoma Impaired axonal transport and glaucoma Diabetes type 4: a paradigm shift in the understanding of glaucoma, the brain specific diabetes and the candidature of insulin as a therapeutic agent Cholinergic nervous system and glaucoma: from basic science to clinical applications Cytidinediphosphocholine (CDP-choline) for cognitive and behavioural disturbances associated with chronic cerebral disorders in the elderly. Cochrane Database Syst Rev Topical citicoline and vitamin B12 versus placebo in the treatment of diabetes-related corneal nerve damage: a randomized double-blind controlled trial Effect of oral CDP-choline on visual function in young amblyopic patients Citicoline: a food beneficial for patients suffering from or threated with glaucoma VitaminCforpreventing andtreatingthecommoncold Visual evoked potentials under luminance contrast and color contrast stimulation in glaucoma diagnosis Mitochondrial dynamics, transport, and quality control: a bottleneck for retinal ganglion cell viability in optic neuropathies Senile dementia and glaucoma: evidence for a common link Neurotrophic factor delivery as a protective treatment for glaucoma Agonistic Autoantibodies to the β2-Adrenergic receptor involved in the pathogenesis of openangle glaucoma Medikamentöse Glaukomtherapie -Welche Lehren können wir aus den großen klinischen Studien ziehen? 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Aufl Citicoline protects brain against closed head injury in rats through suppressing oxidative stress and calpain overactivation Oral citicoline treatment improves visual pathway functioninglaucoma Apreliminary study of the neuroprotective role of Citicoline eye drops in glaucomatous optic neuropathy Routes of administration and serum levels of [Methyl-14C]-Cytidine Diphosphocholine Can treatment with citicoline eyedrops reduce progression in glaucoma? 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In: Schacknow PN, Samples JR (Hrsg) The Glaucoma Book. A Practical, Evidence-Based Approach to Patient Care