key: cord-0015995-eb2plovv authors: Keyßer, Gernot title: Sicherheitsaspekte der Therapie mit Glukokortikoiden bei rheumatoider Arthritis date: 2021-03-11 journal: Z Rheumatol DOI: 10.1007/s00393-021-00972-x sha: e8360cd15076232138521a5cc80bf427758af5ca doc_id: 15995 cord_uid: eb2plovv Glucocorticoids (GC) are still the recommended initial treatment for rheumatoid arthritis, although the treatment should be temporary and confined to the administration of low doses. The complex mechanism of action is accompanied by side effects that particularly occur in long-term treatment exceeding 5 mg prednisolone per day. In this dosage range they promote osteoporosis, diabetes and hyperglycemia as well as cardiovascular events and infections, thereby contributing to an excess mortality. The risks of GC treatment are dependent on patient-related parameters, such as age, comorbidity and additional medication. A negative influence of very low steroid doses on overall survival is possibly due to high cumulative steroid doses; however, the data in this respect are contradictory. Recently, a validated index was developed to monitor GC-related toxicity. In the future, this index should help to describe the advantages of steroid-sparing treatment strategies. In the future, more selectively acting substances could achieve an uncoupling of desired and adverse effects. Glukokortikoide (GC) gehören zu den Medikamenten, mit deren Umgang viele ärztliche Fachdisziplinen vertraut sind. Sie sind nicht selten die ersten Medikamente, die bei einer entzündlichen Gelenkerkrankung verschrieben werdenhäufig schon vom Hausarzt. Die enorme Vielfältigkeit und Potenz ihrer biologischen Effekte kann sowohl segensreich als auch hochgefährlich für die behandelten Patienten sein. Daher schwankte die Haltung von Ärzten und Patienten zu den GC lange zwischen Ablehnung und positiver Akzeptanz. Mittlerweile hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass sehr niedrige Dosierungen unter 5 mg Prednisolon vertretbar sicher und effektiv sind [15] , sodass dieser Dosisbereich sowohl für Skeptiker als auch Befürworter einer GC-Therapie akzeptabel ist [14] . Die Wirkungen von GC sind genetisch fixiert. Zahlreiche Gene weisen Promotorsequenzen auf, die für eine Hemmung oderSteigerungderGenexpressiondurch Steroide verantwortlich sind (sog. "steroid response elements") [31] . Daher lassen sich in der konventionellen GC-Therapie erwünschter Effekt und Nebenwirkung schwer voneinander trennen, da sie oft 2 Seiten eines identischen Wirkmechanismus darstellen (. Tab. 1). In einer Konsensuskonferenz der EULAR (European League Against Rheumatism) wurden von ärztlicher Seite Osteoporose, Diabetes/Hyperglykämie, kardiovaskuläre Ereignisse und Infektion zu den 4 relevantesten Problemen der GC-Therapie gezählt [15] . Interessant ist, dass der Blick des Patienten andere Schwerpunkte setzt: Die als besorgniserregend empfundenen Nebenwirkungen von GC werden zwischen Rheumatologen und Patienten z. T. unterschiedlich gewichtet. Zwar stimmten beide Gruppen in der kritischen Bewertung von Osteoporose, Diabetes und kardiovaskulären Erkrankungen überein. Rheumatologen bewerteten jedoch Hypertonie, Infektionen und Arteriosklerose stärker als besorgniserregend, während der Blick von Patienten intensiver auf subjektive Faktoren gerichtet war: Fatigue, cushingoide Fazies, Schlaflosigkeit, Palpitationen [73] . Dies deckt sich mit Ergebnissen einer postalischen Umfrage, an der über 2400 Patienten teilnahmen, die unter einer GC-Medikation standen: Gewichtszunahme, Schlafstörungen und emotionale Instabilität wurden als wesentlich stärker beeinträchtigend empfunden als erhöhte Blutzucker-und Blutdruckwerte [22] , dabei war eine klare Dosisabhängigkeit erkennbar. Dessen ungeachtet war in der Vorbiologikaära die Compliance der Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) zu GC deutlich höher als zu NSAR (nichtsteroidale Antirheumatika) und Basistherapeutika [77] . Die Nebenwirkungen einer Steroidtherapie hängen von mehreren Faktoren ab. [72] . Diese Kofaktoren können v. a. im Dosisbereich zwischen 5 und 10 mg Prednisolon maßgeblich zu unerwünschten GC-Effekten beitragen [72] . Auch die Inzidenz und die Schwere der GC-induzierten Osteoporose werden stark von Faktoren außerhalb der GC-Behandlung beeinflusst (s. unten). Der Terminus "steroidinduzierter Diabetes" suggeriert eine enge Assoziation zwischen GC-Applikation und Diabetesrisiko. In der Tat erhöhen GC den Blutzuckerspiegel im Tagesverlauf Kardiovaskuläres Risiko · Osteoporose · Prognose · Infektionen · Nebenwirkungen Safety aspects of the treatment with glucocorticoids for rheumatoid arthritis Abstract Glucocorticoids (GC) are still the recommended initial treatment for rheumatoid arthritis, although the treatment should be temporary and confined to the administration of low doses. The complex mechanism of action is accompanied by side effects that particularly occur in long-term treatment exceeding 5 mg prednisolone per day. In this dosage range they promote osteoporosis, diabetes and hyperglycemia as well as cardiovascular events and infections, thereby contributing to an excess mortality. The risks of GC treatment are dependent on patient-related parameters, such as age, comorbidity and additional medication. A negative influence of very low steroid doses on overall survival is possibly due to high cumulative steroid doses; however, the data in this respect are contradictory. Recently, a validated index was developed to monitor GC-related toxicity. In the future, this index should help to describe the advantages of steroid-sparing treatment strategies. In the future, more selectively acting substances could achieve an uncoupling of desired and adverse effects. Cardiovascular risk · Osteoporosis · Prognosis · Infections · Side effects ge Prednisolon-Gaben in der Dauertherapie das Frakturrisiko erhöhen. Ältere Studien berichteten, dass schon 2,5 mg pro Tag zu einer messbar erhöhen Rate an Wirbelfrakturen führen, im Dosisbereich zwischen 5 und 7,5 mg nahm auch die Gefahr von Schenkelhalsfrakturen deutlich zu [76] . Allerdings konnte eine Metaanalyse von 7 Studien gerade in der Frühphase einer RA keine Unterschiede in der Knochendichte zwischen Patienten mit und ohne GC-Therapie feststellen [ Die infektbegünstigenden Effekte der GC sind von ihren erwünschten immunsuppressiven Eigenschaften nicht zu trennen. Ihre Hemmung von Lymphozytenproliferation und-aktivierung, die antieosinophile Wirkung und die starke Unterdrückung der Produktion inflammatorischer Zytokine führen zwangsläufig zu einer vermehrten Infektneigung. Diese übertrifft bei Dosierungen über 10 mg/Tag die Auswirkungen der üblichen Basistherapeutika und Biologika auf das Infektionsrisiko [82] . Niedrig dosierte GC erhöhen zwar das Gesamtcholesterin, verbessern jedoch in einigen Studien an RA-Patienten das Lipidprofil [9, 30]. Kohortenanalysen haben eine Assoziation zwischen der Häufigkeit kardiovaskulärer Ereignisse mit der Einnahme mittlerer (maximal 7,5 mg/Tag) und hoher (über 7,5 mg/Tag) GC-Dosen nachgewiesen. Bei hoher Dosis lag das Risiko bei 2,56 im Vergleich zu Personen ohne Prednisolon-Medikation [78] . Im Einzelnen betrug das relative Risiko für eine Herzinsuffizienz 3,7, für einen Herzinfarkt 3,3 und für einen Schlaganfall 1,7. Allerdings konnte auch diese Analyse nicht überzeugend den Einfluss der Grunderkrankung auf das kardiovaskuläre Risiko herausfiltern. In der randomisierten BARFOT-Studie erhielten Patienten mit RA Methotrexat entweder gemeinsam mit Placebo oder mit einer Prednisolon-Therapie von 7,5 mg/Tag über 2 Jahre. Die Langzeitergebnisse offenbarten, dass im 10-Jahres-Zeitraum 5 (1,1-2,0) , bei über 15 mg auf 3,6 (2,1-6,1). Übereinstimmend damit zeigte sich in einer Kohorte von 16.762 RA-Patienten, dass eine Dosis unter 5 mg nicht mit vermehrter Mortalität assoziiert war, höhere Dosen steigerten die Sterblichkeit jedoch dosisabhängig [59] . Eine prospektive Kohortenstudie von 602 Patienten mit früher RA, von denen 386 im Mittel 3,1 mg Prednisolon pro Tag erhielten, ergab ebenfalls keine Unterschiede in der Inzidenz von Todesfällen, kardiovaskulären Ereignissen, Infektionen oder osteoporotischen Frakturen zwischen Patienten mit oder ohne GC [66] . Allerdings ist eine strikte Sparsamkeit für GC auch im Niedrigdosisbereich angebracht, da auch die kumulative Dosis von GC Einfluss auf die Sterblichkeit hat. Ein erhöhtes Mortalitätsrisiko besteht ab einer kumulativen Dosis von mindestens 40 g (HR 1,78, Konfidenzintervall 1,2-2,6) [23]. Derartige Dosen können mit einer Low-dose-Therapie nach Jahrzehnten erreicht werden. In zahlreichen klinischen Studien zu synthetischen und biologischen DMARD wurden die Auswirkungen einer Komedikation mit GC auf Sicherheit und Wirksamkeit der Behandlung unzureichend dokumentiert und ausgewertet [2], sodass erst spätere Sichtungen der Datensätze positive oder negative Effekte von GC zutage fördern [67] . Bereits 2010 wurde vonseiten der EULAR auf den Mangel an wissenschaftlicher Evidenz verwiesen, der in diesem Punkt herrscht [74] . Zugleich wurden Anstrengungen unternommen, um die GC-Toxizität in der Praxis und in klinischen Studien systematisch zu erfassen und daraus Handlungsempfehlungen abzuleiten. Für die Low-dose-Therapie in der klinischen Praxis empfahl die EULAR-Initiative die Ausweiterung des Monitorings auf die Osteoporoseüberwachung, die Dokumentation von Risikofaktoren für ein Glaukom sowie ein Screening auf erhöhte Blutdruck-und Blutzuckerwerte sowie das Vorhandensein von Knöchelödemen [74] . Für klinische Studien wurde vorgeschlagen, mit einem Monitoringprogramm gezielt nach GC-bedingten unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) zu fahnden. Nachfolgend wurde daher der GC-Toxizitäts-Index (GTI) entwickelt. Dieser zusammengesetzte Index enthält 9 Parameter, die unter anderem Veränderungen in BMI (Body-Mass-Index), Blutdruck, Lipiden und Knochendichte, aber auch Infektionen erfassen [55] . Diese Parameter werden durch eine Liste ergänzt, die spezifische Toxizitätsaspekte der GC berücksichtigt wie Glaukomentwicklung, avaskuläre Knochennekrosen oder Sehnenrisse. Der GTI quantifiziert spezifische Einflüsse einer Steroidtherapie, erlaubt aber auch die Einschätzung des Wertes einer GC-sparenden Therapie [55] . Dieser Index ist bereits Bestandteil von aktuell laufenden klinischen Studien zur RA [75] , zur ANCA(antineutrophile zytoplasmatische Antikörper)-assoziierten Vaskulitis [52] und zum Asthma [51] . RA-Patienten profitieren von einer GC-Therapie, wenn deren Gefahrenpotenzial ausreichend Berücksichtigung findet, die Dosis engmaschig an die aktuelle Krankheitsaktivität angepasst und die Anwendung möglichst befristet wird. Dabei dient die aktuelle S2e-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie als Richtschnur [29] . Diese Leitlinie empfiehlt, bei Erreichen einer stabilen Remission GC als erste Präparate zu reduzieren und die Therapiedauer auf 3 bis 6 Monate zu begrenzen. Die relevantesten UAW von GC -Osteoporose, Diabetes/Hyperglykämie, kardiovaskuläre Ereignisse und Infektion -sind im Low-dose-Bereich unter 5 mg Prednisolon beherrschbar. Ein negativer Einfluss sehr niedriger Tagesdosen auf das Gesamtüberleben wurde bei hoher kumulativer Dosis in einer Kohortenstudie beschrieben. Die Datenlage ist aber hier als nicht eindeutig zu bezeichnen, da mehrere Analysen großer Patientenkollektive keinen Zusammenhang zwischen niedrig dosierter Prednisolon-Behandlung und Überleben feststellen konnten (s. oben). Das Monitoring einer GC-vermittelten Toxizität mithilfe eines validierten Index sollte in Zukunft dazu beitragen, die Vorteile einer steroidsparenden Behandlung besser zu beschreiben. Es bleibt abzuwarten, inwieweit neuere pharmakologische Entwicklungen eine bessere Trennung von erwünschten und unerwünschten GC-Wirkungen ermöglichen können. Dazu gehören innovative Substanzen, die selektiver auf die transrepressiven Effekte der GC (Unterdrückung der Aktivierung proinflammatorischer Zytokingene) einwirken als auf die transaktivierenden GC-Wirkungen (Förderung der Genexpression). Letztere werden für unerwünschte metabolische GC-Effekte, insbesondere in Bezug auf den Glukosemetabolismus verantwortlich gemacht [ High-dose but not low-dose dexamethasone impairs glucose tolerance by inducing compensatory failureofpancreaticbeta-cellsinnormalmen Quantification of glucocorticoid-associated morbidity in severe asthma using the glucocorticoid toxicity index Evaluation of the safety and efficacy of avacopan, a C5a receptor inhibitor, in patients with antineutrophil cytoplasmicantibody-associatedvasculitistreated concomitantly with rituximab or cyclophosphamide/azathioprine: protocol for a randomized, double-blind, active-controlled Rheumatoid arthritis, cardiovascular disease and physical exercise: a systematic review Perioperative infection in the patient with rheumatic disease Development of a glucocorticoid toxicity index (GTI) using multicriteria decision analysis Does MTX-induced osteoporosis exist? Periprosthetic joint infection in patients with inflammatory joint disease: a review of risk factors and current approaches to diagnosis and management Risk of incident diabetes mellitus associated with the dosage and duration of oral glucocorticoid therapy in patients with rheumatoid arthritis Oral glucocorticoid therapy and all-cause and causespecific mortality in patients with rheumatoid arthritis: a retrospective cohort study Medications associated with fracture risk in patients with rheumatoid arthritis Long-termexposuretomediumdose glucocorticoid therapy associates with hypertension in patients with rheumatoid arthritis Glucocorticoid-induced myopathy Effects of prednisolone on energy and fat metabolism in patients with rheumatoid arthritis: tissue-specific insulin resistance with commonly used prednisolone doses Osteoporosis in patients with rheumatoid arthritis: an update in epidemiology, pathogenesis, and fracture prevention Low dose prednisolone therapy (LDPT) retards radiographically detectable destruction in early rheumatoid arthritis-preliminary results of a multicenter, randomized, parallel, double blind study Seven-year tolerability profile of glucocorticoids use in early rheumatoid arthritis: data from the ESPOIR cohort Effect on efficacy and safety trial outcomes of also enrolling patients on ongoing glucocorticoid therapy in rheumatoid arthritis clinical trials of tocilizumab or adalimumab or methotrexate monotherapy Long-term outcome is better when a methotrexate-based treatment strategy is combined with 10 mg prednisone daily: follow-up after the second computerassisted management in early rheumatoid arthritis trial Glucocorticoid therapy-induced skin atrophy Metaanalysis of tumor necrosis factor inhibitors and glucocorticoids on bone density in rheumatoid arthritis and ankylosing spondylitis trials Oral and inhaled glucocorticoid use and risk of Achilles or biceps tendon rupture: a population-based casecontrol study Defining conditions where long-term glucocorticoid treatment has an acceptably low level of harm to facilitate implementation of existing recommendations: viewpoints from an EULAR task force Patient and rheumatologist perspectives on glucocorticoids: an exercise to improve the implementation of the European league against rheumatism (EULAR) recommendations on the managementofsystemicglucocorticoidtherapyin rheumatic diseases Monitoring adverse events of low-dose glucocorticoid therapy: EULAR recommendations for clinical trials and daily practice Effectiveness of TOcilizumab in comparison to prednisone in rheumatoid arthritis patients with insufficient response to disease-modifying antirheumatic drugs (TOPIRA): study protocol for a pragmatic trial Use of oral corticosteroids and risk of fractures Compliance to drug treatment of patients with rheumatoid arthritis: a 3 year longitudinal study Taking glucocorticoids by prescription is associated with subsequent cardiovascular disease Glucocorticoid-induced osteoporosis and osteonecrosis Glucocorticoid resorption and influence on the hypothalamic-pituitary-adrenal axis after intra-articular treatment of the knee in resting and mobile patients Incidence and risk of glucocorticoid-associated adverse effects in patients with rheumatoid arthritis Infections and biologic therapy in rheumatoid arthritis: our changing understanding of risk and prevention Glucocorticoids. Mood, memory, andmechanisms