key: cord-0014163-tw5kruwz authors: Stiefelhagen, Peter title: Je höher der Blutzucker, desto gefährlicher die SARS-CoV-2-Infektion: COVID-19 bei Diabetikern date: 2020-11-26 journal: MMW Fortschr Med DOI: 10.1007/s15006-020-4593-3 sha: 9b5ca63f02048f37aea33efc90214ec16250012a doc_id: 14163 cord_uid: tw5kruwz nan Schwergrad von Vorkrankungen und verminderte Ressourcen zur Überwindung von COVID-19 berücksichtigt. In Kategorie III fließen weitere Komorbiditäten und Risikofaktoren gemäß RKI ein. Um einen möglicherweise additiven Effekt bei Vorliegen multipler Komorbiditäten zu berücksichtigen, wird pro weiterem vorhandenem Risikofaktor in dieser Kategorie ein Score-Punkt vergeben. In Kategorie IV schließlich wird das Alter berücksichtigt. Personen zwischen 50 und 59 Jahren erhalten 4, ab 60 Jahren 10 Punkte. Aus der Gesamtpunktzahl des IKKA-Scores ergibt sich die Zuteilung zu einer von vier definierten Tätigkeitsgruppen, die die jeweilige Einsatzmöglichkeit am risikoadaptierten Arbeitsplatz festlegt. Die Eingruppierung richtet sich nach dem Grad der Schutzbedürftigkeit aufgrund der jeweiligen Risikokonstellation und erlaubt den Beschäftigten je nach Score-Summe eine Tätigkeit mit sehr hoher Gefährdung gemäß BMAS (Tätigkeitsgruppe 1; 0-3 Score-Punkte), geringer, mittlerer oder hoher Gefährdung (Tätigkeitsgruppe 2; 4-6 Score-Punkte), geringer oder mittlerer Gefährdung (Tätigkeitsgruppe 3; 7-9 Score-Punkte) oder geringer Gefährdung (Tätigkeitsgruppe 4; ≥ 10 Score-Punkte). Als Beispiele werden die Arbeitsplätze "Schule" und "Krankenhaus" genannt. Während z. B. für Lehrer bei einer Zuordnung zu Tätigkeitsgruppe 1 keine Einschränkungen bestehen, ist in Gruppe 2 ein Präsenzunterricht nur unter Auflagen möglich, in Gruppe 3 erweitert sich der Maßnahmenkatalog für den Präsenzunterricht, und für Gruppe 4 wird kein Einsatz im Präsenzunterricht, sondern die Tätigkeit im Homeoffice oder im Einzelbüro ohne Publikumsverkehr und Schülerkontakt empfohlen. Beschäftigte im Krankenhaus, die der Gruppe 2 zugeordnet werden, sollen keinen Kontakt zu COVID-oder COVID-verdächtigen Patienten oder Personen ohne Mundschutz haben. Personen der Gruppe 3 sollen u. a. bevorzugt patientenferne Tätigkeiten verrichten und in Gruppe 4 soll wiederum völlig auf Publikumsverkehr oder Patientenkontakt verzichtet werden. Anna Wolfschmidt von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und Kollegen halten das neue Score-System aufgrund der Möglichkeit einer einheitlichen Risikobeurteilung, seiner Effizienz und schnellen Durchführbarkeit für geeignet, um es im Praxisalltag einzusetzen. Im Laufe der Zeit müsse es an neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu COVID-19 angepasst werden. Eine große retrospektive Studie untersuchte den Zusammenhang zwischen Glykämiekontrolle und klinischem Outcome bei einer COVID-19-Infektion. Patienten mit einem HbA 1c -Wert von ≥ 8,1% benötigten häufiger eine intensivmedizinische Behandlung als Patienten mit einem HbA 1c von ≤ 7,3%. Neben dem HbA 1c als Parameter für die durchschnittliche Glykämielage der letzten drei Monate scheint auch die Schwankungsbreite der Plasmaglukose mit der Prognose zu korrelieren: Je größer die Blutzucker-Schwankungen, desto ungünstiger ist der Verlauf der Infektion. Hohe spontane Glukosekonzentrationen bei der Aufnahme und im weiteren Verlauf vor allem Schwankungen mit hohen Spitzenwerten verlängern den Krankenhausaufenthalt und erhöhen die Sterberate. "Der Einfluss dieser Parameter auf den Verlauf der Infektion ist stärker als der des HbA 1c -Wertes", so Gallwitz. Daraus ergibt sich die Empfehlung einer stabilen und normnahen Glukoseeinstellung, um im Falle einer Infektion einem schweren Verlauf vorzubeugen. In Obduktionsstudien zeigte sich, dass die meisten im Rahmen einer COVID-19-Infektion verstorbenen Diabetiker hochbetagt waren und weitere schwerwiegende Erkrankungen wie KHK, Hypertonie, chronische Nephropathie und/oder Herzinsuffizienz aufwiesen. Der Zusammenhang zwischen COVID-19 und dem Blutzucker ist keine Einbahnstraße. Vielmehr kann umgekehrt die Infektion bei Diabetikern oder bei Risikopatienten für einen Diabetes die Stoffwechseleinstellung beeinflussen. Das Virus kann sich nämlich an die insulinproduzierende Betazelle binden und so möglicherweise die Inselzellen im Pankreas schädigen und die Insulinproduktion beeinträchtigen. So könnte ein Insulinmangeldiabetes ähnlich dem Typ-1-Diabetes entstehen. Versorgungsdaten ergeben allerdings keinen Hinweis darauf, dass die Inzidenz eines Insulinmangeldiabetes bei Kindern und Jugendlichen seit Pandemiebeginn zugenommen hat. Die pathophysiologischen Zusammenhänge sind noch nicht vollständig erforscht. Bei Patienten mit einem metabolischen Syndrom bzw. mit Adipositas liegt nicht selten eine generalisierte chronische Inflammation mit Insulinresistenz und erhöhten Zytokinspiegel vor. Bei einer COVID-19-Infektion können diese chronischen Inflammationsvorgänge zusätzlich verstärkt werden und so zu einem schwereren Verlauf beitragen. "Bei Adipositas kann ein zusätzlicher Zytokinsturm zu einem ARDS führen", so Gallwitz. Der eigentliche Risikofaktor für einen schweren Infektionsverlauf scheint die Adipositas zu sein. So konnte in Studien gezeigt werden, dass beatmungspflichtige Patienten einen höheren BMI aufwiesen und adipöse Patienten häufiger ein ARDS entwickelten. Quelle: Online-Pressekonferenz der DDG, 4.11.2020 Die beste Prävention vor einem gefährlichen Infektionsver lauf ist die optimale Stoffwechsel einstellung. Blutzuckerschwankungen möglichst vermeiden! Keine Sicherheitsbedenken gibt es gegen die Fortführung einer Therapie mit DPP-4-Inhibitoren und GLP-1-Rezeptor-Agonisten. Bei schweren Verläufen sollte der Patient auf eine Insulintherapie umgestellt werden, wobei auf der Intensivstation das Insulin bevorzugt intravenös appliziert werden sollte. Auch die Therapie der COVID-19-Infektion kann den Stoffwechsel beeinflussen. So können Glukokortikoide zu einer Hyperglykämie oder ausgeprägten Blutzuckerschwankungen führen