key: cord-0013070-xc5qumcr authors: Neeb, L.; Ruscheweyh, R.; Dresler, T. title: Digitalisierung in der Kopfschmerzbehandlung date: 2020-10-01 journal: Schmerz DOI: 10.1007/s00482-020-00508-3 sha: 365da91cff2543abf1d266501418c9e458a4b811 doc_id: 13070 cord_uid: xc5qumcr BACKGROUND: Digitalization offers support and innovative approaches in the diagnosis and therapy of headaches. With the German digital health care act (Digitale-Versorgung-Gesetz) it is now possible to integrate this into regular care for the first time. However, it is currently difficult to assess the various offers; quality standards and conclusive studies to determine the efficacy and safety are missing. AIM: Overview of current digital approaches in headache treatment and presentation of two specific examples (App M‑sense and DMKG headache registry). MATERIALS AND METHODS: Literature research, product information, and presentations by the project managers. RESULTS: Most digital offers for headache treatment are currently headache calendars, mostly as a smartphone app. However, there are also promising extensions (e.g. trigger analysis) and new approaches such as digital instructions for relaxation and endurance sports, chatbots for patients, as well as support for doctors through structured collection of patient data and processing for diagnostic purposes. CONCLUSION: Different digital approaches could support practitioners and patients effectively in headache treatment and therapy guidance in the near future. However, high-quality studies are necessary to evaluate their benefits and efficacy. In den vergangenen zwanzig Jahren hat die digitale (R)Evolution viele Bereiche unseres Lebens nachhaltig verändert; Computer, Smartphones und Tablets sind allgegenwärtige Gebrauchsgegenstände geworden [16] . Dies ging auch an unserem Gesundheitssystem nicht vorbei, die Verabschiedung des Digitale-Versorgung-Gesetzes (DVG) am 07.11.2019 ist das beste Beispiel dafür. Dadurch haben die Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) die Möglichkeit, digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) zu nutzen. "Apps auf Rezept" oder "Das Smartphone als Therapeut" hieß es in den Medien. In diesem Beitrag möchten wir einige Möglichkeiten der Digitalisierung im Bereich Kopfschmerz vorstellen und dies anhand von zwei Beispielen konkretisieren. Auch wenn ein Schwerpunkt dieses Artikels auf Smartphone-Applikationen (Apps) liegt, muss hierbei erwähnt werden, dass diese nur eine Fa-cette der Digitalisierung in der Medizin darstellen. Es gibt viele andere digitale Angebote, z. B. Telemedizin, Online-Therapien und Informationsangebote im Internet [7, 14] . Theoretisch kann jede Verwendung eines nicht analogen Mediums im medizinischen Alltag (z. B. Entspannungs-CD, elektronische Kurve, digitale Patientenakte, Therapieroboter) der Digitalisierung zugeordnet werden. In der digitalen Kopfschmerzbehandlung dominieren die Kopfschmerztagebücher; es finden sich aber auch verhaltenstherapeutische Angebote. Entsprechende Wirksamkeitsaussagen sind noch begrenzt, andere Angebote (z. B. Patientenportale, Telekonsultation) wissenschaftlich kaum untersucht [25] . Beim Einsatz von Digitalisierung stellt sich häufig die Frage nach dem eigentlichen Nutzen, auch hinsichtlich eines Zugewinns gegenüber analogen Medien [4, 9] . Hierzu ist es wichtig, die grundlegenden Funktionen einer digitalen Anwendung in den Blick zu nehmen. Wir unterscheiden inhaltlich-theoretisch drei Funktionen: 1 Aktuell ist es für Behandler und Patienten nicht leicht, die Qualität der verfügbaren Angebote zu beurteilen. Hier gilt oftmals das Sprichwort "You cannot judge a book by its cover": Es könnte sich ein Klassi-ker oder nur ein Schundroman dahinter verbergen. Das stellt natürlich nicht das Buch als Medium an sich in Frage, aber den darin enthaltenen Inhalt. Genauso ist bei einer App der Inhalt entscheidend, so wie bei einem Medikament der Wirkstoff. Hinzu kommt, dass das digitale Angebot technisch ausgereift und professionell entwickelt sein muss. Im Gegensatz zu klinischenStudienfürmedikamentöse und nichtmedikamentöse Ansätze existieren vergleichbare Untersuchungen für Kopfschmerz-Apps und andere digitale Angebote bislang kaum. Erste Ansätze lassen sich aber erkennen. So gibt es einen Kriterienkatalog zu Selbstdeklaration der Qualität von Gesundheits-Apps [1] . Die folgenden neun Kriterien sollen berücksichtigt werden: Bei der Entwicklung sollen Experten, Entwickler und Patienten einbezogen werden [17, 19] . Das DVG und die Etablierung eines DiGA-Verzeichnisses dürften hier als Katalysator wirken, sodass baldige Fortschritte absehbar sein sollten. Auch wenn uns gerade die so einfach verfügbaren Apps viele Möglichkeiten eröffnen, sollten auch mögliche Risiken und Nebenwirkungen bedacht werden. Andreas Meißner hat dies in einer deutschsprachigen Serie zur digitalisierten Medizin [15, 16] [18] . Ein solches Ergebnis ist ein gutes Zeichen, dass auch solche digitalen Angebote, die über einfache Tagebuch-oder Entspannungs-Apps hinausgehen, Akzeptanz finden. Digitale Therapieangebote sind äußerst vielfältig. Wie oben beschrieben können sie von einfachen Übungen bis hin zu komplexen Therapiesitzungen reichen. Entspannungsübungen können gut auch therapeutenunabhängig angeleitet werden, bei kognitiv-verhaltenstherapeutischen Interventionen sollten Therapeuten (digital) miteinbezogen werden. Evtl. lässt sich der durch die Covid-19-Pandemie resultierende vermehrte Einsatz von digitalen Formaten nutzen, um die Anwendung in einer Art Feldexperiment genauer zu bewerten und entsprechende Strukturen anzupassen und aufzubauen. Die Forderung nach einer verbessertenNutzungderDigitalisierung in der Migränebehandlung ist in den letzten Monaten stärker geworden [24] . Allerdings müssen viele Fragen zu den neuen Herausforderungen (z. B. Einfluss auf Therapeut-Patienten-Beziehung, erforderliche Fort-und Weiterbildungen) noch beantwortet werden [8] . In den App-Stores von Google und Apple werden eine Vielzahl von Migräne-Apps zum Download angeboten [4] . Migräne · Telemedizin · Datensicherheit · Smartphone-App · Register Digitalization in headache therapy Abstract Background. Digitalization offers support and innovative approaches in the diagnosis and therapy of headaches. With the German digital health care act (Digitale-Versorgung-Gesetz) it is now possible to integrate this into regular care for the first time. However, it is currently difficult to assess the various offers; quality standards and conclusive studies to determine the efficacy and safety are missing. Aim. Overview of current digital approaches in headache treatment and presentation of two specific examples (App M-sense and DMKG headache registry). Materials and methods. Literature research, product information, and presentations by the project managers. Results. Most digital offers for headache treatment are currently headache calendars, mostly as a smartphone app. However, there are also promising extensions (e.g. trigger analysis) and new approaches such as digital instructions for relaxation and endurance sports, chatbots for patients, as well as support for doctors through structured collection of patient data and processing for diagnostic purposes. Conclusion. Different digital approaches could support practitioners and patients effectively in headache treatment and therapy guidance in the near future. However, high-quality studies are necessary to evaluate their benefits and efficacy. App der Schmerzklinik Kiel wurde in einer Ausgabe dieser Zeitschrift bereits 2019 vorgestellt [9] ; wir wollen hier kurz exemplarisch anhand der App M-sense einige Möglichkeiten darstellen, die eine Migräne-App für den Patienten und den Arzt bieten kann. Der Vorteil einer Kopfschmerz-Dokumentation mittels App gegenüber einem herkömmlichen papierbasierten Kopfschmerkalender liegt, neben der Möglichkeit der Datenaufbereitung, auch in der unmittelbaren Dokumentation. Das Smartphone hat der Patient zumeist bei sich und kann die Eingabe sofort vornehmen [9] . Dieses resultiert in einer höheren Compliance bei elektronischen Tagebüchern [11, 23] und damit wahrscheinlich auch in einer zuverlässigeren Dokumentation. Wie bei einem herkömmlichen Kalender können die Daten auch zu einem späteren Zeitpunkt eingegeben werden, bei M-sense beträgt dieser maximale Zeitraum bis zu zwei Monate nach Beginn der Kopfschmerzen. Das Smartphone kann noch zusätzliche Informationen wie zum Beispiel Wetterdaten (Temperatur, Luftdruck usw.) hinzufügen, der Standort wird jedoch bei M-sense im Gegensatz zu anderen Apps nicht gespeichert. Neben den Kopfschmerzen kann der Patient auch andere Faktoren wie zum Beispiel sein Schlafverhalten, sein Stresslevel, ausgelassene Mahlzeiten, seinen Kaffee-und/oder Alkoholkonsum dokumentieren. Die App nimmt eine Analyse dieser Faktoren vor mit dem Ziel, einen eventuellen Zusammenhang mit Kopfschmerzmustern des Patienten zu definieren, um so individuelle Auslöser spezifizieren zu können. Dieses könnte in der Zukunft beitragen, Migräneattacken bereits vor ihrer Entstehung bei Erkennung von bestimmten Risikokonstellationen präemptiv zu verhindern. Darüber hinaus könnten hiermit vermeintliche Trigger ausgeschlossen und dadurch unnötiges Vermeidungsverhalten von Patienten aufgrund falscher Erwartungen verhindert werden (i. S. eines Triggermanagements anstelle einer Triggervermeidung, [6] ). Allerdings ist die App nicht in der Lage, sicher zwischen Vorboten der Migräneattacke, sogenannten Prodromalsymptomen, und Migränetriggern zu unterscheiden. Insbesondere von M-sense dokumentierte Faktoren wie geänderte Stimmung, Energie oder auch Schlafqualität könnten im Rahmen von Prodromalsymptomen beeinflusst werden und Ausdruck einer beginnenden Migräneattacke sein. Ein in der App integriertes Therapiemodul kann den Patienten bei der Durchführung von nichtmedikamentösen Therapien unterstützen. So kann der Patient zwischen verschiedenen Entspannungsverfahren wie der progressiven Muskelrelaxation nach Jacobson oder dem autogenen Training wählen, sich ein individuelles Trainingsprogramm für den Ausdauersport zusammenstellen lassen und zu einer regelmäßigen Durchführung motiviert werden. Ein weiteres Modul bietet animierte physiotherapeutische Übungen. Der Patient kann auf diese nach einem personalisierten Plan zugreifen, aber bei akuten Kopfschmerzen auch in einem Akutmodul Hilfe über geleitete Imaginationsübungen und physiotherapeutische Übungen bekommen (. Abb. 2). In einem Edukationsmodul kann er über einen "Chatbot" sein Wissen über die Migräne vertiefen sowie Grundzüge verhaltenstherapeutischer Ansätze in der Migränetherapie lernen. Dies kann zu einem verbesserten Lebensstil-und Stressmanagement des Patienten beitragen und damit die Migränefrequenz senken. Wie oben bereits dargestellt, ist ein großer Nachteil von allen Kopfschmerz-Apps, dass diese (wie eine Vielzahl anderer Gesundheits-und medizinischer Apps) nicht ausreichend hinsichtlich ihrer Effektivität evaluiert worden sind [3, 19] . Ebenso fehlen Standards, mit denen die Qualität der Inhalte bewertet werden kann [10] ; auch die Wünsche der Patienten sollten auf jeden Fall berücksichtigt werden [17] . Eine Gefahr könnte auch die übermäßige Fokussierung auf den Kopfschmerz darstellen [4] Einheitlicher Kriterienkatalog zur Selbstdeklaration der Qualität von Gesundheits-Apps Headache classification committee of the international headache society (IHS) the international classification of headache disorders Mental health: there's an app for that Was leisten Migräne-Apps? Distribution of migraine attacks over the days of the week: preliminary results from a web-based questionnaire Psychologische Behandlungsverfahren bei Kopfschmerz PsychotherapieinderCoronakrise: Trendwende in der Online-Psychotherapie Gesundheitsverhalten von Migräne-und Kopfschmerzpatienten bei digitaler Therapiebegleitung mit der Migräne-App [Healthcare behavior of migraine and headache patients when treatment is accompanied by the digital migraine app Commercially available mobile phone headache diary apps: a systematic review Electronic diaries for monitoring chronic pain: 1-year validation study Entspannungsverfahren und verhaltenstherapeutische Interventionen zur Behandlung der Migräne -Leitlinie der Deutschen Migräne-und Kopfschmerzgesellschaft [Relaxation techniques and behavioural therapy for the treatment of migraine: Guidelines from the German Migraine and Headache Society An update on behavioral treatments in migraine-current knowledge and future options Wie Apps und Algorithmen zunehmend die Medizin bestimmen What are headache Smartphone application (app) users actually looking for in apps: a qualitative analysis of app reviews to determine a patient centered approach to headache Smartphone Apps Behavioral therapy preferences in people with migraine Mobile health (mHealth) for headache disorders: a review of the evidence base Sollten Patienten Kopfschmerz-Apps verwenden? NeebLetal(2020)Validation of an algorithm for automated classification of migraine and tension-type headache attacks in an electronic headache diary Aktuelle Projekte: Start des Kopfschmerzregisters der DMKG Patient compliance with paper and electronic diaries Migraine care in the era of COVID-19: clinical pearls and plea to insurers Towards eHealth to support the health journey of headache patients: a scoping review Das Register ist am 15