key: cord-0010863-5qgge2da authors: Bein, T.; Karagiannidis, C.; Gründling, M.; Quintel, M. title: Neue intensivmedizinische Herausforderungen durch Klimawandel und globale Erderwärmung date: 2020-05-12 journal: Anaesthesist DOI: 10.1007/s00101-020-00783-w sha: 0f7f10e1f6eaa8e23ef83f6d61d2a2f13e715776 doc_id: 10863 cord_uid: 5qgge2da BACKGROUND: In the last five decades a continuous increase in the average global temperature has been recorded. Furthermore, natural disasters (e.g. heat waves, severe storms, floods and large forest fires) are becoming more frequent. The impact of global warming and climate change on health involves an increase in respiratory, cardiovascular, renal and cognitive mental diseases. Furthermore, a change in the frequency and patterns of infectious diseases can also be observed in Europe. MATERIAL AND METHODS: This article presents the most important studies that investigated diseases associated with the climate change, with special reference to those that represent a challenge for intensive care medicine. RESULTS: Currently available epidemiological data and statistical extrapolations indicate that diseases resulting from the climate change (acute infection-related respiratory and intestinal diseases, exacerbation of pre-existing pulmonary lesions, heat-related dehydration, cerebral insults and myocardial infarction) are relevant for intensive care medicine. Particular emphasis is placed on a significant increase in acute kidney damage during heat waves. A previously unknown pattern of infectious diseases necessitates new knowledge and targeted management. In some studies, persisting mental impairments were registered during heat waves and natural disasters, e.g. posttraumatic stress disorder. CONCLUSION: Intensive care medicine must be prepared for the challenges due to global warming and climate change. Slow but continuous changes (e.g. rise in temperature) as well as acute changes (e.g. heat waves and natural disasters) will induce an increased need for intensive medical care services (e.g. an increase in the need for renal replacement procedures). Intensive care physicians will need to be familiar with the diagnostics and management of diseases associated with the climate change. An initiative of the specialist societies involved would be welcomed. Während der letzten 5 Jahrzehnte wurden ständig steigende Mengen von Kohlendioxid (CO2) und anderen Treibhausgasen durch menschliche Aktivitäten freigesetzt, die -heutzutage unbestrittenmit einem erheblichen Anteil zum Klimawechsel mit globaler Erderwärmung beitragen. Seit der vorindustriellen Zeit (ca. 1850) hat sich die Erde um etwa 0,85°C erwärmt. Die letzte Dekade bis 2010 wies eine höhere Durchschnittstemperatur auf als jede Dekade vorher [1] . Unter der Voraussetzung, dass die Erderwärmung voranschreitet und in den nächsten Jahrzehnten ein (ungebremster) Anstieg der mittleren Temperatur, begleitet von regionalen und saisonalen Hitzewellen und/oder Naturkatastrophen (Überschwemmungen, großflächige Waldbrände, Dürreperioden) stattfindet, erwartet die Weltgesundheitsorganisation (WHO) 250.000 zusätzliche Todesfälle, die als Folgen des Klimawandels einzuordnen sind [2] . Es überrascht wenig, dass ein erhöhtes Risiko für klimawandelassoziierte Erkrankungs-und Todesfälle besonders Personen trifft, die in Küsten-oder Metropolregionen leben, Kinder und alte Menschen, chronisch kranke Personen, und -"last but not least" -Bevölkerungsgruppen aus "Low-income"-Staaten, in denen nur ein-geschränkte medizinische Versorgungsstrukturen bestehen. Die Folgen des Klimawandels für das Auftreten neuer oder zusätzlicher Erkrankungen wurden anhand bereits bestehender Daten, z. B. im Hinblick auf ein verändertes Auftreten von Infektionskrankheiten, berechnet [3] . Im Rahmen von Hitzewellen und Naturkatastrophen beziehen sich diese Erkrankungsmuster auf das respiratorische System, auf Nierenfunktionsstörungen, auf neurologisch-kognitive Krankheiten, auf kardiovaskuläre Störungen, sowie auf -für europäische Länder bislang ungewöhnliche -Infektionskrankheiten (. Abb. 1). Im Folgenden werden die wesentlichen Studienergebnisse zu klimawandelassoziierten Erkrankungen vorgestellt und deren intensivmedizinische Relevanzv. a. auf dem Boden der Extrapolation für die nahe Zukunft -diskutiert. In der Zusammenschau werden Konsequenzen für die strukturelle, organisatorische, aber auch fachliche Ausrichtung der Intensivmedizin erkennbar, die -erwartbar -zur Bewältigung der durch die Erderwärmung entstehenden Herausforderungen erforderlich sein werden. Diese können im Rahmen dieses Beitrags als Grundlage für eine vertiefte Diskussion nur skizziert werden. Der Einfluss von Klimawandel und Erwärmung auf das respiratorische System ist bisher nur im Ansatz untersucht, und erste epidemiologische Daten lassen erwarten, dass dieser Einfluss erheblich ist: "Lungs in a warming world" [4] werden anfälliger für noxenassoziierte inflammatorische Reaktionen, insbesondere bei vorbestehenden chronischen Lungenerkrankungen (chronisch obstruktive Lungenerkrankung [COPD], Asthma). Zu solchen Noxen gehören sowohl erhöhte Konzentrationen von CO2 oder Treibhausgasen in der Luft, Ozon (O3), Stickstoffdioxid (NO2) als auch erhöhte Feinstaubbelastungen (z. B. im Rahmen großflächiger Brände), Hitzewellen, allgemeine Luftverschmutzung oder extreme Trockenheit. Alle diese Noxen können eine proinflammatorische Reaktion (vermutlich über eine Aktivierung der Toll-like-Rezeptoren) sowie eine Erhöhung des Atemwegswiderstands bei vorgeschädigten Lungen (über eine Aktivierung der "C-fiber"-Nerven) hervorrufen, mit gesteigerter Hyperreagibilität der Atemwege [5] . Mehrere in den letzten Jahren veröffentlichte epidemiologische Studien berichten eine exzessive Zunahme stationärer Aufnahmen von Patienten mit respiratorischen Störungen im Rahmen In einigen Untersuchungen wurden die Auswirkungen von globaler Erderwärmung und Klimawandel auf die kardiovaskuläre Gesundheit skizziert [10, 11] . Als plausible pathophysiologische Mechanismen zwischen Hitzebelastung und Herzinfarkten werden überwiegend eine generelle Vasodilatation, die gesteigerte Expression lokaler und systemischer Entzündungsmediatoren (Interleukine), eine erhöhte Hämoviskosität sowie eine Aktivierung der Blutgerinnung angesehen [12] . In einer Übersicht bisheriger Daten [11] wurden die Ergebnisse zur Verfügung stehender epidemiologischer Studien zusammengefasst. Hitzewellen waren mit einem erhöhten Aufkommen akuter kardialer Erkrankungen (z. B. kardiale Dekompensation, Herzinfarkt) assoziiert, was zu gestiegenen Zahlen von Notaufnahmebesuchen, stationären Aufnahmen und vermutlich konsekutiv auch Intensivbehandlungen führte. In einer großen europäischen epidemiologischen Studie (EuroHeat [13] ) wurden meteorologische Daten von 9 repräsentativen europäischen Metropolen während der Sommermonate (1990-2004) mit Erkrankungen, die durch die jeweiligen statistischen Ämter erfasst worden waren, verglichen. Obwohl die Hitzewellen geografisch sehr unterschiedlich ausfielen, zeigte sich generell ein hitzebedingter Anstieg der Letalität zwischen 7,6 % in München bis zu 33,6 % in Mailand mit einem Anteil kardiovaskulär bedingter Todesfälle von ca. 50%. In einer jüngst beschriebenen Projektion für die Region Augsburg bezüglich zukünftig erwartbarer temperaturbedingter Herzinfarkte [12] wurden 2 Klimaszenarien herangezogen. Für das "mildere" Szenario (weitere Erderwärmung bis zu 2°C) wurde eine mäßige Steigerung der Herzinfarktrate in dieser Region berechnet, während diese Steigerung bei einem mittleren Temperaturanstieg bis zu 3°C deutlich höher ausfallen soll. Hitzewellen sind mit einer Belastung der Nierenfunktion und -leistung verknüpft: Dehydratation und Volumenverlust, ggf. begleitet von kardiovaskulären Problemen, stellen -insbesondere bei älteren Menschen mit multiplen Komorbiditäten -ein Risiko der Beeinträchtigung oder gar des Verlusts der Nierenfunktion Anaesthesist https://doi.org/10.1007/s00101-020-00783-w © Springer Medizin Verlag GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Lungenerkrankungen · Kardiovaskuläre Erkrankungen · Nierenerkrankungen · Infektionskrankheiten · Psychische Gesundheit New challenges for intensive care medicine due to climate change and global warming Abstract Background. In the last five decades a continuous increase in the average global temperature has been recorded. Furthermore, natural disasters (e.g. heat waves, severe storms, floods and large forest fires) are becoming more frequent. The impact of global warming and climate change on health involves an increase in respiratory, cardiovascular, renal and cognitive mental diseases. Furthermore, a change in the frequency and patterns of infectious diseases can also be observed in Europe. Material and methods. This article presents the most important studies that investigated diseases associated with the climate change, with special reference to those that represent a challenge for intensive care medicine. Results. Currently available epidemiological data and statistical extrapolations indicate that diseases resulting from the climate change (acute infection-related respiratory and intestinal diseases, exacerbation of preexisting pulmonary lesions, heat-related dehydration, cerebral insults and myocardial infarction) are relevant for intensive care medicine. Particular emphasis is placed on a significant increase in acute kidney damage during heat waves. A previously unknown pattern of infectious diseases necessitates new knowledge and targeted management. In some studies, persisting mental impairments were registered during heat waves and natural disasters, e.g. posttraumatic stress disorder. Conclusion. Intensive care medicine must be prepared for the challenges due to global warming and climate change. Slow but continuous changes (e.g. rise in temperature) as well as acute changes (e.g. heat waves and natural disasters) will induce an increased need for intensive medical care services (e.g. an increase in the need for renal replacement procedures). Intensive care physicians will need to be familiar with the diagnostics and management of diseases associated with the climate change. An initiative of the specialist societies involved would be welcomed. Lung diseases · Cardiovascular diseases · Kidney diseases · Infectious diseases · Mental health dar. Hier hat sich der Begriff "heat-stress nephropathy" eingebürgert [14] , dessen Spektrum von passagerer Einschränkung der Nierenfunktion bis zum akuten Nierenversagen reicht. So wurde in Zentralamerika jüngst eine Epidemie von Nierenerkrankungen beschrieben, die zunächst unerklärlich war. Bei näherer Analyse zeigte sich, dass ausschließlich Patienten mit hitzebedingter Dehydratati-on betroffen waren [15] . Ähnliche Daten wurden aus den Vereinigten Staaten (California Central Valley) sowie aus Indien und Sri Lanka gemeldet; dort kam es zu einem Versorgungsengpass von Dialysegeräten (zusammengefasst in [14] ). Für Europa liegen bisher keine belastbaren Daten vor, es ist allerdings davon auszugehen, dass bei extremen, aber nicht mehr ungewöhnlichen Hitzewellen auch hier mit einer erhöhten Rate von Nierenversagen zu rechnen ist [16] . Für die Intensivmedizin ist die Schlussfolgerung zu ziehen, dass auch in Deutschland mit einem saisonal bedingten höheren "Ad-hoc"-Bedarf an Dialyse-und/oder Hämofiltrationsgeräten sowie den erforderlichen Behandlungsmöglichkeiten zu rechnen ist. [22] . Mittlerweile wird etwa ein Drittel der Salmonellosen in England, Polen, Tschechien, der Schweiz und den Niederlanden dem Klimawandel zugesprochen [23] . In einer kürzlich erschienenen Metaanalyse wurden die bisher veröffentlichten Studien zum Zusammenhang zwischen extremen Wetterverhältnissen und psychischer Belastung von Menschen in Entwicklungsländern untersucht [24] . Es fanden sich -je nach Studie und Untersuchungsland -posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) mit einer Inzidenz von 0,7 bis 52,6 %, die auf extreme Wetterbedingungen (Naturkatastrophen, Hitzewellen) zurückzuführen waren. Nach dem Hurrikan Sandy, der 2012 über New York hinweg zog, wurde in einer Untersuchung der New Yorker Bevölkerung eine über ein Jahr anhaltende Erhöhung der PTSD-Werte gefunden [25] . Für die Hitzewellen und Naturkatastrophen, die Europa in den letzten Jahren erleben musste, liegen noch keine verlässlichen Daten vor. Es ist zu erwarten, dass auch in Europa psychische und kognitive Beeinträchtigungen im Rahmen des Klimawandels häufiger auftreten und damit zu einer höheren Inanspruchnahme (intensiv-) medizinischer Leistungen führen werden. Hrsg) Climate change 2014: mitigation of climate change Zugegriffen: 30 Global climate change and infectious diseases Lungs in a warming world: climate change and respiratory health Bronchoconstrictiontriggeredbybreathing hot humid air in patients with asthma: role of cholinergic reflex Excess mortality and morbidity during the Extreme high temperatures and hospital admissions for respiratory and cardiovascular diseases Global warming and its health impact Climate change impacts on human health over Europe through its effect on air quality Climate change. A global threat to cardiopulmonary health Environment, global climate change, and cardiopulmonary health Projection of temperature-related myocardial infarction in Augsburg The impact of heat waves on mortality in 9 European cities: results from the EuroHEAT project Climate change and the emergent epidemic of CKD from heat stress in rural communities: the case for heat stress nephropathy CKDofunknownorigininCentralAmerica: thecase for a Mesoamerican nephropathy A new era of climate medicine-Addressing heat-triggered renal disease Climate change and infectious diseases: What can we expect? The continued rise of Lyme disease in Ontario Virulence profiles of Vibrio vulnificus in German coastal waters, a comparison of North Sea and Baltic Sea isolates Migrant crisis in Europe: implications for intensive care specialists The effect of temperature on food poisoning: a time-series analysis of salmonellosisintenEuropeancountries Climate change and infectious diseases in Europe Extreme weather events in developing countries and related injuries and mental health disorders-A systematic review Longitudinal impact of hurricane Sandy exposure on mental health symptoms Ambient temperature and added heat wave effects on hospitalizations in California from 1999 to The sentinel event of climate change: Hurricane Sandy and its consequences for pulmonary and critical care medicine Prioritizing health in a changing climate Climate change threatens the achievement of effective universal healthcare International Forum of Acute Care Trialists. Access to urban acute care services in high-vs. middle-income countries: an analysis of seven cities