key: cord-0009456-nkr9g0cu authors: Doberentz, E.; Kuchelmeister, K.; Drexler, F.; Goeke, F.; Madea, B. title: Hirnstammenzephalitis eines 8-jährigen Mädchens: Seltene Todesursache date: 2012-05-10 journal: Rechtsmedizin (Berl) DOI: 10.1007/s00194-012-0823-z sha: f45649fdb2ef380317f45dbe9821f2885dbfa1fc doc_id: 9456 cord_uid: nkr9g0cu Encephalitis is often caused by viral infections and can affect various brain regions. The clinical symptoms are highly variable. Oligosymptomatic cerebral infections may remain undetected but there are also cases with very severe symptoms (e.g. paralysis, convulsions). This article presents the case of an 8-year-old girl who suffered from headaches and vomiting for several days following a harmless fall with impact on the back of the head. The health condition decreased rapidly and 7 days after the fall the girl was presented to a children’s hospital. After a further foudroyant course of the disease the girl was hospitalized 2 days later. Resuscitation became necessary due to convulsions and pulmonary obstruction. Cranial computed tomography (cCT) revealed temporal hypodense areas and local edema. Cardiac echocardiography revealed a decreased left ventricular pump function so that encephalitis and myocarditis were suspected. Despite antiviral and antibiotic therapy the girl died 4 days after admission due to intravital brain death and multiorgan failure. This cause of death was confirmed by forensic autopsy. The fall had not led to any intracranial injury and predisposing diseases were not found. Histological examination revealed necrotizing brainstem encephalitis. Zwischen dem 5. und 10. Lebensjahr zählen entsprechend der Todesursachenstatistik bösartige Neubildungen (27,2%), äußere, traumatische Ursachen (23,1%), angeborene Fehlbildungen (10,5%) und Erkrankungen des Nervensystems (10,2%) zu den häufigsten Todesursachen [17] . Entzündlich-zerebrale Erkrankungen sind mit einem Anteil von nur 0,9% an den Gesamttodesursachen selten. Enzephalitiden werden in erregerbedingte Formen (Viren, Bakterien, Pilze, Parasiten) und nichterregerbedingte Formen (z. B. im Rahmen von Systemerkrankungen, para-oder postinfektiöse Entzündungen als Reaktion auf vorhandene oder abgelaufene Virusinfektionen) unterteilt und können alle Hirnregionen betreffen [13] . In der Herzmuskulatur des linken Ventrikels waren Ansammlungen roter Blutkörperchen sowie ein Gewebsödem mit aufgehobener Anfärbbarkeit der Herzmuskelzellen und beginnender Infiltration von Entzündungzellen nachweisbar (. Abb. 3). Ein immunhistochemischer und ein virologischer Erregernachweis gelangen nicht. Bei der histologischen Untersuchung der Lungen zeigten sich diese blutgestaut mit interstitiellem Ödem, breiten Alveolarsepten und hyalinen Membranen in den Alveolen, im Sinne von Schocklungen ("acute respiratory distress syndrome", ARDS). Die Leber war blutgestaut und wies läppchenzentrale Leberzellnekrosen im Sinne einer Schockleber auf. Das Großhirn wies ein schweres Hirnödem mit abgeplatteten Gyri, verstrichenen Sulci und einem schlitzförmig eingeengten Ventrikelsystem auf und zeigte auf den Schnittflächen eine verstärkte Gefäßzeichnung. Histologisch stellte sich das Bild frischerer hypoxisch-ischämischer Veränderungen mit eosinophilen Ganglienzellnekrosen und spongiös-ödematöser Gewebsauflockerung dar. Es fanden sich fokale intravasale Leukozytennekrosen und perivasale Leukozytenextravasate (teils CD45-und CD68-positiv) ohne typisches Bild einer Enzephalitis. Weiterhin fanden sich eine kleine subkortikale Blutung links temporolateral und ein kleiner hämorrhagischer Erweichungsherd mit livider Verfärbung links temporookzipitobasal, die sich histologisch jeweils als frische Blutungen ohne ausgeprägte entzündliche Veränderungen erwiesen. Rechts frontobasal stellten sich wenige Entzündungsinfiltrate (CD45-positiv, CD3-positive T-Lymphozyten und CD20 positive B-Lymphozyten) dar, und auch rechts temporookzipital sowie in einem umschriebenen rechtsseitigen Areal der Stammganglien lagen spärliche perivasale Entzündungszellen vor. Im Bereich des medullospinalen Übergangs stellten sich insbesondere perivasal, teilweise intramural, aber auch diffus und herdförmig verteilte CD45-positive Entzündungsinfiltrate dar, die sich überwiegend als CD3-positive T-Zellen (selten auch CD8-positiv) und selten als CD20positive B-Zellen erwiesen. Weiter lagen eine spongiös-ödematöse Auflockerung des Gewebes und örtliche Mikronekrosen vor. In der Medulla oblongata u. a. im Bereich des Bodens des 4. Ventrikels fanden sich besonders perivasal und intramural gelegene mononukleäre Entzündungsinfiltrate (CD3-und teilweise CD8-positive T-Zellen, CD20-positive B-Zellen und CD68-positive Monozyten), multiple Mikrogliaknötchen und in Resorption stehende Mikronekrosen (. Abb. 4, 5) . Perivasal akzentuierte Entzündungszellinfitrate und Mikrogliaknötchen zeigten sich auch in der Brücke (. Abb. 6) und im Mittelhirn, und es lagen mehrere Nekroseherde im Stadium der frühen Zusammenfassung · Abstract Encephalitis is often caused by viral infections and can affect various brain regions. The clinical symptoms are highly variable. Oligosymptomatic cerebral infections may remain undetected but there are also cases with very severe symptoms (e.g. paralysis, convulsions). This article presents the case of an 8-year-old girl who suffered from headaches and vomiting for several days following a harmless fall with impact on the back of the head. The health condition decreased rapidly and 7 days after the fall the girl was presented to a children's hospital. After a further foudroyant course of the disease the girl was hospitalized 2 days later. Resuscitation became necessary due to convulsions and pulmonary obstruction. Cranial computed tomography (cCT) revealed temporal hypodense areas and local edema. Cardiac echocardiography revealed a decreased left ventricular pump function so that encephalitis and myocarditis were suspected. Despite antiviral and antibiotic therapy the girl died 4 days after admission due to intravital brain death and multiorgan failure. This cause of death was confirmed by forensic autopsy. The fall had not led to any intracranial injury and predisposing diseases were not found. Histological examination revealed necrotizing brainstem encephalitis. Resorption sowie eine spongiös-ödematöse Auflockerung des Gewebes mit generalisierter Mikrogliaaktivierung und reaktiver Astrogliose vor. Im Kleinhirn fanden sich hypoxischischämische Veränderungen und vereinzelte leptomeningeale Entzündungszellinfiltrate, ohne dass jedoch ausgeprägte intraparenchymatöse entzündliche Infiltrate nachzuweisen waren. Im vorgestellten Fall ist am ehesten von einer zufälligen zeitlichen Assoziation des Auftretens einer Enzephalitis und eines banalen Sturzgeschehens auszugehen. Im Hinblick auf die Anamnese und die erhobenen Befunde (vorbestehend gesundes 8-jähriges Mädchen) hat es sich hierbei um ein eher unerhebliches Trauma gehandelt, das weder zu kranialen noch zu intrakranialen Verletzungen geführt hatte. Im Rahmen der neuropathologischen Untersuchung des Gehirns ergaben sich keine Anhaltspunkte für prädisponierende, vorbestehende komplikationsträchtige Veränderungen, z. B. Aneurysmen der Hirnarterien, die bei Kindern nur sehr selten vorkommen [5, 9] . Traumatische Aneurysmen sollen zwar 20% aller Aneurysmen bei Kindern ausmachen, gehen aber in der Regel mit weiteren Verletzungen, z. B. Schädelbasisbrüchen, einher [8] . Ausmaß der klinischen Symptomatik und Grad der neurologischen Defizite bei Enzephalitiden sind variabel und von der Lokalisation der infizierten Hirnareale abhängig [16] . Hochakute Meningoenzephalitiden können innerhalb weniger Stunden oder Tage ein klinisches Vollbild entwickeln, wie z. B. bei einer HSV-Enzephalitis oder Listeriose des Zentralnervensystems (ZNS; [13] ). Hierbei treten Fieber, Kopfschmerzen, Bewusstseins-und Vigilanzstörungen, Sprachstörungen und neurologische Defizite auf. Vor allem bei Kindern, immunsupprimierten oder alten Menschen sind fulminante und komplikationsträchtige Verläufe zu beobachten [13] . Bei seltenem Befall des Hirnstamms kann es, wie im vorgestellten Fall, zu einer Beteiligung der Herz-Kreislauf-und Atemregulationszentren kommen [13] . Nur 5 Tage nach Auftreten der ersten unspezifischen Symptome Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen, die klinisch Abb. 4 9 Dorsaler Anteil der Medulla oblongata mit perivasalen und intramuralen mononukleären Entzündungszellinfiltraten am Boden des 4. Ventrikels. (HE, Vergr. 100:1) Abb. 5 [7, 10, 14, 16] . Erregerbedingte Enzephalitiden sind häufig viral bedingt und entstehen v. a. im Rahmen systemischer Infektionen durch hämatogene Streuung. Zu den häufigsten Viren, die Enzephalitiden und insbesondere auch Meningitiden hervorrufen können, zählen HSV, Retroviren, CMV, Adenoviren, Influ-enzaviren, EBV, Frühsommer-Meningoenzephalitis(FSME)-Viren und "Human-immunodeficiency"(HI)-Viren [13, 16] . Erregerbedingte Hirnstammenzephalitiden, die unbehandelt eine Mortalitätsrate von 40-70% aufweisen [10, 14] , werden jedoch am häufigsten von Listerien verursacht [11] , v. a. bei Kindern, immunsupprimierten oder älteren Patienten [12] . Die neurologische Symptomatik setzt nach wenigen Tagen unspezifischer Prodromi wie Fieber, Unwohlsein, Kopfschmerz, Übelkeit und Erbrechen abrupt ein und verläuft oft letal [3] . Am zweithäufigsten werden sie durch Enterovirus-71-Infektionen ausgelöst, gefolgt von Infektionen mit dem HSV, wobei wiederum 80% durch das HSV 1 und 20% durch das HSV 2 [14, 15, 18] verursacht werden [11] . Herpes-simplex-Virus-Enzephalitiden sind insgesamt selten und haben eine Prävalenz von 1/250.000-1/500.000 pro Jahr; hierbei machen Kinder und Jugendliche etwa ein Drittel der Fälle aus [7] . Herpes-simplex-Viren können in seltenen Fällen isolierte Hirnstammentzündungen hervorrufen [10, 14, 15] . Ein am Tag der Klinikaufnahme (Tag 10) durchgeführtes CT zeigte temporoparietal einige hypodense Areale, was aufgrund der Lokalisation und des akuten Verlaufs als Hinweis auf eine HSV-Infektion gedeutet werden könnte. In den cCT fanden sich Veränderungen der Großhirnhemisphären; für den Hirnstamm wurden keine pathologischen Befunde beschrieben. Histologisch und immunhistologisch waren aber nur minimale entzünd-liche Infiltrate in den Großhirnhemisphären nachweisbar. Sowohl prämortale mikrobiologische und immunologische Untersuchungen als auch umfangreiche postmortale molekularvirologische, histologische bzw. immunhistochemische Untersuchungen (. Tab. 1) erbrachten keinen Virusnachweis. Hierbei ist zum einen zu berücksichtigen, dass das Kind in der Klinik schon medikamentös antiviral (und antibiotisch) behandelt worden war und die Keimzahl hierdurch reduziert gewesen sein kann. Herpes-simplex-Viren sprechen gut auf Aciclovir an [14, 15] . Eine nur geringe Keimzahl weisen z. B. typischerweise bakterielle Listerieninfektionen auf, die wiederum auch Hirnstammenzephalitiden hervorrufen können und nach Jubelt et al. [11] die häufigste Ursache infektiöser Rhombenzephalitiden darstellen. Aufgrund der in der Regel geringen Zahl der Erreger ist der Nachweis schwierig oder nicht möglich [4] . Zum anderen stand für die molekularvirologische Untersuchung kein natives, sondern nur formalinfixiertes Hirngewebe zur Verfügung. Die proteindenaturierende Wirkung des Formaldehyds könnte ein negatives Ergebnis erklären. Die histologisch-festgestellte Myokarditis käme grundsätzlich auch als Ursprung einer akuten Hirnstammenzephalitis in Betracht. Zusammenfassend ist die Ursache der Hirnstammenzephalitis nicht zu klären gewesen. Zerebrale Infektionen bei Kindern sind selten. Erregerbedingte Hirnstammenzephalitiden werden am häufigsten durch Listerien verursacht, deren Nachweis schwierig sein kann. Die Diagnostik einer Enzephalitis kann v. a. bei unspezifischer, vieldeutiger Symptomatik und bei Auftreten aus scheinbar völliger Gesundheit erschwert sein. Die Obduktion ist insbesondere bei klinisch unklar gebliebener Ursache einer Enzephalitis unerlässlich. Für den Versuch eines postmortalen Erregernachweises ist die Aufarbeitung von nativem Hirngewebe erforderlich. Ein negativer Erregernachweis spricht jedoch nicht gegen das Vorliegen einer erregerbedingten Enzephalitis. Brainstem encephalitis and the syndrome of Miller Fisher. A clinical study Herpes simplex type 1 encephalitis restricted to the brainstem in a pediatric patient Dolin R (Hrsg) Principles and practice of infectious diseases, 6 Aufl Hirnstammenzephalitis durch Listerien Zerebrales Aneurysma bei einem 10-jährigen Mädchen Herpes simplex brainstem encephalitis with a relapsing course A 12-year prospective study of childhood herpes simplex enzephalitis: is there a broader spectrum of disease? Pädiatrische Neuroradiologie Intracranial aneurysms in the pediatric population: case series and literature review Herpes simplex virus infection limited to the brainstem Rhombencephalitis/brainstem encephalitis Listerial rhombencephalitis in an immunocompetent young adult Hirnstammentzündungen Brainstem encephalitis: an unusual presentation of herpes simplex infection Symmetrical brainstem encephalitis caused by herpes simplex virus Statistisches Bundesamt (2010) Gesundheit. Todesursachen in Brain stem encephalitis caused by primary herpes simplex 2 infection in a young woman