key: cord-0006883-lha92x4c authors: Kramer, L. title: Indikationen und Komplikationen der Plasmapherese im Rahmen der Intensivmedizin date: 1998 journal: Intensivmed Notfallmed DOI: 10.1007/s003900050159 sha: b55a516c99e48ff6f25060a6941c54d77733d611 doc_id: 6883 cord_uid: lha92x4c The last two decades have seen a marked change in the role of plasmapheresis in the intensive care unit (ICU). Initially regarded as highly effective in treating virtually any immunological disease, insights in pathophysiology and results from controlled trials have left only a few indications validated. To date, plasmapheresis is indicated for acute treatment of severe immunological disorders either unresponsive to immunosuppression or requiring large volumes of human plasma for therapy. In the future, more specific and less cumbersome methods of immunosuppression and immunomodulation might further limit indications of plasmapheresis. In this review, current indications and side-effects of plasmapheresis in the ICU setting are summarized. L. Kramer only a few indications validated. To date, plasmapheresis is indicated for acute treatment of severe immunological disorders either unresponsive to immunosuppression or requiring large volumes of human plasma for therapy. In the future, more specific and less cumbersome methods of immunosuppression and immunomodulation might further limit indications of plasmapheresis. In this review, current indications and side-effects of plasmapheresis in the ICU setting are summarized. Zusammenfassung Die Rolle der Plasmapherese in der Intensivmedizin hat sich gewandelt. Nach einer initial unkritischen Verwendung als "moderner Aderlaß" zur Behandlung vieler akuter immunologischer Erkrankungen wurde das Indikations-spektrum im Verlauf der letzten zwei Dekaden reduziert. Heute gelten nur wenige schwere akute, meist immunologische Erkrankungen als gesicherte Indikation zur Plasmapherese, welche überwiegend als Überbrückung bis zum Wirkungsbeginn immunsuppressiver Medikamente oder zur zusätzlichen Plasmazufuhr eingesetzt wird. Für die Zukunft ist zu erwarten, daß die Plasmapherese durch spezifische und nebenwirkungsarme extrakorporale Methoden sowie durch verbesserte Methoden der Immunsuppression und -modulation weiter zurückgedrängt wird. Der vorliegende Artikel gibt einen Überblick über heutige Indikationen und Komplikationen der Plasmapherese im Rahmen der Intensivmedizin. Berücksichtigt man, daß die Plasmapherese relativ häufig zu Komplikationen führt [4] und daß etliche immunologische Indikationen mit moderneren Verfahren wie der Immunadsorption (Bindung von IgG an Adsorptionssäulen), Immunsuppressiva, Infusion von Immunglobulinen oder in Zukunft möglicherweise durch spezifische Immuntherapie effizienter und nebenwirkungsärmer behandelt werden können [5] , stellt die Vermeidung überflüssiger oder durch spezifische Methoden zu ersetzender Behandlungen die wichtigste Prophylaxe von Komplikationen dar. Häufigstes Ziel der Plasmapherese ist die Entfernung hochmolekularer Substrate wie Immunglobuline (IgG, IgM), Immunkomplexe und proteingebundener Toxine aus dem Plasma [6] (Tabelle 1). Die Porengröße der verwendeten Membranen liegt zwischen 0,2 und 0,6 µm, entsprechend einer molekularen Ausschlußgröße von ca. 3×10 6 D [6] . Im Plasma gelöste Proteine werden unselektiv entfernt, was ein Absinken des kolloidosmotischen Drucks bewirkt und eine Kolloidsubstitution notwendig macht. Genaugenommen sollte zwischen Plasmapherese (Austausch von Plasma gegen Albumin oder andere Kolloide) und therapeutischem Plasmaaustausch (Austausch gegen Plasma) stets unterschieden werden. Je höher der im Plasma zirkulierende Anteil einer Substanz ist, um so effizienter ist die einzelne Plasmapherese hinsichtlich ihrer Entfernung. Da aber z. B. IgG durch eine einmalige Plasmapherese des gesamten Plasmavolumens lediglich auf ca. 37% des Ausgangswertes absinken [4] und durch Rückverteilung und Neusynthese bereits nach 24 h auf fast 70% des Ausgangswert ansteigen, sind in der Regel mehrere engmaschige und möglichst großvolumige Plasmaaustauschbehandlungen in Kombination mit Immunsuppression nötig. Die Effizienz der Immunapherese unter Verwendung von Anti-human-IgG-Säulen ist mit 80 -90% IgG-Entfernung wesentlich höher [7] . Neben der Entfernung von humoralen Substanzen wird auch eine unspezifische Verbesserung der Funktion des reticuloendothelialen Systems (RES) angestrebt [8] . Dieser wird mit einer "Entlastung" des RES durch die extrakorporale Entfernung von Immunglobulinen und Immunkomplexen erklärt. Bei einigen Indikationen beruht der empirische Behandlungserfolg nicht nur auf Entfernung, sondern auch auf der Zufuhr von Plasmafaktoren. Hier handelt es sich v. a. um die thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (Moschkowitz) und um die fulminante Meningokokkensepsis [9, 10] . In dieser neuen Indikation wird vor herzchirurgischen Eingriffen thrombozytenreiches Plasma durch eine Plasmapherese entnommen und nach Abgehen vom kardiopulmonalen Bypass reinfundiert [11] . Spezifische Indikationen der Plasmapherese: Renale Erkrankungen, häufig in Form renaler Beteiligung bei Systemerkrankungen, stellen die häufigste Indikation zum Einsatz der Plasmapherese dar. Für diese Indikationsgruppe sind auch Anzahl und Qualität kontrollierter Studien am höchsten. Unter diesem klinischen Syndrom werden ätiologisch unterschiedliche akute Glomerulonephritiden zusammengefaßt. Die gemeinsame klinische Endstrecke sind eine akute Verschlechterung der Nierenfunktion meist über wenige Tage bis Wochen und histologische Zeichen einer nekrotisierenden Glomerulonephritis, mit Halbmondbildung und meist extrakapillärer Proliferation [3, 12] . Die Intensität der Plasmapherese scheint mit der klinischen Wirkung zu korrelieren, weshalb tägliche Behandlungen mit Austausch des gesamten Plasmavolumens (beim Erwachsenen ca. 5% des Körpergewichts) empfohlen werden [3] . -Pauci-immune RPGN: Dies ist die häufigste Form renaler Beteiligung bei Wegener'scher Granulomatose, Panarteritis nodosa, systemischer Vasculitis oder mi- [12] . Tägliche oder zumindest 4 Behandlungen pro Woche sollten angestrebt werden. -Antibasalmembran-Antikörper-RPGN: Antibasalmembran-Antikörper sind pathogen und auch im Tiermodell nephrotoxisch. Durch Einführung von Plasmapherese und Immunsuppression in den späten 70er Jahren konnte die Überlebensrate dieser bislang meist fatalen Erkrankung dramatisch verbessert werden [12] . Acht bisherige Arbeiten, darunter eine kontrollierte Studie ergaben, daß tägliche Plasmapheresen für 14 Tage in Kombination mit konventioneller Immunsuppression die Inzidenz terminaler Niereninsuffizienz, vor allem bei frühzeitigem Beginn (Kreatinin < 6.8 mg/dl), deutlich reduzieren kann [12] . Bei bereits länger manifestem oligurischem Nierenversagen ist die Plasmapherese meist wirkungslos hinsichtlich renaler Verbesserung und sollte auf pulmonale Blutungen beschränkt werden. -Fokal-nekrotisierende GN ohne Basalmembran-AK: Plasmapherese erbrachte zusätzlich zur immunsuppressiven Therapie (Prednisolon, Cyclophosphamid, Azathioprin) einen mäßigen aber signifikanten renalen Benefit gegenüber alleiniger Immunsuppression [13] . Obwohl unkontrollierte Studien und Einzelfälle eine günstige Wirkung der Entfernung von Immunkomplexen nahelegen, bieten kontrollierte Studien keinen Anhaltspunkt für eine Rolle der Plasmapherese bei Lupus-Nephritis [14] . Die noch nicht im Detail publizierte multizentrische Lupus Plasmapheresis Study Group (LPSG) -Studie erbrachte keinen Unterschied in Mortalität und Nierenfunktion zwischen Immunsuppression alleine und zusätzlicher Plasmapherese bei SLE [15, 16] . Die Indikationen zur Plasmapherese dürften sich daher auf schwere fulminante Nephritis, cerebrale Vasculitis, pulmonale Blutungen und TTP (s. u.) beschränken [12, 17] . Zwar können Dauer und Schweregrad eines akuten Nierenversagens durch Entfernung von Leichtkettenproteinen mittels Plasmapherese reduziert werden, dies erscheint allerdings gegenüber dem Ansprechverhalten auf Chemotherapie von nur unwesentlicher prognostischer Bedeutung [18] . Über prophylaktische Plasmapherese liegen nicht genügend Daten vor [19] . [6] . Abstoßung nach Nierentransplantation: Die Indikation zur Plasmapherese wird kontrovers beurteilt. Lediglich für akute vaskuläre Abstoßungen scheint eine gewisse Wirksamkeit belegt [37] . Die meisten kontrollierten Studien sprechen jedoch gegen den Einsatz der Plasmapherese bei akuter und chronischer Abstoßungsreaktionen [3] . Die Entfernung des meist zuvor infundierten Antithymocytenglobulins erscheint auch ökonomisch fragwürdig. Anti-HLA-Antikörper bei Transplantationskandidaten: Die Entfernung von polyreaktiven Antikörpern vor Nierentransplantation ist eine prinzipiell vielversprechende Indikation [38, 39] . Allerdings liegen noch keine eindeutigen kontrollierten Daten vor und zumindest eine Studie berichtet über eine erhöhte Inzidenz schwerer Infektionen [40] . Präoperative Plasmapherese in der Thoraxchirurgie: In dieser Indikation wird vor kardiochirurgischen Eingriffen thrombozytenreiches Plasma in einer Plasmapherese entnommen und postoperativ reinfundiert. Zwei kontrollierte Studien berichten über eine Reduktion des Transfusionsbedarfs, eine offensichtlich verbesserte Toleranz des kardiopulmonalen Bypass und eine Reduktion der Mediastinaldrain-Sekretion sowie des Transfusionsbedarfs an Erythrocyten und FFP [11, 14] . Herztrans-plantation bei positivem cross-match: In einer retrospektiven Analyse betrug die 2-Jahresüberlebensrate in der Plasmapheresegruppe 75%, in der Immunsuppressionsgruppe 33% [42] . Weitere nicht gesicherte Indikationen sind: Pruritus bei cholestatischen Lebererkrankungen, neonatale Hämolyse (IgM), systemischer Lupus erythematodes [16] , Entfernung von anti-β 1 -Rezeptor-Antikörpern zur hämodynamischen Verbesserung bei dilatativer Cardiomyopathie [43] , fulminante akute disseminierte Encephalomyelitis [44] , und akutes Leberversagen mit Encephalopathie [45] und Koagulopathie, wo ein reduzierter Transfusionsbedarf während Lebertransplantation erreicht wurde [46] . Die Gesamt-Komplikationsrate der Plasmapherese liegt zwischen 1,6 und 25% [2, 3] . Schwere Komplikationen treten in 0,5 -3%, letale Zwischenfälle bei 0,05 -0,1% auf [5, 47] . Die am häufigsten genannten Komplikationen betreffen den Gefäßzugang und Nebenwirkungen des Substituats [2] . 3 15 mmol/l GEW 55 g/l Albumin 30 g/l Cholesterin 171 mg/dl pH 5,0 Plasma removal with return of corpuscles Plasmapheresis: Technique and complications Therapeutic plasma exchange in renal disease Complications of therapeutic plasma exchange: A recent assessment Plasmapheresis Plasmapherese bei Autoimmunerkrankungen Reversal of impaired splenic function in patients with nephritis or vasculitis (or both) by plasma exchange Comparison of plasma exchange with plasma infusion in the treatment of thrombotic thrombocytopenic purpura. Canadia Apheresis Study Group Treatment of purpura fulminans in meningococcemia with protein C concentrate The influence of acute preoperative plasmapheresis on coagulation tests, fibrinolysis, blood loss and transfusion requirements in cardiac surgery Stil a role for plasma exchange in rapidly progressive glomerulonephritis? Plasma exchange in focal necrotizing glomerulonephritis without anti-GBM antibodies A controlled trial of plasmapheresis therapy in severe lupus nephritis. The Lupus Nephritis Collaborative Study Group Plasmapherese bei Autoimmunerkrankungen The Lupus Plasmapheresis Study Group: Rationale and updated interim report The course and treatment of lupus nephritis Management of myeloma kidney: An anti-light-chain-approach Renal insufficiency in multiple myeloma: basic mechanisms in its development and methods for treatment Plasmapheresis in the treatment of essential mixed cryoglobulinemia nephropathy. Longterm follow up Cryoglobulinemic glomerulonephritis: A membranoproliferative glomerulonephritis induced by hepatitis C virus Improved survival in thrombotic thrombocytopenic purpura -hemolytic uremic syndrome Hyperviscosity syndrome: Efficacy and comparison of plasma exchange by plasma separation and cascade filtration in patients with immunocytoma of Waldenstrom's type Immunotherapy in neuromuscular disorders: Current and future strategies Clinical trial of plasma exchange and high-dose intravenous immunoglobulin in myasthenia gravis. Myasthenia Gravis Clinical Study Group National Institutes of Health: Consensus development conference statement: The utility of therapeutic plasmapheresis for neurological disorders Plasmapheresis and Guillain-Barré-syndrome: Analysis of prognostic factors and the effect of plasmapheresis French Cooperative group in plasma exchange in Guillain Barré Syndrome. Efficacy of plasma exchange in Guillain Barré syndrome: role of replacement fluids Dutch Guillain-Barré-Syndrom Study group (1992) A randomized trial comparing intravenous immune globuline and plasma exchange in Guillain-Barré-Syndrom The Plasma exchange/Sandoglobulin Guillain-Barré Syndrome Trial group. Randomised trial of plasma exchange, intravenous immunoglobulin, and combined treatments in Guillain-Barré-Syndrome Chronic inflammatory demyelinating polyneuropathy: conduction failure before and during immunoglobulin or plasma therapy Chronic inflammatory demyelinating polyradiculopathy Plasmapheresis for meningocoocemia with disseminated intravascular coagulation Use of protein-C concentrate, heparin, and haemodiafiltration in meningococcus-induced purpura fulminans Plasmapheresis in the therapy of septic disease Treatment of severe hyperlipidemia: Six years' experience with low-density lipoprotein apheresis Effects of plasmapheresis in renal transplantation. A controlled study Removal of anti-HLA antibodies prior to transplantation: An effective and successful strategy for highly sensitized renal allograft recipients Plasmapheresis in HLA-immunosensitized patients prior to kidney transplantation Ten years experience with plasma exchange in renal transplantation Intraoperative plasmapheresis in cardiac surgery Outcome of cardiac transplant recipients with a positive donor-specific crossmatch -Preliminary results with plasmapheresis Short-term hemodynamic effects of immunoadsorption in dilated cardiomyopathy Plasmapheresis in fulminant acute disseminated encephalomyelitis Plasma exchange in patients with fulminant hepatic failure Präoperativer Plasmaaustausch zur Therapie plasmatischer Gerinnungsstörungen vor Lebertransplantation Long-term plasma exchange. Analysis of indications, outcome and side effects Probleme des geeigneten Gefäßzuganges bei der Anwendung von Nierenersatzverfahren bei akutem Nierenversagen Complications and side effects associated with large-bore catheters in the subclavian and internal jugular veins The role of sonography in the placement and management of jugular and subclavian central venous catheters The Lancet (1982) Hazards of apheresis (editorial) Replacement fluids in plasmapheresis: Cross-over comparative study Fatal myocardial depression and circulatory collapse associated with complement activation induced by plasma infusion in severe porcine sepsis Complement activation and adult respiratory distress syndrome during intermittent flow apheresis procedure Infectious complications with plasmapheresis in rapidly progressive glomerulonephritis Intensive plasma exchange on the cell separator: Effects on serum immunoglobulins and complement components Potential danger of thrombosis after plasma exchange in the treatment of patients with immune disease Composition of fresh frozen plasma Die wichtigste Komplikation ist die Toxizität des Na-Citrat, welches Hyperkalziämie, Arrhythmien und metabolische Alkalose auslösen kann [51] . Regelmäßiges Monitoring des ionisierten Calciums und prophylaktische Calciuminfusionen werden generell empfohlen, zumal Todesfälle durch Arrhythmien dokumentiert sind [51] . Die Notwendigkeit einer Antikoagulation und die zusätzliche gerinnungshemmende Nebenwirkung verschiedener Substituate kann gelegentlich die Blutungsneigung verstärken. Hauptsächliche Komplikationen der Antikoagulation unter Plasmapherese sind Blutungen an Einstichstellen, im Gastrointestinaltrakt, Lunge, ZNS, Retroperitoneum und Perikard. Diesbezüglich sind Patienten mit TTP besonders gefährdet. Gegenüber Immunsuppression ist die Rate an Infektionen in einigen Studien unter Plasmapherese vermehrt [40, 55] . Dies könnte neben Katheter-assoziierten Infektionen auf die Entfernung von Immunglobulinen und Komplement zurückgeführt werden [56, 57] . Jedenfalls sollte vor Beginn eines Plasmapheresezyklus jede Infektion sicher ausgeschlossen oder zumindest weitgehend antibiotisch therapiert werden. Vielfach wird auch eine Substitution von IgG nach Abschluß der Plasmapherese empfohlen, was aber nicht prospektiv abgesichert ist [2] . Fälle von klinisch relevanten Thrombosen nach Plasmapherese wurden v. a. durch Entfernung von AT-III aus dem Plasma erklärt [51] , die Rate an signifikanten Blutungen infolge eines Faktorenmangels ist hingegen gering [2] .