key: cord-0006644-qfhd6fy1 authors: Koch, A.; Trautwein, C.; Tacke, F. title: Akutes Leberversagen date: 2017-11-02 journal: Gastroenterologe DOI: 10.1007/s11377-017-0214-9 sha: 869f504608379721f74297df0b928389a54c477a doc_id: 6644 cord_uid: qfhd6fy1 Acute liver failure (ALF) is a rare, but life-threatening disease that is characterized by the acute onset of jaundice, coagulopathy, and hepatic encephalopathy (HE) in patients without pre-existing liver disease. Main causes in Germany are drug toxicity, acetaminophen overdose, and viral hepatitis (A, B, E). For the initial assessment of patients with ALF and the diagnostic algorithm, the early detection of HE, exclusion of liver cirrhosis, immediate diagnosis of the underlying etiology, and evaluation for the necessity of liver transplantation (LT) are critical. Intensive care therapeutic measures aim at preventing or treating complications of ALF. Potentially, plasmapheresis (full plasma exchange) offers a survival benefit for ALF patients who do not undergo LT. The King’s College criteria and the Clichy criteria are used as prognostic tools for the indication for LT. ). Der in der Definition des akuten Leberversagens geforderte Ausschluss einer zugrunde liegenden chronischen Lebererkrankung dient dazu, das Krankheitsbild von Endstadien chronischer Lebererkrankungen (Zirrhose), ihren akuten Dekompensationen oder Organversagen bei terminaler Lebererkrankung ("acute-on-chronic liver failure") abzugrenzen. Demgegenüber können sich die Autoimmunhepatitis, der Morbus Wilson (Kupferspeicherkrankheit) oder das Budd-Chiari-Syndrom (Lebervenenverschluss) als akutes Leberversagen manifestieren [3] . Prinzipiell ist das akute Leberversagen eine seltene Erkrankung. In Deutschland treten jährlich schätzungsweise 200-500 Fälle eines akuten Leberversagens auf [1] . In einer multizentrischen retrospektiven Erhebung deutscher Transplantationszentren waren nichtparacetamolinduzierte Medikamententoxizität (32 %, u. a. Vitamin-K-Antagonisten oder Antibiotika, z. B. Aminopenicilline), akute Virusinfektionen (21 %) und paracetamolvermittelte Hepatotoxizität (9 %) die führenden Ursachen [5] . In fast einem Viertel aller Fälle ließ sich jedoch keine eindeutige Ursache für das akute Leberversagen feststellen [5] . In Nordamerika und Mitteleuropa dominieren Intoxikationen (hauptsächlich Paracetamol, Antibiotika u. a.) vor viralen Hepatitiden und selteneren Ursachen, in Süd-und Osteuropa sind v. a. akute Virusinfektionen (Hepatitis A, B oder E) Auslöser für das akute Leberversagen [3] . Es ist wichtig anzumerken, dass etwa 20-30 % der erwachsenen deutschen Bevölkerung eine Fettleber aufweisen und dies mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung eines akuten Leberversagens (z. B. nach Paracetamoleinnahme oder Hepatitis-E-Virus-Infektion) einherzugehen scheint [6] . In der Ersteinschätzung von Patienten mit akutem Leberversagen sind folgende Leitfragen wichtig: 4 Wegweisend für die initiale Diagnostik bezüglich möglicher Ursachen des akuten Leberversagens sind die Eigen-und Fremdanamnese des Patienten. . Tab. 3 gibt eine Übersicht über die abzufragenden Themenkomplexe. Die Labordiagnostik bei akutem Leberversagen dient einerseits der Einschätzung der Krankheitsschwere und andererseits der Bestimmung der zugrunde liegenden Ursache. Die Krankheitsschwere ist durch das Ausmaß der Störung der Lebersynthese und -entgiftungsfunktion sowie die Art der Beeinträchtigung weiterer Organsysteme (v. a. Niere, Kreislauf, Lunge, Immunsystem/ Infektabwehr) bedingt. Die Krankheitsschwere muss engmaschig überwacht werden. Dies kann beim hyperakuten Leberversagen beispielsweise Leberwertkontrollen in 8-stündigen Intervallen erforderlich machen. Zur laborchemischen Ursachendiagnostik ist es sinnvoll, in Abhängigkeit von anamnestischen Hinweisen (. Tab. 3) strukturierte Untersuchungen bezüglich Viruserkrankungen, Toxikologie, Autoimmunität oder genetischer Erkrankungen vorzunehmen. . Tab. 4 fasst die wesentliche Labordiagnostik zusammen. Die Labordiagnostik liefert auch wichtige Hinweise auf das Vorliegen einer bestehenden chronischen Lebererkrankung. Häufige hepatologische Krankheitsbilder, wie die chronische Hepatitis C, die nichtalkoholische Fettleberhepatitis, die Hämochromatose (Eisenspeicherkrankheit) oder der α1-Antitrypsin-Mangel präsentieren sich nicht mit dem Bild eines akuten Leberversagens. Neben "klassischen" Laborveränderungen, wie erhöhtes "mean corpuscular volume" (MCV), IgA oder γ-Glutamyl-Transferase (γ-GT), liefern spezifische Tests, wie das carbohydratdefizientes Transferrin (CDT) im Serum oder das Ethylglukoronid (ETG) im Urin Hinweise auf einen relevanten Alkoholmissbrauch (. Tab. 4). Zur Ursachenabklärung gehört auch immer die transabdominelle Ultraschalluntersuchung des Abdomens, inklusive der Beurteilung von Lebergröße, Lebertextur (Verfettung, Zirrhose, Raumforderungen) und Gefäßdurchblutung (Pfortaderfluss, Lebervenenfluss). Aszites kann auch im Rahmen eines akuten Leberversagens auftreten und sollte nicht als "sicheres Zirrhosezeichen" fehlinterpretiert werden. Der Stellenwert der Leberbiopsie in der Diagnostik des akuten Leberversagens ist derzeit umstritten, weil oftmals die Aussagekraft wegen ausgedehnter Leberzellnekrosen eingeschränkt ist und ein erhöhtes Blutungsrisiko aufgrund der Gerinnungskompromittierung Eine Hyponatriämie bei Patienten mit akutem Leberversagen ist mit einem erhöhten Hirndruck assoziiert. In einer kleinen prospektiven randomisierten Studie zeigten Patienten, deren Serumnatrium mittels hypertoner Kochsalzlösung auf Werte zwischen 145-155 mmol/l angehoben wurden, eine geringere Inzidenz von erhöhtem intrakraniellen Druck [12] . Aus der perioperativen Medizin ist allerdings bekannt, dass eine Hypernatriämie (>150 mmol/l) auch Zellschäden verursachen kann. Daher sollte im Management des akuten Leberversagens eine Hyponatriämie vermieden und ggfs. langsam (<10 mmol/l Erhöhung pro 24 h) auf einen Zielbereich von 140-150 mmol/l ausgeglichen werden [13] . In einer weiteren aktuellen prospektiven Arbeit wurden 46 Patienten mit akutem Leberversagen und hochgradiger hepatischer Enzephalopathie hinsichtlich eines protektiven Effekts einer Hypothermie untersucht. Es zeigte sich kein Unterschied bezüglich des intrakraniellen Drucks oder des Überlebens zwischen Patienten, die auf 33-34°C gekühlt wurden, im Vergleich zu 36°C Körpertemperatur [14] . Etablierte Maßnahmen zur Therapie der hochgradigen hepatischen Enzephalopathie beim akuten Leberversagen sind Mannitol (20 %; 150 ml) oder hypertone Kochsalzlösung (2,7 %; 200 ml oder 30 %; 20 ml) über 20 min intravenös sowie die kurzzeitige Hyperventilation [3] . Einige Entitäten des akuten Leberversagens erlauben eine ursachenspezifische Therapie (. Tab. 5). Ein klassisches Beispiel ist die Paracetamolintoxikation, die akzidentell oder suizidal erfolgen kann. Ab einer eingenommenen Menge von 10-12 g ist bei Erwachsenen in der Regel mit einer deutlichen Lebertoxizität zu rechnen. Unter bestimmten Bedingungen, wie gleichzeitiger Alkoholkonsum, Fasten, genetische Polymorphismen, Einnahme von interagierenden Medikamenten oder vorbestehende Lebererkrankung, können aber schon viel niedrigere Paracetamoldosen ein akutes Leberversagen auslösen [4] . N-Acetylcystein (NAC, ACC) stellt intrazellulär Glutathion zur Verfügung, das zur schnellen Detoxifizierung des eigentlichen toxischen Metaboliten (N-Acetyl-p-benzochinonimin, NAPQI) benötigt wird [15] . Die Therapie besteht aus der intravenösen Gabe von NAC in Form eines Reduktionsschemas (NAC: 150 mg/kgKG in 200 ml 5 %ige Glukoselösung für 15 min, danach 50 mg/kgKG in 500 ml über 4 h, gefolgt von 100 mg/kgKG in 1000 ml über 16 h; [16] ). Für die Therapie anderer Ursachen des akuten Leberversagens gibt es wegen der Seltenheit des Krankheitsbilds keine randomisierten Studien, aber retrospektive Auswertungen. So kann durch die frühzeitige antivirale Therapie der hochvirämischen schweren akuten Hepatitis B mit Entecavir oder Tenofovir die Notwendigkeit einer Lebertransplantation vermieden werden [17] . Bei schwangerschaftsassoziiertem akutem Leberversagen ist die rasche Geburtseinleitung notwendig [4] . Die Lebertransplantation ist die definitive Therapie des akuten Leberversagens. In Deutschland werden etwa 10 % aller Lebertransplantationen aufgrund eines akuten Leberversagens durchgeführt [20] . Als Prognosekriterien für die Indikation zur High-urgency-(Notfall-)Lebertransplantation werden die King's-College-Kriterien (paracetamol-und nichtparacetamolbedingtes Leberversagen) und die Clichy-Kriterien (bei Empfängern mit viraler Hepatitis) herangezogen (. Tab. 6; [20] ). Neben der Erfüllung der Prognosekriterien für eine Lebertransplantation ist eine multidisziplinäre Evaluation des Patienten durch ein erfahrenes Team unabdingbar. Hierbei müssen der zu erwartende natürliche Verlauf des akuten Leberversagens, spezifische Risiken der Transplantation und das zu erwartende Langzeitergebnis vor dem Hintergrund patientenspezifischer Charakteristiken, wie Alter, Komorbiditäten und Compliance, sorgfältig gegeneinander abgewogen werden [1, 7, 20] . Derzeit gibt es große Forschungsanstrengungen, um die noch immer kritische Prognose des akuten Leberversagens zu verbessern. Möglicherweise können neue Biomarker oder Prognosescores die Notwendigkeit zur Lebertransplantation besser vorhersagen, um nichtnotwendige Transplantationen oder Todesfälle zu vermeiden und somit die Organallokation zu optimieren [21] . Darüber hinaus könnten neue Therapieansätze, die z. B. überschießende Inflammation oder ungenügende Regeneration beeinflussen, in Zukunft die Prognose dieses Krankheitsbilds entscheidend verbessern [15] . Eine multidisziplinäre Evaluation des Patienten durch ein erfahrenes Team ist unabdingbar CME Fazit für die Praxis Acute liver failure: a lifethreatening disease Acute liver failure Acute liver failure Acute liver failure. Diagnosis and therapy Etiologies and outcomes of acute liver failure in Germany S2k Guideline non-alcoholic fatty liver disease European Association for the Study of the Liver (2016) EASL Clinical Practice Guidelines: liver transplantation Minilaparoscopy guided liver biopsy increases diagnostic accuracy in acute liver failure Intravenous N-acetylcysteine improves transplant-free survival in early stage non-acetaminophen acute liver failure N-acetylcysteine on its way to a broader application in patients with acute liver failure High-volume plasma exchange in patients with acute liver failure: an open randomised controlled trial The effect of hypertonic sodium chloride on intracranial pressure in patients with acute liver failure Predictors and outcome impact of perioperative serum sodium changes in a highrisk population A multicentre randomized controlled trial of moderate hypothermia to prevent intracranial hypertension CME in acute liver failure Immune mechanisms in acetaminophen-induced acute liver failure Reduction of adverse effects from intravenous acetylcysteine treatment for paracetamol poisoning: a randomised controlled trial Hepatitis B-associated acute liver failure: immediate treatment with entecavir inhibits hepatitis B virus replication and potentially its sequelae Albumin dialysis withanoncellartificialliversupport device in patients with acute liver failure: a randomized, controlled trial Albumin dialysis for liver failure: a systematic review Liver transplantation in Germany Clinical relevance and cellular source of elevated soluble urokinase plasminogen activator receptor (suPAR) in acute liver failure