key: cord-0006496-9luquhm1 authors: Koch , A.; Trautwein, C. title: Akutes Leberversagen: Von der Epidemiologie und Pathogenese zur Therapie date: 2010-04-23 journal: Intensivmed Notfallmed DOI: 10.1007/s00390-009-0153-x sha: 06b1bd2b3abcf68172d584b20dfebd54fd862cf9 doc_id: 6496 cord_uid: 9luquhm1 Acute liver failure (ALF) is characterized by loss of liver function without pre-existing chronic liver disease. Drug toxicity and viral hepatitis have been identified as the main causes of ALF in Germany. The regeneration capability of the liver and overall prognosis are determined by the underlying etiology. Advances in intensive care medicine, supportive therapy, and transplantation surgery have improved the overall outcome of ALF over the last two decades. The clinical syndrome of ALF is mainly due to a release of inflammatory cytokines from necrotic hepatocytes, which lead to disastrous consequences in the immune system and hemodynamics. The main goals of supportive intensive care therapy in ALF are early identification and treatment of infections and the prevention and therapy of cerebral hypertension. Das akute Leberversagen (ALV) ist gekennzeichnet durch das rasche Auftreten einer schweren Leberschädigung mit konsekutiver Verschlechterung der Lebersyntheseleistung und Entwicklung einer hepatischen Enzephalopathie bei Patienten ohne vorbestehende chronische Lebererkrankung. Hierdurch wird das akute Leberversagen von Endstadien chronischer Lebererkrankungen differenziert, bei denen es im klinischen Verlauf ebenfalls zum Ausfall der Leberfunktion kommen kann. Die schlechte klinische Spontanprognose von Patienten mit ALV wird durch die Kombination aus schwerer Leberinsuffizienz mit Ikterus und Gerinnungsstörung und hepatischer Enzephalopathie determiniert. Eine allgemeingültige Definition des akuten Leberversagens ist nicht etabliert. Das Auftreten einer hepatischen Enzephalopathie innerhalb von 8 Wochen nach Einsetzen der ersten Symptome bei Patienten bzw. die Entwicklung einer hepatischen Enzephalopathie innerhalb von 2 Wochen nach Beginn eines Ikterus bei vorher lebergesunden Patienten sind Definitionsversuche eines fulminanten ALV, von denen sich das akute und subakute ALV nur durch das Zeitintervall der klinischen Symptomatik unterscheidet [1, 30] . Die klinische Charakteristik des ALV ist abhängig vom zeitlichen Verlauf der Leberversagens. Während bei rapiden Verläufen die hepatische Enzephalopathie mit Hirnödem im Vordergrund steht, ist die Klinik bei langsameren, subakuten Verläufen durch ein einsetzendes Nierenversagen und durch die Entwicklung einer portalen Hypertension gekennzeichnet [17] . Die historische Differenzierung in fulminantes oder hyperakutes, akutes und subakutes Leberversagen hat im Gegensatz zur zugrunde liegenden Ätiologie jedoch keine prognostische Relevanz [30] . Erkrankungen mit ungünstiger Prognose, die zu einem ALV führen können, sind M. Wilson, Budd-Chiari-Syndrom und Non-A-, -B-oder -C-Hepatitis. Die Inzidenz des ALV in den Vereinigten Staaten von Amerika liegt bei ca. 2000 Fällen jährlich, und etwa 6% aller leberbezogenen Todesfälle sind auf ein akutes Leberversagen zurückzuführen [10] . Einem akuten Leberversagen können zahlreiche Ursachen zugrunde liegen (. Tab. 1). Die Ätiologie des ALV ist abhängig von geografischen Gegebenheiten. Insgesamt weltweit dominierende Ursachen für ein ALV sind virale Hepatitiden. Daten der "Acute Liver Failure Study Group", die zwischen 1998 und 2001 in den USA erhoben wurden, zeigten als führende Ursachen eine Paracetamol-Überdosierung in 39%, eine ideopathische Ätiologie in 17%, eine ideosynkratische Medikamentenreaktion in 13% und die akute Hepatitis A oder B in 12% aller Fälle von akutem Leberversagen [22] . Überraschend scheint hier die hohe Zahl an "ideopathischen Leberversagen". Interessanterweise konnte in ca. 20% dieser Fäl-le durch die Bestimmung von Paracetamol-Protein-Komplexen im Serum eine nicht diagnostizierte Paracetamol-Überdosierung als ursächlich nachgewiesen werden [7] . In einer kürzlich veröffentlichten Studie von Canbay et al. [5] Akutes Leberversagen (ALV) · Systemic inflammatory response syndrome (SIRS) · Hepatische Enzephalopathie · N-Acetylcystein · Pathophysiologie Acute liver failure. From epidemiology and pathogenesis to therapy Abstract Acute liver failure (ALF) is characterized by loss of liver function without pre-existing chronic liver disease. Drug toxicity and viral hepatitis have been identified as the main causes of ALF in Germany. The regeneration capability of the liver and overall prognosis are determined by the underlying etiology. Advances in intensive care medicine, supportive therapy, and transplantation surgery have improved the overall outcome of ALF over the last two decades. The clinical syndrome of ALF is mainly due to a release of inflammatory cytokines from necrotic hepato-cytes, which lead to disastrous consequences in the immune system and hemodynamics. The main goals of supportive intensive care therapy in ALF are early identification and treatment of infections and the prevention and therapy of cerebral hypertension. Acute liver failure (ALF) · Systemic inflammatory response syndrome (SIRS) · Hepatic encephalopathy · n-Acetylcysteine · Pathophysiology Aufgrund der schlechten Prognose des ALV und des Managements des häufig assoziierten Multiorganversagens (MOV) sollte die weitere Therapie auf der Intensivstation durchgeführt und eine Verlegung in ein spezialisiertes Transplantationszentrum erwogen werden. Schätzungsweise 25% aller Patienten mit ALV benötigen eine Lebertransplantation. Bei ALV mit schlechter Gesamtprognose aufgrund der zugrunde liegenden Ätiologie (z. B. M. Wilson, Budd-Chiari-Syndrom, Non-A-, -B-oder -C-Hepatitis) liegt die Transplantationsrate bei 40-50% [15] . Eine allgemeine Prognoseabschätzung des ALV kann mithilfe der allgemein etablierten King's College Kriterien erfolgen (. Tab. 4; [20] Die Applikation von N-Acetylcystein (NAC) ist als spezifische Therapie des Paracetamol-induzierten Leberversagens etabliert. In therapeutischen Dosen wird Paracetamol durch Glukoronidierung oder Sulfatierung entgiftet. Bei hohen toxischen Paracetamol-Dosen (≥7 g/Tag) oder einer Enzyminduktion erfolgt die Metabolisierung über Cytochrom p450 IIE1, und es entsteht hierbei der Metabolit N-Acetyl-p-Benzochinon-Imin (NAPQI). Sind ausreichende hepatische Glutathionreserven vorhanden, wird NAPQI in der Leber entgiftet. Ist dies nicht der Fall, kommt es zur kovalenten Bindung an zelluläre Proteine. Diese NAPQI-Proteinkomplexe induzieren konsekutiv die hepatozelluläre Nekrose. Die hoch dosierte N-Acetylcystein-Applikation bei akuter Paracetamol-Intoxikation stellt ausreichende hepatische Glutathionreserven sicher und kann das Auftreten bzw. den Progress eines durch Paracetamol induzierten Leberversagens verhindern. Aktuelle tierexperimentelle Daten deuten darauf hin, dass NAC weitere Gluthation-unabhängige Effekte auf die zelluläre Protektion besitzt, die durch Veränderungen im intrazellulären Energiemetabolismus begründet sind, und zur Stabilisierung der mitochondrialen Funktion beiträgt [36] . Darüber hinaus beeinflusst NAC die Zytokinsynthese und fungiert als Fänger freier Radikaler und kann möglicherweise über antiinflammatorische Effekte und Wirkung als Antioxidans die hepatozelluläre Regeneration begünstigen [11] . Aufgrund der vielfältigen positiven Effekte in vivo und in vitro auf die Hämodynamik, die Gewebeoxygenierung und den intrazellulären Metabolismus, die zum jetzigen Zeitpunkt nicht vollständig verstanden sind, stellt NAC einen vielversprechenden Ansatz für die Entwicklung zukünftiger therapeutischer Strategien bei ALV dar. [29, 35] . Eine Hypothermie (32-35°C) kann den ICP reduzieren und die gestörte zerebrovaskuläre Autoregulation günstig beeinflussen. Im Tiermodell konnte eine Reduktion des Ausmaßes der hepatischen Schädigung bei ALV gezeigt werden. Jedoch gibt es auch Hinweise für einen negativen Einfluss der Hypothermie auf die Leberregeneration, sodass in zukünftigen klinischen Studien ihre Bedeutung im ALV untersucht werden muss. Fulminant and subfulminant liver failure: definitions and causes The pathophysiology of brain edema in acute liver failure Complications of intracranial pressure monitoring in fulminant hepatic failure Overweight patients are more susceptible for acute liver failure Acute liver failure in a metropolitan area in Germany: a retrospective study Quantifying the severity of hepatic encephalopathy Measurement of serum acetaminophen-protein adducts in patients with acute liver failure Efficacy of low tidal volume ventilation in patients with different clinical risk factors for acute lung injury and the acute respiratory distress syndrome Improvement by acetylcysteine of hemodynamics and oxygen transport in fulminant hepatic failure Fulminant hepatic failure: summary of a workshop Mechanism of action and value of N-acetylcysteine in the treatment of early and late acetaminophen poisoning: a critical review Intravenous acetylcysteine in paracetamol induced fulminant hepatic failure: a prospective controlled trial Acetaminophen-induced acute liver failure: results of a United States multicenter, prospective study Acute liver failure in the United States Etiologies of acute liver failure Intravenous N-acetylcysteine improves transplant-free survival in early stage non-acetaminophen acute liver failure Liver transplantation for fulminant hepatic failure Coagulopathy of acute liver failure The effect of hypertonic sodium chloride on intracranial pressure in patients with acute liver failure Early indicators of prognosis in fulminant hepatic failure Acute liver failure: redefining the syndromes Results of a prospective study of acute liver failure at 17 tertiary care centers in the United States Perspectives on liver failure: past and future Early goal-directed therapy in the treatment of severe sepsis and septic shock Prospective controlled trial of selective parenteral and enteral antimicrobial regimen in fulminant liver failure Prospective study of bacterial infection in acute liver failure: an analysis of fifty patients Bacterial and fungal infection in acute liver failure Intensive care of patients with acute liver failure: recommendations of the U.S. Acute Liver Failure Study Group The effect of indomethacin on intracranial pressure, cerebral perfusion and extracellular lactate and glutamate concentrations in patients with fulminant hepatic failure The management of fulminant hepatic failure Complications and use of intracranial pressure monitoring in patients with acute liver failure and severe encephalopathy Acute liver failure in Sweden: etiology and outcome Cerebral blood flow and metabolism in fulminant liver failure Pulmonary-artery versus central venous catheter to guide treatment of acute lung injury Propofol to control intracranial pressure in fulminant hepatic failure Metabolic insights into the hepatoprotective role of N-acetylcysteine in mouse liver