key: cord-0006084-vb61r842 authors: Staudinger, T. title: Der hämatoonkologische Patient im Intensivmanagement date: 2013-03-16 journal: Med Klin Intensivmed Notfmed DOI: 10.1007/s00063-012-0178-y sha: 6949f8394a40ed9473622e2209ceefd2587031e1 doc_id: 6084 cord_uid: vb61r842 Critically ill cancer patients on intensive units with hematological or oncological underlying diseases are a special situation: the underlying disease may be incurable, acute problems are often therapy associated and immunosuppression is regularly present. Due to evolving knowledge about special aspects of these patients and optimized supportive therapy, the prognosis has substantially improved during the last decades. General reluctance to admit cancer patients to an intensive care unit is therefore no longer justified. Reasons for admission are often infections and/or respiratory failure. Extensive diagnostic measures, causal and supportive therapy of sepsis according to current guidelines has led to improved outcome even in cancer patients. In respiratory failure, non-invasive ventilation is the key to improved prognosis if used early enough and indications, contraindications and break-off criteria are strictly followed. The prognosis of critically ill cancer patients is determined by the severity of the acute problem and not by the underlying disease. In den vergangenen Jahren wurde eine Vielzahl an Arbeiten publiziert, die Verlauf, prognostische Faktoren und Möglichkeiten der therapeutischen Intervention beschreiben und der oft an den Tag gelegten Zurückhaltung bezüglich einer intensivmedizinischen Betreuung von Patienten mit hämatologischer oder onkologischer Erkrankung viel an Boden entziehen. Dazu kommt, dass aufgrund der rasanten Entwicklung der antineoplastischen Therapien und der damit einhergehenden Verbesserung der Prognose der Druck auf die Intensivmedizin steigt, Patienten mit therapieassoziierten Komplikationen adäquat zu versorgen. Bereits im Jahr 2000 konnte unsere Arbeitsgruppe an einer Serie von 414 Patienten zeigen, dass die ICU("intensive care unit")-Mortalität mit 47% zwar schlechter war als bei nicht hämatoonkologischen Intensivpatienten, jedoch durchaus vergleichbar den Mortalitätszahlen anderer Subgruppen schwer kranker Patienten, z. B. solchen mit septischem Schock oder ARDS (" acute respiratory distress syndrome", [24] ). Diese Ergebnisse konnten durch weitere Publikationen bestätigt werden [15, 22] . Die Überlebenskurven von kritisch kranken hämatoonkologischen Patienten verglichen mit Krebspatienten, die im Verlauf ihres Krankenhausaufenthaltes nie auf eine Intensivstation mussten, zeigt . Abb. 1: Es ist sehr deutlich erkennbar, dass die Notwendigkeit eines Intensivstationsaufenthaltes die allgemeine Prognose beträchtlich vermindert. Die Differenz zwischen den Überlebenskurven tritt in den ersten Tagen und Wochen nach Aufnahme auf der Intensivstation auf, dann verlaufen die Kurven nahezu parallel. Das bedeutet, dass bei Überleben des akuten, kritischen Problems die Patienten in dieselbe Langzeitprognose wie vor der Aufnahme auf der Intensivstation quasi " zurückkehren". In mehreren großen Serien konnte bestätigt werden, dass nicht die Grunderkrankung, sondern das akute Krebspatienten haben ein bis zu 10-fach erhöhtes Risiko für das Auftreten von septischen Komplikationen [26] . Obwohl Krebspatienten von der Teilnahme an den meisten großen Sepsisstudien der vergangenen Jahre ausgeschlossen waren, konnte gezeigt werden, dass die aus den Studien abgeleiteten Therapieempfehlungen bei Krebspatienten anwendbar sind und die sepsisassoziierte Mortalität auch in dieser Patientengruppe deutlich abgenommen hat und derjenigen von nichtonkologischen Patienten entspricht [13, 28] . Es konnte auch eine deutliche Prognoseverbesserung durch Anwendung protokollgestützter Sepsistherapie (nach den damals gültigen Leitlinien der Surviving Sepsis Campaign) im Vergleich zu einer historischen Kontrollgruppe gezeigt werden [18] . Nahezu jeder zweite Krebspatient mit Sepsis hat eine rezente Chemotherapie hinter sich und häufig eine Neutropenie. Beide Faktoren haben keinen Einfluss auf das Überleben [27] . Das Entfernen beziehungsweise Wechseln eines zentralen Venenkatheters, die erfolgreiche Identifizierung eines Erregers, sowie möglicherweise die Kombination eines Pseudomonas-wirksamen ß-Laktams mit einem Aminoglykosid, sind mit einem verbesserten Überleben assoziiert [11, 13] . Im Gegensatz dazu ist ein erhöhtes Aus-maß an Organdysfunktionen, die Notwendigkeit einer invasiven Beatmung, ein pulmonaler Infektionsfokus und eine Pilz infektion mit schlechtem Überleben assoziiert [13, 18, 27] . Diagnostik und spezifische Therapie spezieller Infektion werden in einem eigenen Beitrag in diesem Heft besprochen. Interessanterweise scheinen Krebspatienten, die mit Sepsis nach Chemotherapie auf die Intensivstation aufgenommen wurden, eine scheinbar bessere Prognose zu haben als hämatoonkologische Patienten, die ohne eine vorhergehende Chemotherapie wegen Sepsis auf die Intensivstation kamen [27] . Auf den ersten Blick könnte man also den Eindruck haben, dass Chemotherapie vor dem Tod an der Sepsis schützt. Wenn die Ergebnisse allerdings an die Krankheitsschwere angeglichen wurden, zeigte sich, dass das Überleben nicht mit dem Faktor "stattgehabte Chemotherapie" korrelierte. Die wesentliche Botschaft ist demnach, dass die Komplikation "schwere Sepsis" oder "septischer Schock" nach Chemotherapie nicht mit einer Verschlechterung der Prognose trotz der häufig bestehenden Neutropenie vergesellschaftet ist. Anders gesagt stellt eine vorliegende Neutro penie nach Chemotherapie keinen Grund dar, eine Aufnahme auf die Intensivstation in Frage zu stellen. Dass Neutropenie per se keinen negativen Einfluss auf die Prognose hat konnte mehrfach gezeigt werden [3, 24] . Die Dauer der Neutropenie scheint allerdings einen Einfluss auf die Prognose zu haben, wobei sich diese mit zunehmender Dauer erwarteter Weise verschlechtert [4] . Der Einsatz von G-CSF nicht als Prophylaxe, sondern als Therapie der febrilen Neutropenie ist bei kritisch kranken Patienten zwar nicht unüblich, allerdings auch nicht evidenzbasiert [3]. Das akute respiratorische Versagen ist der mit Abstand häufigste Aufnahmegrund von Krebspatienten auf eine Intensivstation und zugleich der wichtigste Risikofaktor für schwere Verläufe und erhöhte Mortalität, vor allem dann, wenn eine invasive Beatmung notwendig wird. Auch aufgrund der teils spezifischen diagnostischen und therapeutischen Besonderhei- Krebs · Intensivstation · Prognose · Sepsis · Nichtinvasive Beatmung Critically ill cancer patients on intensive units with hematological or oncological underlying diseases are a special situation: the underlying disease may be incurable, acute problems are often therapy associated and immunosuppression is regularly present. Due to evolving knowledge about special aspects of these patients and optimized supportive therapy, the prognosis has substantially improved during the last decades. General reluctance to admit cancer patients to an intensive care unit is therefore no longer justified. Reasons for admission are often infections and/or respiratory failure. Extensive diagnostic measures, causal and supportive therapy of sepsis according to current guidelines has led to improved outcome even in cancer patients. In respiratory failure, non-invasive ventilation is the key to improved prognosis if used early enough and indications, contraindications and break-off criteria are strictly followed. The prognosis of critically ill cancer patients is determined by the severity of the acute problem and not by the underlying disease. Survival in neutropenic patients with severe sepsis or septic shock Prognosis of hematologic malignancies does not predict intensive care unit mortality ICU and 6-month outcome of oncology patients in the intensive care unit Ventilatory support in critically ill hematology patients with respiratory failure Outcome of critically ill allogeneic hematopoietic stem-cell transplantation recipients: a reappraisal of indications for organ failure supports Temporal changes in management and outcome of septic shock in patients with malignancies in the intensive care unit Withdrawing life support from mechanically ventilated recipients of bone marrow transplants: a case for evidencebased guidelines Comparison of three severity scores for critically ill cancer patients Noninvasive ventilation in patients with malignancies and hypoxemic acute respiratory failure: a still pending question Characteristics and outcomes of patients with cancer requiring admission to intensive care units: a prospective multicentre study Outcome and prognostic factors of hematopoietic stem cell transplantation recipients admitted to a medical ICU Outcome and prognostic factors in critically ill cancer patients admitted to the intensive care unit Outcome of cancer patients considered for intensive care unit admission: a hospital-wide prospective study Diagnosis and management of infectious complications in critically ill patients with cancer Impact of recent intravenous chemotherapy on outcome in severe sepsis and septic shock patients with hematological malignancies Impact of case volume on survival of septic shock in patients with malignancies Köln: Deutscher Ärzte-Verlag 2012, 295 S., 55 Abb., 19 Tab., (ISBN 978-3-7691-1255-9), 39.00 EUR Die Diskussion über die richtige Zusammensetzung von Flüssigkeits-und Volumentherapie im anästhesiologischen und intensivmedizinische Alltag spielt sich seit Jahren zwischen Erfahrungswerten und evidenzbasierter Medizin (EBM) ab und führt zu ständigen Kontroversen. Die Autoren dieses Buches spannen mit hohem Fachwissen und Expertise einen Bogen von den zu Grunde liegenden naturwissenschaftlichen Erkenntnissen über anatomisch/ physiologische Zusammenhänge des Elektrolyt-und Wasserhaushaltes (inklusive aller Regulationsmechanismen) bis hin zu den ausgewiesenen Vorteilen und Nachteilen der praktisch klinischen Anwendung diverser Kristalloide und Kolloide. Im ersten Teil werden kurz und präzise die zugrundeliegenden Erkenntnisse über die im menschlichen Körper gültigen physikalischen und chemischen Zusammenhänge aufgefrischt und im weiteren um Grundlagen der Anatomie und den physiologischen Abläufen ergänzt. Im zweiten Teil gehen die Autoren auf die theoretischen Grundlagen der Kreislaufsituation und der praktizierten Therapien ein und erläutern präzise alle Mechanismen des Säure-Basenhaushaltes, der renalen Kompensation und die Wirkungen und Nebenwirkungen von Vasopressoren, Blutprodukten und unterschiedlichen Kristalloiden und Kolloiden. Im letzten Teil werden Indikatoren der Monitierung auf ihre Aussagekraft hin überprüft und das Augenmerk auf die Verhinderung von Gewebehypoxie gelegt. Neben dem Schwerpunkt der operativen Situation werden einzelne Krankheitsbilder (Herzinsuffizienz, Nierenversagen, ARDS, Hirndruckpatienten, Sepsis etc.) erörtert und auf Grund von Studien sowie der zugrundeliegende Pathophysiologie verschiedene Vorgehensweisen in Bezug auf Flüssigkeits-und Volumentherapie analysiert und teils Therapieempfehlungen angedeutet. Es wird auf die oft fehlende eindeutige oder widersprüchliche Datenlage eingegangen und auf die Notwendigkeit der genauen Buchbesprechungen Analyse der individuellen Situation des Patienten hingewiesen (sowohl eine Hypo-als auch eine Hypervolämie sollten vermieden werden). Am Ende der jeweiligen Abschnitte liefern die Autoren jeweils kurze, prägnante und äußerst praxisorientierte Zusammenfassungen. Die Kernaussage dieses Buches ist, dass eine bedarfsadaptierte und indikationsgerechte Flüssigkeits-und Volumentherapie zur optimalen Versorgung des anästhesiologischen und intensivmedizinischen Patienten führt. Diesen Therapieansatz konnten die Autoren in beeindruckender Weise anhand der medizinischen Grundlagen und wissenschaftlicher Erkenntnisse belegen. Die Schwierigkeiten, diese optimale Therapie entsprechend den (patho)physiologischen Bedürfnissen des jeweiligen Patienten auch zu finden, stellt sich ebenso klar dar. Die Lösung dieser Aufgabe wird trotz teils unzureichender EBM immer in der Verantwortung der behandelnden ÄrztInnen bleiben. Diese Buch mit seiner guten Aufarbeitung der Grundlagen und Zusammenhänge kann in der Praxis ein sehr hilfreiches Instrument darstellen, um für die Patienten eine optimale und bedarfsgerechte Flüssigkeits-und Volumstherapie zu gewähleisten und damit die Prognose in der Anästhesie und Intensivmedizin zu verbessern.