key: cord-0006054-yd0dl7ma authors: Kossmann, T.; Gattiker, A.; Trentz, O. title: Nekrotisierende Weichteilinfektionen und „toxic shock syndrome“ date: 1998-01-01 journal: Unfallchirurg DOI: 10.1007/s001130050237 sha: 98534c21b6696ad933bf9fe41442be9603d3e04e doc_id: 6054 cord_uid: yd0dl7ma nan Weichteilinfektionen und ¹toxic shock syndromeª Die durch sog. ¹Killerbugsª ausgelösten Weichteilinfektionen mit toxischem Schocksyndrom fanden vor einiger Zeit groûes öffentliches Interesse [2, 6, 36, 40] . Als Ursache dieser lebensbedrohlichen Infektionen wurden hauptsächlich die ubiquitär vorkommenden Streptokokken der Gruppe A (Streptococcus pyogenes) nachgewiesen, aber auch andere Mikroorganismen wie Staphylokokken, Klostridien und Pilze sind als Auslöser nekrotisierender Weichteilinfektionen bekannt [33, 34, 39, 63] . Heute geht man aufgrund sensitiver Nachweismethoden von Mischinfektionen mit synergistischer Potenz aus [7, 17, 47] . Von einer generellen Zunahme von Streptokokkeninfektionen in unserem Jahrzehnt wird berichtet [4, 53] , jedoch gehören diese Erkrankungen zu den bekanntesten in den operativen Fächern. 1871 berichtete der amerikanische Militärarzt Joseph Jones über die nekrotisierende Form dieser Infektionen während des amerikanischen Bürgerkriegs [23] . Die Lokalisation am Perineum und männlichen Genitale wird seit 1884 als ¹Fournier-Gangränª bezeichnet [13] . Mit limitierten mikrobiologischen Methoden erkannte 1924 Meleney zum 1. Mal, daû b-hämolysierende Streptokokken eine der Ursachen dieser Infektionen sind [32] . Kurze Zeit später wies er einen Synergismus von Streptokokken und Staphylokokken bei der Entwicklung von nekrotisierenden Weichteilinfekten nach [33] . Den häufig ungenau gebrauchten Begriff der ¹nekrotisierenden Fasziitisª prägte Wilson 1952 , wobei er erkannte, daû die typische Hautgangrän der nekrotisierenden Fasziitis erst im späten Stadium dieser Infektion auftritt [62] . Von groûer chirurgischer und intensivmedizinischer Relevanz ist die Zunahme der nekroti-sierenden Weichteilinfektionen mit teilweise dramatisch verlaufenden Schockzuständen und Multiorganversagen (MOV), die zum Begriff des ¹toxic shock-like syndromeª geführt haben [52, 53] . Nekrotisierende Weichteilinfektionen treten bei Patienten mit unsachgemäû versorgten Wunden (¹neglected woundª), nach operativen Eingriffen, i. v.-Drogenabusus, konsumierenden Erkrankungen oder Immunsuppression auf [17, 24, 27, 32, 38, 41, 42] . Auffällig ist die hohe Inzidenz bei HIV-positiven Patienten, die nach i. v.-Drogenabusus nekrotisierende Infektionen entwickeln, begünstigt durch multiple Hautaffektionen mit Bakterien-, Pilz-, Virusoder Parasitenbesiedlung und Mangelernährung [16, 18, 46] . Die klinischen Zeichen, die auf eine nekrotisierende Weichteilinfektion hinweisen, können durch die vorherige Einnahme von nicht-steroidalen entzündungshemmenden Medikamenten verzögert in Erscheinung treten [52, 53, 55] . Neben der Unterdrückung der klassischen Entzündungszeichen werden diese Medikamente für eine verminderte Phagozytosetätigkeit der Immunzellen sowie eine veränderte humorale Immunantwort verantwortlich gemacht. Eine harmlose Infektion wird somit verschleppt und entwickelt sich, durch die gehemmte Immunantwort begünstigt, letztendlich zu einer fulminanten Form. Die Terminologie der nekrotisierenden Weichteilinfekte ist wegen der Vielzahl der auslösenden Mikroorganismen, sowie der teilweise überlappenden klinischen Bilder uneinheitlich [17, 22, 24, 38, 59, 63] . Eine praxisbezogene Differenzierung der nekrotisierenden Weichteilinfektionen wurde von Ahrenholz 1988 erarbeitet, gestützt auf die Einteilung von Lewis [1, 30] Der Begriff des ¹streptococcal toxic shock syndromª wurde 1983 von Willoughby und Greenberg geprägt [61] , in Anlehnung an das durch Staphylokokken verursachende ¹staphylococcal toxic shock syndromeª [58] . Synonym wird es auch als ¹streptococcal toxic shock-like syndromeª bezeichnet [9, 52] . In Tabelle 2 sind die Konsensusdefinitionen aufgeführt, die zur Diagnose eines ¹streptococcal toxic shock syndromeª herangezogen werden. Als gesichert gilt die Diagnose bei Vorliegen der Kriterien IA und II (A und B), als wahrscheinlich bei Vorliegen der Kriterien IB und II (A und B), bei Ausschluû anderer Krankeitsursachen [57] . Bei dem durch Streptokokken ausgelösten toxischen Schocksyndrom haben initial 50 % der Patienten eine nekrotisierende Fasziitis, wobei bei 60 % der Patienten die Haut oder der Genitaltrakt [22] . Das weite-re Fortschreiten der Infektion mündet ohne adäquate Therapie in einen schweren septisch-toxischen Schock mit MOV (Phase III). Die Ausbreitung erfolgt horizontal entlang den Faszien mit konsekutiver Thrombosierung der subkutanen Blutgefäûe [22, 49] . Begünstigt durch die enzymatische Ausstattung der Bakterien, insbesondere der Streptokokken, kann sich die Infektion auf den den Faszien als Leitschienen rasend schnell ausbreiten (¹Faszienhighwayª). Die Farbe der betroffenen Hautareale schlägt von rot in bläulich-grau mit unregelmäûiger, erythematöser Begrenzung um. Die Schmerzen lassen durch die Schädigung der Hautnerven schlagartig nach. Durch den Verschluû der zuführenden Gefäûe kommt es zu einer Nekrose der betroffenen Hautareale. Anzumerken ist, daû diese kutane Manifestation ein Spätzeichen ist. Andererseits wurden Patienten beobachtet, die trotz eines beginnenden Kreislaufversagen keine kutane Veränderungen im Sinne einer nekrotisierenden Fasziitis zeigten. Klinische Untersuchungen und epidemiologische Studien weisen auf einen Zusammenhang zwischen dem ¹streptococcal toxic shock syndromeª und den Stämmen der Gruppe-A-Streptokokken mit dem M-Protein-Typ 1, 3, 12 oder 28 hin [14, 21, 31, 45, 52] , wobei die Typen 1 und 3 am häufigsten gefunden wurden. Bei der Entwicklung des lebensbedrohlichen ¹streptococcal toxic shock syndromeª spielen die pyrogenen Exotoxine der Streptokokken eine entscheidende Rolle. [19] . Darüber hinaus erlaubt die CT eine quantitative Dichtemessung der verschiedenen Weichteilveränderungen und somit eine Zuordnung zur Genese der Veränderungen, eine Orientierung bezüglich der betroffenen anatomischen Strukturen, sowie eine CT-gesteuerte Punktion des auffälligen Befunds [48] . Eine groûe Bedeutung im Hinblick auf die Diagnosefindung kommt der Kernspintomographie zu [64] . Insbesondere werden ¾nderungen im Wassergehalt der Weichteilgewebe mit einer hohen Sensitivität nachgewiesen, wodurch sich ödematöses von entzündlichem Gewebe besser als im CT abgrenzen läût. Durch den Einsatz von Kontrastmittel wird die Vaskularisierung des Weichteilprozesses dargestellt. Die Darstellung in beliebiger räumlicher Orientierung erlaubt zudem eine genaue örtliche Abgrenzung des Prozesses. Eine akute Zellulitis zeigt eine auf die Subkutis beschränkte inflammatorische Veränderung. Bei der nekrotisierenden Fasziitis sind diese Veränderungen entlang der intermuskulären Septen sichtbar und die pyogene bakterielle Myositis manifestiert sich im Frühstadium als eine diffuse Muskelschwellung, später werden Abszedierungen sichtbar [48] . Gerade bei nekrotisierenden Weichteilinfekten mit einer mittleren Infektprogression mit initial unauffälligem Integument, bei denen sich ein septisch-toxisches Bild erst nach einigen Tagen ausbildet, kann mit Hilfe des MRI eine mögliche Weichteilinfektion im subkutanem bzw. Faszienniveau oder im Muskelgewebe frühzeitig dargestellt werden. Der ¹fresh frozenª Biopsie im Rahmen der Abklärung kommt vor allem bei weniger rasch fortschreitenden Infekten eine Bedeutung zu [49] . Um die charakteristischen Veränderungen zu erkennen, darf der Biopsieort nicht im Bereich der primären Weichteilläsion liegen und muû alle Schichten umfassen (Kutis, Subkutis, Faszie und Muskulatur). Eine nekrotisierende Weichteilinfektion liegt vor beim Nachweis charakteristischer Veränderungen wie Fokalnekrosen, Mikroabszessen, Einblutungen in Faszien und subkutanes Gewebe, polymorphkernigen Zellinfiltraten und thrombosierten Gefäûen. Während der Abklärung sollten frühzeitig Blutkulturen abgenommen werden, um hämatogen streuende Erreger identifizieren zu können. Beim operativen Vorgehen müssen unbedingt mehrere Abstriche für Erreger-und Resistenzbestimmungen sowie Gewebeproben zur mikrobiologischen Untersuchung entnommen werden. Um ein sinnvolles bakterielles ¹stagingª durchführen zu können, ist auf den Entnahmeort des Abstrichs zu achten. Der Abstrich darf nicht im Bereich der Primärwunde entnommen werden, da hier eine für den nekrotisierenden Infekt nicht repräsentative Mischinfektion vorliegen kann. Neben der Gramfärbung ist die mikrobiologische Auswertung mit Hilfe von aeroben und anaeroben Kulturen obligat. Nach Diagnose eines nekrotisierenden Weichteilinfektes oder bei Vorliegen eines ¹toxic shock syndromeª hängt das Überleben des Patienten von einer aggressiven, kompromiûlosen chirurgischen Behandlung und einer resistenzgerechten Antibiotikatherapie ab. Die häufig auftretende kardiopulmonale Insuffizienz bzw. das sich abzeichnende oder manifeste MOV ist nur mit konsequenten intensivmedizinischen Maûnahmen zu bekämpfen. [1, 5, 11] . Streptococcus pyogenes ist gegenüber b-Lactam Antibiotika sehr empfindlich. Zahlreiche Studien haben die Wirksamkeit von Penicillin bei Infektionen mit Streptokokken der Gruppe A nachgewiesen [5] . Bei einer sehr aggressiven Form der Weichteilinfektion mit groûer Weichteilbeteiligung hat Penicillin allein einen geringen Infekt. Experimentelle Untersuchungen zeigten, daû die Effektivität von Penicillin bei massiver Bakterienzahl sehr reduziert ist [10, 51] . Dieser sog. ¹Eagle-Effektª, der die reduzierte Wirksamkeit von Penicillin beschreibt, beinhaltet das schnelle Erreichen der stationäre Phase hinsichtlich der bakteriellen Vermehrung von groûen Inokula [10] , in der gewisse penicillinbindende Proteine von Streptokokken nicht exprimiert werden, die für die Wirkung von Penicillin notwendig sind [54] . Durch die dynamische Vermehrung von Streptokokken hat Penicillin aber in Kombination mit anderen Antibiotika einen festen Platz in der Behandlung von nekrotiserenden Weichteilinfekten. Dem Lincosamid Clindamycin wird eine groûe Wirkung bei Infektionen durch Streptokokken zugeschrieben. Nachweislich verhindert dieses Antibiotikum die bakterielle Proteinsynthese, unabhängig von der Gröûe des Inokulums, die Freisetzung von bakteriellen Toxinen und die Produktion von M-Proteinen [54] . Durch den fehlenden Schutz der M-Proteine sind die Bakterien der Phagozytose durch Immunzellen ausgesetzt [15] . Des weiteren verhindert Clindamycin die Freisetzung von TNF durch Monozyten, wodurch der durch TNF bedingten Schocksymtomatik entgegengewirkt wird [50, 56] . Dieses Wirkungsspektrum macht Clindamycin zu einem festen Bestandteil in der antibiotischen Therapie bei nekrotisierenden Weichteilinfekten. Komplettiert wird die Dreierkombination durch die empfohlene Gabe von Aminoglykosiden [5] . Neben den zuvor erwähnten therapeutischen Maûnahmen wurde über die erfolgreiche hyperbare Oxygenierung berichtet [43] . Eigene Erfahrungen hierzu liegen nicht vor. Die Anwendung dieser Methode sollte die chirurgische Therapie nicht verzögern oder behindern [5] . In Fallberichten wurde auûerdem die Gabe von Immungobulinen empfohlen [3] . Die tatsächliche Wirksamkeit dieser Therapiemaûnahmen ist noch zu beweisen. Rekonstruktiv-plastische Maûnahmen können erst nach chirurgischer Kontrolle des Infekts vorgenommen werden, entweder durch Spalthauttransplantationen, lokale fasziokutane Schwenklappen oder freie Lappenplastiken. Das Überleben des Patienten mit nekrotisierender Weichteilinfektion hängt entscheidend von einer frühzeitigen Diagnosestellung und einer konsequenten Therapie ab [5, 26, 27, 44] . Die Letalität des Vollbildes eines ¹toxic shock syndromeª wird zwischen 9 und 64 % angegeben [22, 24, Necrotizing soft-tissue infections Resurgent infections Intravenous immunoglobulin therapy for toxic shock syndrome Group A streptococcal infections and acute rheumatic fever Streptococcal infections of skin and soft tissues Necotising fasciitis Clinical and microbiological features of necrotizing fasciitis Streptococcal toxic shock syndrome due to noninvasive pharyngitis Clinical and bacteriologic observations of a toxic shock-like syndrome due to Streptococcus pyogenes Experimental approach to the problem of treatment failure with penicillin Severe necrotizing soft-tissue infections. Multiple disease requiring a common approach Toxic shock syndrome-associated staphylococal and streptococcal pyrogenic toxins are potent inducers of tumor necrosis factor production Etude clinique de la gangrene foudroyante de la verge Changes in the pattern of infection caused by Streptococcus pyogenes Potentiation of opsonization and phagocytosis of Streptococcus pyogenes following growth in the presence of clindamycin Hand infections in patients with acquired immunodeficiency syndrome Bacteriology of necrotizing fasciitis Necotizing fasciitis of the upper extremity Pyomyositis. Characteristics at CT and MR imaging Streptococcal toxic shock syndrome: synthesis of tumor necrosis factor and interleukin-1 by monocytes stimulated with pyrogenic exotoxin A and streptolysin O Aspects of pathogenesis of serious group A streptococcal infections in Sweden Necrotizing fasciitis Investigation upon the nature, causes and treatment of hospital gangene as it prevailed in the Confederate armies 1861±1865 Necrotizing lesions of soft tissue: a review Necrotizing fasciitis Superbug stars in media-made epidemic Necrotizing fasciitis Necrotizing fasciitis in adults due to streptococcus Hyperbaric oxygen therapy for necrotizing fasciitis reduces mortality and the need for debridements Necrotizing fasciitis: a preventable disaster Changing epidemiology of group A streptococcal infection in the USA Staphylococcal pyomyositis in patients infected by the human immunodeficiency virus Streptococcal necrotizing fasciitis: development of an animal model to study its pathogenesis MR imaging of thoracic and abdominal wall infections: comparison with other imaging procedures Early recognition of potentially fatal necrotizing fasciitis: the use of frozen-section biopsy Effect of antibiotics on toxin production and viability of clostridium perfringens The Eagle effect revisted: efficiacy of clindamycin, erythromycin, and penicillin in the treatment of streptococcal myositis Severe group A streptococccal infections associated with a toxic shock-like syndrome and scarlet fever toxin A Invasive group A streptococcus infections Penicillinbinding protein expression at different growth stages determines penicillin efficacy in vitro and in vivo: an explanation for the inoculum effect Invasive group A streptococcal infections: the past, present and future Antibiotic effects on bacterial viability, toxin production and host response The working group on severe streptococcal infections (1993) Defining the group A streptococcal toxic shock syndrome Toxic shock syndrome associated with phagegroup I staphylococci Necrotizing fasciitis of the extremities The Yû-specific superantigen staphylococcal enterotoxin B: stimulation of mature T cells and clonal deletion in neonatal mice The toxic shock syndrome and streptococcal pyrogenic exotoxins Necrotizing fasciitis Phycomycotic gangrenous cellulitis Magnetic resonance imaging for early diagnosis of necrotizing fasciitis Superantigens, T cells and microbes