key: cord-0006022-j960dqq8 authors: Elling, R.; Hufnagel, M.; Henneke, P. title: Infektionsassoziierte Hautblutungen date: 2012-06-10 journal: Monatsschr Kinderheilkd DOI: 10.1007/s00112-012-2633-5 sha: ef02940c9dbad57f6788028d7648c9000b918611 doc_id: 6022 cord_uid: j960dqq8 A broad spectrum of bacterial, viral, and parasitic infections is associated with hemorrhagic skin lesions, typically petechiae. The most prominent underlying entity is fulminant bacterial sepsis, which requires urgent and intensive treatment. In most cases, however, a self-limiting viral disease is the underlying cause. Thus, the pediatrician frequently encounters a diagnostic dilemma between timely diagnosis of sepsis and unnecessary invasive diagnostics. This article reviews the broad differential diagnosis and pathophysiology of infection-associated hemorrhagic skin lesions and proposes a diagnostic algorithm for the combination of fever and petechiae. Leitthema Die Kombination von Fieber und hämorrhagischen Effloreszenzen, in der Regel Petechien, ist für jeden Kinderarzt alarmierend, da sie hinweisend auf eine fulminante bakterielle Sepsis sein kann. Meist liegt dieser Symptomkombination jedoch eine selbstlimitierende virale Infektion zugrunde. Entsprechend groß ist das Dilemma zwischen den möglicherweise fatalen Konsequenzen einer verzögerten Diagnosestellung auf der einen und unnötiger invasiver Diagnostik auf der anderen Seite. Im vorliegenden Beitrag werden ein Überblick über die Pathogenese und die Ursachen verschiedener infektionsassoziierter Hautblutungen im Kindesalter gegeben und ein differenzialdiagnostischer Algorithmus zur Diagnosefindung vorgeschlagen. Hämorrhagische Effloreszenzen werden in F Petechien, F Purpura, F Ekchymosen, F Sugillationen und F Hämatome unterteilt. Verbindendes Merkmal dieser Effloreszenzen ist die Extravasation von Erythrozyten, die klinisch durch das fehlende Abblassen auf Druck mit einem Glasspatel überprüft werden kann. Petechien und Purpura. Petechien sind kleine flohstichartige Hautblutungen. Der Begriff Purpura wird im deutschen Sprachgebrauch für das generalisierte, exanthemartige Auftreten von Haut-und Schleimhautblutungen verwendet. Im Unterschied dazu werden in der englischen Literatur mit "petechiae" in der Regel kleine (1 mm), mit "purpura" dagegen größere Hautblutungen (ab 2 oder 3 mm Durchmesser) bezeichnet. Ekchymosen. Mit diesem Begriff werden größere, fleckförmige Blutungen bezeichnet. Sugillationen. Von ihnen spricht man bei flächenhaften, konfluierenden Hautoder Schleimhautblutungen. Hämorrhagische Effloreszenzen vaskulitischer Genese können ein buntes klinisches Bild bieten. Sie präsentieren sich meist in Form einer palpablen Purpura, können aber auch als hämorrhagische Vesikel oder Urtikaria auftreten. Unabhängig von ihrer Genese sind für die Entstehung von Haut-und Schleimhautblutungen 3 wesentliche Pathomechanismen verantwortlich: F Störungen der plasmatischen Gerinnung (Koagulopathien), F numerische oder funktionelle Veränderungen der Thrombozyten (Thrombozytopenien und -pathien) oder F Erkrankungen der Gefäße (Vasopathien). Klinisch manifestieren sich Störungen im plasmatischen Gerinnungssystem meist als Ekchymosen oder Sugillationen. Erkrankungen des thrombozytären Systems werden hingegen als Petechien, Schleimhautblutungen (englisch: "wet purpura") oder seltener als ZNS-Blutungen (ZNS: Zentralnervensystem) manifest. Für Vasopathien ist die palpable Purpura ein typisches Symptom [13] . Pathologische Veränderungen von Gerinnungsfaktoren, Thrombozyten und Gefäßen können im Rahmen von Infektionen isoliert und in Kombination auftreten. Ein Beispiel für eine isolierte Störung der Thrombozytenbildung ist die konnatale CMV-Infektion (CMV: Zytomegalievirus; [1] ). Ein typisches Beispiel für eine Beteiligung aller 3 Systeme (plasmatische Gerinnung, Thrombozyten, Gefäßsystem) ist die disseminierte intravasale Gerinnung [Verbrauchskoagulopathie, DIC ("disseminated intravascular coagulation")]. [15] . Allerdings ist ihre Inzidenz bei Infektionen mit grampositiven Erregern vergleichbar hoch [14] . Die DIC tritt bei 25-50% der Erwachsenen mit Sepsis auf [30] . Neben bakteriellen Pathogenen kann sie auch durch Infektionen durch Abb. 1 Petechien · Purpura · Sepsis · Meningitis · Neisseria meningitidis Hemorrhagic skin lesions associated with infections Abstract A broad spectrum of bacterial, viral, and parasitic infections is associated with hemorrhagic skin lesions, typically petechiae. The most prominent underlying entity is fulminant bacterial sepsis, which requires urgent and intensive treatment. In most cases, however, a self-limiting viral disease is the underlying cause. Thus, the pediatrician frequently encounters a diagnostic dilemma between timely diagnosis of sepsis and unnecessary invasive diagnostics. This article reviews the broad differential diagnosis and pathophysiology of infection-associated hemorrhagic skin lesions and proposes a diagnostic algorithm for the combination of fever and petechiae. Petechiae · Purpura · Sepsis · Meningitis · Neisseria meningitidis [29] . Dafür werden niedrigere Serumkonzentrationen von Vitamin-K-abhängigen Ge-rinnungsfaktoren (X, IX, VII, II) und gerinnungshemmenden Substanzen, eine reduzierte Thrombinsynthese und geringere Aktivierbarkeit von Thrombozyten bei Neugeborenen und Säuglingen verantwortlich gemacht (. Abb. 1a). Patienten mit Fieber und Petechien stellen eine diagnostische und therapeutische Herausforderung dar. Während beim Vollbild der Meningokokkensepsis (Waterhouse-Friderichsen-Syndrom, s. unten) die intensivmedizinischen Aspekte im Vordergrund der Therapie stehen, bereiten die weitaus häufigeren Patienten mit Petechien, Fieber und gutem Allgemeinzustand in der Differenzialdiagnose die größeren Schwierigkeiten. Zum Prozedere bei Letzteren gibt es keinen generell akzeptierten Konsens. Eine Befragung von über 800 Pädiatern ergab beachtliche Unterschiede im diagnostischen und therapeutischen Vorgehen [19] . Die Prävalenz einer Meningokokkenerkrankung bei der Konstellation Fieber plus Petechien betrug in pro-und retrospektiven Untersuchungen zwischen 5 und 15%. Insgesamt wurden invasive bakterielle Erkrankungen bei diesen klinischen Symptomen bei 8-20% der Patienten nachgewiesen [2, 6, 20, 27] . Eine prospektive Studie zum Risiko einer invasiven Meningokokkeninfektion bei Kindern unter 16 Jahren mit Petechien ergab eine gesicherte oder wahrscheinliche Meningokokkenerkrankung in 13% der Fälle [28] . Interessanterweise waren in dieser Studie bei der Diagnosestellung 5 von 24 Kindern (20%) afebril, und weitere 20% hatten eine Körpertemperatur <38,6°C. Allerdings können die zu Beginn einer Meningokokkensepsis makulopapulös imponierenden Effloreszenzen die Abgrenzung zu einem viralen Exanthem mitunter unmöglich machen [11] . Im Rahmen der Gerinnungsstörung als Folge der systemischen Inflammation schreitet das Exanthem jedoch rasch über die Sequenz Petechien, größere Purpura mit schließ-lich dunkel-livider Verfärbung und letztlich hämorrhagische Nekrosen fort [7] . Es ist indes von praktischer Bedeutung, dass neben Meningokokken auch andere bakterielle, virale oder parasitäre Erreger ein hämorrhagisches Exanthem bis hin zur Purpura fulminans verursachen können (. Tab. 1, 2, 3, 6) . Aus diesem Grund muss die initiale Antibiotikatherapie breit gewählt werden, wenn die Mikroskopie des Liquors keinen eindeutigen Befund für Meningokokken ergibt. ARDS "acute respiratory distress syndrome", SIRS "systemic inflammatory response syndrome" und therapeutischen Algorithmus, denn kein Laborparameter besitzt einen ausreichenden negativ prädiktiven Wert -dies gilt auch für die Liquordiagnostik. . Abb. 2 fasst den differenzialdiagnostischen Algorithmus beim Vorliegen hämorrhagischer Effloreszenzen zusammen. Bei hämorrhagischem Exanthem, Fieber und klinischen Zeichen einer Sepsis müssen umgehend eine Supportivtherapie im Sinne einer erweiterten "early goal-directed therapy" (hämodynamische Stabilisierung, Sicherstellung von adäquater Sauerstoffversorgung und metabolischem Gleichgewicht) und eine antibiotische Behandlung eingeleitet werden. Für eine ausführliche Übersicht der Sepsistherapie sei auf aktuelle Literatur verwiesen [5] . Vor der ersten Gabe von Antibiotika muss neben der Abnahme von Blutkulturen eine Liquordiagnostik erfolgen, sofern keine Kontraindikationen (Thrombozytopenie <30.000 G/l, fortgeschrittene DIC, ausgeprägte Kreislaufinstabilität, fokal-neurologische Zeichen, beginnende Einklemmungssymptomatik) gegen eine Lumbalpunktion vorliegen. D Grundsätzlich gilt, dass die Diag nostik, auch die Lumbalpunktion, die notwendige Therapie nicht nennenswert verzögern darf. Die erste Gabe des Antibiotikums soll innerhalb von 30-60 min nach Stellung der Verdachtsdiagnose erfolgen. Im häufigeren Fall eines Kindes mit Fieber und hämorrhagischen Effloreszenzen, aber gering oder nicht beeinträchtigtem Allgemeinzustand fällt die differenzialdiagnostische Abgrenzung viel schwerer. Verschiedene Studien befassten sich mit der Frage, welche Parameter in diesen Fällen gegen das Vorliegen einer Meningokokkenerkrankung sprechen [9, 20, 21, 26, 28] . Petechien von maximal 1 mm Durchmesser sowie die Begrenzung der Effloreszenzen auf das Einzugsgebiet der oberen Hohlvene sind klinische Zeichen, die für eine bakterielle Sepsis untypisch sind. Gibt es keine eindeutige mechanische Erklärung für die Effloreszenzen -wie beispielsweise das Auftreten von Stauungspetechien nach rezidivierendem Erbrechen (. Abb. 1d)muss, mit dem Ziel den Schwergrad eines infektiösen Geschehens besser beurteilen zu können, immer eine Blutentnahme erfolgen. Hilfreiche Laborparameter, die eher für ein selbstlimitierendes virales Geschehen sprechen, sind normale Werte für CRP (C-reaktives Protein), Leukozyten-und Thrombozytenzahl sowie Gerinnungsparameter. Bei unbeeinträchtigtem Allgemeinzustand und nicht oder nur wenig pathologisch veränderten Laborparametern kann demnach zunächst auf eine Lumbalpunktion verzichtet werden. Allerdings muss bei diesen Patienten die Reevaluation des klinischen Verlaufs sichergestellt werden. Als einfache Schwellenwerte jenseits des 3. Lebensmonats können in diesen Fällen CRP-Werte von 20 mg/l oder 40 mg/l dienen, die einen negativ prädiktiven Wert von 99 und 95% haben [24] . Ein CRP >100 mg/l ist, wenn keine eindeutige anderer Ursache identifiziert werden kann, bis zum Beweis des Gegenteils auf eine Meningitis verdächtig. Wegen der Dynamik systemischer bakterieller Infektionen können sämtliche Laborparameter im Frühstadium noch unverdächtig sein und müssen im Zweifel wiederholt erhoben werden (einschließlich der Liquorzellzahl und -mikrobiologie). Wenn in ambivalenten Fällen initial auf eine Lumbalpunktion verzichtet wird, ist eine stationäre Beobachtung mit wiederholter Reevaluation (Klinik und Labor) eine wichtige Maßnahme. Dringend abgeraten werden muss von einer empirischen Antibiotikatherapie ohne eindeutigen Fokus. Dieses Vorgehen birgt das Risiko inadäquat behandelter Meningitiden mit erheblicher Morbidität. CMV-induced neonatal thrombocytopenia: a case report and review of the literature Fever and petechiae in children Purpura in infants and children The hospital for sick children: atlas of pediatrics Clinical practice parameters for hemodynamic support of pediatric and neonatal septic shock: 2007 update from the American College of Critical Care Medicine The management of fever and petechiae: making sense of rash decisions Purpura fulminans: recognition, diagnosis and management International pediatric sepsis consensus conference: definitions for sepsis and organ dysfunction in pediatrics Pre-admission clinical course of meningococcal disease and opportunities for the earlier start of appropriate intervention: a prospective epidemiological study on 752 patients in the Netherlands Pathogenesis and diagnosis of human meningococcal disease using immunohistochemical and PCR assays Meningococcal disease and its management in children Acute bacterial meningitis in infants and children Evaluating the child with purpura Disseminated intravascular coagulation Coagulation in sepsis: all bugs bite equally Clinical data in children with meningococcal meningitis in a Spanish hospital Features and outcome in meningococcal disease presenting with maculopapular rash Fibrinolysis, inhibitors of blood coagulation, and monocyte derived coagulant activity in acute malaria Evaluation of febrile children with petechial rashes: is there consensus among pediatricians? Diagnostic assessment of haemorrhagic rash and fever Meningococcal disease The coagulopathy in sepsis: significance and implications for treatment Sepsis, thrombosis and organ dysfunction C-reactive protein is useful in distinguishing Gram stain-negative bacterial meningitis from viral meningitis in children The role of cytokines in activation of coagulation and fibrinolysis in dengue shock syndrome Clinical recognition of meningococcal disease in children and adolescents Incidence of invasive bacterial disease in children with fever and petechiae The child with a non-blanching rash: how likely is meningococcal disease? The host response to sepsis and developmental impact Disseminated intravascular coagulation in sepsis