key: cord-0005222-e4to1p8j authors: Straßburger, Jana title: Grundrechtliche Fragen der Xenotransplantation date: 2008-12-18 journal: Medizinrecht DOI: 10.1007/s00350-008-2311-8 sha: c915c08ebc4050d38753c434118ad24c8a4b9144 doc_id: 5222 cord_uid: e4to1p8j nan Xenotransplantation bereitzustellen. Den Ausgangspunkt der untersuchung bildet die grundrechtliche schutzpflicht des staates. Im Jahr 2007 hat die organtransplantation in Deutschland einen neuen Höchststand erreicht -1.313 menschen haben nach ihrem tod organe gespendet. Bezogen auf die einwohnerzahl lag der Bundesdurchschnitt damit erstmals bei einer Quote von 16 spendern pro einer million einwohner. sichtlich, mittels derer beim zuweiser der zusätzlich generierte Gewinn abgeschöpft werden könnte. erzielen lässt sich ein ähnliches ergebnis durch die Gewinnabschöpfung nach § 10 uWG (s. oben). Die möglichkeit einer Gewinnabschöpfung schließt jedoch andere Rechtsfolgen nicht aus, sondern erreicht ihre generalpräventive Wirkung auch dadurch, dass sie neben anderen sanktionen anwendbar ist. De lege ferenda wäre zu überlegen, ob dem unwesen der entgeltlichen Patientenzuweisungen nicht am effektivsten mit einer allgemeinen Verfallsvorschrift begegnet werden könnte 74 . eine Abwägung der Parteiinteressen gebietet es in der "Bestechungsvariante", § 817 s. 2 BGB anzuwenden. Dies ist das gesetzgeberisch gewollte ergebnis bei beiderseitigem Gesetzesverstoß. Anders als insbesondere in der schenkkreis entscheidung des BGH ist es hier nicht die übervor teilte Partei, die vom Initiator des Geschehens das sittenwidrig Geleistete zurückfordert. Das für den BGH wesentliche Argument, dass bei Anwendung des § 817 s. 2 BGB die Initiatoren des schneeballsystems ihre sittenwidrig erlangten Gelder hätten behalten können, was einer einladung zum Weitermachen gleichgekommen wäre 75 , verfängt im vorliegenden fall nicht. Im Gegenteil, eine Durchbrechung der Kondiktionssperre würde den Arzt geradezu zum doppelten Rechtsbruch einladen, könnte er doch als "sachleistungsempfänger" den von ihm längst realisierten Wettbewerbsvorteil behalten und zudem das dafür hingegebene entgelt zurückfordern. Hier gebietet es der schutzzweck der Nichtigkeitssanktion, die Kondiktionssperre gerade nicht zu durchbrechen 76 . Nur wenn der schutzzweck des § 31 mBo darin bestünde, die betreffende Güterbewegung oder Vermögensverschiebung zu unterbinden, könnte die mit der Anwendung des § 817 s. 2 BGB verbundene Aufrechterhaltung der rechtsgrundlosen Vermögenszuordnung mit dem zweck der Nichtigkeitssanktion unvereinbar sein 77 . Der schutzzweck des § 31 mBo besteht aber nicht in der unterbindung der Güterbewegung oder Vermögensverschiebung, sondern darin, den Patienten eine allein an medizinischfachlichen Überlegungen ausgerichtete Überweisungs-praxis zu garantieren, und weiter darin, Wettbewerbsverzerrungen zugunsten zahlender zuweisungsempfänger zu verhindern. zugunsten des letzteren schutzzwecks fordert die Norm -wie gesehen -gerade die Anwendung des § 817 s. 2 BGB. Hinsichtlich des auf die Patienten ausgerichteten schutzzwecks ist ebenfalls nicht erkennbar, wie dieser zweck durch die Rückgängigmachung der zahlung gefördert werden könnte. Hat die zuweisung bereits stattgefunden und war sie medizinisch-fachlich nicht berechtigt, so kann die darin verwirklichte Gefahr für den Patienten auch durch die Rückzahlung nicht mehr kompensiert werden. Die in der Literatur geäußerte Ansicht, bei Verstößen gegen das Verbot der entgeltlichen Patientenzuweisung sei generell nach Bereicherungsrecht rückabzuwickeln, lässt sich in dieser pauschalen form nicht halten. Der Rückabwicklung steht grundsätzlich § 817 s. 2 BGB entgegen. Aus generalpräventiven erwägungen ist eine Durchbrechung der Kondiktionssperre nicht angezeigt. Auch aus Gründen der Billigkeit ist eine generelle Durchbrechung nicht gerechtfertigt. es ist vielmehr zu differenzieren: Hat der zuweiser den Gesetzesverstoß veranlasst und ist er der maßgebliche wirtschaftliche Interessenträger, so ist die Kondiktion billig, andernfalls nicht. es bleibt dann bei der gesetzlichen Anordnung, so dass ein Anspruch des zuweisungsempfängers auf Rückzahlung der geleisteten entgelte ausscheidet. Hinzu kamen 627 Lebendspenden. Die Gesamtzahl der im Jahr 2007 durchgeführten transplantationen lag damit bei 4.878, ein Plus von 5 % gegenüber dem Vorjahr 1 . Im ersten Halbjahr von 2008 ist nunmehr wieder ein deutlicher Rückgang der spenderzahlen zu verzeichnen 2 . trotz aller Bemühungen bleibt das Angebot an organen weit hinter der Nachfrage zurück. Derzeit warten fast 12.000 Patienten in Deutschland auf ein lebensrettendes organ, davon über 9.000 Patienten auf eine Niere. Die Wartezeit beträgt im Durchschnitt etwa sechs Jahre -ein zeitraum, in dem ein Drittel der Patienten verstirbt. Der organmangel ist damit das größte Problem der transplantationsmedizin. einen erfolgversprechenden Ansatz zur Lösung des organmangels könnte die Xenotransplantation bieten. Als Xenotransplantation werden therapeutische Verfahren bezeichnet, bei denen der mensch innerhalb (durch transplantation, Infusion etc.) oder außerhalb (durch Perfusion etc.) seines Körpers in Kontakt mit lebenden tierischen zellen, Geweben oder organen kommt. Im Gegensatz zu bereits etablierten therapien (z. B. schweine-Herzklappen) wird bei der Xenotransplantation lebendes tierisches material in den menschlichen Körper integriert. Aus medizinischen, praktischen und ethischen erwägungen werden schweine als spendertiere favorisiert: sie sind hinsichtlich ihrer organgröße, Anatomie und Physiologie dem menschen sehr ähnlich. Außerdem sind schweine relativ pflegeleicht und haben -im Gegensatz zu Primaten -eine kurze Generationszeit mit hohen Reproduktionsraten. Damit können zellen, Gewebe und organe in ausreichendem maße bereit gestellt werden. Die natürliche Artgrenze zwischen mensch und tier wird bei der Xenotransplantation bewußt überschritten, was nicht ohne Risiken möglich ist. zu den Risiken der Xenotransplantation zählen Abstoßungsreaktionen, unterschiede in Anatomie, Physiologie und Biochemie sowie das mit der Xenotransplantation verbundene Infektionsrisiko. Bekannte und unbekannte erreger könnten übertragen werden und neue erreger im Patienten entstehen. Die Infektion des Patienten und weiterer Personen könnte die folge sein. mit Hilfe biotechnologischer und gentechnischer Verfahren wird versucht, die Abstoßungsreaktionen und das Infektionsrisiko auf ein akzeptables maß zu reduzieren. Damit konnten in den letzten Jahren eine Reihe von fortschritten erzielt werden, die die klinische Anwendung vom schwein stammender (sog. porziner) transplantate als mögliche therapieoption in den Blickpunkt rücken. so gilt die hyperakute Abstoßung, die das transplantat binnen weniger minuten bis stunden zerstört, als überwunden. Auch die Daten zu den transplantatfunktionen lassen einen gewissen optimismus zu. In Primaten konnten transplantatfunktionen mit schweinenieren von bis zu drei monaten 3 , mit schweineherzen von bis zu sechs monaten 4 und mit porzinen Inselzellen bis zu sechs monaten 5 erzielt werden. In Ratten konnten mit porzinen verkapselten Inselzellen transplantatfunktionen bis zu sechzehn monate 6 nachgewiesen werden. Die erprobung porziner Inselzellen ist damit am weitesten fortgeschritten. sie wird seit einigen Jahren auch am menschen erprobt. Im zeitraum von 1994 bis 2005 wurden vier klinische Prüfungen am menschen publiziert 7 . eine klinische Prüfung wird derzeit bei Patienten mit typ-I-Diabetes in Russland durchgeführt, weitere Prüfungen sind in den usA und Neuseeland geplant. erste klinische Prüfungen mit organen werden für das Jahr 2010 geplant 8 . trotz dieser erheblichen fortschritte ist die frage des Infektionsrisikos nach wie vor nicht abschließend geklärt. Im Blickpunkt der forscher stehen dabei vor allem die sogenannten porzinen 9 endogenen Retroviren (PeRVs), die verschiedene humane zellinien unter in vitro-Bedingungen infizieren konnten und die fähigkeit besitzen, sich an eine neue Wirtsumgebung zu adaptieren 10 . ob sich diese erkenntnisse auf die situation der Xenotransplantatiton in vivo übertragen lassen, wird kontrovers diskutiert 11 . In den letzten Jahren wurden zudem bislang unbekannte porzine Viren entdeckt (z. B. Hepatitisviren, Herpesviren und eine neue Variante der Hendraviren); das Vorkommen weiterer unbekannter erreger kann nicht ausgeschlossen werden. Gleichwohl bieten schweine -im Vergleich zu Primaten -eine große mikrobiologische sicherheit. Die mehrheit der mit der Xenotransplantation befaßten fachkreise geht insofern von einem beherrschbaren Risiko aus, wenn bestimmte sicherheitsmechanismen eingehalten werden 12 . Nachfolgend wird untersucht, inwieweit der staat verpflichtet ist, sicherheitsmechanismen zur minimierung des Infektionsrisikos der Xenotransplantation bereitzustellen. Ausgangspunkt der untersuchung ist die grundrechtliche schutzpflicht des staates, deren Inhalt und umfang kurz beschrieben werden. Daran anschließend werden die durch die Xenotransplantation betroffenen Grundrechte dargestellt. Deren Verhältnis zueinander wird im Rahmen der Grundrechtsabwägung näher betrachtet. und sie vor rechtswidrigen eingriffen des staates sowie vor rechtswidrigen Übergriffen Privater zu bewahren 15 . Die schutzpflicht des staates erstreckt sich auf alle grundrechtlich geschützten Rechtsgüter 16 . sie erfaßt sowohl gegenwärtige Grundrechtsverletzungen als auch gegenwärtige und zukünftige Grundrechtsgefährdungen 17 . für den Gesetzgeber folgt daraus die Pflicht, die Normen bereitzustellen, die zur sicherung der Grundrechte geeignet und erforderlich sind 18 . Die Pflicht zur Normbereitstellung betrifft dabei regelmäßig nur das "ob" des regelnden tätigwerdens 19 . Bezüglich des "Wie" beläßt die Verfassung dem Gesetzgeber einen weiten einschätzungs-, Wertungs-und Gestaltungsspielraum 20 . Die Xenotransplantation befindet sich derzeit noch in der (tier-)experimentellen bzw. klinischen erforschung. soweit sie sich bereits in der klinischen erforschung befindet, stellt sie einen tatbestand der medizinischen forschung am menschen dar. Hierbei stehen sich verschiedene Grundrechte gegenüber, die miteinander in Konflikt geraten können. Auf der seite des forschers sind im wesentlichen drei Grundrechte zu nennen. Der in der medizinischen forschung tätige wird vor allem durch Art. 5 Abs. 3 s. 1 GG geschützt (hierzu sogleich näher sub I.). seinem Wortlaut nach umfaßt Art. 5 Abs. 3 s. 1 GG die Wissenschafts-, forschungs-und Lehrfreiheit, wobei forschung und Lehre den Begriff der Wissenschaft erschöpfend umschreiben 21 . Daneben wird die Ausübung des ärztlichen Berufs durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützt (nachfolgend sub II.). Werden im Rahmen der forschungstätigkeit neue pharmazeutische Produkte entwickelt, kommt darüber hinaus der schutz des eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 GG in Betracht 22 . Den genannten Grundrechten des forschers stehen die Grundrechte des Patienten und anderer durch die Xenotransplantation betroffener Personen gegenüber. In Betracht kommt neben dem in Art. 1 Abs. 1 GG verankerten schutz der menschenwürde (sub III.) vor allem das Recht auf Leben und körperliche unversehrtheit, das durch Art. 2 Abs. 2 s. 1 GG geschützt wird (sub IV.). Dem vorbehaltlos gewährten Grundrecht auf Wissenschaftsfreiheit in Art. 5 Abs. 3 GG kommt von den genannten Grundrechten auf der seite des forschers (Wissenschafts-, Berufsausübungs-und eigentumsfreiheit) die stärkste Geltung zu. In seinem schutzbereich -welcher bei den forschungen zur Xenotransplantation regelmäßig eröffnet sein dürfte 23 -sind eingriffe nicht schon dann zulässig, wenn sie durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes erfolgen. Gleichwohl können regulierende eingriffe des staates in die forschungsfreiheit erforderlich werden, wenn deren Ausübung mit anderen grundgesetzlich geschützten Rechtsgütern in Konflikt gerät. Die forschungsfreiheit findet dementsprechend ihre schranken dort, wo sie mit Grundrechten Dritter oder anderen Rechtswerten von Verfassungsrang kollidiert (sog. verfassungsimmanente schranken oder kollidierendes Verfassungsrecht) 24 . In der Xenotransplantations-forschung kommen als schranken insbesondere der schutz der menschenwürde und das Grundrecht auf Leben und körperliche unversehrtheit in Betracht. Gemäß Art. 1 Abs. 1 GG ist die Würde des menschen unantastbar. Durch den Wortlaut, die systematische stellung und die in Art. 79 Abs. 3 GG festgeschriebene unabänderlichkeit kommt der menschenwürde der höchste Rechtswert innerhalb der verfassungsmäßigen ordnung zu 32 . Jeder eingriff in die menschenwürde stellt zugleich einen Verstoß gegen sie dar und ist somit verfassungswidrig 33 . um festzustellen, ob die Xenotransplantation mit der Würde des menschen -insbesondere der des transplantatempfängers -vereinbar ist, bedarf es zunächst einer näheren Bestimmung der menschenwürde. Daran anknüpfend wird im weiteren Verlauf untersucht, ob die Xenotransplantation mit Art. 1 Abs. 1 GG vereinbar ist. Die Versuche der begrifflich-inhaltlichen Bestimmung der menschenwürde sind vielfältig. sie reichen von Versuchen der positiven erfassung der menschenwürde (mitgifttheorien, Leistungs-und Kommunikationstheorie) bis hin zur negativ-ausgrenzenden, am Verletzungsvorgang orientierten Bestimmung (objektformel des BVerfG) 34 . für die untersuchung der Vereinbarkeit der Xenotransplantation mit der menschenwürde bleiben die Definitionsversuche allerdings zu unbestimmt. Übergreifender Konsens in Rechtsprechung und schrifttum besteht insoweit, als besonders schwerwiegende Beeinträchtigungen mit der Würde des menschen nicht vereinbar sind: die willkürliche ungleichbehandlung, Diskriminierung und Demütigung, Verletzungen der körperlichen und geistig-seelischen Identität bzw. Integrität sowie der entzug des existenzminimums 35 . Durch die Xenotransplantation ist insbesondere ein ein-griff in die körperliche und geistig-seelische Integrität oder Identität denkbar. Hierbei ist zwischen der Übertragung menschlicher Gene auf das tier zur erzeugung geeigneter spendertiere einerseits und der Übertragung der genetisch modifizierten zellen und Gewebe (und organe) vom spendertier auf den menschen andererseits zu differenzieren. Hinsichtlich des ersten Übertragungsvorgangs kommt eine Verletzung der menschenwürde nicht in Betracht. zwar werden den spendertieren zur Überwindung der Abstoßungsreaktion menschliche Gene oder Genabschnitte in das Genom eingebaut, es handelt sich jedoch um punktuelle genetische Veränderungen, die den status der spendertiere unberührt lassen. Den (spender-)tieren kommt mangels zugehörigkeit zur Gattung "mensch" keine Grundrechtsfähigkeit zu, so daß eine Verletzung der menschenwürde ausscheidet 36 . Auch der menschliche "Genspender" wird nicht in seiner menschenwürde verletzt. Durch die Übertragung einzelner Gene auf ein tier wird weder seine körperliche noch seine geistig-seelische Identität angetastet. eine Verletzung der körperlichen Integrität des "Genspenders" i. s. von Art. 1 Abs. 1 GG durch die entnahme des Körpermaterials ist ebenfalls abzulehnen. Anderes könnte allenfalls gelten bei einer heimlichen oder gewaltsamen medizinischen manipulation des spenders zu forschungszwecken 37 . Der entnahme von Körpermaterial zu wissenschaftlichen zwecken liegt jedoch in der Regel eine einwilligung des spenders zugrunde. selbst wenn es an einer solchen fehlen sollte, ist aufgrund des eher geringfügigen eingriffs durch eine Blut-oder Gewebeentnahme eine Verletzung der menschenwürde abzulehnen. ohne die einwilligung des spenders stellt die entnahme "lediglich" einen eingriff in das Recht auf körperliche unversehrtheit und selbstbestimmung aus Art. 3. Übertragung tierischer transplantate auf menschen mit der Übertragung lebender tierischer zellen oder Gewebe (oder organe) auf den menschen wird die natürliche Artengrenze zwischen mensch und tier bewußt überschritten. es stellt sich die frage, ob die erzeugung von mischwesen aus mensch und tier durch die Xenotransplantation mit Art. 1 Abs. 1 GG vereinbar ist. Die entstehung von mischwesen (genauer Chimären 40 und Hybriden 41 ) ist einerseits ein natürlicher Vorgang, andererseits werden bestimmte formen der künstlichen erzeugung von mischwesen als mit der menschenwürde unvereinbar angesehen werden 42 . Jenseits des natürlichen entstehungsvorgangs sind die heute als medizinische therapieverfahren allgemein anerkannten Bluttransfusionen, organ-und Gewebetransplantationen einzuordnen 43 . obwohl ein intraspezifischer Chimärismus (innerhalb derselben Art) beim empf änger entsteht, wird aufgrund der lebens-und gesundheitserhaltenden Intention des eingriffs eine Verletzung der menschenwürde grundsätzlich nicht angenommen 44 . mit der Xenotransplantation entfernt sich die medizin noch einen schritt weiter von den natürlichen bzw. künstlichen entstehungsvorgängen, indem sie einen interspezifischen Chimärismus (mit mindestens zwei verschiedenen Arten) beim transplantatempf änger erzeugt. Die künstliche erzeugung dieses Chimärismus wäre dann nicht mit dem schutz der menschenwürde zu vereinbaren, wenn dadurch a) die kör-perliche und geistig-seelische Integrität oder b) die körperliche und geistig-seelische Identität des empf ängers verletzt würde. a) Körperliche und geistig-seelische Integrität mit der Xenotransplantation soll die körperliche und damit letztlich auch die geistig-seelische Integrität (d. h. unversehrtheit) des Patienten wiederhergestellt bzw. erhalten werden. Dem medizinischen eingriff geht dabei grundsätzlich die freiwillige einwilligung des Patienten auf der Grundlage der ärztlichen Auf klärung voraus, unabhängig davon, ob der eingriff als Heilversuch oder im Rahmen einer klinischen Prüfung 45 stattfindet. somit handelt es sich auch nicht um eine heimliche oder um eine gewaltsame medizinische manipulation zu forschungszwecken, welche einen typischen eingriff in Art. 47 . Auch wenn sein Körper zu einem geringen teil lebende tierische Anteile enthält, bleibt er sowohl nach dem äußeren erscheinungsbild als auch im Wesen ein mensch. Die Xenotransplantation könnte jedoch die geistig-seelische Identität verletzen. Hierbei sind zwei formen möglicher Identitätsverletzungen zu unterscheiden. zum einen könnte eine Verletzung durch einen eingriff in das Gehirn des empfängers erfolgen, zum anderen scheint eine Identitätsverletzung infolge einer veränderten selbstwahrnehmung des transplantatempfängers auch bei eingriffen außerhalb des Gehirns möglich zu sein: aa) Xenogene Hirngewebetransplantation Die Identität eines menschen ist von bestimmten Hirnregionen und deren funktionsweise abhängig. Veränderungen des Gehirns können eine Identitätsveränderung beim menschen nach sich ziehen 48 . In diesem zusammenhang ist an die Behandlung von Patienten mit morbus Parkinson oder mit schlaganfall durch die Injektion xenogener zellen in die betroffenen Gehirnpartien zu denken 49 . Da es sich um neue therapeutische Verfahren handelt, existieren bislang keine untersuchungen über mögliche Veränderungen der Identität 50 . In der schweizer technologiefolgenabschätzungs-studie zur zellulären Xenotransplantation wird deshalb versucht, sich diesem Problem auf der Grundlage der erfahrungen bei allogenen Hirngewebetransplantationen, tierexperimenteller forschungen sowie philosophischer erkenntnisse zu nähern 51 , mit folgenden wesentlichen Gesichtspunkten: Bei der allogenen Hirngewebetransplantation ist die frage, ob die Behandlung neurodegenerativer Krankheiten mit allogenen zellen zu einer Veränderung der Identität des empfängers führen kann, umstritten 52 . Die Befürworter der Hirngewebetransplantation vertreten die Auffassung, daß im unterschied zur (fiktiven) transplantation eines kompletten Gehirns oder ganzer Gehirnlappen die transplantation von zellen und Geweben die Identität des Gehirns und damit auch die personale Identität des empfängers nicht verändert, da hierbei lediglich degenerierte zellen durch funktionstüchtige zellen ersetzt und so die ausgefallenen Hirnfunktionen wiederhergestellt werden. Die Gegner der Hirngewebetransplantation vertreten demgegenüber die Auffassung, daß die Art des transplantats (einzelne zellen, zellverbände, Gehirnlappen) für die personale Identität keine Rolle spielt, da bereits zellen ein fremdmaterial darstellen, welches die Identität des Gehirns und damit die personale Identität des empfängers verändert. maßgeblich in diesem zusammenhang ist somit der Begriff der "personalen Identität". In der schweizer technologiefolgenabschätzungs-studie wird dazu ausgeführt: "unter der Identität der Person kann … zum einen die Kontinuität des Selbstbewußtseins verstanden werden, die es uns ermöglicht, vergangene und gegenwärtige erfahrungen ein und demselben Ich als dem eigenen selbst zuzuordnen. zum anderen ist damit die Gesamtheit der individuellen Persönlichkeitsmerkmale gemeint, die ganze Palette mentaler, d. h. intellektueller wie emotionaler und psychischer Besonderheiten, körperlicher fertigkeiten, Begabungen, aber auch unzulänglichkeiten und Gebrechen, die das persönliche Profil eines Individuums ausmachen. … Auch mimik und Gestik, die jeweils spezifische Ausdrucksweisen eines Individuums sind, gehören zu dessen Persönlichkeitsmerkmalen." 53 es wird darauf hingewiesen, daß die Identität einer Person i. s. des selbstbewußtseins nicht notwendig durch Veränderungen von Persönlichkeitsmerkmalen tangiert oder gefährdet wird, da eine Person im Laufe ihres Lebens Persönlichkeitsmerkmale er-werben oder ablegen und sich diese Vorgänge auch selbst zuschreiben kann 54 . In der weiteren erörterung wird zwischen einem möglichen Persönlichkeitstransfer und einer möglichen Veränderung von Persönlichkeitsmerkmalen unterschieden. unter einem Persönlichkeitstransfer wird die Übertragung charakteristischer Persönlichkeitsmerkmale des spenders auf den empfänger verstanden 55 . Bei der (fiktiven) Übertragung größerer Hirnteile oder gar eines kompletten Gehirns wird ein transfer von Persönlichkeitsmerkmalen bzw. der kompletten Persönlichkeit nicht ausgeschlossen 56 . ein solcher würde die personale Identität des empfängers verletzten und wäre demzufolge mit Art. 1 Abs. 1 GG unvereinbar 57 . soweit ersichtlich, werden in der aktuellen medizinischen Literatur zur Xenotransplantation Versuche dieses Ausmaßes nicht diskutiert 58 . Nach bisherigen erkenntnissen in der allogenen Hirngewebetransplantation sind in den Nervenzellen keine spezifischen Persönlichkeitsmerkmale verankert. ein transfer von Persönlichkeitsmerkmalen infolge der transplantation einzelner Nervenzellen oder kleinerer Gewebefragmente ist daher eher unwahrscheinlich 59 . somit bleibt zu fragen, ob durch die transplantation einzelner Nervenzellen oder kleinerer Gewebefragmente eine Persönlichkeitsveränderung ausgelöst werden kann, d. h. eine Veränderung der ursprünglichen Persönlichkeitsmerkmale des empfängers ohne Persönlichkeitstransfer 60 . Bislang wurden größere Veränderungen der Persönlichkeit nicht beobachtet, es fehlen jedoch systematische neuropsychologische studien zur allogenen (und xenogenen) Hirngewebetransplantation 61 . es wird davon ausgegangen, daß die verwendeten xenogenen Nervenzellen dieselbe funktion wie menschliche Nervenzellen erfüllen (Dopamin-Ausschüttung), insbesondere, wenn sie in die dafür vorgesehenen Hirnregionen transplantiert werden. In tierversuchen wurde eine bemerkenswerte Plastizität und morphologische Übereinstimmung von Nervenzellen unterschiedlicher straßburger, Grundrechtliche fragen der Xenotransplantation 728 medR (2008) 26: 723−732 säugetierarten festgestellt. Das erwachsene empfängerhirn besitzt die fähigkeit, die transplantierten Nervenzellen zu "orientieren", so daß sie die dort erforderlichen funktionen erfüllen können 62 . Das Auftreten von Persönlichkeitsveränderungen kann nach dem gegenwärtigen stand der forschung jedoch nicht ausgeschlossen werden 63 . bb) Xenotransplantation außerhalb des Gehirns Die Xenotransplantation könnte auch durch einen eingriff außerhalb des Gehirns die Identität des transplantatempfängers verletzten. Wie bereits ausgeführt wurde, wird die Identität eines menschen wesentlich durch selbstzuschreibungen und -deutungen sowie dessen Wahrnehmung durch andere menschen im sozialen umfeld bestimmt. Das selbstbild eines menschen hängt dabei auch von der Wahrnehmung seines Körpers ab. Hierbei kommt es nicht nur auf die äußere Wahrnehmung des Körpers an, sondern ebenso auf die Wahrnehmung seines Inneren, z. B. auf das Bewußtsein, ein krankes oder auch fremdes organ zu besitzen. Durch die transplantation von xenogenen zellen, Geweben oder organen könnte es zu einer veränderten selbstdeutung und damit zu einer Veränderung der personalen Identität kommen. Diese wird wesentlich von der psychischen Konstitution des jeweiligen Patienten und der Akzeptanz der Behandlungsmethode in seinem sozialen umfeld und der Gesellschaft abhängen. eine Rolle spielen dabei sowohl der kulturelle als auch der religiöse Hintergrund des Patienten 64 . Aus diesen erwägungen heraus wird empfohlen, mögliche Identitätsprobleme in die ärztliche Auf klärung einzubeziehen und den Patienten im Rahmen der prä-und postoperativen Betreuung psychologisch zu betreuen 65 . cc) Bewertung Nach diesen Ausführungen scheinen sowohl bei der xenogenen Hirngewebetransplantation als auch bei der Xenotransplantation außerhalb des Gehirns Identitätsveränderungen möglich zu sein. Da diese Identitätsveränderungen wissenschaftlich nicht ausreichend untersucht sind, besteht weiterer Klärungs-und Diskussionsbedarf 66 . zu entscheiden bleibt gleichwohl, ob nach dem gegenwärtigen erkenntnisstand eine mögliche Identitätsveränderung mit der menschenwürde zu vereinbaren wäre. zu bedenken ist, daß Persönlichkeitsveränderungen nicht erst durch die therapie, sondern bereits durch die Krankheit selbst ausgelöst werden können, z. B. durch furcht, Depression, unsicherheit über die zukunft, Verlust des selbstvertrauens und des selbstrespekts 67 . Wenn die Behandlung eine Verbesserung oder gar Beseitigung solcher symptome und in diesem sinne eine Persönlichkeitsveränderung zur folge hätte, wären dies willkommene Wirkungen 68 . zu bedenken ist weiterhin, daß die Xenotransplantation mit dem ziel der Heilung bzw. Lebensrettung und somit im Interesse des Patienten durchgeführt wird. Der Rückgriff auf ein xenogenes transplantat kann für den Patienten zudem eine psychische entlastung darstellen, weil das Warten auf ein menschliches spenderorgan und damit das Bewußtsein, das eigene Leben dem tod eines anderen zu verdanken, entfiele. Daraus folgende Gewissenskonflikte und schuldgefühle könnten vermieden werden 69 . Hinzu kommt, daß auch konventionelle medikamentöse therapien zu Persönlichkeitsveränderungen führen können 70 . Nach der einschätzung von Hildt sind im Bereich der Hirngewebetransplantation ähnliche Wirkungen zu erwarten 71 . stellt man den möglichen Identitätsveränderungen bei der Xenotransplantation die nach allgemeiner meinung gegen die menschenwürde und speziell gegen den schutz der geistig-seelischen Identität verstoßenden Verhaltensweisen gegenüber − heimliche oder gewaltsame medizinische manipulation zu forschungs-oder züchtungszwecken, Gehirnwäsche, Brechung des Willens durch Wahrheitsdrogen oder Hypnose, systematische Demütigungen oder erniedrigungen 72 −, so erscheinen die angesprochenen Identitätsprobleme vor dem Hintergrund der lebens-und gesundheitserhaltenden Intention des eingriffs insgesamt nicht als so schwerwiegend, daß eine Verletzung der geistig-seelischen Identität angenommen werden müßte 73 . 4. zwischenergebnis Im ergebnis ist festzuhalten, daß die Xenotransplantation nach dem gegenwärtigen erkenntnisstand weder die körperliche noch die geistig-seelische Identität bzw. Integrität des transplantatempfängers i. s. von Art. 1 Abs. 1 GG verletzt 74 . Die Xenotransplantation ist in den oben aufgezeigten Grenzen -transplantation einzelner zellen oder kleiner Gewebefragmente bei der Hirntransplantation -mit der menschenwürde in Art. Die beteiligten Grundrechtsträger -forscher, Patient und Dritte -beanspruchen gleiche oder verschiedene Grundrechte mit der folge, daß sie sich gegenseitig in ihren Grundrechten beeinträchtigen 78 . es liegt eine Grundrechtskollision vor. Grundrechtskollisionen sind letztlich durch eine Güterabwägung zu lösen 79 . Dabei müssen die Verfassungswerte nach dem Prinzip der praktischen Konkordanz zum Ausgleich gebracht werden: Die verfassungsrechtlich geschützten Güter müssen in der Problemlösung einander so zugeordnet werden, daß jedes von ihnen zur optimalen Wirksamkeit gelangen kann 80 . Läßt sich dies nicht erreichen, so ist unter Berücksichtigung der falltypischen Gestaltung zu entscheiden, welches Interesse zurücktreten muß 81 . Die Güterabwägung ist bei der Xenotransplantation dadurch erschwert, daß es für eine Bewertung des Infektionsrisikos bisher noch an gesicherten wissenschaftlichen Aussagen fehlt. es handelt sich zwar um ein reales, aber nicht quantifizierbares Risiko 82 . Die möglichkeit der Übertragung von Infektionskrankheiten vom tier auf den menschen wird wissenschaftlich nicht bestritten 83 . ebenfalls unbestritten ist die existenz einer Vielzahl von bekannten und unbekannten Pathogenen im favorisierten spendertier, dem schwein, welche sich jedoch im Hinblick auf das Risikopotential wesentlich unterscheiden. Im Blickpunkt der forscher stehen dabei vor allem porzine endogene Retroviren (PeRV), die verschiedene humane zellinien unter in vitro-Bedingungen infizieren konnten und die fähigkeit besitzen, sich an eine neue Wirtsumgebung zu adaptieren 84 . ob sich diese erkenntnisse auf die situation der Xenotransplantatiton in vivo übertragen lassen, wird kontrovers diskutiert. ungewiß ist nach dem bisherigen erkenntnisstand, ob durch die Xenotransplantation überhaupt eine Infektionskrankheit entstehen kann und, wenn dies der fall wäre, welche Auswirkungen eine solche Infektion haben würde. Vorstellbar ist eine Infektion mit leichtem Krankheitsverlauf genauso wie die entstehung einer neuen, weltweiten Infektionskrankheit, vergleichbar mit den HIV-oder Grippeinfektionen. Genauso könnte die In-fektion allein auf den transplantatempf änger begrenzt bleiben, wodurch ein Risiko für die Bevölkerung ausgeschlossen wäre. Kognitive unsicherheiten in der Beurteilung potentiell schädlicher folgen der modernen Wissenschaft und technik sind in unserer zeit keine unbekannte situation 85 , wie die Beispiele aus Rechtsprechung und Literatur belegen 86 . Die in diesem zusammenhang verwendeten Be griffe "Risiko", "Risikoanalyse" und "Risikoforschung" signal isieren einen Vorstoß in den Bereich nur theoretisch denkbarer schadensmöglichkeiten und nicht mehr hinreichend erfahrungsgestützter Kausalzusammenhänge 87 . Hierbei ist der Risikobegriff von dem Begriff der Gefahr des Polizei-und ordnungsrechts abzugrenzen. unter einer Gefahr wird eine sachlage verstanden, die bei ungehindertem Geschehensablauf mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem schaden führen wird 88 . Der Begriff des Risikos ist umstritten und unklar. Nach h. m. erfaßt er, im Gegensatz zum Gefahrenbegriff, auch ferne oder unbekannte, bloß denkbare möglichkei- zur transplantation im allgemeinen Hildt, Hängt die Identität des menschen von der Identität des Gehirns ab? zur Problematik von Hirngewebetransplantationen zelluläre Xenotransplantation, technologiefolgenabschätzung Nr. 39/2001, schweizerischer Wissenschaftsund technologierat 350 ff.; Isacson/Breakefield Hüsing/Engels (fn. 48), s. 178 ff 48), s. 180 f. Vgl. zudem Northoff Hüsing/Engels (fn. 48), s. 183 f 48), s. 184; Hildt (fn. 47), s. 257 ebenso Hüsing/Engels (fn. 48), s. 184 48), s. 187 ff.; Hildt (fn. 47), s. 257 Hüsing/Engels (fn. 48), s. 184 fötalem Hirngewebe eine Veränderung des empfängerverhaltens nach sich ziehen kann, z. B. im tag-Nacht-Rhythmus verschiedener Hamsterstämme, beim sexualverhalten von Ratten oder beim Krähverhalten von Hühnern und Wachteln 47), s. 257, 279; ebenso wohl Hüsing/Engels (fn. 48), s. 192 Xenotransplantation, technologiefolgenabschätzung Nr. 30/1998, schweizerischer Wissenschaftsrat 64), s. 146, dortige fn. 38, zur xenogenen transplantation; sowie Hildt (fn. 47), s. 257, 275 ff., zur allogenen transplantation 48), s. 190, im zusammenhang mit neurodegenerativen erkrankungen. Diese Aussage dürfte jedoch verallgemeinerungsfähig sein 47), s. 257, 271 f. sie weist jedoch darauf hin, daß es sich bei einer Hirngewebetransplantation im Gegensatz zur pharmakologischen therapie in der Regel um einen irreversiblen operativen eingriff handelt Art. 1, Rdnrn. 30 ff.; Pieroth/Schlink (fn. 15), Rdnr daß durch die Übertragung eines organs von einem tier auf einen menschen der empfänger in seiner Identität als mensch nicht beeinträchtigt werde; vgl. die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Kiper, Steindor, Höfken, Knoche und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Bt-Dr. 13/9275, s. 3, Nr. 5; ebenso im ergebnis Schreiber, Xeno trans plantation − rechtliche Aspekte Im ergebnis ebenso Wuermeling, ethische und gesellschaftliche fragen gentechnischer Anwendungen in der Humanmedizin zu medizinischen eingriffen vgl. Kunig (fn. 32) Insoweit ist auf die Pflicht des Arztes hinzuweisen, sich von einer ethik-Kommission über die mit dem forschungsvorhaben verbundenen ethischen und rechtlichen fragen beraten zu lassen; vgl. nur § 15 Abs. 1 mBo-ä, (muster-)Berufsordnung für die deutschen ärztinnen und ärzte i. d. f. der Beschlüsse des 100. Deutschen ärztetages 1997 in eisenach, zul. geänd Büro für technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag Münch (fn. 38), Vorb. Art. 1−19, Rdnr BVerfGe 93, 1, 21 = NJW 1995, 2477, 2479 (Kruzifix-urteil) Band III/2, 1994, § 82 II 4; von Münch (fn. 38), Vorb. Art. 1−19, Rdnr. 47. Klassisch dazu Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1999, Rdnr. 72, der freilich vor einer vorschnellen Abwägung warnt Lebach); von Münch (fn. 38), Vorb. Art. 1−19 Aktuelle Beispiele hierfür sind die sARs-epidemie von 2003 sowie die Infektionsfälle mit dem Vogelgrippe-Virus im Jahr Lexikon der Bioethik, 1998, s. 210; und Schulte, zum umgang mit Wissen, Nichtwissen und unsicherem Wissen im Recht − dargestellt am Beispiel des Bse-und mKs-Konflikts − die entscheidungen des BVerfG oben in fn 347 ff.; Murswiek (fn. 15), s. 81 f.; Nida=Rümelin, ethik des Risikos Kloepfer (fn. 85), s. 210 Rdnr. 106; Nida=Rümelin (fn. 86), s. 806, 809. zum Risikobegriff: Lege, Die zurechnung neuer Risiken im technik-und umweltrecht 6 GentG (Gentechnikgesetz i. d. f. d. Bek. v. 16. 12. 1993, BGBl. I s. 2066, zul. geänd § § 25 Abs. 2 Nr. 5a, 28 Abs. 3c und 72a Abs. 2 AmG: risikogestufte Bewertung, Risikovorsorge; § § 20 Abs. 1 Nrn. 1 und 7, Abs. 3, 26 Abs BGBl. I s. 3146, zul. geänd. durch Gesetz v. 14. 6. 2007, BGBl. I s. 1066): Risiken, Risikoabschätzung und Risikoabwehr Abs. 3, 87 Abs. 1 und 3, 88 Abs. 4 Nr. 3 strlschV Als Restrisiko wird das unterhalb des mit dem rechtlich gebotenen sicherheitsstandard zu verhindernde und deshalb rechtlich erlaubte Risiko bezeichnet; Murswiek (fn. 15), s Kloepfer (fn. 85), s. 210 ebenso Petermann/Sauter (fn. 77), s. 16 Murswiek (fn. 15), s. 180 BVerfGe 49, 89, 136 f. = NJW 1979, 359, 362; Schröder, Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen des technikrechts BVerfGe 49, 89, 130 ff. = NJW 1979, 359, 360 f.; Murswiek (fn. 15), s. 181 ff.; Isensee (fn. 15), § 111 Murswiek (fn. 15), s. 162 Anmerkung zum Beschluss des BVerfG vom 21 Welke* forum 732 medR Autor ist staatsanwalt bei der eingreifreserve des Hessischen Generalstaatsanwalts und bearbeitet seit 2005 hessenweit ermittlungsverfahren aus den Bereichen Betrug und Korruption im Gesundheitswesen Kammer des 2. senats findet sich abgedruckt in medR transparency International und die Verbraucherzentrale Bundesverband veranschlagen in der untersuchung "transparenzmängel, Betrug und Korruption im deutschen Gesundheitswesen" sogar den Betrag, der dem deutschen Gesundheitswesen jährlich durch Betrug und Korruption verloren geht s. unter www.transparency.de, zugriff am 12. 9 Voraussetzungen für kompetente ermittlungen sind zum einen staatsanwälte, die über die speziellen Kenntnisse der materie verfügen, sowie zum anderen, dass qualifizierte sachverständige für Abrechnungsfragen und -weil das Beweismaterial, mit dem in diesem Bereich operiert wird, sehr eDV-lastig ist -entsprechende eDV-fachleute vorhanden sind zur festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human-und tierarzneimitteln und zur errichtung einer europäischen Arzneimittel-Agentur, ABl. eu Nr. L 131 s. 1, sowie ab 30. 12. 2008 die Verordnung (eG) Nr. 1394/2007 v. 13. 11. 2007 über Arzneimittel für neuartige therapien und zur änderung der Richtlinie 2001/83/eG und der Verordnung (eG) Nr. 726 BGBl. I s. 1045, zul. geänd im Bereich des ärztlichen Heilversuchs; zu den einzelheiten s. Straßburger (fn. 11), s. 362 ff BVerfGe 115, 118, 159 f. = NVwz ten eines schadens 89 . In dem maße, wie die kognitive Beurteilungssicherheit sinkt, steigt die evaluative Wertungsabhängigkeit der Risikoentscheidung und damit die Grenzziehung zwischen abzuwehrenden Gefahren und zu verringernden Risiken bzw. hinzunehmenden Restrisiken 90 . Dem Recht kommt hierbei die Aufgabe zu, einen wertenden Ausgleich zwischen dem Nutzen und den potentiellen schäden eines risikobehafteten individuellen oder kollektiven Verhaltens herbeizuführen 91 .Bei der Xenotransplantation steht der Chance des Patienten auf Heilung oder auf Lebensrettung das Risiko der Infektion seiner selbst, aber auch der Infektion dritter Personen gegenüber, welche von der therapiemaßnahme lediglich einen mittelbaren (z. B. nahe Angehörige) oder gar keinen Nutzen (im falle unbeteiligter Dritter) haben. Aus der sicht des Patienten ist der schutz des Art. 2 Abs. 2 s. 1 GG auf die Durchführung der therapiemaßnahme und insoweit regelmäßig auf Lebensrettung gerichtet. Aus sicht des Dritten und der Allgemeinheit zielt Art. 2 Abs. 2 s. 1 GG hingegen auf die Abwehr des Infektionsrisikos und damit möglicherweise auf ein unterlassen der therapiemaßnahme. zu entscheiden ist somit, ob der staat die risikobelastete tätigkeit verbieten darf oder muß oder ob er Dritten das Infektionsrisiko zumuten darf 92 .Bei den schutzgütern "Leben" und "körperliche unversehrtheit" reicht in der Regel jeder eingriff bzw. jede Gefährdung aus, um die schutzpflicht des staates auszulösen 93 . Die schutzpflicht geht jedoch nicht so weit, daß der staat jegliches Risiko ausschließen muß. Vom Gesetzgeber unter Berufung auf seine schutzpflicht den Ausschluß von Grundrechtsgefährdungen mit absoluter sicherheit zu fordern, hieße die Grenzen menschlichen erkenntnisvermögens zu verkennen und würde weithin jede staatliche zulassung der Nutzung von technik (und Wissenschaft) verbieten 94 . unvermeidliche Restrisiken darf der staat folglich den Grundrechtsträgern zumuten 95 . Welches Restrisiko noch in Kauf genommen werden kann, obliegt der Bewertung durch den Gesetzgeber 96 , der die erfahrungen und wissenschaftlichen erkenntnisse des jeweiligen fachgebiets in seine Bewertung einbeziehen muß 97 . Die beteiligten fachkreise befürworten überwiegend die Durchführung der Xenotransplantation und gehen von einem Risiko aus, das durch spezielle sicherheits-und Qualitätsmechanismen beherrschbar ist. Diese einschätzung wird auch von der Verfasserin geteilt. sofern sich auch der staat dieser Bewertung anschließt und die Xenotransplantation zuläßt, ist er aufgrund seiner grundrechtlichen schutzpflicht verpflichtet, die zur sicherung der betroffenen Grundrechte erforderlichen Normen bereitzustellen. Dabei unterliegt der Gesetzgeber dem Gebot des dynamischen Rechtsgüterschutzes 98 . Das heißt, er muß, soweit schutzvorkehrungen fehlen, diese schaffen und, soweit die vorhandenen Vorkehrungen den grundrechtlichen Anforderungen nicht genügen, diese ersetzen oder nachbessern 99 , wobei er formell (Kompetenz) und materiell (Gesetzesvorbehalt, Grundrechte) an die Verfassung gebunden ist. Die schutzvorkehrungen müssen in einem angemessenen Verhältnis zu Art und Ausmaß des potentiellen schadens stehen: Bei einem großen Risikopotential ist eine weitergehende freiheitsbeschränkung durch schärfere sicherheitsvorkehrungen zumutbar als bei einem kleinen Risikopotential 100 . soweit nach dem neueren stand von Wissenschaft und technik früher angenommene Risiken als nicht mehr bestehend angesehen werden müssen, ist der Gesetzgeber verpflichtet, Beschränkungen zu beseitigen 101 . Der staat ist aufgrund seiner grundrechtlichen schutzpflicht verpflichtet, die bei der Xenotransplantation be-troffenen Grundrechte (insbesondere Art. 5 Abs. 3, Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 s. 2 GG) vor eingriffen, Übergriffen und Gef ährdungen zu schützen. Nach dem gegenwärtigen erkenntnisstand ist die Xenotransplantation mit der menschenwürde vereinbar, so daß Art. 1 Abs. 1 GG der Durchführung der Xenotransplantation nicht entgegen steht. Die grundrechtliche schutzpflicht zielt damit auf einen optimalen Ausgleich der betroffenen Grundrechte nach dem Gebot des dynamischen Rechtsgüterschutzes.ob der Gesetzgeber im Hinblick auf das Infektionsrisiko der Xenotransplantation zu einer Nachbesserung oder zur schaffung neuer Regelungen verpflichtet ist, hängt davon ab, ob die vorhandenen Regelungen ausreichende schutzvorkehrungen zur Beherrschung des Infektionsrisikos zur Verfügung stellen. Nach einer untersuchung der Verfasserin ist der vorhandene Regelungsrahmen grundsätzlich geeignet, die durch die Xenotransplantation betroffenen Grundrechte zu schützen. Regelungsschwerpunkte sind das Arzneimittel-, Gentechnik-und Infektionsschutzrecht: Nach der Legaldefinition in § 2 Abs. 1 AmG sind xenogene transplantate -im Gegensatz zu humanen transplantaten (vgl. § 1 tPG 102 ) -als Arzneimittel zu qualifizieren. sie unterliegen damit den Regularien des Arzneimittelrechts, insbesondere der Herstellungserlaubnis und den Vorschriften zur klinischen Prüfung 103 sowie der zentralen zulas- ermittlungen wegen Abrechnungsbetrugs rücken zunehmend in den fokus der staatsanwaltschaftlichen tätigkeit. Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass die Verteilungskämpfe um Gelder aus den zur Verfügung stehenden Budgets im Gesundheitswesen schärfer geworden sind. Nachdem lange zeit die politische Auseinandersetzung um einzahlungen in das system geführt worden ist, rücken nun verstärkt auch die Ausgaben in den Blickpunkt. Dazu zählt neben einsparungen auch der Bereich des Abrechnungsbetrugs: Nach ernst zu nehmenden schätzungen geht dem Gesundheitssystem durch Betrug und Korruption jährlich ein Betrag von gut einer milliarde € verloren 2 . Dementsprechend hat der Gesetzgeber beispielsweise die Krankenkassen nach § 197a sGB V und die Kassenärztlichen Vereinigungen gemäß § 81a sGB V seit 2003 verpflichtet, im Bereich der Betrugsbekämpfung effektive maßnahmen zu ergreifen und stellen zur Bekämpfung von fehlverhalten im Gesundheitswesen einzurichten. Die damit einhergehende Prüfungsverpflichtung dieser stellen ist eine wichtige Grundlage für die staatsanwaltschaften, im Bereich des Abrechnungsbetrugs im Gesundheitswesen effektiv ermittlungen zu führen 3 soweit der schutzstandard hinter dem erforderlichen schutzniveau zurückbleibt 107 , ist der Gesetzgeber nach der Lehre von der grundrechtlichen schutzpflicht und dem daraus abgeleiteten Gebot des dynamischen Rechtsgüter-schutzes verpflichtet, die vorhandenen Regelungen nachzubessern. Hierbei kommt ihm (wie auch der vollziehenden Gewalt) ein weiter einschätzungs-, Wertungs-und Gestaltungsspielraum zu 108 .