key: cord-0004741-pwiz0ot3 authors: Krause, G.; Gilsdorf, A.; Becker, J.; Bradt, K.; Dreweck, C.; Gärtner, B.; Löwer, J.; Marcic, A.; Nicoll, A.; Pott, E.; Schaade, L.; Schoeller, A.; Stollorz, V.; Träder, C.; Razum, O. title: Erster Erfahrungsaustausch zur H1N1-Pandemie in Deutschland 2009/2010: Bericht über einen Workshop am 22. und 23. März 2010 in Berlin date: 2010-05-02 journal: Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz DOI: 10.1007/s00103-010-1074-3 sha: 685f91d4e98f1cde57daebf1e481c53c8ed86f68 doc_id: 4741 cord_uid: pwiz0ot3 In April 2009 the first pandemic of the 21st century developed within a few weeks starting from Mexico. Its first wave reached Germany in autumn 2009 and was responsible for 1.8–3.5 million additional medical consultations. For the public health sector, this pandemic was one of the largest challenges of the last few decades. As a contribution to broader evaluations on national and international level, the Robert Koch Institute invited representatives from different professions involved in the pandemic response to participate in a workshop on 22–23 March 2010. This workshop was structured in short presentations, group work, and plenary discussions. Main experiences were that (a) pandemic preparedness was helpful, (b) the early warning systems were reliable, (c) vaccines were available within a few months, however, in limited amounts. Need for improvement was discussed for (a) effectiveness of vaccination logistics, (b) mechanisms for the reimbursement of the cost of vaccination, (c) availability of surveillance and monitoring systems, (d) integration of physicians in decision-making processes and health education, and (e) proactive communication strategies. Investments in the above mentioned areas can help to improve public health protection in the future. . Bereits am folgenden Tag erklärte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) offiziell den "Notfall für die öffentliche Gesundheit von internationaler Bedeutung" (public health emergency of international concern; PHEIC) und erhöhte innerhalb der folgenden vier Tage die Influenza-Pandemiewarnstufe von 3 auf 5 [2] . In Deutschland hatte die erste Stufe der Präventionsstrategie das Ziel, mittels umfassender Infektionsschutzmaßnahmen möglichst alle Fälle zu erfassen und eine autochthone Verbreitung zu verzögern [3] . Erst im Juli 2009 kam es in Deutschland dann zu steigenden Fallzahlen, jedoch anders als in anderen europäischen Ländern mit zunächst nur einer geringen Zahl autochthoner Infektionen. Ab dieser Zeit wurden die Infektionsschutzmaßnamen auf vulnerable Gruppen begrenzt [4] . Nachdem im August die wöchentlichen registrierten Meldungen zunächst wieder sanken, stiegen die Fallzahlen ab Oktober zuerst in Süddeutschland erneut an, und erreichten Anfang November deutschlandweit einen Höhepunkt mit bis zu 45.000 neu gemeldeten Fällen pro Woche. Auch die im Sentinel der Arbeitsgemeinschaft Influenza gemessene Influenzaaktivität überschritt im Oktober erstmals den Bereich der Hintergrundaktivität und bestätigte das Bild einer pandemischen Welle mit autochthoner Übertragung und messbarer Krankheitslast auf Bevölkerungsebene. Mit Beginn dieser Welle wurden die Infektionsschutz-und Surveillance-Maßnahmen im Wesentlichen auf die Empfehlungen reduziert, die auch bei saisonaler Influenza Gültigkeit haben. Im Oktober 2009 begann die Impfkampagne gegen das pandemische Influenzavirus (H1N1) 2009 in Deutschland. Ab der 48. Kalenderwoche ging die Aktivität von akuten Atemwegserkrankungen bundesweit stark zurück. Insgesamt wurden dem Robert Koch-Institut (RKI) bis März 2010 über 220.000 Fälle von pandemischer Influenza (H1N1) 2009 übermittelt. Die wahre Zahl der Infizierten dürfte jedoch um ein Vielfaches höher liegen. In Deutschland wurden über 250 Todesfälle im Zusammenhang mit einer nachgewiesenen Infektion mit pandemischer Influenza (H1N1) 2009 erfasst [5] . Im Gegensatz zur saisonalen Influenza war die Mortalität bei Säuglingen und den Erwachsenen zwischen 35 und 59 Jahren mit rund vier Todesfällen pro einer Millionen Einwohner nahezu doppelt so hoch wie in anderen Altersgruppen [5] . Vorläufige Schätzungen des RKI gehen davon aus, dass Infektionen mit pandemischer Influenza (H1N1) 2009 in der Herbstwelle 2009 1,8 bis 3,5 Millionen zusätzliche Arztbesuche in Deutsch-land verursachten (95% Konfidenzintervall), was im mittleren Bereich saisonaler Influenzawellen der vergangenen drei Jahre liegt (0,3 bis 5,0 Millionen). Das pandemische Influenzavirus (H1N1) 2009 löste die erste Pandemie im 21. Jahrhundert aus. Aufgrund der Dauer des Infektionsgeschehens und der Intensität der getroffenen Maßnahmen kann der Zeitraum vom Bekanntwerden des neuen Influenzavirus bis zur ersten pandemischen Welle und der zeitgleich begonnenen Impfkampagne als eine der größten Herausforderungen der vergangenen Jahrzehnte für den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) bewertet werden. Auch wenn und gerade weil die Pandemie mit dem pandemischen Influenzavirus (H1N1) 2009 global noch nicht beendet ist, erscheint es notwendig, zeitnah einen Prozess der Aufarbeitung und Anpassung der Pandemieplanung einzuleiten und Konsequenzen für die Zukunft zu ziehen. Hierzu organisierte das RKI einen Erfahrungsaustausch mit dem Ziel, einen Beitrag für weiterführende Auswertungen zu leisten, die auf örtlicher, Landes-und Bundesebene sowie in nationalen Verbänden und internationalen Gremien und Organisationen erfolgen werden. Das RKI hatte Vertreterinnen und Vertreter der Ärzteschaft, verschiedener Berufsund Fachverbände sowie Behörden, Ministerien und Journalisten eingeladen, die an der Planung und Umsetzung von Maßnahmen im Rahmen einer Pandemie in besonderer Weise beteiligt sind (Teilnehmerliste siehe unten). Aus den im Vorfeld von den Teilnehmern eingereichten Themenvorschlägen ergaben sich vier Themengebiete "Maßnahmen", "Koordination", "Impfung" und "Kommunikation". In April 2009 the first pandemic of the 21st century developed within a few weeks starting from Mexico. Its first wave reached Germany in autumn 2009 and was responsible for �.8-3.5 million additional medical consultations. For the public health sector, this pandemic was one of the largest challenges of the last few decades. As a contribution to broader evaluations on national and international level the Robert Koch Institute invited representatives from different professions involved in the pandemic response to participate in a workshop on 22-23 March 20�0. This workshop was structured in short presentations, group work, and plenary discussions. The Main experiences were that (a) pandemic preparedness was helpful, (b) the early warning systems were reliable, (c) vac-cines were available within a few months, however, in limited amounts. Need for improvement was discussed for (a) effectiveness of vaccination logistics, (b) mechanisms for the reimbursement of the cost of vaccination, (c) availability of surveillance and monitoring systems, (d) integration of physicians in decision-making processes and health education, and (e) proactive communication strategies. Investments in the above mentioned areas can help to improve public health protection in the future. Pandemic (H�N�) 2009 · Swine flu · �N�) 2009 · Swine flu · N�) 2009 · Swine flu · �) 2009 · Swine flu · ) 2009 · Swine flu · Pandemic · Evaluation · Public health service pean Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) in Stockholm, der Erfahrungen und Daten aus anderen Ländern der Europäischen Union (EU) vorstellte. Der vorliegende Bericht ist in die drei Kapitel "Infektionsschutzmaßnahmen und Koordination", "Impfung" und "Kommunikation" gegliedert, in denen die je- [8] . Eine zur Erleichterung der Gesundheitsämter in der 46. Kalenderwoche eingeführte Möglichkeit zur aggregierten Fall-Übermittlung hat sich nur bedingt bewährt. Eine frühzeitige Einigung über die Deeskalation wurde zum Teil auch aufgrund regional unterschiedlicher Lagen verzögert und auch von der Sorge bestimmt, eine Reduktion des Infektionsschutzes, der Surveillance oder der Berichtsfrequenz könnten implizit entweder als verfrühte "Entwarnung" oder als ein "Zusammenbrechen der Kapazitäten" missverstanden werden. ÖGD und Ärzteschaft hätten für einen Wechsel der Maßnahmen mehr Vorlaufzeit benötigt, und die Strategien hätten über die im Epidemiologischen Bulletin beschriebene Strategieanpassung hinaus durch kurze Botschaften an die Öffentlichkeit besser verständlich gemacht werden müssen [9] . Unabhängig von der Diskussion um die Deeskalation bestand Einigkeit, dass auch nach dem ersten Erkrankungsgipfel Wachsamkeit geboten ist. Insbesondere zu Beginn der Pandemie bestand ein extrem hoher Informationsbedarf, der nur teilweise durch die bestehenden Surveillanceinstrumente (zum Beispiel das Meldewesen nach Infektionsschutzgesetz, IfSG) gedeckt werden konnte. Es fehlte an Informationsstrukturen für die Erfassung schwerer Krankheitsverläufe und der Gesamtmortalität. Diese Informationslücke hat möglicherweise in der allgemeinen Wahrnehmung dazu geführt, die klinische Bedeutung einer Infektion mit der pandemischen Influenza (H1N1) 2009 zu unterschätzen. Es bestand Einigkeit darüber, dass neue Surveillanceinstrumente nicht effektiv während eines Ereignisses etabliert werden können. Die Versuche, die erforderlichen Informationen über aufwendige Zusatzerhebungen und improvisierte Freitextübermittlungen im Rahmen der derzeitigen Übermittlungs-und IT-Strukturen des Infektionsschutzgesetzes zu erfassen, erwiesen sich als wenig geeignet und zu personalintensiv. Um das Meldepflichtsystem entlasten zu können, müssen Übermittlungsprozesse beschleunigt und weiter automatisiert werden. Auch das kurzfristig aufgebaute pandemische Influenza-Krankenhaus-Surveillancesystem (PIKS) kam zu spät und war nicht repräsentativ. Intensivierte Studien, wie die im Sommer durchgeführte RKI-Studie zur Virusübertragbarkeit, können die Erfassungslast in der Fläche reduzieren. Ebenso notwendig erscheint eine zeitnahe Mortalitätssurveillance, die vermutlich eine Änderung gesetzlicher Regelungen erfordert. Es wurde aber auch deutlich, dass in der akuten Lage trotz mehrjähriger Abstimmungen eines Instrumentes für Pandemie-Lageindikatoren im Herbst 2009 kein flächendeckendes oder zumindest repräsentatives Monitoring über die Auslastung der medizinischen Versorgungsstrukturen und des ÖGD anwendbar war. Die Diskussion machte ferner deutlich, dass die Ärzteschaft und bisweilen auch der ÖGD bisher nur unzureichend erkennen, dass sich die Meldepflicht-Surveillance nicht nur durch Infektionsschutzmaßnahmen bezüglich des betreffenden Individuums rechtfertigt. Vielmehr dient sie auch dazu, Infektionsschutzmaßnahmen bis hin zu Impfempfehlungen auf der Bevölkerungsebene zu definieren und gegebenenfalls anzupassen. Die jeweils unterschiedlichen Anliegen der auf das Individuum bezogenen klinischen Medizin einerseits und den bevölkerungsbezogenen Aufgaben des ÖGD andererseits müssen dabei besser berücksichtigt werden. Positiv wurde hervorgehoben, dass Impfstoff vorhanden war und grundsätzlich jeder sich impfen lassen konnte. Der Impfstoff erwies sich zudem als sicher, verträglich und in etwa so rasch verfügbar, wie in den Szenarien der Pandemieplanung angenommen. Die Verwendung eines adjuvantierten Impfstoffes, eine rasch erfolgte EU-Zulassung und die Auslieferung in 10er-Dosen führten zu einer Verkürzung der Zeit bis zur Impfstoffauslie-ferung gegenüber üblichen saisonalen Influenzaimpfstoffen und zu einer Erhöhung der wöchentlich verfügbaren Liefermenge. Im Umsetzungsprozess verzögerte sich die Auslieferung allerdings unter anderem aus produktionstechnischen Gründen, sodass in einer Phase wachsender Impfbereitschaft anfänglich nicht alle Impfstellen mit Impfstoff versorgt werden konnten. Als der Impfstoff dann schließlich in Breite verfügbar wurde, war die Krankheitslast bereits deutlich gesunken und somit ebenfalls das Impfbedürfnis der Bevölkerung. Die Entscheidung zum Umfang der Impfstoffbestellung musste zu einem Zeitpunkt getroffen werden, als weder die Impfempfehlungen beschlossen, noch die Anzahl der pro Person erforderlichen Impfdosen endgültig festgelegt, noch die Impfbereitschaft der Bevölkerung verlässlich vorhergesehen werden konnten. Das finanzielle Risiko bezüglich der zu bestellenden Impfstoffmenge konnte entgegen den Erwartungen politischer Entscheidungsträger letztlich weder durch die internationalen Empfehlungen der WHO-Gremien noch durch die wissenschaftlichen Einschätzungen der Bundesbehörden oder durch die Befragungen der Bevölkerung verlässlich eingegrenzt werden. Zudem bestand eine außergewöhnliche internationale Situation, in der weltweit ausschließlich Staaten Impfstoff bestellten und dieser nicht auf den "freien Markt" gelangen konnte. Dadurch konnte nicht auf die üblichen Vermarktungsund Vertriebswege zurückgegriffen werden, sodass zahlreiche Sonderregelungen getroffen werden mussten. Vor diesem Hintergrund wurde die Rolle der Impfstoffhersteller kontrovers diskutiert. Während einerseits die Enttäuschung unter anderem über die Verhandlungen zur Sicherung der Bestelloptionen und über die anfänglich nicht erfüllten Liefermengen zum Ausdruck kam, wurde auch anerkannt, dass sich der Impfstoffhersteller bezüglich der nachträglichen Reduzierung der Liefermenge verhandlungsbereit zeigte. Letztlich bestand weitgehend Einigkeit, dass -solange eine staatliche Impfstoffproduktion nicht in Betracht gezogen wird -kommerzielle Impfstoffhersteller als wesentliche Partner bei der Vorbereitung und Reaktion auf ei-ne Pandemie berücksichtigt werden sollten. Es ist nachvollziehbar, dass Hersteller dabei die wirtschaftlichen Risiken bezüglich Entwicklung und Produktion von Impfstoffen ebenso zu reduzieren versuchen, wie dies die Regierungen bezüglich der Bestellung tun. Es wäre aber aufgrund der jüngsten Erfahrungen auf jeden Fall sinnvoll, für die Zukunft flexiblere Verträge zu verhandeln. Die Impfempfehlungen wurden aufgrund der klinischen und epidemiologischen Eigenschaften der pandemischen Influenza (H1N1) 2009 im Rahmen einer risikoorientierten Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) festgelegt und nicht -wie ursprünglich im Pandemieplan vorgesehen -als staatlich vorzunehmende Priorisierung nach Altersjahrgängen. Wenngleich es der STIKO gelang, ausreichend lange vor Verfügbarkeit des Impfstoffes eine ausführlich begründete Impfempfehlung zu veröffentlichen, wurde doch deutlich, dass die Geschäftsordnung der STIKO für eine derart komplexe und zugleich kurzfristige Impfempfehlung nicht geschaffen ist. Es lag nicht in der Zuständigkeit der STIKO, Empfehlungen zur Dosierung zu geben oder Zielgruppen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu priorisieren. Diese Aspekte wurden separat von RKI und PEI beziehungsweise den Landesbehörden ergänzt. Somit stellt sich die Frage, ob die Zuständigkeiten der STIKO und der Pandemiekommission besser an diese Anforderungen angepasst werden sollten. Unabhängig davon wurde angemahnt, dass auf Grundlage der im Jahr 2009 gewonnenen Erkenntnis frühzeitig eine für die Saison 2010/2011 angepasste Impfempfehlung zur Influenza erfolgen sollte. Es wurde angemerkt, dass die Rechtsverordnung, in der die Krankenkassen zur Übernahme der Impfstoffkosten verpflichtet wurden, erst spät erlassen wurde. Diese Verzögerung hat wiederum die Verhandlungen zwischen Ländern, Kostenträgern und Ärzten zum Abschluss einer Impfvereinbarung beeinträchtigt. Zudem wird im Nachhinein deutlich, dass diese Verordnung Details zu regeln versucht hat, die letztlich unnötig und sogar kontraproduktiv waren. Die in der Verordnung bereits detailliert aufgeführten Indikationsgruppen hatten gegenüber der später erstellten STIKO-Empfehlung geringfügige Unterschiede, was zu Verwirrung bei der Ärzteschaft und in der Öffentlichkeit beigetragen hat. Auch hat es sich als ungünstig erwiesen, dass ein Richtwert für die Kostenerstattung in der Verordnung angegeben wurde, weil das die Verhandlungen einer bedarfsgerechten Regelung verzögert hat. Der Sachverhalt wurde zusätzlich verkompliziert, indem die Verhandlungen über die Kostenerstattungen nicht bundeseinheitlich, sondern jeweils zwischen den einzelnen Bundesländern und den jeweiligen regionalen Kassenärztlichen Vereinigungen geführt wurden. Dies führte zu unterschiedlichen Abrechungsregelungen innerhalb Deutschlands und somit zu Unmut in Teilen der Ärzteschaft. Die Bundesländer verfolgten bezüglich der Impflogistik unterschiedliche Konzepte und wichen aufgrund der epidemiologischen Situation und veränderter planerischer Grundlagen von den jeweiligen Pandemieplänen ab. Am Beispiel Schleswig-Holsteins wurde auf dem Workshop beschrieben, welche vielschichtigen Verhandlungen mit impfenden Ärzten, Apotheken und Logistikunternehmen kurzfristig erforderlich waren. Dies hat Ressourcen gebunden, Zeit gekostet und eine frühzeitige und transparente Darstellung der Impfstrategie erheblich erschwert. Als die Logistik schließlich organisiert war, blieb die Menge des lieferbaren Impfstoffs zunächst deutlich hinter den ursprünglichen Ankündigungen des Herstellers und der Kapazität des Verteilungssystems zurück. Unstrittig ist, dass Eindosisampullen besser zu handhaben sind als die im Herbst 2009 verwendeten 10er-Ampullen, insbesondere wenn nicht in zentralen Impfstellen, sondern über niedergelassene Arztpraxen geimpft wird. Zudem würden damit die Notwendigkeit eines Thiomersal-Zusatzes und die Diskussion um seine Verträglichkeit überflüssig. Vor allem die Schwierigkeit in niedergelassenen Praxen, nicht immer acht bis zehn Impflinge für die Verwendung einer 10er-Ampulle organisieren zu können, hat vielfach dazu geführt, dass impfwillige Patienten spät oder überhaupt nicht geimpft wurden. Durch die behördliche Beauftragung der niedergelassenen Ärzte im Rahmen der Impfkampagne -ob in der allgemeinärztlichen Praxis oder einer zentralen Impfstelle -war sichergestellt, dass etwaige Schadensersatzansprüche im Rahmen von Impfschäden nicht gegenüber dem impfenden Arzt, sondern gegenüber der beauftragenden staatlichen Institution geltend gemacht werden müssen. Diese Tatsache und die bestehende Entschädigungsregelung durch die Landesversorgungsämter bei möglichen Impfschäden wurden positiv bewertet. Allerdings waren beide Sachverhalte in der Ärzteschaft nicht ausreichend bekannt, sodass gegensätzliche öffentliche Äußerungen diesbezüglich zur Skepsis gegenüber den Pandemieimpfstoffen beitrugen. Bezüglich der Impflogistik blieb die jeweilige Rolle der niedergelassenen Ärzte einerseits und des ÖGD andererseits lange unklar. Zuständigkeiten wurden regional sehr unterschiedlich und offenbar nicht überall für beide Seiten befriedigend geregelt. Vielfach sah sich der ÖGD -bedingt durch die Bindung der gesamten personellen Ressourcen im Geschehen -nicht in der Lage, Impfungen selber durchzuführen oder in zentralen Impfstellen mithilfe hinzugezogener Ärzte zu organisieren. Aufgrund der bestellten 10er-Dosen und der Strategie der Pandemiepläne lag zunächst eine zentrale Verimpfung nahe. Anders als in der Pandemieplanung vorgesehen, erfolgte jedoch eine Indikationsimpfung aufgrund individueller Risikoabwägung, was wiederum für eine Impfung durch Hausärzte sprach. Bezüglich künftiger Pandemieplanungen haben die Erfahrungen im Herbst 2009 auch gezeigt, dass sich eine staatlich zu verantwortende Priorisierung der Impfung bestimmter Funktionsträger im Gegensatz zu einer medizinisch begründeten Indikationsstellung über die niedergelassene Ärzteschaft kaum umsetzen lässt. Sofern die Priorisierung bestimmten Berufsgruppen entspricht, lässt sich diese über entsprechende Belieferung betriebsärztlicher Einrichtungen erreichen. Für ähnliche Situationen wie im Herbst 2009 muss die Rolle der niedergelassenen Ärzteschaft besser in der Pandemieplanung berücksichtigt werden. Im Oktober 2009 hatte im Rahmen einer Umfrage in Deutschland etwa ein Drittel der befragten Erwachsenen angegeben, sich impfen lassen zu wollen. Nach aktuellen Schätzungen des RKI haben letztlich aber weniger als 15% der chronisch Kranken und weniger als 20% des medizinischen Personals tatsächlich eine Impfung gegen das Pandemievirus erhalten; in der Gesamtbevölkerung haben sich etwa 7,5% aller Personen impfen lassen. In Irland, Schweden und den Niederlanden wurden dagegen zwei-bis fünfmal so hohe Impfquoten in den entsprechenden Zielgruppen erreicht. Drei Monate nach der eigentlichen Impfaktivität haben immer noch nicht alle Bundesländer Informationen darüber, welche Alters-und Indikationsgruppen zu welchem Anteil, wann und mit welchem Impfstoff geimpft wurden. Die Erfassung unerwünschter Impfwirkungen steht grundsätzlich vor dem Problem, bei der Vielzahl der Verdachtsmeldungen die Kausalität zwischen Impfung und Beschwerdebild im Einzelfall zeitnah zu prüfen, insbesondere wenn bei nicht bekannter Anzahl von Impfungen Häufigkeiten nicht ermittelt werden können. Dadurch wurde die Vermittlung der Bewertung eingegangener Impfschadensmeldungen für das PEI erschwert. Eine besondere Herausforderung für die Behörden war es, von der ersten Ankündigung der pandemischen Welle im April 2009 bis zu ihrem Auftreten im Oktober 2009 die Führung in der Bereitstellung von Informationen zu behalten, insbesondere auf der Basis kaum belastbarer Daten. Diese lange Zeitspanne wurde nicht ausreichend genutzt, um frühzeitig alle für eine an diese Pandemie angepasste Impfkampagne nötigen Kräfte zu mobilisieren. Die Wissenschaft, besonders die Epidemiologie und die Vakzinologie, war eine wesentliche Grundlage bei der Beratung der Entscheidungsträger. Allerdings mussten die Einschätzungen über die Zahl der benötigten Impfstoffdosen und die Frage der in der Bevölkerung vorbestehenden Immunität im Verlauf auch korrigiert werden. Ein weiteres Problem der Kommunikation war, dass sowohl bei Fachleuten als auch in der Öffentlichkeit der Begriff der Pandemie mit der Vorstellung einer "Großschadenslage" verknüpft war. Stattdessen entwickelte sich selbst für Experten überraschend ein Pandemiegeschehen, das bislang gegenüber der saisonalen Influenza keine deutlich höhere Krankheitslast in der Bevölkerung erkennen lässt. Die immunologischen und virologischen Faktoren hierbei werden in der Wissenschaft noch diskutiert. Die überarbeiteten Pandemiepläne müssen künftig nicht nur schwere, son-dern auch weniger einschneidende Pandemien besser berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund hätte das RKI deutlicher kommunizieren müssen, dass der bisherige Verlauf der Pandemie unerwartet moderat war, statt wiederholt vor der Möglichkeit einer mit einer Mutation des Virus einhergehenden Pathogenitätszunahme zu warnen. Das Verständnis des Prozesses der Impfstoffzulassung und seiner notwendigen Besonderheiten im Vergleich zum Zulassungsverfahren saisonaler Influenzaimpfstoffe oder therapeutischer Arzneimittel war in der Fachöffentlichkeit wenig verbreitet. Hier hätte das PEI aktiver und transparenter kommunizieren sollen. Auch nicht beeinflussbare Faktoren wie die Ausbeute der Impfstoffproduktion oder die unvermeidbare Unsicherheit bezüglich der Anzahl benötigter Impfdosen sollten künftig frühzeitig erläutert werden. Lageänderungen und die daraus folgenden Strategieanpassungen hatte das RKI mit den Landesbehörden abgesprochen und im Epidemiologischen Bulletin sowie in Infobriefen an die Gesundheitsämter angekündigt [9] . Diese Informationen waren aber nicht allgemein verständlich genug gefasst und der Öffentlichkeit sowie der Ärzteschaft nicht aktiv vermittelt worden, sodass diese sich von den Änderungen überrascht fühlte. Auch der Bund hatte schwer vermittelbare Prozesse und Entscheidungen nicht präventiv erläutert. Eine solche Erläuterung wäre zum Beispiel bei der Entscheidung nötig gewesen, für die allgemeine Bevölkerung einen adjuvantierten Spalt-Impfstoff zu verwenden und für Bundesbedienstete aber davon abweichend einen nicht adjuvantierten Ganzvirus-Impfstoff. Die Vertraulichkeit der Verträge zur Impfstoffbestellung und ihr Zustandekommen hatten zusätzlich Spekulationen und Argwohn provoziert. Auch die im Zusammenhang mit der Impfstoffbestellung oben bereits beschriebenen Sachzwänge hätten über geeignete Informationskanäle auf eine Weise vermittelt werden sollen, die von der Ärzteschaft und der Öffentlichkeit auch wahrgenommen wird. Bereits vor dem Auftreten der pandemischen Influenza (H1N1) 2009 war eine kritische Haltung zu Impfungen in Teilen der Ärzteschaft und den Medien deutlich geworden, etwa nach intensiven Diskussionen um die Impfung gegen das humane Papillomavirus (HPV) sowie um mögliche Interessenkonflikte einzelner STIKO-Mitglieder. Insbesondere bei der Influenzaimpfung ergibt sich jedoch die Indikation zur Impfung nicht nur aus der individuellen Nutzen-Risiko-Abwägung des Impflings, sondern unter anderem auch aus der Verantwortung gegenüber vulnerablen Patienten oder Familienmitgliedern. Dies wird offenbar selbst in der Ärzteschaft nicht hinreichend akzeptiert. Wenn sich selbst ärztliches und pflegendes Personal zu großen Teilen nicht impfen lässt, erscheint eine mangelnde Impfbereitschaft bei Patienten weniger verwunderlich. Selbst bei politischen Meinungsbildnern war zudem nicht überall der Gedanke etabliert, dass eine Impfstoffbestellung für den Pandemiefall im Kern eine vorsorgliche Maßnahme ist: Sie wird -wie eine Unfallversicherung oder eine Feuerwache -zwar nur im seltenen Ernstfall dringend gebraucht, muss aber in jedem Fall vorgehalten und bezahlt werden. Der lange Entscheidungsprozess um den Impfstoffkauf erschwerte die Akzeptanz der Impfung als dem wichtigsten Werkzeug der Pandemievorbereitung in der Öffentlichkeit erheblich. Auch zum Thema Impfen wurden entsprechende Informationsmaterialien entwickelt, diese erschienen aber offenbar einerseits zu spät und wurden zum anderen nicht so massiv verbreitet wie etwa in Schweden. Filmspots wurden lediglich als Pro-bono-Schaltungen zu eher uneffektiven Sendezeiten gesendet, und Anzeigenschaltungen fanden erst zu einem Zeitpunkt statt, als offenkundig wurde, dass die Impfbeteiligung unzureichend ist. Es wurde diskutiert, ob die Akzeptanz von Patienteninformationen erhöht werden könnte, wenn diese von anderen Einrichtungen erstellt würde als von den für die Entscheidung von Maßnahmen verantwortlichen Behörden. Wissenschaftlichen und ärztlichen Fachgesellschaften kommt eine wichtige Rolle bei der kritischen Prüfung und Vermittlung von behördlichen Entscheidungen zu. Problematisch war allerdings, dass innerhalb der ärztlichen Fach-und Berufsverbände -entweder aus einfacher Unkenntnis oder aus verbandspolitischen oder persönlichen Interessen heraus -widersprüchliche Informationen und Forderungen kommuniziert wurden. Das führte in der Ärzteschaft, aber auch in der Öffentlichkeit zu Verunsicherung. Der vom Bundesministerium für Gesundheit im Dezember einberufene Impfgipfel unter Beteiligung der relevanten ärzt-lichen Verbände war daher sehr sinnvoll, hätte jedoch bereits im Vorfeld der Impfungen stattfinden müssen, um seine volle Wirkung entfalten zu können. Im Rahmen einer repräsentativen Umfrage des RKI stimmten etwa ein Drittel der Befragten der Aussage zu oder eher zu, dass die Diskussion um die Impfung gegen Schweinegrippe die eigene Einstellung zu Impfungen im Allgemeinen negativ beeinflusst habe. Es steht daher zu befürchten, dass das Misstrauen der Bevölkerung durch die Informationsmaßnahmen im Herbst vonseiten der Bundesbehörden nicht ausreichend abgebaut werden konnte. Bundes-und Landesbehörden hatten die ärztlichen Fachverbände über ihre Funktion als Berater in der Pandemiekommission hinaus nicht ausreichend als Multiplikatoren in die Aufklärungsarbeit eingebunden. Die meisten Fachgesellschaften selbst wiederum hatten es lange Zeit versäumt, sich zu engagieren und zumindest fachlich offenkundig nicht haltbare Äußerungen einzelner Mitglieder auch offensiv als solche zu klassifizieren. In dieser verwirrenden Informationslage wurden von manchen impfenden Ärzten die Empfehlungen der STIKO als "Leuchtturm" empfunden. Es bestand Einigkeit, dass bei der Überarbeitung der Pandemiepläne die Kommunikation einen deutlich höheren Stellenwert erhalten muss. Über die reine Pressearbeit und Krisenkommunikation hinaus muss ein größerer Schwerpunkt auf Aufklärungsmaßnahmen gelegt werden. Aufklärungsmaßnahmen müssen auch unabhängig vom pandemischen Geschehen langfristig angelegt werden. Swine influenza A (H1N1) infection in two children -Southern California Declaration of WHO Phase 5. Statement by WHO Director-General, Dr Margaret Chan Möglicher Verlauf einer Epidemie durch das Neue Influenzavirus A/H1N1 in Deutschland und Auswirkungen präventiver Maßnahmen des Öffentlichen Gesundheitsdienstes Influenza A(H1N1)v in Germany: the first 10,000 cases Arbeitsgemeinschaft Influenza (AGI) (2010) Influenza-Wochenbericht LÜKEX 2007: Wichtige Erkenntnisse für strategisches Krisenmanagement und nationale Pandemieplanung Schweine-Grippe") hervorgerufen wird (SchwIMPV) vom 30.4 Modifikationsmöglichkeiten der Strategie zur Bekämpfung/Eindämmung der Neuen Influenza A/H1N1 in Deutschland in Abhängigkeit von der Entwicklung der Ausbreitung und der Schwere der Erkrankungen Regine Lehnert a , Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, Bonn (BfArM); Prof. Dr Der Workshop fand in offener Atmosphäre statt, in der es zu einem lebhaften Austausch von Sichtweisen und Erfahrungen kam. Dabei