199_1.tif EDITORIAL Mit vorliegendern Heft wird der 20.Jahrgang der Zeitschrift fiir allgemeine Wissen- schaftstheorie / Journal for General Philosophy of Science beschlossen. Die Herausgeber rn8chten diesen Anlafl zu einern kleinen Riickblick nutzen. Es darf zuniichst festgestellt werden, daft es durch die Griindung und Konsolidierung dieser Zeitschrift gelungen ist, daran rnitzuwirken, die deutsche Wissenschaftstheorie in den vergangenen zwei Dezennien an den internationalen, insbesondere angelsiichsischen Stan- dard heranzufiihren und ihren Beitriigen ein repriisentatives Forum zu bieten. Es lag yon vornherein in der Absicht der Herausgeber, nicht nur deutschen Beitr;igen auf der internatio- nalen Biihne Priisenz zu verschaffen, sondern urngekehrt auch die internationale wissen- schaftstheoretische Arbeit hierorts bekannt und fruchtbar werden zu lassen. Dabei sollten alle Richtungen und Lager zu Worte kornrnen, Problem- und Thernenschwerpunkte angernessene Darstellung finden, auch irnrner einzelwissenschaftlicher Sachndhe der wissenschaftstheoreti- schen Problernatik Rechnung getragen, nicht zuletzt auch jiingere Kollegen zur Priisentation ihrer einschliigigen Forschungen errnuntert werden. Gewifl wird man heute davon ausgehen kSnnen, daft sich die allgerneine Wissenschafts- theorie, die ja irn deutschen Sprachraurn auf eine glanzvolle Geschichte zuriickblicken kann, rnittlerweile als eine philosophische Disziplin etabliert hat, die aus dern Konzert der philoso- phischen Disziplinen und Einzelwissensehaften nicht rnehr wegzudenken ist. Sie ist zu einer Clearingstelle geworden, wo philosophisch Allgerneines rnit einzelwissenschaftlich Besonde- rern in Kontakt, rnanchrnal in Konfrontation, irnrner aber in fruchtbare Verbindung gebracht wird. Und sie ist darnit irn gegenwgirtigen Wissenschaftsbetrieb ein wichtiges Korrektiv gegen die zentrifugalen Tendenzen einer yon der wissenschaftlichen Sach- und Problernniihe abhe- benden leeren Spekulation wie einer philosophisch blindwerdenden einzelwissenschaftlichen Spezialisierung. Hierin abwa'gend einen rnittleren Kurs zu steuern, war imrner eine reizvolle Aufgabe und gelegentlich eine Herausforderung fiir die Arbeit der Herausgeber. Natiirlich ist dabei nicht alles, was fiir das Gedeihen der allgerneinen Wissenschaftstheorie und rnithin fiir das Thernenspektrurn dieser Zeitschrift wiinsehenswert gewesen wiire, glei- cherrnaflen zurn Zuge gekornrnen. Zweifellos ist die Wissenschaftstheorie wie auch schon zu Zeiten des Wiener und Berliner Kreises gewisserrnaflen naturwissenschaftslastig. Zwar wird man nicht sagen kiSnnen, daft es keine rnethodologischen und gegenstandstheoretischen Dis- kussionen beziiglich der Kulturwissenschaften gi~'be, aber sie finden traditionellerweise und allzu fachspezifisch in den einzelnen Geistes- und Sozialwissenschaften selber start. Hier besteht, wie die Herrneneutikdebatten der letzten Jahre gezeigt haben, irnnrner die Gefahr einerseits des fachlichen Esoterisrnus, andererseits der voreiligen Totalisierung fachspezifi- scher Paradigrnen zu dogrnatischen Schulrneinungen allgerneiner Art. Nicht ohne Riicksicht auf solche Defizite der allgemeinen Lage der Wissenschaftstheorie haben die Herausgeber in den letzten Jahren verst;irkt Weft darauf gelegt, wissenschaftsge- schichtliche Themen und Problerne in den Kreis der Betrachtungen einzubeziehen. Jede Unterstiitzung der Tendenz zur Reintegration des geschichtlichen Bewufltseins auch in die systernatische natur- und ingenieurwissenschaftliche Forschung muff aueh Briicken zwischen Natur-, Technik- und Kulturwissenschaften schlagen. Solche Briicken gibt es rnitt- lerweile, wenn auch der beriihrnte ,,context of discovery" in den Naturwissenschaften zu sehr noch rnit Mitteln eines fiir geisteswissenschaftliche Verhiiltnisse iiberholten Psychologisrnus und Soziologisrnus interpretiert wird. Irnrnerhin ist die Sensibilitgit fiir die herrneneutischen Irnplikationen der historischen Reflexion und rnittels dieser der systernatischen Fortbildung der Begriffe und Theorien in der aktuellen Forschung gewachsen. 200 Editorial Erheblichen Aufwand haben die Herausgeber darauf verwendet, den Lesern einen zuver- lassigen Uberblick iiber den wissenschaftstheoretischen Diskussionsstand in anderen Landern zu verschaffen. Dem diente zungichst die Reihe der Forschungsberichte. Daneben gab immer die Liste der eingegangenen Biicher einen - wenn auch mehr oder weniger zufalligen - Einblick in die laufende Verlagsproduktion. Die Herausgeber sind den einliefernden Verlagen fiir die Zusendungen auflerordentlich zu Dank verpflichtet und m6chten diesen Dank hier 6ffentlicb bekunden. Zentrale Bedeutung hatte daneben auch die Zeitschriftenschau mit ihrer bibliographischen Erfassung der Be#rage der einschlagigen Zeit- schriften. Allen, die im Laufe der Jahre daran mitgewirkt haben, sei ebenfalls an dieser Stelle gedankt. A m wenigsten Grund zur Zufriedenheit haben die Herausgeber freilich mit der Entwick- lung des Rezensionswesens auch in ihrer Zeitschrift gehabt. Die Klage iiber einen gewisssen Verfall auf diesem Gebiet ist ja allgemein. Wiinschenswert ware gewesen, daft wenigstens alle prominenteren Werke (aber, was dazu zahlt, stellt sich auch gew6hnlich erst mit der Zeit heraus) nicht nur vorgestellt, sondern eben kritisch rezensiert worden wiiren. Das Ideal werden die Herausgeber auch kiinftig im Auge behalten, und sie hoffen auf vermehrte Bereitschaft zur Mitarbeit aus dem Kollegenkreis, um ihm naherzukommen als bisher. Viel- leicht darf man aber sagen, daft die Diskussionsabteilung der Zeitschrift ein wenig Ersatz geboten hat, denn sie wurde und wird ja gerne zu kritischen Auseinandersetzungen genutzt. Es bleibt iibrig, an dieser Stelle allen zu danken, die zum Entstehen und zur Entwicklung der Zeitschrift beigetragen haben. Unser Dank gilt neben den Autoren dem Franz Steiner Verlag, insbesondere Frau Brigitte Franke, mit der iiber die zwei Dezennien zusammenzuarbeiten uns stets eine Freude gewesen ist. Besonderer Dank ist der Betz-Stiftung in Diisseldorf und der Deutschen Forschungsge- meinschaft auszusprechen, yon denen erstere den Beginn, letztere das weitere bisherige Erscheinen durch ihre gener6sen Druckkostenzuschiisse erm6glicht haben. Auch den Mitgliedern unseres wissenscbaftlichen Beirates danken wit fiir mancherlei guten Rat und F6rderung. Und nicht zuletzt danken wit aueh unseren eigenen Mitarbeitern an der Forschungsabteilung fiir Wissenschaftstheorie in Diisseldorf und am Lehrstuhl fiir Philosophie mit besonderer Beriicksichtigung yon Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsge- schichte in Bochum fiir ihre engagierte Arbeit. Schliefllich wollen wir auch Alwin Diemer, dem Mitbegriinder und langjahrigen Mither- ausgeber der Zeitschrift ein dankbares Angedenken widmen. Die meisten der Beitrage zu dieser Zeitschrift wurden in der Abteilung fiir Dokumenta- tion des Philosophischen Instituts der Universitat Diisseldorf inhaMich aufgeschliisselt elek- tronisch gespeichert und stehen mit Hilfe eines benutzerorientierten Informationsriickgewin- nungsverfahrens (retrieval-system)fiir gezielte systematisehe und historisehe Literaturrecher- chen zur Verfiigung. Fiir die Erschlieflung der ersten 10 Jahrgange der Zeitschrift m6chten wit auf das 1983 erschienene Register der Bande I - X hinweisen; es ist geplant, fiir die Jahrgange X I - X X ein weiteres Gesamtregister - allerdings auf einer anderen Grundlage - zu erstellen. Das Journal for General Philosophy of Science/Zeitschrift ffir allgemeine Wissenschafts- theorie erseheint ab Jahrgang XXI/1990 im Kluwer-Verlag, Dordrecht, mit erweitertem Beirat. Zielsetzung, Umfang und Erscheinungsweise (2 Hefte im Jahr, 200 Seiten pro Heft) bleiben unverandert. Diisseldorf und Bochum im Oktober 1989 Die Herausgeber