key: cord-340489-yo3cp5vs authors: nan title: KAPITEL 13 Infektionskrankheiten date: 2008-12-31 journal: Innere Medizin DOI: 10.1016/b978-3-437-42831-9.10013-0 sha: doc_id: 340489 cord_uid: yo3cp5vs Zur Orientierung Infektionskrankheiten werden durch Pathogene verursacht, die sich im Wirt vermehren: Ektoparasiten, Helminthen, Protozoen, Pilze, Bakterien, Viren, Prionen. Infektionskrankheiten können alle Organe bzw. Organsysteme befallen. Entstehung und Verlauf werden durch Faktoren beeinflusst, die sich grob einteilen lassen in Erreger- und Wirtsfaktoren. Die Kenntnis und richtige Einschätzung dieser Faktoren sind entscheidend für Diagnostik und Therapie dieser Erkrankungen. Oft ist die Unterscheidung zwischen infektiösen und nichtinfektiösen Erkrankungen mit einer entzündlichen Komponente schwer. Andererseits können z. B. bei Patienten mit Immundefekten Symptome oder Zeichen trotz bestehender Infektion fehlen. Hautveränderungen als Symptom Viele Infektionskrankheiten zeigen eine Mitbeteiligung der Haut, mit fokalen Läsionen bei bakterieller Endokarditis oder als Exanthem bzw. Enanthem bei Viruserkrankungen. Hautveränderungen können pathognomonisch sein, so bei Meningokokkensepsis und den damit verbundenen petechialen Blutungen und später großflächigen Ekchymosen. Hautveränderungen, auch im zeitlichen Verlauf, können wichtige differentialdiagnostische Hinweise liefern. Der erste Schritt ist die Beurteilung des klinischen Zustandes (› Abb. 13.1). Bei kritisch kranken Patienten muss zunächst parallel zu supportiven Maßnahmen eine rasche empirische antiinfektive Therapie erwogen und ggf. begonnen werden. Die Diagnostik kann aber meist ohne Zeitverlust in den Ablauf integriert werden. Infektionskrankheiten, die einen kritischen Zustand eines nicht immundefizienten Patienten verursachen, sind vor allem bakterielle Sepsis, Meningitis und bakterielle Pneumonie, aber auch Malaria tropica. Anamnese Hier sind mögliche Erregerexpositionen, der zeitliche Ablauf der Erkrankung und die Prädisposition des Wirts zu beachten. • Nicht für alle Infektionen ist eine besondere Exposition eruierbar (› Tab. 13 .2). Kontakte zu anderen Erkrankten, Reiseanamnese, Nahrungsaufnahme, Berufsanamnese, Freizeitbeschäftigungen, Tierkontakte inklusive Insektenstiche, vorherige Erkrankungen und deren Therapie, Medikamenten-, Drogen-sowie Sexualanamnese müssen berücksichtigt werden. • Der zeitliche Ablauf der Krankheitsentwicklung muss geklärt werden. Nahezu alle Infektionserreger haben charakteristische Zeitintervalle zwischen Exposition und Erkrankung (Inkubationszeiten). So sind bakterielle Erreger durch Inkubationszeiten von einigen Tagen gekennzeichnet, während Viruserkrankungen meist Inkubationszeiten von einigen Wochen haben (viele Ausnahmen!). Zusätzlich treten bei vielen Erregern saisonale Häufungen auf. • Die Prädisposition des Wirts als dritte Komponente umfasst die frühere Anamnese (speziell Infektionen, vorgenommene Impfungen), andere Erkrankungen oder Organschädigungen und die Beurteilung des klinischen Status, z. B. die Integrität von Haut und Schleimhäuten. Spezifische Untersuchungen Blutkulturen müssen bei allen kritisch kranken, bei allen systemisch kranken und/oder fiebernden Patienten entnommen werden. Hierbei sind eine rasche und frühe Entnahme (vor Antibiotikagabe), ausreichende Blutmenge pro Flasche (mind. 5-8 ml je nach System), eine ausreichende Zahl von Blutkulturen (mindestens zwei, je als aerob-anaerobes Paar von Blutkulturen) und sterile Abnahme wichtig. Die weitere Diagnostik richtet sich nach den Symptomen oder Befunden, z. B. Sputum-, Urin-, Abstrichuntersuchungen Untersuchungen von Organpunktaten. Bei allen Untersuchungen ist auf Entnahmetechnik, Aufbewahrung und richtigen Transport zu achten. Sputum z. B. muss vor der ersten Gabe von Antibiotika entnommen und innerhalb weniger Stunden aufgearbeitet werden, ansonsten sind Pathogene nicht mehr nachweisbar. Der rationale Einsatz von serologischen Untersuchungen wie auch die Aufbewahrung von Serumproben zur späteren Untersuchung von Initial-und Rekonvaleszentenserum kann zur Diagnostik sinnvoll sein wie auch spezielle Verfahren z. B. Polymerasekettenreaktion-Untersuchung einer Biopsie. Wirts-und Pathogenitätsfaktoren beeinflussen Entstehung und Ablauf von Infektionskrankheiten. Wirtsfaktoren lassen sich einteilen in unspezifische (angeborene) und spezifische (erworbene, › Tab. 13.3). Zu den unspezifischen Faktoren gehören Barrieremechanismen von Haut und Schleimhäuten, aber auch Mechanismen, mit denen Erreger aktiv bekämpft werden können. Spezifische Funktionen des Immunsystems sind gegen einzelne Erreger gerichtet. Beide Systeme weisen eine Vielzahl von Interaktionen auf. Mit Pathogenität wird die Eigenschaft eines Mikroorganismus bezeichnet, eine Erkrankung auslösen zu können. Virulenz ist der Grad der Pathogenität innerhalb einer Spezies. Notwendige Bedingungen für die Pathogenität eines Erregers sind: 1. in Gewebe oder Zellen anhaften oder eindringen zu können, 2. im Körper zur Replikation fähig zu sein. Epithelbarrieren und -läsionen Haut und Schleimhaut haben mehrere Barrieren, um ein Eindringen von Pathogenen zu erschweren oder vermeiden. Dazu gehören neben den anatomischen auch chemische Barrieren, z. B. die Fettschicht der Epidermis, aber auch antibakterielle Substanzen, wie das in mukosalen Sekreten vorhandene Lysozym. Monozyten und Makrophagen, Granulozyten und Natural-Killer(NK)-Zellen sind die wichtigsten Zellpopulationen dieses Systems. Die Zellen des Monozyten-Makrophagen-Systems und Granulozyten weisen Moleküle auf, mit denen erregerspezifische Strukturen (z. B. Lipopolysaccharide, bestimmte DNA-Sequenzen oder doppelsträngige RNA) erkannt werden können. Diese Strukturen werden als Pathogen-assoziierte molekulare Pattern (PAMP) bezeichnet. Ein Beispiel für solche Rezeptoren sind die nach einer Homologie mit einem Rezeptor der Drosophila-Fliege bezeichneten TLR (Toll-like-Rezeptoren). Die Bindung von erregerspezifischen Strukturen an diese Moleküle führt zur raschen Aktivierung einer Entzündungskaskade. Natural-Killer-Zellen sind Lymphozyten, die durch Antigen-Antikörper-Komplexe oder durch Zellen, die keine MHC-(Major-Histocompatibility-Complex)-Moleküle auf der Oberfläche exprimieren, aktiviert werden können. Die Proteine des Komplementsystems können nach Aktivierung im Blut zirkulierende Erreger lysieren. Störungen des Komplementsystems führen zu Infektionen mit polysaccharidbekapselten Erregern, z. B. Pneumokokken und Meningokokken. Als Akute-Phase-Reaktion wird die Produktion von Proteinen und Peptiden bezeichnet, die nach einer Infektion oder Entzündungsreaktion abläuft. Involviert sind Makrophagen, die vor allem Interleukin (IL-1), TNF-α, Interferon-α, IL-6 und eine Reihe von Prostaglandinen und Arachidonsäuremetaboliten produzieren. Eine Kooperation dieser beiden Systeme findet bei jeder lokalen Entzündungsreaktion statt. Aktivierte Granulozyten und Makrophagen produzieren chemotaktische Substanzen, aktivieren Adhäsionsmoleküle in den lokalen Endothelien und sorgen so für eine verstärke Einwanderung von Entzündungszellen (› Abb. 13 Defekte des unspezifischen Immunsystems • Verletzungen von Epithelien begünstigen die Invasion von Erregern, z. B. nach zytostatischer Therapie mit Abschilferung der intestinalen Schleimhaut. Der aktive Partikeltransport des Flimmerepithels des Respirationstraktes ist bei Rauchern und bei Patienten mit zystischer Fibrose gestört. In beiden Fällen ist die Rate von Infektionen des Respirationstraktes deutlich erhöht. • Neutropenie oder Funktionsstörungen der Granulozyten führen zu häufigen bakteriellen Erkrankungen und invasiven Mykosen. • Das Fehlen von Natural-Killer-Zellen führt u. a. zu schweren Infektionen mit Herpesviren. Die wesentlichen Mechanismen sind die Bildung von Antikörpern durch B-Zellen sowie spezifischer T-Effektorzellen. Beide Zellsysteme haben eine hohe genetische Plastizität und können eine hohe Zahl spezifischer Antigene erkennen. T-Lymphozyten repräsentieren die spezifische zelluläre Immunität. Die wichtigsten funktionellen Gruppen sind T-Helferzellen und zytotoxische T-Zellen. Damit Antigene durch die Effektorzellen erkannt werden können, sind eine Prozessierung und Präsentierung durch zelluläre Mechanismen notwendig. Präsentation von Antigen Bakterielle oder virale Proteine werden intrazellulär in Oligopeptide zerlegt, und über MHC-(Major-Histocompatibility-Complex)-Moleküle auf der Zelloberfläche präsentiert. "Professionelle" antigenpräsentierende Zellen nutzen MHC-Klasse-II-, alle anderen Zellen MHC-Klasse-I-Moleküle. T-Lymphozyten Der Kontakt von "naiven" T-Helferzellen mit präsentiertem Antigen führt zur Aktivierung, Reifung und klonalen Expansion der betreffenden T-Helferzellen. Diese stimulieren die Bildung von spezifischen zytotoxischen T-Zellen und immunglobulinproduzierenden B-Zellen. Die zentrale Rolle in der Stimulierung der Effektorzellen der spezifischen Abwehr hat dieser Zellgruppe ihren Namen gegeben. Die eigentlichen Effektorzellen sind die zytotoxischen T-Zellen. Sie erkennen infizierte Zellen durch die Kombination der MHC-Klasse-I-Moleküle mit den Erregerpeptiden und töten sie ab. Die initale Phagozytose von Erregern und nachfolgende Antigenpräsentation durch Makrophagen mit der Ausbildung einer spezifischen zellulären Immunität durch T-Lymphozyten ist ein Beispiel für das Zusammenwirken unspezifischer und spezifischer Immunmechanismen. Der Kontakt des passenden Antigens mit dem noch unreifen Oberflächenimmunglobulin auf B-Lymphoyzten führt zur Ausbildung und Selektion von Plasmazellen, die entweder IgA, IgE oder IgG mit höherer Spezifität und Avidität produzieren. Immunglobuline können Erreger (z. B. Viren) und Toxine neutralisieren und die Phagozytose und Lyse von Erregern erleichtern. Das spezifische Immunsystem bildet außerdem ein Gedächtnis für vorangegangene Infektionen und reagiert mit einer besseren Abwehr oder sogar Immunität bei Reexposition. Beim Erstkontakt mit dem Erreger kommt es nach rascher Aktivierung, Reifung und Expansion von T-und B-Lymphozyten auch zur Bildung von Gedächtniszellen beider Gruppen. Defekte des spezifischen Immunsystems können angeboren (Agammaglobulinämie, kombiniertes Immundefektsyndrom) und erworben (AIDS) sein. Bei Immunglobulinmangel kommt es vor allem zu Infektionen mit polysaccharidbekapselten Erregern, bei Störungen des T-zellulären Systems zu schweren Infektionen z. B. mit intrazellulären Erregern (z. B. Toxoplasma gondii und Herpesviren). Viren sind obligat intrazelluläre Erreger, die keinen eigenen Stoffwechsel besitzen. Zur Replikation sind sie auf zelleigene Enzyme angewiesen. Zwei Bedingungen müssen für virale Pathogenität erfüllt sein: 1. Das Virus muss eine Oberflächenstruktur besitzen, mit der es an eine Zielzelle binden und dann eindringen kann. 2. Durch die Replikation in der Zelle muss entweder eine Störung der Zellfunktion oder eine Immunreaktion auf die Infektion erfolgen. Ein Pathogenitätsmechanismus ist die Möglichkeit, eine latente Infektion zu erzeugen. So besitzen z. B. humane Herpesviren die Fähigkeit, das Genom in einer inaktiven, aber reaktivierbaren Form in Zellen einzubauen. Die Mechanismen, die das Gleichgewicht zwischen Latenz und produktiver Infektion steuern, sind nur unvollständig bekannt. Die einfache Kultivierung klonaler Populationen und die Manipulation von Umgebungsbedingungen ermöglichen die Untersuchung bakterieller Pathogenitätsfaktoren. Zusätzlich haben Sequenzierung von bakteriellen Genen und deren gezielte Manipulation das Wissen über Pathogenitätsmechanismen entscheidend vermehrt. Genetische Regulation von Pathogenitätsfaktoren Neben der chromosomalen Form kann DNA als Plasmid oder Phage vorliegen. Diese "mobilen" genetischen Elemente erlauben eine genetische Diversifizierung. Chromosomale Gene und externe Gene können für Pathogenitätsfaktoren kodieren, deren Expression einer komplizierten Regelung unterliegen kann. Adhäsion, Toxinbildung und Immunevasion von Bakterien Wichtige pathogene Mechanismen von Bakterien sind Adhäsion an Epithelien oder die Bildung von Toxinen und Immunevasion: • Pili oder Fimbrien bei Escherichia coli werden nach dem identifizierten Gen-P(ap)-Pili genannt. Die Expression dieser Pili wird durch Umgebungsbedingungen (pH-Wert und Temperatur) so moduliert, dass sie vor allem in den ableitenden Harnwegen produziert werden, wo sie zur besseren Adhäsion führen. • Häufig ist die Produktion von Toxinen -ebenso wie die von Adhäsionsmechanismen -an Plasmide oder Phagen gebunden. Zur Produktion des Diphtherietoxins muss der betreffende Stamm mit einem Phagen infiziert sein. Andere pathogene Toxine sind Exotoxine von Staphylococcus aureus und der Gruppe-A-Streptokokken, die z. B. für die Toxic-Shock-Syndrome verantwortlich sind. • Immunevasionsstrategien richten sich gegen Abwehrmechanismen. Beispiele: Neisseria gonorrhoeae und Haemophilus influenzae entziehen sich durch IgA-spezifische Proteasen der Vernichtung auf der Schleimhaut. Legionella pneumophila kann nach Beladung durch Komplementproteine leichter in Zellen eindringen. Vor allem Keime mit intrazellulärem Vermehrungszyklus haben oft die Fähigkeit, der Phagozytose durch Makrophagen zu entgehen. • Das Patientengut ändert sich mit einem ständig steigenden Anteil an Intensivpflegepatienten und abwehrgeschwächten Patienten. • Das Repertoire an zur Verfügung stehenden Chemotherapeutika wird immer größer. • Die Resistenz von Bakterien gegen antibakterielle Chemotherapeutika nimmt sowohl quantitativ als auch qualitativ zu. Jeder Arzt, der eine antibakterielle Chemotherapie durchführen will, muss wichtige Grundprinzipien beherrschen wie auch in wesentlichen Zügen das Spektrum der antibakteriellen Substanzen kennen. Indikationsstellung Antibakterielle Chemotherapeutika sind ursächlich wirksame Medikamente und nicht primär gegen Symptome, wie z. B. Fieber, gerichtet. Die Gabe solcher Substanzen setzt also eine exakte Indikationsstellung voraus, es muss mit sehr hoher Wahr-scheinlichkeit eine durch Bakterien verursachte Infektionskrankheit vorliegen. Die Indikation wird naturgemäß zunächst klinisch gestellt. Hierfür genügen in aller Regel Anamnese, Befunde der klinischen Untersuchung sowie einige klinisch-chemische und radiologische Zusatzbefunde. Gleichzeitig erfolgt die Materialentnahme zur mikrobiologischen Erregerdiagnose, um dadurch die Indikation abzusichern. Die Therapie wird meist vor Erhalt der endgültigen Erregerdiagnose und des Antibiogramms begonnen. Man spricht dann von einer kalkulierten Chemotherapie, d.h., es wird eine empirische Therapie nur auf Basis der klinischen Befunde eingeleitet. Hieraus sollte es in vielen Fällen schon möglich sein, die zu erwartenden Erreger einzugrenzen, aber auch die zu erwartende Resistenzsituation sowohl generell als auch lokal zu kalkulieren. Wenn dann mikrobiologische Befunde -Erregerdiagnose und Antibiogramm -vorliegen, die mit der Klinik korrelierbar sind, kann eine gezielte Chemotherapie durchgeführt werden. Das heißt, die kalkulierte Chemotherapie muss überprüft und evtl. geändert werden. Für die Auswahl der Chemotherapeutika müssen klinische, mikrobiologische und pharmakokinetische Kriterien herangezogen werden. Von Seiten der Klinik sind eventuelle Grundkrankheiten zu berücksichtigen, ferner die Infektionslokalisation und die Tatsache, ob es sich um eine außerhalb (ambulant) oder innerhalb des Krankenhauses (nosokomial) erworbene Infektionskrankheit handelt. Die zu beachtenden bakteriologischen Kriterien betreffen das Wirkspektrum der jeweiligen Antibiotika und deren Aktivität innerhalb dieses Spektrums. Entscheidend ist auch, ob der Wirkeffekt bakterizid (keimabtötend) oder nur bakteriostatisch (proliferationshemmend) ist. Eine ganze Reihe von pharmakokinetischen Eigenschaften der jeweiligen Substanzen wie Säurestabilität, enterale Resorption, Art der Metabolisierung bzw. Elimination, Penetration in Körperkompartimente und -gewebe beeinflusst ebenfalls in der individuellen klinischen Situation die Festlegung des Chemotherapeutikaregimes. Nicht zuletzt spielen toxikologische Gesichtspunkte (s. u.) eine wichtige Rolle. Die Durchführung der Chemotherapie folgt im Prinzip den allgemeinen Grundsätzen der internistischen Pharmakotherapie (› Kap. 3), hier nur die zusätzlich besonderen Aspekte der Antibiotikatherapie. Dosierung Die Dosis des Chemotherapeutikums muss ausreichend hoch sein, um den gewünschten Wirkeffekt sicher zu erreichen. Dauer Es lassen sich keine allgemein gültigen Regeln aufstellen. So können unkomplizierte Harnwegsinfektionen mit einer Einmalgabe eines potenten Antibiotikums behandelt werden, während für die Therapie einer Osteomyelitis eine mehrmonatige Therapiedauer erforderlich sein kann. Applikationsart Die parenterale Applikation stellt grundsätzlich den sichersten Applikationsweg dar. Bei schweren und schwersten Infektionsverläufen ist daher dieser Weg zumindest bei Beginn der Therapie immer zu wählen. Bei einer Umstellung von einer parenteralen auf eine orale Therapie (= Sequentialtherapie) ist darauf zu achten, ob dies mit der parenteral begonnenen Substanz überhaupt möglich ist, d.h., ob sie enteral resorbierbar ist. Eine orale Folgetherapie mit einem anderen Antibiotikum kann nur dann erfolgen, wenn es das gleiche Spektrum wie das zuvor verwandte parenterale Antibiotikum hat. Für die orale Chemotherapie ist die Compliance des Patienten entscheidend. Applikationsintervall Die pharmakodynamischen Eigenschaften (= Beziehung von Serumspiegel, Halbwertszeit und Wirkaktivität gemäß minimaler Hemmkonzentration) eines Antibiotikums entscheiden über Einmalgabe, Mehrfachgabe oder Dauergabe. Die Kombinationstherapie mit zwei oder mehreren Substanzen hat in der kalkulierten Chemotherapie zum Ziel, ein breiteres Spektrum möglicher Erreger abzudecken. In der gezielten Chemotherapie kann eine synergistische Wirkung angestrebt werden, erwiesenermaßen sinnvoll nur für die Gabe von β-Lactam-Antibiotika bzw. Glykopeptidantibiotika mit Aminoglykosiden bei grampositiven Kokken als häufigste angewandte Kombination. Weitere Gründe für die Gabe einer Kombination liegen vor, wenn die Dosiserhöhung einer Substanz aus toxikologischen Gründen nicht mehr möglich ist oder bei einer Mischinfektion mehrere Erreger therapiert werden müssen. Für die Kombinierbarkeit verschiedener Antibiotika gibt es keine verbindlichen Regeln. "Drug-Monitoring" Antibiotika, die bei Nierenfunktionsstörungen schnell kumulieren können, wie Aminoglykoside und Vancomycin, müssen dann gemäß Serumspiegelkontrolle dosiert werden. Bezüglich allergischer und toxischer Nebenwirkungen unterscheiden sich Antibiotika nicht von anderen Substanzen. Je nach Spektrum der potenziellen Nebenwirkungen, das für die einzelnen Chemotherapeutika sehr unterschiedlich sein kann, müssen entsprechende klinische bzw. laborchemische oder auch funktionelle Kontrollen erfolgen. Die Besonderheiten einer antibakteriellen Chemotherapie liegen darin, dass sog. biologische Nebenwirkungen (Folge der Hauptwirkung) auftreten können: • Selektion resistenter Bakterien. Das Versagen einer antibakteriellen Chemotherapie kann mehrere Gründe haben. Die häufigste Ursache ist die primäre oder sekundäre Resistenz der verursachenden Bakterien. Primäre Resistenz bedeutet, dass alle Bakterien z. B. einer Spezies oder Gattung gegenüber einem bestimmten Antibiotikum von Natur aus resistent sind. Sekundäre Resistenz beinhaltet, dass ein Klon einer primär empfindlichen Spezies durch Mutation oder Akquirierung eines Resistenzgens (z. B. auf einem Plasmid) resistent wird. Unter der Persistenz eines Erregers versteht man das Überleben des Erregers am Infektionsort während einer Antibiotikatherapie. Hierzu kommt es, wenn der Erreger vorübergehend von der Wachstumsphase in eine Ruhephase übertritt, z. B. bedingt durch verschiedene physikalisch-chemische Ursachen am Infektionsort. Da die meisten gebräuchlichen Chemothera-peutika nur auf proliferierende Keime wirken, werden sie nicht eliminiert und können daher nach Absetzen der Antibiotikatherapie zum Rezidiv führen. Die Ineffektivität einer Antibiotikatherapie kann natürlich auch durch einen Wechsel des ätiologisch bedeutsamen Erregers während der Therapie bedingt sein, aber ebenso durch Fehler in der Durchführung der Chemotherapie (s. o.). Die prophylaktische Gabe von antibakteriellen Chemotherapeutika hat nur wenige, eingeschränkte Indikationsgebiete! Hierzu gehört z. B. die perioperative Antibiotikagabe zur Verhinderung von postoperativen Wundinfektionen und Septikämien, deren Sinn bei bestimmten operativen Eingriffen erwiesen ist. In seltenen Fällen kann eine Expositionsprophylaxe mit Antibiotika durchgeführt werden, akzeptiert sind hier die Pertussis-und die Meningokokkenmeningitis-Prophylaxe bei besonders gefährdeten Personen, wenn in deren Umgebung ein Erkrankungsfall aufgetreten ist. Heute steht eine große Anzahl von antibakteriellen Chemotherapeutika aus verschiedensten Substanzgruppen zur klinischpraktischen Anwendung zur Verfügung. › Tabelle 13.4 gibt einen orientierenden Überblick über die unterschiedlichen Substanzgruppen mit Beispielen von Einzelsubstanzen. Hieraus lassen sich in geraffter Form das antibakterielle Wirkspektrum, wichtige pharmakologische Eigenschaften und bedeutende potenzielle Nebenwirkungen ablesen. Diese Klassifizierung folgt klinischen Anwendungsgesichtspunkten und nur z. T. der exakten chemischen Einteilung. Wegen der großen Anzahl der zur Verfügung stehenden Chemotherapeutika musste dabei eine Auswahl erfolgen, die sich an deren praktischer Bedeutung orientiert. Der infektiologisch nicht spezialisierte Arzt sollte sich auf ein Standardrepertoire von wenigen Substanzen beschränken, bei deren therapeutischem Einsatz er dann eigene Erfahrungen gewinnt. Z u s a m m e n f a s s u n g • Es steht außer Zweifel, dass eine antivirale Chemotherapie möglich und die Gabe mancher Substanzen in bestimmten klinischen Situationen bereits absolut indiziert ist. • Eine Vielzahl von Substanzen wird schon seit Jahrzehnten regelmäßig in vielen Laboratorien auf antivirale Wirkung geprüft. AIDS hat zur verstärkten Suche und für erheblich mehr Publizität gesorgt. Die Wirkprinzipien werden im Labor und z. T. bereits in klinischen Studien anhand vieler Substanzen unterschiedlicher chemischer Natur untersucht. In der Tat stößt z. B. die Planung ausreichend kontrollierter Studien zur antiviralen Therapie bei AIDS selbst in den uSA bereits auf das Problem des Mangels an studienfähigen Patienten. Th. Mertens Die künftigen Entwicklungen in der antiviralen Chemotherapie betreffen sowohl die Charakterisierung neuer Ziele (engl.: Targets) für antivirale Interventionen und die Entwicklung antiviral wirksamer Substanzen als auch die durch Studien begründbaren Empfehlungen für die Anwendung vorhandener Therapeutika. Viren unterscheiden sich hinsichtlich Struktur und Vermehrungsweise grundsätzlich von allen anderen Infektionserregern. Sie sind für ihre Vermehrung vollständig auf die Energiegewinnung und Syntheseleistung ihrer Wirtszelle angewiesen. Voraussetzung für eine antivirale Chemotherapie ist somit, dass Moleküle und biochemische Prozesse identifiziert werden, die nur in virusinfizierten Zellen vorkommen. Der Begriff Virusselektivität beschreibt die Fähigkeit einer Substanz, die Virusvermehrung zu hemmen, ohne die Wirtszelle zu schädigen. Viele Viren haben Strategien entwickelt, um im einmal infizierten Organismus zu persistieren. In diesen Fällen kann es zu Infektionszuständen ohne Virusvermehrung kommen (z. B. Latenz der Herpesviren). Da alle bislang verfügbaren antiviralen Substanzen im Vermehrungszyklus angreifen, entziehen sich persistierende Infektionen ohne Virusvermehrung derzeit einer antiviralen Therapie. Die verfügbaren Therapeutika haben ein begrenztes Wirkspektrum, und es gibt bislang keine "Breitbandmedikamente". Antivirale Therapie setzt somit eine Virustypdiagnose voraus. Bei akuten Viruserkrankungen entscheidet darüber hinaus ein frühzeitiger Therapiebeginn über den Erfolg, was eine rasche Diagnosestellung notwendig macht. Bei Patienten mit schwerster angeborener (SCID), erworbener (AIDS) oder iatrogener (Transplantation) Immundefizienz ist es häufig trotz adäquater antiviraler Therapie nicht möglich, die Virusvermehrung zu beenden, solange es nicht zu einer Verbesserung der Immunsituation kommt. Therapieindikation, -beginn und -dauer Allgemeine Regeln zur Therapie sollten nur auf der Grundlage klinischer Studien festlegt werden (evidence-based). Wesentliche allgemeine Kriterien, die berücksichtigt werden müssen, sind die Immunsituation des Patienten, das Risiko schwerer Erkrankung, Folgeerkrankung oder Chronifizierung, die Vermeidung unerwünschter Arzneimittelwirkungen (UAW) und die Vermeidung von Resistenzentwicklung. Die Probleme mögen folgende Fragen verdeutlichen, deren Antworten z. T. in letzter Zeit gegeben wurden (s. u.): Muss eine akute Hepatitis B oder C therapiert werden? Welches ist der optimale Zeitpunkt zum Beginn einer antiretroviralen Therapie bei HIV-Infektion? Wie soll man HIV-infizierte Schwangere behandeln? Müssen Windpockenerkrankungen oder eine Gingivostomatitis herpetica behandelt werden? Bei schwerst Immunsupprimierten wird zur Verhinderung lebensbedrohlicher Virusinfektionen vielfach eine antivirale Prophylaxe durchgeführt. Diese Medikamentengabe vor Beginn einer aktiven Infektion führt natürlich bei etlichen Patienten zur unnötigen Gabe teils toxischer Substanzen. Der Begriff der präemptiven Therapie bezeichnet eine antivirale Behandlung nach virologischer Diagnose einer aktiven Infektion ohne Vorliegen von Symptomen und ist abzugrenzen von der Therapie einer Infektionskrankheit. Die Therapieentscheidung erfordert den Nachweis des Vorteils einer Vorgehensweise für die jeweilige Patientengruppe. Die optimale Dauer der Therapie ist in vielen Fällen noch nicht durch Studien bestimmt worden. Resistenzvermittelnde Mutationen treten bei jeder Virusvermehrung spontan auf. Bei längerfristiger Anwendung antiviraler Chemotherapeutika und damit vor allem bei den erheblich immunsupprimierten Patienten mit langdauernder massiver Virusvermehrung kann es dann relativ rasch zur Selektion resistenter Viruspopulationen kommen. Diese Virusvarianten besitzen Mutationen in der viralen Polymerase (RT bei HIV), der viralen Kinase (Herpesviren) oder anderen viralen Genen, welche für Zielstrukturen der antiviralen Substanzen kodieren. Voraussetzung für die Selektion der spontan auftretenden resistenten Virusvarianten ist somit Virusvermehrung unter dem Selektionsdruck einer antiviralen Substanz. Klinisch relevante Virusresistenzen gegen Nukleosidanaloga treten nach bisherigen Erfahrungen bei kurzzeitiger Therapie bzw. Therapie immungesunder Patienten nicht auf. Vielmehr ist Resistenz meist ein Problem der Langzeittherapie (> 1-2 Monate), wenn es nicht gelingt, die produktive Virusinfektion durch die Therapie zu stoppen (HSV, CMV, HIV). Resistenz-vermittelnde Mutationen bedingen manchmal einen Vermehrungsnachteil für das mutierte Virus gegenüber dem Wildtyp, wenn der Selektionsdruck entfällt. In einigen Fällen sind resistente Virusvarianten (Herpesviren, HIV) weniger pathogen als die Wildviren. Dies ist aber leider keinesfalls die Regel. Aufgabe der Kliniker ist es, Therapieversagen anhand klarer Kriterien zu definieren, und den Virologen obliegt es, standardisierte Tests zur raschen phänotypischen oder genotypischen Resistenztestung von Viren bereitzustellen. Manche zunächst wenig gravierende oder asymptomatische Virusinfektionen können Folgeerkrankungen auslösen (z. B. Immunpathogenese), bei denen die Viren dann keine entscheidende Rolle mehr spielen und somit eine antivirale Therapie zu spät kommt. Ansatzpunkte für antivirale Substanzen › Tabelle 13.5 zeigt, dass die Hemmung der Virusvermehrung doch an vielen Stellen möglich ist. Diese frühesten Vorgänge bei jeder Virusinfektion, die Bindung der Viren an ihre Wirtszelle und bei umhüllten Viren die Fusion mit der äußeren Wirtszellmembran, lassen sich experimentell durch Blockade der verantwortlichen Rezeptorstrukturen auf Seiten der Viren oder der Zellen hemmen. Auch spezifische Antikörper wirken auf dieser Stufe der Infektion. Die molekularen Vorgänge bei diesen frühen Prozessen der Infektion sind äußerst komplex und erfordern z. B. bei HIV etliche regulierte strukturelle Veränderungen des viralen Rezeptors. Die Hemmung der Fusion ist bei HIV durch peptidische Fusionsinhibitoren (T20), die an Rezeptorstrukturen des Virus binden, bereits möglich. Auch die Hemmung der Korezeptorbindung ist denkbar. Grund eines durch die Strukturproteine gebildeten tiefen Oberflächeneinschnittes (Canyon) einlagern. Dadurch wird die Bindung an den Zellrezeptor behindert und die zur Freigabe der Nukleinsäure notwendige, bei einigen Virustypen pH-abhängige endosomale, intrazelluläre Desintegration der viralen Proteinhülle verhindert. Bei einigen Picornaviren wird die Rezeptorbindung wenig behindert, aber das Viruskapsid doch so stabilisiert, dass kein Uncoating stattfinden kann. Es gibt Resistenz gegen diese Substanzen, aber erstaunlicherweise sogar Virusmutanten, die nur noch in Anwesenheit dieser Substanzen vermehrungsfähig sind. Die Faszination dieser Entdeckung bestand auch darin, dass es plötzlich möglich wurde, aufgrund der Kenntnis der molekularen Struktur-Wirkungs-Beziehung antiviral wirksame Moleküle sozusagen am Reißbrett zu entwerfen (› Tab. 13.5) . Therapeutisch einsetzbare Substanzen Erstes und bislang einziges für die systemische Therapie verfügbares Medikament, das nach diesem Mechanismus die Picornavirus-Replikation hemmt, ist Pleconaril. Einer der beiden Wirkmechanismen von Adamantanderivaten gegen Influenza-A-Viren beruht ebenfalls auf einer Hemmung der Freisetzung des Ribonukleoproteins aus intrazytoplasmatischen Vesikeln und des Uncoatings durch Blockade eines M2-Virusprotein-abhängigen Ionenkanals. Therapeutisch einsetzbare Substanzen Amantadin und Rimantadin stehen seit vielen Jahren für die systemische Therapie von Influenza-A-Virus-Infektionen zur Verfügung. Die biologische Besonderheit der Retroviren besteht darin, dass, beginnend mit dem Eindringen des Viruscores (Nukleokapsid) in die Zelle und weiter nach der Freisetzung des diploiden einzelsträngigen viralen RNA-Genoms, zuerst eine doppelsträngige DNA hergestellt werden muss. Dies geschieht in einem komplexen Syntheseprozess über den Zwischenzustand eines RNA-DNA-Hybridmoleküls. Zwei Moleküle der hierfür notwendigen reversen Transkriptase (RT) werden bei HIV im Viruspartikel mitgebracht. Neben der Polymerasefunktion besitzt die RT in einer zweiten Domäne noch eine enzymatische RNAse-H-Aktivität, die für die Entfernung des RNA-Stranges vom RNA-DNA-Hybridmolekül erforderlich ist. Diese doppelsträngige DNA-Kopie der viralen RNA wird danach als sog. provirales Genom kovalent in das Wirtszellgenom integriert. Hierfür ist ebenfalls ein viruspartikelassoziiertes Enzym, die Integrase, erforderlich. Substanzen zur Hemmung der Integration der proviralen DNA eines Retrovirus in das Wirtszellgenom (HIV) befinden sich in der klinischen Prüfung (Integrasehemmer) und werden künftig möglicherweise ein weiteres Standbein der antiretroviralen Therapie bilden. Therapeutisch einsetzbare Substanzen Die reverse Transkriptase (RT) von HIV ist das Zielmolekül für die meisten antiretroviralen Medikamente. Diese werden nach ihrer chemischen Struktur unterteilt in nukleosidanaloge RT-Hemmer und nicht nukleosidanaloge RT-Hemmer (NNRTI). Eingriffsmöglichkeiten in virusspezifische Funktionen ergeben sich während der Transkription der viralen genetischen Information. Vorwiegend Typ-I-Interferone (IFN) hemmen die Replikation verschiedener Viren in unterschiedlichem Ausmaß, wobei einer der vielfältigen Mechanismen (s. u.) in der Degradation viraler mRNA besteht. Einer der antiviralen Wirkmechanismen von Ribavirin beruht auf der Hemmung der mRNA einiger Viren. Therapeutisch einsetzbare Substanzen Verschiedene humane αund β-Interferone stehen für die systemische Therapie (chronische Hepatitis-B-Virus-und Hepatitis-C-Virus-Infektion) und auch topische Therapie (Papillomaviren) zur Verfügung. Das relativ breit wirksame Nukleosidanalogon Ribavirin wird als Kombinationstherapeutikum bei chronischer HCV-Infektion und zur Monotherapie bei RSV-und Parainfluenzavirusinfektionen schwer kranker Kinder, aber auch bei Lassavirusinfektionen eingesetzt. Abhängig von der Art des vom Virus in die Wirtszelle eingeschleusten Genoms (Einzelstrang-RNA/DNA, Doppelstrang-RNA/DNA) und des zur Virusvermehrung erforderlichen genetischen Informationsflusses bedarf es besonderer Enzyme, die entweder vom Virus -im Partikel verpackt -mitgebracht (viruspartikelassoziiert, s. o. bei HIV) oder in der infizierten Zelle synthetisiert werden (viruskodiert). Beispiel für ein viruskodiertes Enzym, welches in uninfizierten Zellen nicht vorkommt, ist die RNA-abhängige RNA-Polymerase der Picornaviren, deren Hemmung die Wirkung mancher Substanzen erklärt (2-[α-Hydroxybenzyl]-benzimidazol, Enviroxime). Viele andere viruskodierte Polymerasen von DNA-Viren unterscheiden sich von zellulären Isoenzymen hinsichtlich der Akzeptanz und Bindung von Nukleosidanaloga so weit, dass virusselektive Nukleosidanaloga möglich sind. Therapeutisch einsetzbare Substanzen Die vier derzeit gegen Herpesviren einsetzbaren Nukleosidanaloga, das NA-Phosphonat Cidofovir und auch das Pyrophosphatanalogon Foscarnet hemmen letztlich alle die viruskodierten Polymerasen. Die Blockierung viraler mRNA durch kurze synthetische "Antisense"-Oligonukleotide ist eine vom Konzept her sehr elegante und naturgemäß spezifische Möglichkeit der Hemmung der viruskodierten Proteinsynthese. Probleme bereiten die Auswahl der geeigneten Sequenzen und die chemische Modifikation der Oligonukleotide, die die Aufnahme in die Zelle ermöglichen müssen und die Stabilisierung in der Zelle bei erhaltener Wirksamkeit sicherstellen müssen. Interferone können die Translationsinitiation hemmen. Therapeutisch einsetzbare Substanzen Eingang in die Therapie der Zytomegalievirusretinitis hat ein intraokulär zu applizierendes Antisense-Phosphothioat gefunden. Zur topischen Therapie von Herpes-simplex-Virus-Infektionen stehen ältere Nukleosidanaloga zur Verfügung mit geringerer Virusselektivität. Bekanntestes Beispiel sind die Proteasehemmer zur Kombinationstherapie der HIV-Infektion. Der Wirkmechanismus dieser Substanzen beruht auf der Hemmung der posttranslationalen Spaltung der retroviralen gag-(gruppenspezifisches Antigen) und gag-pro-pol-Polyproteine durch Hemmung der homodimeren "Aspartatprotease" des Virus. Es werden unreife, nichtinfektiöse Viruspartikel gebildet. Auch andere posttranslational nötige Modifikationen viraler Proteine, z. B. Glykosylierung, könnten ein Ziel antiviraler Substanzen sein. An dieser Stelle im Replikationszyklus greifen die neuen Neuraminidasehemmer ein, die in der Lage sind, die korrekte Ausschleusung von Influenzaviren zu inhibieren. Während ihrer Untersuchungen zur bereits bekannten Interferenz von Virusinfektionen entdeckten Alick Issacs und Jean Lindenmann 1957 einen übertragbaren virushemmenden Faktor, den sie Interferon nannten. In einem Schlüsselexperiment stellten sie fest, dass Zellen, die mit UV-inaktivierten Influenzaviren behandelt worden waren, etwas in das Gewebekulturmedium abgaben, das die Infektion weiterer Zellen verhinder-te. In den folgenden 50 Jahren der Erforschung dieses Phänomens wurde ein gewaltiges Netzwerk von Interaktoren und Interaktionen aufgedeckt. Trotz vieler Erkenntnisse besteht auch heute noch längst kein vollständiges Bild aller Zusammenhänge und Wirkungen. Die antivirale Wirkung ist dabei nur eine von vielen, und sie ist eine Folge regulatorischer Funktionen der Interferone in der Zelle. Als Folge des schrittweisen Erkenntniszuwachses ist auch die Nomenklatur schwierig und teilweise redundant. IFN gehören nach heutiger Nomenklatur zu den Zytokinen. Zur Unterscheidung der Interferone gibt › Tabelle 13.6 eine Übersicht. Alle IFN sind relativ kleine Moleküle, die in ihrer reifen Form aus 165-172 Aminosäuren bestehen. Für die antivirale Therapie spielen derzeit nur die Typ-I-IFN, und hier die α-IFN, eine wesentliche Rolle. Die Induktion kann auf verschiedenen Wegen erfolgen. Virusinfektionen, vor allem durch RNA-Viren, führen zur raschen Induktion der IFN, die nach wenigen Stunden wieder beendet wird. Die Induktion erfolgt über mehrere positiv regulatorische Domänen, aber auch durch negative Regulation, die zur Verminderung der Repressorproteine und einer gesteigerten IFN-Gen-Expression führt. Die IFN werden von den Zellen, in denen sie gebildet wurden, freigesetzt. Natürliche α-IFN werden von Lymphozyten, Monozyten, Makrophagen und einigen Zelllinien gebildet. Quelle für β-IFN sind Fibroblasten und einige epitheliale Zellen. Mittlerweile werden die zur antiviralen Therapie eingesetzten IFN meist als rekombinante IFN gentechnisch hergestellt. Die IFN binden über spezifische Zellrezeptoren an die Zellen, in denen sie ihre antivirale und andere Wirkungen entfalten. Diese IFN-Rezeptoren sind bekannt, und ihre Expression unterliegt wiederum regulatorischen Prozessen. Viele (> 100) Proteine werden durch IFN in den Zellen reguliert, von denen etliche auch in die antivirale Wirkung eingebunden sind. Die Stimulation der NO-Synthetase führt zur NO-Bildung und damit zu einer eher unspezifischen antiviralen Wirkung Hemmung der Virusreifung IFN aktivieren eine Gykosyltransferase, wodurch einerseits die notwendige posttranslationale Modifikation mancher viraler Proteine gehemmt und andererseits der normale Ausschleusungsprozess (Budding) behindert wird. Bei systemischer Anwendung gibt es z. T. erhebliche Nebenwirkungen: Neben den erwähnten Zielen antiviraler Therapeutika sind viele weitere denkbar. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf die Möglichkeit der Hemmung regulatorischer Proteine (z. B. tat oder rev bei HIV) oder auf die Hemmung der Genomreifung bei Herpesviren und die Genomverpackung bei im Kern replizierenden umhüllten Viren. Die Substanz wird parenteral und oral eingesetzt, auch prophylaktisch bei Immunsuppression. Die orale Bioverfügbarkeit von ACV ist allerdings nicht gut und unsicher, so dass bei schweren Erkrankungen immer eine i.v. Therapie angezeigt ist. Die therapeutisch wirksame Dosierung liegt bei dem wesentlich langsamer replizierenden VZV deutlich höher als bei HSV, was möglicherweise an der kurzen intrazellulären Halbwertszeit von ACV-Triphosphat liegt. Valaciclovir (ValACV) ist ein Valinester des ACV. Die Substanz wird oral wesentlich besser resorbiert, so dass eine orale Bioverfügbarkeit von ca. 60% erreicht wird. ValACV wird bei der Resorption und bei der ersten Leberpassage praktisch vollständig in die wirksame Substanz ACV umgewandelt. Mit Einführung des ValACV ist es möglich geworden, ACV-Serumkonzentrationen durch orale ValACV-Gabe zu erhalten, die ansonsten nur durch i.v. Applikation von ACV erreicht werden können. Resistenzentwicklung ACV-resistente HSV-Mutanten mit Mutationen/Deletionen im Thymidinkinase(TK)-Gen und/ oder Polymerase-Gen können isoliert werden und sind bei Immunsupprimierten u.U. klinisch relevant. TK-minus-Mutanten sind nicht neuropathogen, allerdings sind resistente HSV durchaus nicht immer TK-minus-Mutanten. In der Regel führen TK-Mutationen zu Kreuzresistenz gegenüber anderen Nukleosidanaloga, die durch die TK aktiviert werden müssen (s. u. und Ganciclovir). Resistenz aufgrund von Polymerasemutationen ist seltener, führt aber meist zu breiter Kreuzresistenz gegenüber Nukleosidanaloga (s. u.). BVDU wird ebenfalls selektiv durch die viralen Thymidinkinasen von HSV-1 und VZV zu Monophosphat und Diphosphat phosphoryliert. Die Phosphorylierung zu Diphosphat kann von der HSV-2-TK nicht geleistet werden, da deren Thymidylatkinase-Aktivität wesentlich geringer ist, was die geringe Wirksamkeit von BVDU gegenüber HSV-2 erklärt. Die Wirksamkeit von BVDU bei VZV-Infektionen (Varizellen und Zoster) immunkompromittierter Patienten ist durchaus sehr gut und vergleichbar der von i.v. verabreichtem Aciclovir, jedoch fällt die Nutzen-Risiko-Betrachtung insgesamt auch bei VZV-Therapie zu Gunsten von Aciclovir aus, da BVDU eher mutagen zu sein scheint und nicht zusammen mit 5-Fluorouracil (Zytostatikum) gegeben werden darf. Penciclovir (PCV) PCV ist strukturell dem Ganciclovir sehr ähnlich und ebenfalls oral sehr schlecht resorbierbar im Gegensatz zu Famciclovir (FCV), einer oral sehr gut resorbierbaren Substanz (Bioverfügbarkeit bis > 70%). Nach Resorption wird FCV rasch und vollständig in PCV, das wirksame Pro-Drug, umgewandelt. PCV wird ähnlich wie ACV durch die Thymidinkinasen von HSV und VZV phosphoryliert. Wesentliche Indikationen Genitale HSV-Primärinfektionen sollten möglichst frühzeitig systemisch behandelt werden, auch mit dem Ziel, möglicherweise die spätere Rezidivhäufigkeit zu verringern. Ähnliches gilt auch für die primäre Gingivostomatitis herpetica. Rekurrierende mukokutane HSV-Infektionen können je nach Beschwerden und Beeinträchtigung, vor allem bei genitalen Manifestationen (u.U. patientengesteuert), systemisch behandelt werden. In besonderen Fällen mit häufigen genitalen Rekurrenzen (6-10 pro Jahr) oder mit schwerer psychischer Beeinträchtigung kann eine Suppressionsbehandlung durchgeführt werden. Nach Absetzen der Therapie treten erneut Rekurrenzen auf. Topisch kann mit verschiedenen Nukleosidanaloga (s. o.) behandelt werden. Bei Hautmanifestationen ist zwischenzeitliches Betupfen der Läsionen mit Äther oder Alkohol sinnvoll. Bei schweren systemischen Infektionen (Enzephalitis, Neugeborenensepsis) mit HSV oder VZV oder bei Infektionen erheblich Immunsupprimierter mit diesen Viren muss mit einer sofortigen i.v. ACV-Therapie begonnen werden. Das Behandlungsergebnis hängt entscheidend von einem frühzeitigen Behandlungsbeginn ab. Liegt zum Zeitpunkt der Geburt eine HSV-Infektion im Geburtskanal der Mutter vor, so besteht die Gefahr einer konnatalen Infektion des Neugeborenen mit der Folge einer unbehandelt oft tödlich verlaufenden HSV-Sepsis (› Kap. 13.5.1). In diesen Fällen kann nach heutiger Kenntnis eine Therapie der Schwangeren zur Vermeidung einer Schnittentbindung durchaus erwogen werden. Ebenso muss die Möglichkeit der antiviralen Therapie in das optimale Management der perinatalen VZV-Infektion einbezogen werden. Bei VZV-Exposition eines seronegativen immunsupprimierten Patienten (meist Kinder) ist die sofortige Gabe eines Varizellen-Hyperimmunglobulins (0,2 ml/kg Körpergewicht) indiziert, ggf. in Kombination mit antiviraler Therapie. Bei VZV-Manifestationen bei immunsupprimierten Patienten (auch Zoster) ist eine antivirale Therapie indiziert. Es gibt durchaus gute Argumente für eine generelle antivirale Therapie bei Varizellen, jedoch wird sie in der Praxis kaum durchgeführt. In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass ACV bei CMV-Erkrankungen therapeutisch nicht einsetzbar ist, dass jedoch bei prophylaktischer Gabe an erheblich immunsupprimierte Transplantatempfänger auch eine gewisse prophylaktische Wirkung gegen CMV-Erkrankungen nach endogener Reaktivierung vorhanden ist. Die Substanz kann nur i.v. und topisch angewendet werden. PFA wird systemisch bei CMV-Erkrankungen Immunsupprimierter eingesetzt, wenn eine GCV-Resistenz vorliegt, und stellt dann eine Alternative zu Cidofovir dar. PFA kann topisch erfolgreich bei Herpes labialis und genitalis eingesetzt werden. Bei den anderen humanen Herpesviren sind z. T. gute Effekte der oben genannten Substanzen in vitro beschrieben worden. In klinischen Studien konnte durch Anwendung von ACV bei EBV-Infektionen auch die Virusausscheidung deutlich vermindert werden, ein wesentlicher Einfluss auf den Krankheitsverlauf ließ sich nicht erreichen. Dies gilt ebenfalls für die übrigen humanen Herpesviren und hängt wohl auch mit der Pathogenese der jeweiligen Erkrankungen zusammen. Das humane HBV ist ein sehr kleines DNA-Virus mit einer teilweise doppelsträngigen zirkulären DNA von ca. 3200 bp. Im Partikel ist eine Polymerase verpackt, die den während der Replikation notwendigen, für ein DNA-Virus sehr ungewöhnlichen Schritt einer reversen Transkription ermöglicht. Dies geschieht an einer prägenomischen RNA. Angesichts dieser biologischen Ähnlichkeiten mit einem Retrovirus und auch der Homologien der HBV-Polymerase mit der reversen Transkriptase von Retroviren ist es nicht erstaunlich, dass gegen Retroviren wirksame Substanzen in vitro und in vivo auch gegen HBV wirksam sind. Hauptindikation für die antivirale Therapie ist heute die chronische Hepatitis B wegen der Spätkomplikationen: Leberzirrhose und hepatozelluläres Karzinom. Interferone Natürliche und auch rekombinant hergestellte humane α-Interferone inhibieren die HBV-Replikation sehr effektiv und waren für etliche Jahre einzige Standardtherapeutika bei der Behandlung der chronischen Hepatitis B. Dies war auch die erste Indikation, bei der Interferone in großem Umfang zur antiviralen Therapie eingesetzt wurden. Virologisch und histopathologisch findet sich bei etwa einem Drittel der Patienten, die 6 Monate lang dreimal wöchentlich 3 Mio. IE α-Interferone erhielten, eine deutliche Besserung der chronischen HBV-Infektion. Die HBV-DNA-Konzentrationen im Blut nehmen signifikant ab oder fallen -auch in Abhängigkeit von der Empfindlichkeit der eingesetzten Nachweismethodikunter die Nachweisgrenze ab. Bei etwa 40% der Patienten kam es zur Normalisierung der Transaminasen und zum therapiebedingten Verlust von HBeAG. Leider persistiert dieser positive Effekt nach Beendigung der Interferontherapie nur bei wenigen der ursprünglich erfolgreich behandelten Patienten. Andererseits machen die bekannten Nebeneffekte der Therapie (s. o.) eine wirkliche Dauertherapie unmöglich. Lamivudin (3TC) Das Nukleosidanalogon 3TC, welches zunächst in der HIV-Therapie eingesetzt wurde, hat sich auch bei der HBV-Therapie bewährt. Nach einjähriger Therapie mit täglich 100 mg zeigten in einer Studie 60% der Patienten eine histologisch nachweisbare Verbesserung der Hepatitis und sogar 70% eine anhaltende Normalisierung der Transaminasen (ALT). Nach fortgesetzter 2-jähriger Therapie fanden sich bei einem Drittel der Behandelten Antikörper gegen HBeAG. 3TC führt nach Lebertransplantation aufgrund einer HBV-induzierten Zirrhose zu einer Reduktion der Neuinfektionen des Transplantates, wobei die Standardprophylaxe die fortgesetzte Gabe von Anti-HBs-haltigen Hyperimmunglobulinpräparaten ist. Verschiedene resistenzvermittelnde Mutationen treten in der HBV-Polymerase in sehr ähnlichen, konservierten Bereichen wie bei HIV in Abhängigkeit von der Therapiedauer auf. Die Auswirkungen auf den Grad der Resistenz einerseits und die verbleibende Vermehrungsfähigkeit der Mutanten andererseits sind wie bei HIV unterschiedlich. Neue Nukleosidanaloga (Entecavir) finden derzeit mit Erfolg Eingang in die Therapie der chronischen HBV-Infektion. Langzeittherapie scheint die Erfolge zu verbessern, solange keine Resistenzen auftreten. Es liegt nahe, dass alle in der Erprobung befindlichen antiretroviralen Nukleosidanaloga auch hinsichtlich ihrer HBV-Wirksamkeit und Kreuzresistenzen geprüft werden. HCV-Infektionen stellen eine besondere therapeutische Herausforderung dar, weil ein sehr hoher Anteil (75-85%) der Infizierten eine chronische Infektion entwickelt, die dann nach Jahren eines relativ symptomarmen Verlaufs plötzlich in eine Leberzirrhose und auch ein Karzinom übergehen kann. Der zunächst klinisch eher milde Verlauf führt dazu, dass die Therapiebereitschaft der Patienten in den asymptomatischen Phasen häufig nicht allzu groß ist. Bei HCV handelt es sich um ein völlig anderes Virus als bei HBV, um ein einzelsträngiges RNA-Virus mit Plusstrang-Polarität. Das Genom dieses Flavivirus umfasst ca. 9000 Nukleotide. Ähnlich wie bei Picornaviren ist das primäre Translationsprodukt ein Polyprotein, das bei HCV posttranslational in zehn Struktur-und Nicht-Struktur-Proteine gespalten wird. Eines der Nicht-Struktur-Proteine, das NS5A, ist offenbar für die Interferonempfindlichkeit des Virus verantwortlich. Bei HCV unterscheidet man 6 Genotypen mit verschiedenen Subtypen. Diese Genotypen α sind geographisch unterschiedlich verteilt. Die Erfolgsrate einer α-Interferon-Therapie ist vom Genotyp abhängig. In Deutschland ist mit ca. 60% der Genotyp 1 (Subtypen a und b) am häufigsten vertreten, welcher leider die geringste Ansprechrate bei α-Interferon-Therapie aufweist. Ähnlich wie bei HIV ist die Viruspopulation in einem Patienten genetisch nicht einheitlich, sondern stellt ebenfalls eine Quasi-Spezies dar. Das Ausmaß der Heterogenität der Viruspopulation vor Therapie und die Veränderung unter Therapie scheinen prognostische Bedeutung zu besitzen. α-Interferone Die zunächst angewendete 6-monatige Monotherapie mit dreimal 3 Mio. IE α-Interferon pro Woche erbrachte je nach Studie und bei Einschluss aller Genotypen nur bei etwas über 10% der Patienten einen anhaltenden Erfolg. Dieser war definiert als mindestens 6 Monate nach Therapieende anhaltende Normalisierung der Transaminasen und Verschwinden der HCV-RNA aus dem Blut. In den folgenden Jahren konnte durch Steigerung der α-Interferon-Dosis, durch tägliche Gaben und Verdoppelung der Therapiedauer der Erfolg verbessert werden. PEG-gekoppelte Interferone und Kombinationstherapie mit Ribavirin Zwei weitere therapeutische Neuerungen, einerseits die Anwendung von polyethylengekoppeltem α-Interferon 2a (sog. PEGyliertes Interferon) und andererseits die Kombinationstherapie mit dem Nukleosidanalogon Ribavirin, konnten die Ergebnisse unabhängig voneinander nochmals deutlich verbessern. Durch Anwendung von PEG-α-IFN 2a wird bei nur einmal wöchentlicher Gabe (180 mg) ein wesentlich gleichmäßigerer IFN-Spiegel erreicht. Der Therapieerfolg liegt bei Anwendung von PEG-α-IFN 2a bei etwa 30% (Genotyp 1) und 40% (alle Genotypen) mit vergleichbaren Nebenwirkungen wie nach α-IFN-Therapie. Die Ergebnisse mit der Kombinationstherapie α-IFN + Ribavirin liegen in der gleichen Größenordnung. Auch hier lassen sich durch Dosissteigerungen und verlängerte Therapie Verbesserungen erreichen. Interessant ist die Tatsache, dass frühere Studien mit einer Ribavirin-Monotherapie zwar eine Verbesserung der Leberhistologie und der Transaminasen gezeigt haben, aber keine Verminderung der Viruslast im Blut. Die naheliegende Kombination von PEG-IFN und Ribavirin hat die Ergebnisse weiter verbessert. Eine Reihe weiterer Kombinationen befindet sich in der Erprobung. Die Langzeitprognose der erfolgreich behandelten Patienten ist gut und mittlerweile scheint sogar klar zu sein, dass auch chronisch HCV-infizierte Patienten mit Leberzirrhose, abhängig vom HCV-Genotyp, gemessen an virologischen, klinischen und auch histologischen Parametern, von der antiviralen Therapie profitieren. Therapiebestimmende Faktoren Derzeit sind 3 Retroviren bekannt, die für die Pathogenese von Erkrankungen des Menschen bedeutsam sind: • beide Erreger von AIDS, HIV-1 und HIV-2 • HTLV-1 als Erreger der adulten T-Zell-Leukämie und der tropischen spastischen Paraparese. Zielmoleküle der meisten verfügbaren antiretroviralen Therapeutika sind 2 partikelgebundene viruskodierte Enzyme, die reverse Transkriptase (RT) und die Protease. Die Substanzen lassen sich einteilen in nukleosidanaloge Reverse-Transkriptase-Hemmer, nicht nukleosidanaloge Reverse-Transkriptase-Hemmer (NNRTI) und Proteasehemmer. Seit der Erstzulassung des ersten RT-Hemmers AZT in den USA im Jahr 1987 sind mehr als 20 Medikamente in Deutschland zugelassen worden. Zanamivir muss i.v. oder als Aerosol verabreicht werden, wohingegen das analoge "Pro-Drug" Oseltamivir oral verabreicht werden kann. Da die beiden Substanzen an unterschiedlichen Stellen der funktionellen Domäne der Neuraminidase binden, besteht keine absolute Kreuzresistenz zwischen beiden Pharmaka. H5N1-infizierte Patienten sind teilweise mit Erfolg behandelt worden. Neben den etablierten antiviralen Therapeutika und Therapieindikationen gibt es andere Viren, bei denen die Therapie am Menschen erprobt wurde, aber noch eher experimentellen Charakter hat. Die Therapie von Enterovirus-und Rhinovirusinfektionen ist seit mehreren Jahrzehnten Gegenstand wissenschaftlicher Forschung und auch von Therapieversuchen mit chemischen Substanzen, Antikörpern und Interferonen. Eine Gruppe von sog. Win-Substanzen hemmt durch spezifische Bindung an das Viruskapsid die Adsorption des Virus an die Zielzelle und das intrazelluläre Uncoating. In den USA ist ein Vertreter dieser Substanzen, das Pleconaril, klinisch erprobt worden. Es ist gegen viele Picornaviren (95%) wirksam und hat sich bei der Behandlung der aseptischen Meningitis und respiratorischer Infektionen in kontrollierten Studien bewährt. Ob Pleconaril bei der Enterovirusmyokarditis eingesetzt werden kann, ist noch nicht klar. Derzeit laufen bei dieser Indikation Versuche mit Interferontherapie. Adenoviren sind weltweit verbreitet und besitzen ein erhebliches pathogenes Potenzial. Insbesondere bei systemischen Infektionen Immunsupprimierter stellen sie ein schwieriges the-rapeutisches Problem dar. Zwei in vitro gegen verschiedene Adenovirustypen wirksame Substanzen, die für andere Indikationen zugelassen sind, werden zur experimentellen Therapie eingesetzt: Cidofovir und Ribavirin. Für beide Substanzen gibt es positive kasuistische Mitteilungen, aber der therapeutische Wert beider Substanzen ist derzeit noch nicht klar. Wie bereits erwähnt, zeichnet sich das Nukleosidanalogon Ribavirin durch ein relativ breites Wirkungsspektrum aus. Bereits vor knapp 20 Jahren wurde es zur Behandlung von RSV-Infektionen der Lunge bei schwer kranken intensivpflichtigen Kindern zugelassen. In Studien konnte bei Aerosolanwendung eine Senkung der Letalität nachgewiesen werden. Auch die intravenöse Anwendung ist mit Erfolg möglich, und derzeit wird die Kombination von Ribavirin mit einer etwa gleich wirksamen Antikörpergabe evaluiert. Auch beim Masernvirus, einem weiteren Paramyxovirus, ist über einzelne Erfolge bei der Behandlung von Pneumonien Immunsupprimierter mit Ribavirin berichtet worden. Interessanterweise ist Ribavirin auch mit gutem Erfolg bei schweren hämorrhagischen Lassavirusinfektionen eingesetzt worden und gilt als Therapie der Wahl. Auch bei dem verwandten, in Südamerika vorkommenden Junin-Virus konnte die Letalität von ca. 20 auf 2% gesenkt werden. Leider ist die Substanz nicht ausreichend liquorgängig, um einen therapeutischen Effekt bei ZNS-Manifestationen zu erreichen. Bei der durch JC-Virus hervorgerufenen progressiven multifokalen Leukoenzephalopathie (PML) wurden bei Gabe von Cidofovir, aber auch α-Interferon klinische Besserungen beobachtet. Eine Reihe mehr oder weniger spezifisch wirksamer Substanzen (auch Interferone) ist für die topische Therapie von Papillomen erprobt worden. In jüngster Zeit konnte in einer ersten Studie gezeigt werden, dass auch hier eine topische Applikation von Cidofovir wirksam ist. Die zunächst mit großen Erwartungen durchgeführten Studien zur Behandlung der juvenilen Larynxpapillomatose mit Interferonen haben nicht zufrieden gestellt. Diagnostik Die Diagnose einer katheterassoziierten Infektion ist häufig schwierig. Zur definitiven Diagnose einer katheterassoziierten Infektion ist der Nachweis desselben Erregers von der Katheterspitze und aus der Blutkultur notwendig. Bei liegendem Katheter kann die Diagnose mit der sogenannten "differential time to positivity" (DTTP) gestellt werden: Im Falle einer katheterassoziierten Infektion wird eine aus dem Katheter entnommene Blutkultur mindestens 2 h früher positiv als eine gleichzeitig aus einer peripheren Vene entnommene Probe. Als klinische Hinweise können eine Entzündung an der Einstichstelle, fehlende andere Ausgangsherde für eine Bakteriämie sowie der Nachweis typischer Erreger, z. B. Staphylokokken, angesehen werden. Therapie Es werden Antibiotika verabreicht und der Katheter entfernt. Bei implantierten Verweilkathetern ist vor der Entfernung je nach vorliegendem Pathogen ein antibiotischer Behandlungsversuch gerechtfertigt. Die wichtigste allgemeine Maßnahme zur Verhinderung nosokomialer Infektionen ist das Händewaschen. Besonders in Bereichen mit erhöhtem Risiko, wie z. B. in Infektions-, Intensivund hämatologisch-onkologischen Stationen, müssen vor und nach jedem Patientenkontakt die Hände gewaschen werden, 13 .3 Syndrome und spezifische Probleme 13 um eine nosokomiale Ausbreitung von Erregern zu vermeiden. Daneben sind bei einigen Erkrankungen spezielle Maßnahmen erforderlich (s. o.). Desinfektionen von medizinischen Geräten sind heute durch gesetzliche Bestimmungen und Hygienevorschriften so geregelt, dass bei richtiger Anwendung hierdurch keine Erreger übertragen werden können. Die Liegedauer von intravasalen oder Urinkathetern sollte möglichst kurz sein, d.h., jeder Katheter, der nicht unbedingt benötigt wird, sollte entfernt werden. Wo immer möglich, sollten Therapieregime bevorzugt werden, bei denen Medikamente oral statt intravenös gegeben werden. Infektionen bei immunsupprimierten Patienten sind häufig, verlaufen atypisch und können zu schweren Komplikationen führen. Art der Immunsuppression und Ausprägung und Qualität der Immunitätsfaktoren bestimmen Spektrum und Verlauf von Infektionen wesentlich und sind für diagnostisches und therapeutisches Vorgehen entscheidend. Praxisfall II Eine 41-jährige Frau wird wegen einer akuten myeloischen Leukämie mit einer Hochdosischemotherapie behandelt. Am Tag 10 nach Beginn der Chemotherapie sind die Leukozyten auf < 500/μl gefallen, sie klagt über Kopfschmerzen und wirkt apathisch. Nach einer halben Stunde steigt die Temperatur auf 39,7 °C an, Blutkulturen werden abgenommen und eine empirische Antibiotikatherapie begonnen. Der klinische Zustand bessert sich rasch, die Patientin ist 24 h nach deren Beginn fieberfrei. Zu diesem Zeitpunkt ist E. coli als Erreger in der Blutkultur isoliert und identifziert worden. Die empirische Therapie ist adäquat und wird für weitere 8 Tage • prognostisch ungünstigste Kategorie: Patienten mit Lungeninfiltraten. Nur bei 20-30% aller Patienten finden sich positive Blutkulturen, die eine gezielte antibiotische Therapie ermöglichen. Pilzinfektionen sind oft schwer zu diagnostizieren, da kulturelle Verfahren wenig sensitiv sind. Als Nachweismethoden dienen heute in erster Linie Blutkulturen für Candida-und die hochauflösende Computertomografie des Thorax sowie der Galactomannan-Test im Serum für Aspergillus-Infektionen. Therapie Die Behandlung eines neutropenischen Patienten mit Fieber muss unmittelbar nach Auftreten der klinischen Symptome, vor dem Eintreffen mikrobiologischer Befunde erfolgen. Sie ist deshalb empirisch und kann später, bei erfolgter Erregeridentifizierung, modifiziert werden. • Initialtherapie und frühe Eskalation: Als primäre Therapie kommen eine Kombination aus einem Breitspektrum-(Ureido-)Penicillin mit einem β-Lactamase-Hemmer, ein Pseudomonas-wirksames Cephalosporin oder ein Carbapenem in Frage. Tritt nach 3-4 Tagen keine Entfieberung auf, sollte eine erneute Diagnostik insbesondere mit Hinblick auf Pilzinfektionen erfolgen. • antimykotische Therapie: Wegen der Gefahr von invasiven Pilzinfektionen wird bei Neutropenie (insbesondere bei Patienten mit pulmonalen Infiltraten) frühzeitig, spätestens jedoch nach 6-7 Fiebertagen eine antimykotische Therapie eingesetzt. Zur empirischen Therapie eignen sich Caspofungin oder liposomales Amphotericin B, beim Nachweis von Lungeninfiltraten ist Voriconazol Mittel der Wahl. • Fokussanierung: Sie ist in der Regel nur bei lokalisierten Hautinfektionen möglich oder auch sinnvoll. Die chirurgische Therapie einer neutropenischen Kolitis ist nur bei Bildung von intraabdominellen Abszessen oder einer offenen Perforation sinnvoll, ansonsten erfolgt die Therapie konservativ. Prophylaxe Wegen der hohen Inzidenz von Infektionen bei neutropenischen Patienten werden verschiedene Maßnahmen zur Infektionsprophylaxe angewandt. Diese Maßnahmen zielen auf eine Verminderung der endogenen Keimflora und Vermeidung der Exposition gegenüber pathogenen Organismen. • Innerhalb einiger Wochen erfolgt offenbar durch die Immunantwort eine partielle Kontrolle der HIV-Replikation. Die Virämie nimmt ab und stellt sich auf ein individuell unterschiedlich hohes Niveau ein. Die Höhe der Virämie in dieser Phase (messbar durch die quantitative Bestimmung der HIV-RNA) ist maßgeblicher Parameter der weiteren Prognose. Patienten mit niedriger HIV-RNA (< 10 000 Genomkopien/ml Blut), haben eine deutlich längere Überlebenszeit als solche mit höheren Werten. Obwohl in dieser Phase (klinische Latenzphase) meist keine Beschwerden vorhanden sind, besteht eine ungeheure Dynamik der HIV-Replikation, die schließlich zur Erschöpfung des Immunsystems führt. Pro Tag werden ca. 10 10 Virionen produziert. Über 99% werden dabei in den CD4 + -Lymphozyten gebildet, die infolge der Infektion zerstört werden. Es kommt so zum stetigen Abfall der T-Helferzell-Zahl im Blut, der sich meist über viele Jahre hinzieht. Das Verhältnis von CD4 + -Zellen zu CD8 + -Zellen (Suppressor-und zytotoxische T-Zellen) kehrt sich um (normalerweise CD4 + : CD8 + > 1). Wenn die Zahl der CD4 + -Zellen unter eine kritische Schwelle von 200/μl Blut sinkt, kommt es zum Auftreten von AIDS-typischen opportunistischen Infektionen. Bereits vorher können die Patienten Symptome aufweisen (z. B. oraler Soor), die auf einen nahen Zusammenbruch des Immunsystems hindeuten. Die HIV-Infektion führt zur unspezifischen Stimulation des humoralen Immunsystems. Dies äußert sich in einer vermehrten Bildung von Immunglobulinen. Neben der Infektion lymphatischer Zellen werden auch frühzeitig langlebige Makrophagen und Gliazellen des ZNS befallen. Diese Zellen spielen für die Dynamik der HIV-Infektion keine so große Rolle wie die CD4 + -Lymphozyten, sind aber therapeutisch schwerer erreichbar und bereiten daher Probleme. Symptome Je nach Stadium der Erkrankung treten unterschiedliche Symptome auf. • akutes retrovirales Syndrom: Bei bis zu 50% der Infizierten kommt es wenige Wochen nach der Ansteckung zum akuten Krankheitsbild, dem sog. akuten retroviralen Syndrom. Wegen der klinischen Ähnlichkeit mit der Mononukleose wird das Krankheitsbild auch als "Mononukleoseähnliches Syndrom" bezeichnet. Typische Symptome sind Fieber, Nachtschweiß, allgemeines Krankheitsgefühl, Lymphknotenschwellungen, Pharyngitis und Exantheme. Vereinzelt treten auch schwere neurologische Erkrankungen auf (z. B. Guillain-Barré-Syndrom). Während dieses akuten Stadiums kommt es zum deutlichen Abfall der T-Helferzell-Zahl, die HIV-RNA im Blut und damit auch die Infektiosität ist sehr hoch. Nach einigen Tagen bis Wochen bilden sich diese klinischen Veränderungen wieder zurück. • asymptomatisches Stadium (klinische Latenz): Die meisten HIV-Infizierten haben über mehrere Jahre keine Beschwerden, die HIV-Infektion wird in diesem Stadium oft nur durch Zufall entdeckt. Als klinisches Symptom können generalisierte Lymphknotenschwellungen vorhanden sein (daher die frühere Bezeichnung "Lymphadenopathiesyndrom"). Bei relativ konstantem Wert der HIV-RNA im Plasma findet sich ein unterschiedlich rascher Abfall der CD4 + -ZeIlen. • symptomatisches Stadium: Kennzeichnend ist die zunehmende Immunschwäche, die sich im Auftreten von opportunistischen Infektionen äußert (CDC-Kategorien B und C). Die Zahl der CD4 + -Zellen ist stark abgefallen, es findet sich meist ein hoher Wert der HIV-RNA im Plasma. Die schweren AIDS-definierenden Erkrankungen treten meist dann auf, wenn die CD4 + -Zell-Zahlen < 200/μl gesunken sind (› Kap. 13.4.2). Abb. 13.7 HIV im elektronenmikroskopischen Bild. Gut erkennbar ist die Virushülle (Pfeil) mit den knopfartig erscheinenden Oberflächenantigenen, die an den CD4-Rezeptor anbinden können, ferner das zylinderförmige Viruskapsid (Doppelpfeil), das aus dem Hauptcoreprotein p24 aufgebaut ist (Aufnahme: H. Gelderblom, Berlin). Klassifikation Die derzeitig gültige Klassifikation kommt von den amerikanischen Centers for Disease Control (CDC-Klassifikation) und wurde zuletzt 1993 revidiert (› Tab. 13.10). Sie führt die AIDS-definierenden Erkrankungen auf. Ferner gibt sie eine Stadieneinteilung der HIV-Infektion an, die sich an klinischen und immunologischen Parametern orientiert. Alle Patienten, die eine klinische AIDS-Definition erfüllen, werden in die Kategorie C eingestuft (› Tab. 13.11). Virologische Diagnostik Die Diagnostik der HIV-Infektion erfolgt meist durch Nachweis virusspezifischer Antikörper. Als Screening-Test bei Verdacht auf HIV-Infektion dient ein ELI-SA mit sehr hoher Sensitivität und Spezifität je > 99%. Bei positivem ELISA muss ein Bestätigungstest erfolgen. Meist ist dies ein Westernblot, ggf. auch ein Immunfluoreszenztest. Jeder HIV-Test muss nach Aufklärung und mit dem Einverständnis des Patienten erfolgen und bei positivem Ausfall durch eine 2. Blutentnahme und erneute Untersuchung bestätigt werden. Zwischen Infektion und Bildung messbarer Antikörper vergehen einige Wochen (diagnostisches Fenster). 3-6 Monate nach Infektion weisen fast alle Infizierten Antikörper auf. In der frühen Phase vor Einsetzen der Antikörperbildung ist also bei negativem HIV-Antikörpertest eine Übertragung der Infektion möglich. In besonderen Fällen, wenn eine sichere frühzeitige Entdeckung der Infektion notwendig ist, kann ein direkter Nachweis der viralen RNA oder proviralen DNA durch PCR erfolgen. Diese wird z. B. bei Kindern HIV-infizierter Mütter eingesetzt. Mit dieser oder anderen diagnostischen Verfahren (NASBA = "nucleic acid squence-based amplification"; bDNS = "branch-chain DNS) kann ferner ein quantitativer Nachweis der HIV-RNA (Viruslast) im Blut erfolgen. Dieser Test spielt heute eine sehr große Rolle für die Beurteilung der Prognose und als Kontrolle der antiretroviralen Therapie. Immunologische Diagnostik Die Zahl der CD4-Lymphozyten im Blut stellt den entscheidenden immunologischen Parameter für die Verlaufsbeurteilung der HIV-Infektion dar. Die Bestimmung erfolgt mittels der FACS-Methode. Begleitende Diagnostik Durch die HIV-Infektion können einige sekundäre Laborveränderungen hervorgerufen werden. Häufig finden sich Anämie, Leukozytopenie, Thrombozytopenie und erhöhte Immunglobuline. Viele Infizierte haben zusätzliche Infektionen. Besonders nach Hepatitis B und C, Lues, Toxoplasmose und Zytomegalievirus-Infektion muss gesucht werden. Differenzierungsmaßnahme Akute HIV-Infektion: Klinische Kategorien ( • Hemmung der Protease • Hemmung der Integration. Mittlerweile stehen mehr als 20 Substanzen aus verschiedenen Klassen für die Therapie zur Verfügung (› Tab. 13.12), Medikamente mit weiteren neuen Therapieprinzipien (CCR5-Antagonisten, Integrasehemmer, Maturationshemmer) werden derzeit klinisch erforscht. Die Therapie der HIV-Infektion erfolgt heute immer als Kombinationstherapie. Diese wird auch als "hochaktive antiretrovirale Therapie" (HAART) bezeichnet. Typischerweise besteht sie aus der Kombination von 2 NRTI mit einem Proteasehemmer (PI) oder einem NNRTI. Durch keine bisher bekannte Therapie wird die vollständige Elimination von HIV erreicht. Daher muss eine einmal begonnene und effektive antiretrovirale Therapie unbegrenzt fortgeführt werden, da es sonst erneut zur ungehemmten Virusvermehrung kommt. Aus unterschiedlicher Motivation ist in den letzten Jahren die Auswirkung von Therapiepausen untersucht worden. Die erhofften positiven Effekte (Verbesserung der Immunantwort gegen HIV) traten hierunter nicht ein, dagegen konnte ein vermehrtes Risiko für schwerwiegende Komplikationen gezeigt werden. Therapiepausen sind daher nicht zu empfehlen. wiegen. Bei einer CD4 + -Zahl von > 500/μl wird deshalb meist zunächst abgewartet. Eine gesicherte Behandlungsindikation besteht für alle Patienten mit einer symptomatischen HIV-Infektion unabhängig von der Zahl der CD4 + -Zellen und der HIV-RNA. Eine besondere Herausforderung ist die Behandlung HIV-infizierter schwangerer Frauen. Im ersten Trimenon sollte wegen des möglichen teratogenen Potenzials keine antiretrovirale Therapie erfolgen bzw. eine begonnene Therapie ausgesetzt werden. Für eine antiretrovirale Therapie mit Zidovudin ab der 14. Schwangerschaftswoche bis zur Entbindung mit anschließender 6-wöchiger Nachbehandlung des Kindes ist eine Verringerung der vertikalen HIV-Übertragung nachgewiesen. Viele Frauen werden heute auch in der Schwangerschaft mit einer Kombinationstherapie behandelt, wobei bisher kaum Daten zur Fruchtschädigung durch einzelne Medikamente vorliegen. Wegen seiner Teratogenität ist Efavirenz auf jeden Fall kontraindiziert. Therapieziele Ziele einer antiretroviralen Therapie sind die Lebensverlängerung und eine Besserung vorhandener Symptome und der Lebensqualität. Bei asymptomatischen Patienten können nur die Viruslast und der Immunstatus als Parameter für die Wirksamkeit einer Therapie herangezogen werden. Es sollte heute eine Absenkung der HIV-RNA unter die Nachweisgrenze ultrasensitiver Tests (< 50 Kopien/ml) angestrebt werden. Je nach Höhe der Ausgangsviruslast wird dieses Ziel meist nach 3-6 Monaten erreicht. Durch eine effektive antiretrovirale Therapie steigt die Zahl der CD4 + -Zellen an. Normalwerte werden jedoch meist nur von Patienten mit relativ guten Ausgangswerten erreicht. Probleme der antiretroviralen Therapie Diese Therapie war zunächst mit erheblichen Einschränkungen und Belastungen behaftet ( Von der akuten HIV-Infektion bis zum Auftreten von AIDS vergehen bei Unbehandelten im Durchschnitt ca. 10 Jahre. Die mittlere Zeitspanne von der Diagnose AIDS bis zum Tod beträgt dann knapp 2 Jahre. Ein geringer Anteil aller HIV-Infizierten (< 5%) zeigt auch nach mehr als 10-jähriger Dauer der Infektion keine Anzeichen eines Immundefektes (Long-term non-Progressor). Es ist bisher nicht bekannt, ob diese Personen jemals an AIDS erkranken werden. Bei allen anderen führt die HIV-Infektion unbehandelt unweigerlich zur Ausbildung von AIDS und zum Tod. Durch die antiretrovirale Kombinationstherapie hat sich die Prognose der HIV-Infektion dramatisch verbessert. Die meisten können damit ein normales Leben führen, und die Prognose ist günstig. Die mittlere Lebenserwartung eines Patienten unter antiretroviraler Therpaie lässt sich heute noch nicht sicher angeben, dürfte sich aber der normalen Lebenserwartung annähern. Da die HIV-Infektion zur unheilbaren, tödlichen Erkrankung führt und eine Schutzimpfung nicht zur Verfügung steht, kommt der Prävention eine zentrale Rolle zu. Das Risiko einer sexuellen Übertragung der HIV-Infektion kann durch Vermeidung riskanter Sexualpraktiken vermindert werden. Die konsequente Benutzung von Kondomen ist eine entscheidende Maßnahme zur Verminderung des Übertragungsrisikos. Bei Drogenabhängigen konzentrieren sich präventive Strategien auf die Suchttherapie sowie auf die kontrollierte Verabreichung von Ersatzdrogen ("Methadon-Programm"). Eine weitere präventive Maßnahme ist die Ausgabe steriler Spritzen an Drogenabhängige. Allgemeine Vorsichtsmaßnahmen Angehörige medizinischer Berufe sind beim Umgang mit HIV-Patienten einer Infektionsgefahr ausgesetzt. Ein relevantes Infektionsrisiko existiert allerdings nur beim Kontakt mit infiziertem Blut. Die höchste Gefahr besteht bei Stichverletzungen mit Hohlnadeln, die Blut enthalten: In 0,2-0,5% kommt es zur Übertragung von HIV. Daher müssen unbedingt Vorsichtsmaßnahmen eingehalten werden. Am wichtigsten ist die Vermeidung von Prozeduren, die ein hohes Verletzungsrisiko beinhalten ("Re-capping" von Kanülen!). Scharfe Gegenstände müssen immer aus dem unmittelbaren Arbeitsbereich entfernt und sofort in spezielle Container entsorgt werden. Da eine Infektion prinzipiell auch über Schleimhäute und verletzte Haut erfolgen kann, müssen in allen Situationen, in denen Blutkontakt möglich ist, Schutzhandschuhe getragen werden. Vorgehen bei Nadelstichverletzung Ist es trotz Vorsichtsmaßnahmen zur Nadelstichverletzung gekommen, müssen sofort folgende Maßnahmen ergriffen werden: Blutung anregen und die möglichst gespreizte Wunde mit einem Desinfektionsmittel auf Alkoholbasis gründlich desinfizieren (ca. 4 min). Bei Hautkontakt ebenfalls desinfizieren oder gründlich mit Seife und viel Wasser waschen. Handelt es sich um eine Verletzung mit hohem Risiko (Injektion von größeren Mengen Blut, intramuskuläre Verletzung mit großlumiger Nadel), sollte eine antiretrovirale Kombinationstherapie rasch begonnen (optimal innerhalb von 1-2 h nach Verletzung) und für 28 Tage durchgeführt werden. Bei Verletzungen mit geringerem Risiko (z. B. subkutane Verletzung) sollte eine individuelle Beurteilung und Beratung durch jemanden mit spezieller Erfahrung in diesem Bereich erfolgen. Wichtig sind in allen Situationen, in denen ein Infektionsrisiko aufgetreten ist, eine psychologische Betreuung der betroffenen Personen und die exakte Dokumentation des Unfallhergangs einschließlich der HIV-Tests (Zeitpunkte 0, 6 Wochen, 3 und 6 Monate), damit Ansprüche des Betroffenen im Falle einer Infektion gewahrt bleiben. Als Folge der durch HIV ausgelösten Immunschwäche kommt es zum Auftreten so genannter opportunistischer Infektionen. Typisch für viele opportunistische Erreger ist, dass sie weit verbreitet sind und nach einer Primärinfektion, die bereits vor der HIV-Infektion stattfindet, zu latenten Infektionen führen. Diese Erreger werden erst durch die Immunschwäche zu Pathogenen (daher die Bezeichnung opportunistisch). Alle Organe können von diesen Infektionen betroffen werden. Am häufigsten treten Erkrankungen der Haut, der Mundhöhle, des Gastrointestinaltraktes, der Lunge, des Auges und des Nervensystems auf. Einige der opportunistischen Infektionen kommen bereits vor, wenn die CD4 + -Zellen noch nicht maximal erniedrigt sind (zwischen 100 und 200/μl). Beispiele hierfür sind die Candida-Ösophagitis und die Pneumocystis-carinii-Pneumonie. Andere Erkrankungen sind charakteristisch für das Endstadium der Immundefizienz (CD4 + -ZelIen < 50/μl). Neben Infektionen treten auch verschiedene Tumoren gehäuft auf (Kaposi-Sarkom, Non-Hodgkin-Lymphome). II Ein 30-Jähriger, der bis dahin nie krank war, stellt sich in der Notaufnahme vor. Seit 3 Wochen bemerkt er Fieber, das in den letzten Wochen täglich 39 °C überschreitet. Er klagt über quälenden Reizhusten mit wenig Auswurf, der auch nachts sehr heftig sei. In den letzten Wochen habe er 7 kg Gewicht abgenommen (von 60 auf 53 kg). Bis zum Vortag habe er gearbeitet, was ihm in den letzten Tagen sehr schwer gefallen sei. Bei Nachfrage gibt er an, homosexuelle Kontakte zu haben, ein HIV-Test sei nie durchgeführt worden. Bei der Untersuchung fallen eine Tachypnoe (30/min) und eine ausgeprägte periphere Zyanose auf. Auskultation und Perkussion sind unauffällig. Im Mund besteht ein Soor. Zervikal, inguinal und axillär lassen sich vergrößerte Lymphknoten (bis 1,5 cm) tasten. Ansonsten keine Auffälligkeiten. Labor: Hb 10,5 g/dl; Leukozyten 2800/μl; LDH 680 U/l; in der arteriellen Blutgasanalyse pO 2 52 mmHg, pCO 2 20 mmHg, pH 7,41; sonst keine weiteren Auffälligkeiten. Röntgen-Thorax: ausgeprägte interstitielle Infiltrationen in beiden Lungenflügeln, z. T. auch alveoläre Verschattungen. Klinische Diagnose: interstitielle Pneumonie, dringender Verdacht auf Pneumocystis-carinii-Pneumonie. Therapie: sofortige Behandlung mit hochdosiertem Cotrimoxazol und mit Ceftriaxon; ferner Gabe von Prednison. Symptomatisch Verabreichung von O 2 per Nasensonde, Behandlung des Soors mit Amphotericin-B-Suspension. Weiterführende Diagnostik: HIV-Serologie im ELISA und Westernblot positiv; HIV-RNA im Plasma 820 000 copies/ml; CD4 + -Lymphozyten 10/μl, CD8 + -Lymphozyten 400/μl; in der bronchoalveolären Lavage Nachweis von Pneumocystis carinii. Verlauf: allmählicher Rückgang der klinischen Symptomatik; nach Diagnosesicherung der PCP Absetzen von Ceftriaxon und Behandlung mit Co-trimoxazol über 3 Wochen. Danach Einleitung einer antiretroviralen Therapie, Fortführung der Co-trimoxazol-Gabe in prophylaktischer Dosierung und Entlassung in deutlich gebessertem Zustand. II Das Spektrum der Hautveränderungen im Rahmen der HIV-Infektion umfasst: • infektiöse Veränderungen • allergische Reaktionen • sog. idiopathische Hauterkrankungen. Häufig sind Herpes-simplex-Virus-Infektionen, die als harmlose Infektionen, aber auch als schwere, chronische Ulzerationen imponieren können. Varicella-Zoster-Virus-Reaktivierungen (Gürtelrose) treten typischerweise schon in frühen Stadien der HIV-Infektion auf und erstrecken sich häufig über mehrere Dermatome. Die Behandlung der Herpesvirusinfektionen kann mit Aciclovir, Valaciclovir, Famciclovir oder Brivudin erfolgen. Eine andere häufige Virusinfektion sind die Dellwarzen (Mollusca contagiosa), die sehr charakteristisch sind und oft ausgedehnte Körperareale befallen (› Kap. 13.5). Im Analbereich kommen gehäuft Feigwarzen (Condylomata acuminata) vor. Die Infektionen mit Herpes-simplex-und Varicella-Zoster-Virus werden mit Aciclovir behandelt. Bei Dellwarzen und Feigwarzen müssen Kürettagen angewendet werden. Bakterielle Infektionskrankheiten, die bei HIV-Infizierten vermehrt diagnostiziert werden, umfassen Pyodermien, Lues und bazilläre Angiomatose. Letztere wird durch die erst kürzlich entdeckten Erreger Bartonella henselae und quintana verursacht und äußert sich in Form rötlicher, papulöser Hautveränderungen. Es kann ferner ein disseminierter Organbefall vorkommen. Die Therapie erfolgt mit Penicillin (Lues), mit Staphylokokken-wirksamen Antibiotika (Pyodermie) und mit Makroliden (bazilläre Angiomatose). Allergische Reaktionen und andere Hauterkrankungen Neben allergischen Reaktionen treten gehäuft Psoriasis vulgaris, seborrhoisches Ekzem, Xerodermie und papulöse Dermatitiden auf. Außer durch dermatologische Lokalbehandlung bessern sich diese Erkrankungen oft durch Verbesserung der Immunsituation im Rahmen einer erfolgreichen antiretroviralen Therapie. Die Symptomatik reicht von asymptomatischen Veränderungen bis zu schmerzhaften Läsionen, die eine Nahrungsaufnahme fast unmöglich machen (Therapie siehe oben). Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes sind häufig bei fortgeschrittener HIV-Infektion. Im Folgenden sind die häufigsten opportunistischen Erkrankungen aufgeführt. Hinzu kommen einige seltene Infektionen und andere Erkrankungen, die nicht spezifisch für die HIV-Infektion sind. Häufigste AIDS-definierende opportunistische Infektion des Gastrointestinaltraktes. Symptome Dysphagie und retrosternale Schmerzen, meist auch Candida-Beläge in der Mundhöhle. Diagnostik Ösophagoskopie mit dem makroskopischen Bild weißer Schleimhautbeläge und mikrobiologischer oder histologischer Nachweis von Candida. Therapie Fluconazol. Nach erfolgreicher Behandlung treten häufig Rezidive auf. Dann ist eine prophylaktische Behandlung mit Fluconazol indiziert. Bei den seltenen Fällen einer Fluconazol-Resistenz wird Voriconazol eingesetzt. Diese Infektionen treten meist bei sehr weit fortgeschrittenem Immundefekt (CD4 + -Zellen < 50/μl) auf und betreffen v. a. Gastrointestinaltrakt und Auge. Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes durch CMV können in allen Abschnitten vorkommen: als Ösophagitis, Gastritis, Enteritis, Kolitis und als Proktitis. Symptome Die Ösophagitis verursacht eine Dysphagie. Bei der CMV-Gastritis stehen Oberbauchschmerzen im Vordergrund. Die CMV-Enterokolitis manifestiert sich mit Durchfällen und Bauchschmerzen. Bei der CMV-Proktitis sind Defäkationsschmerzen und Blutbeimengungen im Stuhl die führenden Symptome. Diagnostik Endoskopische Untersuchung mit Biopsie. Makroskopisch sieht man eine Entzündung der Schleimhaut und Ulzerationen, die wie ausgestanzt wirken. Histologisch ist der Nachweis von intranukleären Einschlusskörperchen in vergrößerten Zellen (Eulenaugen-Zellen) typisch. Die Abgrenzung von anderen viralen Infektionen ist durch die Immunhistologie (Nachweis viraler Antigene) möglich. Der Nachweis des CMV-pp65-Antigens im Blut und die CMV-PCR aus dem Blut geben Hinweise auf die Diagnose. Therapie Zurzeit sind 3 Substanzen verfügbar: Ganciclovir, Cidofovir und Foscarnet. Sie müssen intravenös verabreicht werden und sind in ihrer Wirksamkeit vergleichbar. Unterschiede bestehen in den Nebenwirkungen: Ganciclovir ist hämatotoxisch (Leukopenie, Anämie), während bei Foscarnet und Cidofovir die Nephrotoxizität im Vordergrund steht. In schweren Fällen können Ganciclovir und Foscarnet kombiniert gegeben werden Kryptosporidien sind Protozoen, die bei Tieren und bei Menschen Durchfallerkrankungen auslösen können. Sie werden vor allem durch kontaminiertes Wasser übertragen. Bei Immunkompetenten kommt es zu einer milden, selbstlimitierten Diarrhö. Symptome HIV-Patienten mit ausgeprägter Immunschwäche erkranken an schwersten wässrigen Durchfällen, die den Patienten häufig Tag und Nacht quälen. Infolgedessen kommt es zur Auszehrung ("Wasting Syndrom"). Diagnostik Die Kryptosporidien finden sich an der Oberfläche des Darmepithels und können dort histologisch nachgewiesen werden. Nachweis von Oozysten im Stuhl, darstellbar mit Spezialfärbungen. Therapie Nicht bekannt. Besserung erfolgt meist mit der Einleitung einer antiretroviralen Therapie. Symptomatische Maßnahmen (Loperamid, Opiumtinktur) müssen häufig angewandt werden. Mikrosporidien sind obligat intrazelluläre, sporenbildende Protozoen. Von den mehr als 1000 Spezies sind bisher 5 als menschenpathogen bekannt. 2 Spezies stehen bei HIV-Infektion im Vordergrund: Enterocytozoon bieneusi infiziert Darm und Gallengänge. Die Symptome sind von denen bei der Kryptosporidien-Infektion nicht unterscheidbar. Encephalitozoon verursacht eine Allgemeininfektion. Die Diagnose einer Mikrosporidiose erfordert spezielle Techniken (Fluoreszenztest) und ist aus Stuhl oder Abstrichen und Sekreten möglich. Die Speziesdifferenzierung ist durch Elektronenmikroskopie oder PCR möglich und von therapeuti-scher Bedeutung: Während Encephalitozoon auf eine Therapie mit Albendazol anspricht, ist für Enterocytozoon bieneusi keine wirksame Therapie bekannt. Das Wasting-Syndrom ist definiert durch eine Gewichtsabnahme von mehr als 10% des Ausgangsgewichtes, verbunden mit anhaltendem Fieber oder chronischer Diarrhö ohne Erregernachweis. Diagnostik Behandelbare opportunistische Infektionen müssen ausgeschlossen werden. Therapie Die antiretrovirale Therapie führt meist zur Besserung. Wie alle opportunistischen Infektionen sind Lungenmanifestationen in den letzten Jahren seltener geworden. Nach wie vor stellt die Pneumocystis-Pneumonie als akut lebensbedrohliche Infektion häufig die Erstmanifestation von AIDS dar. Die Tuberkulose ist weltweit die häufigste Todesursache HIV-infizierter Menschen. Epidemiologie Weltweit ist die Tuberkulose mit Abstand die häufigste opportunistische Infektion im Rahmen der HIV-Infektion. Ihre größte Verbreitung hat sie in den unterentwickelten Ländern. Aber auch in Südeuropa kommt sie sehr häufig vor. An Tuberkulose ist besonders zu denken bei Drogenabhängigen und bei Patienten aus Ländern der Dritten Welt. Die Lunge ist meist betroffen, doch handelt es sich bei der Tuberkulose HIV-Infizierter oft um ein disseminiertes Krankheitsbild mit Befall unterschiedlichster Organe. Symptome Unspezifisch mit Fieber, Nachtschweiß, Gewichtsabnahme und Husten. Röntgenologisch finden sich an der Lunge typische Verläufe im Sinne einer Reaktivierung mit kavernösen Veränderungen und atypische Verläufe mit flächenhaften Infiltraten und mediastinalen Lymphknotenschwellungen. Diagnostik Eine Tuberkulose muss bei allen pulmonalen Infiltraten bei HIV-infizierten Patienten ausgeschlossen werden. Die definitive Diagnose wird mit der Sputumuntersuchung durch den Nachweis säurefester Stäbchen gestellt, evtl. ferner Untersuchung des Magensekrets oder Bronchoskopie. Zur Unterscheidung von ubiquitären Mykobakteriosen (Mycobacterium-avium-Komplex) ist eine mikrobiologische Differenzierung nötig. Therapie Dieselben Substanzen wie bei nicht-HIV-infizierten Patienten (› Kap. 10.5) meist über insgesamt 6 Monate, bei komplizierten Fällen auch länger. Das Ansprechen auf die Therapie ist allgemein gut. Multiresistente Tuberkuloseerreger kamen in einigen amerikanischen Großstädten bei HIV-Infizierten gehäuft und mit sehr hoher Letalität vor. In Deutschland sind solche Infektionen bisher nicht aufgetreten. Wichtigste Maßnahme zur Verhütung von Resistenzbildungen ist eine konsequente und effektive Therapie. Hervorgerufen durch den ubiquitär vorkommenden Pilz (früher als Protozoon klassifiziert) Pneumocystis jiroveci (früher Pneumocystis carinii, daher die Abkürzung PCP). Bereits im Kindesalter besteht fast hundertprozentige Durchseuchung, so dass das Risiko einer Erkrankung nur vom Ausmaß des Immundefektes abhängt. Ohne prophylaktische Maßnahmen beträgt die Inzidenz für Patienten mit CD4 + -Zellen < 100/μl ca. Diagnostik Ein klinischer Verdacht auf PCP muss sofort weiter abgeklärt werden. Bei der körperlichen Untersuchung finden sich häufig Zyanose und Tachypnoe. Der Auskultationsbefund ist aber typischerweise normal. Im Röntgenbild des Thorax sieht man eine interstitielle Zeichnungsvermehrung, in schweren Fällen können auch alveoläre Verschattungen auftreten (› Abb. 13.10). Obligate Blutuntersuchungen sind die Bestimmung der LDH (erhöht) und eine arterielle Blutgasanalyse (Erniedrigung des pO 2 ), da beide Parameter prognostische Aussagekraft haben. Die Leukozyten sind meist nicht vermehrt. Bei Patienten mit den aufgeführten diagnostischen Kriterien kann die klinische Diagnose einer PCP gestellt werden. Die definitive Diagnose wird durch den Erregernachweis (Immunfluoreszenz oder andere Färbetechniken) aus der bronchoalveolären Lavage (BAL) gestellt. Therapie Bei Verdacht auf PCP muss sofort eine Therapie eingeleitet werden. Dies steht einer späteren Diagnosesicherung nach wenigen Tagen nicht im Wege. Mittel der Wahl ist Co-trimoxazol in hoher Dosierung (20 mg Trimethoprim, 100 mg Sulfamethoxazol/kg KG und pro Tag). Die Therapiedauer beträgt normalerweise 3 Wochen. Bei schweren Unverträglichkeitserscheinungen (Allergie) muss auf intravenös verabreichtes Pentamidin ausgewichen werden. Eine PCP mit arteriellem Ausgangs-pO 2 von 70 mmHg oder weniger muss zusätzlich mit Prednison (2-mal 50 mg/d) behandelt werden, da so die Letalität vermindert wird. Unbehandelt ist eine PCP immer letal. Auch bei optimaler Behandlung handelt es sich um eine ernste Erkrankung. Ungünstige prognostische Parameter sind eine ausgeprägte Erniedrigung des pO 2 und eine starke Erhöhung der LDH. Patienten mit beatmungspflichtiger respiratorischer Insuffizienz haben eine schlechte Prognose. Bakterielle Pneumonien treten schon bei einer Helferzellzahl über 200/μl auf, werden aber mit zunehmendem Immundefekt häufiger. Drogenabhängige sind öfter betroffen als homosexuelle Patienten. Häufigste Erreger sind Pneumokokken, Haemophilus influenzae, Staphylokokken und gramnegative Erreger. Symptome Wie bei Pneumonien bei immunkompetenten Personen (› Kap. 10.4.1). Diagnostik Von der PCP ist die bakterielle Pneumonie bei typischem Verlauf durch raschen Beginn, purulentes Sputum, positiven Auskultationsbefund und durch die Röntgenuntersuchung abzugrenzen. Es gibt aber häufig atypische Verläufe, die eine klinische Unterscheidung unmöglich machen. Therapie Bei leichtem Verlauf mit Cephalosporin der 2. Generation bzw. Ampicillin plus Lactamasehemmer, bei schwerem Verlauf Kombinationstherapie mit Cephalosporinen der 3. Generation und einem Makrolid oder mit einem Chinolon mit Pneumokokken-Wirksamkeit (Moxifloxacin, Levofloxacin). Bis zum Ausschluss einer PCP sollte bei schweren Pneumonien auch Co-trimoxazol gegeben werden. Pneumonien durch Pilze kommen insgesamt selten bei HIV-Infizierten vor. Aspergillus-Pneumonien treten im Endstadium des Immundefektes auf und haben eine schlechte Prognose. Infektionen mit Kryptokokken manifestieren sich gelegentlich an der Lunge, meist jedoch erst bei weiterer Disseminierung als Fungämie oder Meningitis. Andere pulmonale Pilzinfektionen sind in Europa sehr selten. Candida-Pneumonien werden bei HIV-Infizierten nicht beobachtet. Virale Pneumonien sind ebenso sehr selten. Zytomegalievirus wird zwar häufig in der Lunge nachgewiesen, es handelt sich aber fast immer um eine Infektion ohne Krankheitswert. Symptome des zentralen und des peripheren Nervensystems treten im Rahmen der HIV-Infektion sehr häufig mit sehr vielgestaltigen Ursachen auf. Neurologische Symptome können durch HIV selbst, durch opportunistische Erkrankungen oder als unerwünschte Wirkungen therapeutischer Maßnahmen auftreten. Die Differentialdiagnose ist daher sehr schwierig. Ca. 50% der Bevölkerung sind mit dem Protozoon Toxoplasma gondii infiziert. Als opportunistische Infektion im Rahmen der HIV-Infektion tritt die Toxoxplasmose aber nur bei schwer eingeschränktem Immunstatus auf (CD4 + -Zellen < 100/μl). Als Zeichen der früher erfolgten Infektion finden sich Antikörper im Serum. Bei fehlenden IGG-Antikörpern ist eine Toxoplasmose sehr unwahrscheinlich. Symptome Die zerebrale Toxoplasmose äußert sich in Fieber, Kopfschmerzen, neurologischen Ausfällen und epileptischen Anfällen. Diagnostik Nachweis von typischen Veränderungen in der Kernspintomografie oder Computertomografie des Schädels möglich (› Abb. 13.11). Therapie Pyrimethamin und Sulfadiazin. Bilden sich die Veränderungen hierunter zurück, ist die Diagnose bestätigt. Eine Prophylaxe mit verminderter Dosis ist wegen hoher Rezidivgefahr anzuschließen. Wenn sich die Erkrankung unter der Therapie nicht bessert, sollte eine stereotaktisch gewonnene Biopsie erfolgen zum Ausschluss anderer Erkrankungen (z. B. Lymphom). Durch den Hefepilz Cryptococcus neoformans kann eine Meningitis ausgelöst werden. Diese Infektion kommt v. a. in Afrika und den USA häufig vor, bei uns ist sie seltener. Symptome Kopfschmerzen und Fieber, oft über Wochen progredient. Diagnostik Bestimmung des Kryptokokken-Antigens im Serum mit sehr hoher Sensitivität. Zum Ausschluss einer anderen Meningitisform muss eine Punktion des Liquor cerebrospinalis durchgeführt werden, in dem sich die Kryptokokken durch ein Tuschepräparat nachweisen und kulturell anzüchten lassen. Therapie Amphotericin B und Flucytosin und zusätzlich evtl. Fluconazol. Ca. 1/3 der erwachsenen Patienten und 2/3 der Kinder weisen Symptome einer HIV-Enzephalopathie auf. Sie wird vermutlich durch direkte Infektion des ZNS mit HIV verursacht und führt zu psychomotorischen Störungen unterschiedlichen Schweregrades. Symptome Das klinische Bild ist sehr variabel. Meist stehen Konzentrations-und Gedächtnisstörungen bis hin zur ausgeprägten Demenz im Vordergrund, aber auch epileptische Anfälle und Wesensveränderungen kommen vor. Diagnostik Nur durch den Ausschluss anderer ZNS-Manifestationen möglich. Im Liquor finden sich nur unspezifische Veränderungen, in der Kernspintomografie kann eine Hirnatrophie erkennbar sein. Therapie Antiretrovirale Behandlung. Dabei gibt es verschiedenartige Verläufe von der vollständigen Rückbildung bis hin zur weiteren Progredienz der Veränderungen. Die progressive multifokale Leukenzephalopathie (PML) ist eine meist innerhalb von Wochen bis Monaten zum Tode führende Erkrankung des ZNS, die durch Polyoma-Viren (JC-Virus) ausgelöst wird. Charakteristisch sind zunehmende neurologische Störungen bei meist erhaltenem Bewusstsein und ausgedehnte Läsionen im Marklager, die sich am besten in der Kernspintomographie darstellen. Die Diagnose kann durch PCR aus dem Liquor oder durch Hirnbiopsie gestellt werden. Unter hochaktiver antiretroviraler Therapie kommt es bei einem Teil der Patienten zur Besserung. Die CMV-Enzephalitis ist eine meist rasch progredient verlaufende zerebrale Infektion, die klinisch nicht von anderen Enzephalitiden zu unterscheiden ist. Die Diagnose kann durch eine PCR aus dem Liquor untermauert werden, die Therapie erfolgt mit Foscarnet oder Ganciclovir. Das zerebrale Lymphom ist eine opportunistische Erkrankung im Endstadium der HIV-Infektion. Die Diagnose kann heute mit hoher Wahrscheinlichkeit durch den Nachweis von EBV-DNA im Liquor cerebrospinalis mittels PCR erfolgen. Eine definitive Sicherung ist nur durch Hirnbiopsie möglich. Kurzfristige Therapieerfolge können mit Dexamethason erzielt werden. Eine systemische Chemotherapie ist nicht wirksam, und auch eine Bestrahlung führt meist nur zur sehr kurzfristigen Remission. Bei der Polyneuropathie handelt es sich um eine Erkrankung, die sehr häufig in späten Stadien der HIV-Infektion auftritt. Neben einer direkten neuropathischen Wirkung des HIV kommen toxische Wirkungen von Medikamenten ursächlich in Frage. Die Diagnose wird meist klinisch gestellt, elektroneurografische Untersuchungen können ggf. zusätzlich erfolgen, Ist die Polyneuropathie medikamentös ausgelöst, kommt es nach Absetzen zur Besserung. Andernfalls bestehen die Beschwerden meist fort. Die Therapie ist symptomatisch (Gabapentin, Amitriptylin, Carbamazepin). Neurotoxische Substanzen (D4T, DDI) müssen abgesetzt werden. Die Zytomegalievirus(CMV)-Retinitis tritt bei Patienten mit sehr schwerem Immundefekt auf (CD4 + -Zell-Zahlen unter 50/μl). Symptome Verschwommenes Sehen und Sehminderung. Unbehandelt führt die Erkrankung zur Erblindung. Diagnostik Spiegelung des Augenhintergrundes mit charakteristischem Befund. Therapie Intravenöse Infusionen von Ganciclovir, Foscarnet oder Cidofovir werden eingesetzt. Viele der Infektionen, die bei AIDS-Patienten auftreten, verlaufen als disseminierte Infektionen. Dies gilt auch für einen Teil der oben beschriebenen Erkrankungen (z. B. CMV-Infektion, Tuberkulose). Im Folgenden werden diejenigen Infektionen vorgestellt, die primär als generalisierte Erkrankung durch den Erregernachweis im Blut diagnostiziert werden. In der Regel manifestieren sich diese Infektionen als Sepsis, d.h mit klinischen Symptomen (Fieber, Tachykardie, Tachypnoe) und Nachweis von Bakterien im Blut (Bakteriämie). Oftmals treten Bakteriämien im Zusammenhang mit intravenös platzierten Kathetern auf. Hier spielen vor allem Staphylokokken, aber auch gramnegative Keime wie Pseudomonas aeruginosa eine Rolle. Pneumokokken-Bakteriämien kommen im Zusammenhang mit Pneumonien vor. Eine AIDS-definierende, selten auftretende Komplikation ist die rezidivierende Salmonellen-Sepsis. Diagnostik Die Blutkultur ist entscheidende Maßnahme. Therapie Die Behandlung erfolgt jeweils mit wirksamen Antibiotika (Antibiogramm). Prognose Neben der rechtzeitigen Diagnose und der Antibiotika-Sensitivität des Erregers ist der Allgemeinzustand des Patienten ausschlaggebend. Mycobacterium avium und intracellulare bilden den Mycobacterium-avium-Komplex und kommen ubiquitär in der Umwelt vor. Bei Immunkompetenten verursachen sie nur ganz selten Infektionen. Dagegen ist die disseminierte MAC-Infektion eine der schwersten Infektionen bei HIV-Patienten mit hochgradigem Immundefekt (CD4 + -Zellen < 50/μl). Die Aufnahme des Erregers erfolgt entweder über den Magen-Darm-Trakt oder über die Lunge. Hier kommt es zunächst zur Kolonisierung und im weiteren Verlauf zur Disseminierung. Der Nachweis des Erregers aus Sputum oder Stuhl beweist noch keine disseminierte Infektion. Symptome Die disseminierte Infektion äußert sich durch Fieber, Nachtschweiß, Gewichtsabnahme, Durchfälle, Lymphknotenschwellungen, Bauchschmerzen und eine Hepatosplenomegalie. Diagnostik Die Laborwerte zeigen meist eine Anämie und eine Erhöhung der alkalischen Phosphatase. Die Diagnose lässt sich durch die Anzüchtung des Erregers aus der Blutkultur oder anderen sterilen Materialien (Knochenmark, Lymphknoten, Leber) sichern. Im Gegensatz zur Tuberkulose sind Lungeninfiltrate durch MAC selten. Therapie Auf die herkömmlichen Antituberkulotika kann man nicht zurückgreifen, da der Erreger gegen die meisten dieser Mittel primär resistent ist. Am wirksamsten ist eine Kombination aus Clarithromycin und Ethambutol (eventuell zusätzlich mit Rifabutin). Als HIV-assoziierte Tumoren (Kategorie CDC C) werden das Kaposi-Sarkom (s. o.), das Non-Hodgkin-Lymphom und das invasive Zervixkarzinom gezählt. Non-Hodgkin-Lymphome (NHL) treten bei ca. 5-10% aller AIDS-Patienten auf. Histologisch handelt es sich meist um hochmaligne B-Zell-Lymphome. Ein disseminierter und extranodaler Befall liegt häufig vor. Symptome Entsprechend dem Befallsmuster: Lymphknotenschwellungen und Allgemeinbeschwerden (Fieber, Nachtschweiß) sind häufig; bei Knochenmarkbefall kommt es zur Panzytopenie, bei Befall des Magen-Darm-Traktes zu Bauchschmerzen und Gewichtsabnahme. Im Labor findet sich oft eine Erhöhung der LDH. Bei ZNS-Befall kommt es zum Auftreten neurologischer Herdsymptome (Anfälle, Lähmungen). Eine Besonderheit ist das Auftreten primärer zerebraler Lymphome, die immer durch Ebstein-Barr-Virus (EBV) ausgelöst sind (Diagnostik durch Nachweis von EBV-DNA mittels PCR im Liquor). Therapie Durchführung einer Standard-Chemotherapie (CHOP-Schema: Cyclophosphamid, Adriamycin, Vincristin, Prednison). Ziel ist heute die komplette Remission und Heilung auch in fortgeschrittenen Stadien und bei fortgeschrittenem Immundefekt. Hierzu werden zunehmend auch aggressive Therapieschemata eingesetzt. Prognose Nicht gut (Heilung in < 50%). Maligne Tumoren, die durch humane Papillomaviren (HPV) induziert werden, wurden bei HIV-Patienten gehäuft beobachtet. Hierzu zählen das Zervixkarzinom der Frau und Plattenepithelkarzinome der Analregion. Außerdem wurde über vermehrtes Auftreten von Hodgkin-Lymphomen berichtet. Die Prophylaxe von Infektionen bereits vor deren erstem Auftreten (Primärprophylaxe) oder nach der ersten Episode (Sekundärprophylaxe) ist weiterhin eine wichtige Aufgabe bei der Betreuung HIV-positiver Patienten, auch wenn opportunistische Infektionen durch die antiretrovirale Therapie insgesamt seltener geworden sind. Klinisch von Bedeutung ist die Prophylaxe der PCP bei einer CD4 + -Zell-Zahl von < 200/μl mit Cotrimoxazol. Die beste Vorbeugung aller opportunistischen Infektionen ist eine wirksame antiretrovirale Kombinationstherapie (HAART). Durch die verbesserte Funktion des Immunsystems ist ein Schutz gegen opportunistische Infektionen vorhanden. In vielen Studien wurde nachgewiesen, dass Patienten mit supprimierter Viruslast ein sehr niedriges Risiko für opportunistische Infektionen aufweisen. Steigen die CD4-Zellen dauerhaft auf > 200/μl an, können meist Primär-und Sekundärprophylaxen abgesetzt werden. Patienten, die trotz antiretroviraler Therapie deutlich unter 200 Helferzellen/μl bleiben, müssen dagegen weiter prophylaktisch behandelt werden. Viren erreichen den Zustand der persistierenden Infektion durch unterschiedliche Strategien. Beim Herpes-simplex-Virus (humanes α-Herpesvirus) kommt es z. B. nach Primärinfektion an Haut oder Schleimhäuten mit lokaler Virusvermehrung (produktive Infektion) zur zunächst ebenso produktiven Infektion zugehöriger sensibler Ganglienzellen. Im Ganglion geschieht dann die "Umschaltung" in eine latente Infektion, die durch fehlende Virusproduktion und jegliches Fehlen von Viruspartikeln gekennzeichnet ist. Das virale DNA-Genom bleibt extrachromosomal bei minimaler Expression einzelner Gene in den Ganglien. Durch bestimmte Triggermechanismen (Son- Bei zytozidaler Virusinfektion kommt es am Ende des Virusvermehrungszyklus zum Tod der Wirtszelle. Es gibt persistierende und nicht persistierende Viren, bei denen aus der weiterhin vitalen Wirtszelle Nachkommen-Viruspartikel ausgeschleust werden. Während die Folgen einer zytozidalen Infektion für den Organismus entsprechend dem "Alles-odernichts-Prinzip" wesentlich von Art und Anzahl der direkt zerstörten Zellen abhängen, kommt es bei nichtzytozidalen Virusinfektionen eher zu Störungen der Wirtszellregulation (z. B. Embryopathie oder Onkogenese) oder auch sekundär zur Immunpathogenese. Viele Viren sind in der Lage, durch gezielte Modulation der Wirtszell-Genexpression Abwehrmechanismen der Zelle und des Organismus (Immunsystem, Apoptose) zu unterlaufen (sog. Immunevasion). 13 .14 und › Abb. 13.13). Die Größe der einzelnen Gruppen ist je nach Erreger, prophylaktischen Maßnahmen (z. B. Impfungen) und Therapiemöglichkeiten sehr verschieden. Vereinzelt können persistierend mit Hepatitis-B-Virus infizierte Patienten noch nach Jahren die Infektion beenden (serokonvertieren) und so aus der Gruppe der persistierend Infizierten in die Gruppe der Immunen wechseln. Aus der Gesamtpopulation (gelb) treten Individuen nach Infektion in die Gruppe der akut Infizierten (rosa). Der weitere Verlauf hängt davon ab, ob Viren Persistenzmechanismen entwickelt haben, und von der Fähigkeit des Wirts, eine protektive Immunantwort zu bilden. Die Manifestationsrate bestimmt den Anteil der Erkrankten und die Letalität den der Verstorbenen. Bei Verlust der spezifischen Immunität aufgrund einer Immunsuppression können zuvor Immune in die erneut infizierbare Gesamtpopulation oder selten sogar bei einigen Viren (z. B. Hepatitis-B-Virus) in die Gruppe der persistent Infizierten zurückkehren. Viele Infektionen verlaufen beim Immungesunden subklinisch. Primärinfektionen und Rekrudeszenzen können aber auch vielfältige Erkrankungen hervorrufen. Patienten mit Immundefekten sind durch diese Viren besonders bedroht. Erstaunlicherweise sind die Krankheitsbilder bei Primärinfektion und Reaktivierung nicht nur abhängig vom Ausmaß, sondern auch von der Art der Immunsuppression. Als Beispiel sei die CMV-Infektion genannt, die beim Immunkompetenten meist asymptomatisch verläuft. Bei HIV-infizierten Patienten tritt CMV dagegen in erster Linie als Retinitis und Gastroenteritis, beim knochenmarktransplantierten Patienten als interstitielle Pneumonie und beim Nierentransplantierten als Nephritis mit Gefahr der Abstoßung auf. Herpesvirusinfektionen sind mit Ausnahme von Epstein-Barr-Virus (EBV) und HHV-6 bis HHV-8 der Therapie durch verschiedene verfügbare antivirale Substanzen gut zugänglich. Das Herpes-B-Virus des Rhesusaffen ist auch hochpathogen für den Menschen (Enzephalitis). Herpes-simplex-Virus Typ 1 und 2 (HSV-1, HSV-2) Beschreibung und Einteilung Es handelt sich eigentlich eher um Varianten eines Serotyps, da serologisch erhebliche Kreuzreaktionen bestehen. Virusisolate sind relativ leicht typisierbar und inzwischen kann man auch zwischen HSV-1-und HSV-2-Antikörpern unterscheiden. Epidemiologie Die Primärinfektion mit HSV-1 findet mit 2 Gipfeln in der frühen Kindheit und im jungen Erwachsenenalter meist oral statt. Die Durchseuchung Erwachsener mit HSV liegt weltweit je nach sozioökonomischer Situation bei 40-95%. Die Primärinfektion (erster Kontakt eines Organismus mit HSV) kann auch durch Sexualkontakt, dann meist mit HSV-2, erfolgen. Bei bestehender oraler HSV-1-Infektion mit Latenz in kranialen Ganglien ist die erste Infektion im Genitale mit HSV-2 keine Primärinfektion, sondern eine klinisch milder verlaufende exogene Zweitinfektion (initiale Infektion). Die Prävalenz von HSV-2-Antikörpern ist bei Erwachsenen in verschiedenen Kollektiven sehr unterschiedlich, aber stets geringer als bei HSV-1. Die Virusvermehrung auf der Schleimhaut (Infektiosität) beginnt vor dem Auftreten der Symptome, und die Virusausscheidung erfolgt durchschnittlich 7-10 Tage lang (max. bis 23 Tage). Im Gegensatz zur HSV-1-Primärinfektion kommt es bei HSV-2 offenbar auch zur Virämie. Ätiologie und Pathogenese Während der Virusvermehrung auf der Schleimhaut werden bereits frühzeitig auch Nervenendigungen infiziert. Über axonalen Transport ( Der chronische, lokal destruierende mukokutane Herpes simplex ist eine AIDS-Manifestation; es entstehen z. B. größere perianale Ulzera, die in der Differentialdiagnose der klassischen venerischen Infektionen durch ihre Schmerzhaftigkeit von der Lues abzugrenzen sind und einen belegten, weichen Ulkusgrund aufweisen. Die weitaus häufigste HSV-Erkrankung ist der rekurrierende orale oder genitale Herpes. Beide haben beim Immungesunden eine gute Prognose, können aber zu erheblichen psychischen Belastungen, bis hin zum Suizid, führen. Orale und genitale Primärinfektionen können zu schweren Erkrankungen führen, die frühzeitig und intensiv systemisch behandelt werden sollten. Die rekurrierende ulzerative Herpeskeratitis führt häufig zum Visusverlust -ggf. mit der Notwendigkeit einer Hornhauttransplantation. Enzephalitis, konnatale Infektion und Infektionen Immunsupprimierter können sehr rasch zu lebensbedrohlichen Erkrankungen führen und müssen daher schnellstmöglich intensiv behandelt werden. Die virologische Diagnose kann sehr schnell gestellt werden, wenn das geeignete Material mit geeigneten Methoden untersucht wird. In der akuten Phase der Mononukleose können 5-20% der zirkulierenden B-Zellen EBV-infiziert sein (polyklonale Transformation). Es treten teils heterophile Autoantikörper auf, was diagnostisch genutzt wird (Paul-Bunnell-Test). Im Regelfall werden die EBV-infizierten B-Zellen durch das intakte Immunsystem (T-Zellen) eliminiert, dies gelingt aber nicht vollständig, sondern es verbleiben einige latent infizierte B-Zellen mit der Möglichkeit der Reaktivierung im späteren Leben (s. u.). Eine Assoziation des Burkitt-Lymphoms mit EBV ist aufgrund molekularbiologischer und seroepidemiologischer Daten gesichert. Ebenso eindeutig ist der Zusammenhang zwischen EBV und dem Nasopharynxkarzinom (NPC), das endemisch in einigen Gegenden Afrikas und v. a. in Südchina vorkommt. Mit zunehmendem Alter wird das Bild der infektiösen Mononukleose (IM) häufiger beobachtet: Sie geht einher mit Fieber, Pharyngitis und Tonsillitis mit gräulichen Belägen, generalisierter oder zervikookzipital betonter Lymphadenopathie, Exanthem (selten Enanthem), Hepatitis und Splenomegalie. Das Fieber dauert ca. 7-10 Tage an und fällt wieder ab. Es besteht eine kutane Anergie wie beim Morbus Boeck, bei fortgeschrittener HIV-Infektion und anderen schweren Krankheitsbildern (disseminierte Tuberkulose). Eine Restsymptomatik (subfebrile Temperaturen, Müdigkeit) kann monatelang anhalten. Eine produktive EBV-Infektion ist häufig als orale Haarleukoplakie am seitlichen Zungenrand bei AIDS und anderen schweren Immundefekten nachweisbar. Chronisch aktive EBV-Infektionen mit lang anhaltenden, rezidivierenden Organsymptomen wurden mit familiärer Häufung beschrieben. Es ist bislang unklar, ob in diesen Fällen ein genetischer Defekt oder eine besondere Virusvariante verantwortlich ist. Erkrankungen der Blutzellen und Immunorgane Eine massive B-Zell-Proliferation mit nachfolgender Kontrolle durch induzierte spezifische T-Zellen gehört zum Krankheitsbild der IM. Beim "Duncan-Syndrom" sind die Patienten aufgrund eines genetischen Defektes nicht in der Lage, diese Proliferation zu kontrollieren. Die latente EBV-Infektion wird durch nicht produktiv infizierte B-Lymphozyten aufrechterhalten, die durch den Nachweis von EBNA-2 (EBV-nukleäres Antigen) charakterisiert sind. Proteine, die von latent infizierten Zellen gebildet werden können, sind für die Rolle des EBV in der Entstehung von Tumoren verantwortlich. Sehr gefürchtet ist das Lymphozyten-Proliferationssyndrom bei Immunsupprimierten nach Transplantation. EBV ist in B-Zell-Lymphomen bei HIV-Infektion, nach Organtransplantation und beim Morbus Hodgkin nachzuweisen. Vor allem in Asien kommt es gelegentlich zu einer EBV-induzierten überschießenden T-Zell-Aktivierung, die letztlich zum hämophagozytotischen Syndrom führt. Weitere Organbeteiligungen Eine Beteiligung von EBV an Erkrankungen, die von Infektionen des Lungenepithels im Rahmen einer chronisch aktiven EBV-Infektion ausgehen, bis hin zur Beteiligung an der idiopathischen Lungenfibrose ist vielfach diskutiert worden. Myokarditiden können bei IM auftreten und die bestimmenden Beschwerden während der Rekonvaleszenz sein. Die Pro gnose ist insgesamt gut. Die benigne Hepatitis mit mäßig erhöhten Transaminasen ist typisch bei der primären EBV-Infektion. Vielfach werden chronische EBV-Reaktivierungen als Ursache von anhaltenden gastrointestinalen Beschwerden und gelegentlich auch Hepatopathien angenommen. Inwieweit ein kausaler Zusammenhang besteht, ist aber meist unklar und auch schwer zu klären, da EBV-Reaktivierungen auch bei anderen Grunderkrankungen vorkommen. Besondere klinische Bedeutung hat CMV für alle Immuninkompetenten (untergewichtige Frühgeborene, Transplantatempfänger, Tumorpatienten, AIDS-Patienten). Es existieren Befunde, wonach CMV evtl. auch bei Immungesunden in Zellen der Gefäßwände durch Modulation der zellulären Genexpression Veränderungen hervorruft, die zur Entstehung der Atherosklerose und zur Entwicklung der Restenose beitragen. Bei Immundefizienten und Immunsupprimierten hängt die Schwere der Erkrankung vom Ausmaß der Beeinträchtigung des Immunsystems ab. Mit zunehmender Dysfunktion der T-Zellen nehmen CMV-Reaktivierungen und persistierende aktive CMV-Infektionen zu. Diese kündigen sich noch vor der klinischen Manifestation einer CMV-Erkrankung durch lang anhaltende intermittierende oder kontinuierliche CMV-Ausscheidung meist im Urin an. Asymptomatische Infektionen Die Primärinfektion verläuft bei immungesunden älteren Kindern und Erwachsenen in ca. 90% asymptomatisch. Symptomatische Infektionen sind klinisch von einer infektiösen Mononukleose nicht zu unterscheiden. Endogene Reaktivierungen mit Virusausscheidung, die von Zeit zu Zeit in Abhängigkeit von der aktuellen Immunkontrolle der Infektion durch den Organismus ablaufen, werden im Allgemeinen nicht bemerkt. Die Infektion verläuft bei reifen Neugeborenen auch asymptomatisch, ist aber von einer u.U. langen CMV-Ausscheidung begleitet. HNO-Erkrankungen Ca. 8% aller klinisch diagnostizierten Mononukleosen sind CMV-bedingt. Die klinischen Zeichen treten nach einer Inkubationszeit von 20-60 Tagen auf. Der Verlauf ist gutartig; neben Fieber, Lymphadenopathie, Pharyngitis bzw. Tonsillitis, Hepatitis, Splenomegalie und Exanthem treten selten Blutbildveränderungen (Leukopenie, relative Lymphozytose mit lymphomonozytären Reizformen, Thrombopenie) und gelegentlich eine Parotitis (DD Mumps) auf. CMV bei Immunsuppression und AIDS Bei AIDS-Patienten war die Infektion vor der intensiven antiretroviralen Therapie (HAART) am häufigsten mit einer CMV-Retinitis (› Abb. 13.21) assoziiert, gefolgt von gastrointestinalen Erkrankungen und Enzephalitis. Die aktiven CMV-Infektionen bei 25-90% der AIDS-Patienten sind meist Folge einer CMV-Reaktivierung. Die in anderen klinischen Situationen bedeutsame diagnostische Unterscheidung zwischen Primärinfektion und Reaktivierung spielt daher bei AIDS-Patienten keine Rolle. CMV-Enzephalitiden wurden v. a. bei AIDS-Patienten vor Einführung von HAART häufiger beobachtet. Auch die interstitielle Pneumonie ist eine der typischen CMV-Erkrankungen, die meist bei erheblich immunsupprimierten Transplantatempfängern auftritt. CMV-bedingte Hepatitis ist häufig bei konnataler Infektion, aber auch möglich bei Virusreaktivierungen bei Immunsupprimierten. Gastrointestinale Infektionen mit typischen, teils blutenden Schleimhautulzera waren vor Einführung der intensiven antiretroviralen Therapie eine häufige Erkrankung bei AIDS-Patienten und werden gelegentlich bei anderen Risikopatienten gefunden. Ulzerationen können in allen Abschnitten des Gastrointestinaltraktes auftreten, vom Ösophagus bis zum Enddarm (› Abb. 13.22). CMV spielt eine wesentliche Rolle bei Nierentransplantierten. Neben lang anhaltenden asymptomatischen Virusausscheidungen mit dem Urin kommt es zu Nephritiden und Transplantatabstoßungen. Eine primäre und sekundäre Thrombozytopenie, aber auch Trizytopenie ist typisches Symptom bei konnataler Infektion und häufig erstes Symptom einer CMV-Reaktivierung bei knochenmarktransplantierten Patienten. Intrauterine und perinatale Infektionen Das Krankheitsbild der konnatalen Zytomegalie umfasst die in › Tabelle 13.25 angegebenen Symptome. Hinzu kommen können weitere Symptome, so auch Zahnbildungsschäden. CMV ist heute Hauptursache einer intrauterinen Infektion des Fetus (0,2-2,2%). Etwa 5% der intrauterin infizierten Kinder zeigen das typische Bild einer konnatalen Zytomegalie (CID mit Einschluss des ZNS: Letalität bis 20% und häufig bleibende Schäden). Die Prognose dieser Kinder ist schlecht (Gesamtletalität 11%). Spätschäden (neurologische Defizite, Hörverlust) sind zu erwarten. Weitere 5% der intrauterin Infizierten haben geringfügige Symptome bei der Geburt, die Prognose ist sehr viel besser, in 10% ist auch hier mit Spätschäden zu rechnen (› Tab. 13.25). Fetale Infektionen nach reaktivierter Infektion bei der Mutter führen sehr selten zu klinischen Manifestationen, und wenn, dann mit deutlich schwächer ausgeprägter Symptomatik als bei Primärinfektionen und ohne Spätfolgen. Bei untergewichtigen Frühgeborenen besteht auch nach postnataler Infektion (z. B. durch Muttermilch) ein hohes Risiko, an einer schweren systemischen CMV-Infektion zu erkranken. Diagnostik Bei Verdacht auf eine CMV-Pneumonie ist die röntgenologische Untersuchung wichtig. Für die Diagnose einer aktiven CMV-Infektion, aber auch für die Bestimmung der Prognose und für Therapieindikation und -kontrolle stehen heute quantitative Nachweismethoden für virale Antigene und DNA zur Verfügung. • Virusnachweis: Die CMV-Isolierung aus Urin, Bronchiallavage, Speichel u.Ä. ist in humanen Fibroblasten möglich, sie braucht im Gegensatz zu HSV aber viel länger. Hier kann der Nachweis von Early-Virus-Antigen -bereits vor dem Erscheinen des zytopathischen Effekts in der infizierten Zellkultur -die Diagnostik beschleunigen (shell vial culture). Eine typische histopathologische Veränderung sind die Eulenaugenzellen, deren Nachweis zwar sehr spezifisch, aber wenig sensitiv ist (› Abb. 13.23). • Nachweis viraler Antigene: Der quantitative Nachweis von CMV-pp65-Antigen in polymorphkernigen Leukozyten eignet sich zur Früherkennung einer systemischen CMV-Reaktivierung. Das pp65-Antigen (s. o.) ist v. a. bei systemischen Infektionen Immunsupprimierter während der Phase der Antigenämie überwiegend in polymorphkernigen Leukozyten (PMNL) und zirkulierenden Endothelzellen zu finden und damit von großer diagnostischer Bedeutung. • Das Verfahren zur Isolierung von HHV-6 entspricht dem Vorgehen beim Versuch der Retrovirusisolierung. HHV-7 wurde erstmals 1990 beim Gesunden isoliert. Mittlerweile ist gesichert, dass in allen untersuchten Populationen Erwachsene zu 40-100% mit HHV-6 und HHV-7 infiziert sind, dass beide Viren auch aus Gesunden isoliert werden können und die Durchseuchung in früher Kindheit beginnt. Offenbar erfolgt die HHV-7-Serokonversion später. Die Übertragung geschieht sehr effektiv über den Speichel: 50-100% aller HHV-6-Infizierten scheiden hierüber das Virus aus. Im Übrigen dienen auch hier die Lymphozyten als Virusreservoir. Die Geschichte von HHV-6 zeigt einmal mehr, wie vorsichtig man bei der ätiologischen Verknüpfung des Nachweises eines ubiquitären Virus mit spezifischen Symptomen oder Syndromen sein muss. Ätiologie und Pathogenese Ätiologisch sind HHV-6B und HHV-7 bei Kindern verantwortlich für das Exanthema subitum (Dreitagefieber). Ferner gibt es Beschreibungen von schwereren Krankheitsfällen. Denkbar ist, dass, wie bei den anderen Herpesviren, bestimmte immunologische Voraussetzungen zu besonderer Pathogenität führen. Die klinische Bedeutung von HHV-6A ist noch unklar. Bei immunkompetenten Kindern ist das Dreitagefieber oder Exanthema subitum (ES) eine der klassischen "Kinderkrankheiten": Nach dreitägiger Fieberphase kommt es gleichzeitig mit der Entfieberung zum stammbetonten kleinfleckigen Exanthem. Das ES ist häufiger begleitet von Übelkeit, Erbrechen und auch Durchfall. Bei Erwachsenen kann es zum mononukleoseähnlichen Krankheitsbild mit langer Rekonvaleszenz kommen. Bei Immunsupprimierten kommen neurologische, pulmonale und hämatologische Komplikationen vor. Diagnostik Im Labor ist eine Leukopenie mit relativer Lymphozytose zu erkennen, eine Thrombopenie kann ebenfalls vorliegen. • Nachweis viraler Genome: HHV-6-DNA kann während der akuten Infektion durch PCR leicht aus Lymphozyten und Speichel nachgewiesen werden: Nach Überstehen der Primärinfektion geht die Zahl der latent infizierten Lymphozyten erheblich zurück, so dass die PCR im peripheren Blut nur noch in 10% aller Fälle ein positives Ergebnis zeigt. Durch quantitative PCR lässt sich ein Reaktivierungsereignis diagnostizieren. • Antikörpernachweis: Die Serodiagnostik ist in ihrer Aussage durch die hohe Durchseuchung von ca. 80% im 2. Lebensjahr eingeschränkt. Für die frische Infektion kommen daher die IgG-Serokonversion und der IgM-Nachweis in Frage -jedoch sind viele IgM-Nachweisverfahren qualitativ nicht zufrieden stellend. • Virusisolierung: Aus Speichel und Lymphozyten kann HHV-6 durch Kokultivierung mit stimulierten Nabelschnurlymphozyten isoliert werden: Die Anzucht ist auf wändig, gelingt aber auch bei gesunden Virusträgern -und hier eher aus Speichel als aus peripherem Blut. Therapie Obwohl die Wirksamkeit verschiedener Nukleosidanaloga in vitro gezeigt werden konnte, gibt es keine guten Daten zur klinischen Wirksamkeit. Symptomatische Therapie. Therapieversuche mit Foscarnet oder Nukleosidanaloga sind bei schweren Erkrankungen immunsupprimierter Patienten u.U. angezeigt. Durch die Entdeckung von HHV-6 und HHV-7 wurde endlich das alte Rätsel des Dreitagefiebers gelöst, von dem man schon seit langem annahm, dass es sich um eine Infektionserkrankung handeln könnte. Beim immungesunden Erwachsenen kommt es gelegentlich zu schwereren, lang dauernden, mononukleoseähnlichen Erkrankungen. Einzelne fulminante Hepatitiden wurden beobachtet. HHV-6 kann zu verschiedenen Komplikationen bei immunsupprimierten Patienten (Pneumonie, Enzephalitis) führen. Beschreibung und Einteilung Humanes Herpesvirus Typ 8 (HHV-8) wurde zunächst über PCR als herpesvirusspezifische genetische Information in einem AIDS-assoziierten Kaposi-Sarkom (KS) entdeckt. Es ließ sich dann als freies Virus aus HHV-8-assoziierten B-Zell-Lymphomen isolieren und als Gamma-Herpesvirus charakterisieren. Epidemiologie Antikörper gegen HHV-8 sind im ELISA bei fast allen Kaposi-Sarkom-Trägern, bei 30% der HIV-positiven Homosexuellen und zum geringen Prozentsatz bei Blutspendern nachweisbar. Damit ist HHV-8 offensichtlich nicht so verbreitet wie andere Herpesviren. Die Antikörperprävalenz macht es wahrscheinlich, dass HHV-8 überwiegend durch Sexualkontakte übertragen wird. Pathogenese Gamma-Herpesviren wirken potenziell transformierend. HHV-8-Genom wird mit der PCR inzwischen auch in Kaposi-Sarkomen von therapeutisch immunsupprimierten Transplantationspatienten, in spontanen Kaposi-Sarkomen und den relativ seltenen HHV-8-assoziierten Body-Cavity-Lymphomen nachgewiesen. Kaposi-Sarkome bestehen typischerweise aus einem Gemisch proliferierender Spindel-und Endothelzellendie zur Entstehung führenden Mechanismen sind noch ungeklärt. Enterovirusinfektionen kommen bei uns ganz überwiegend im Sommer und Herbst vor ("Sommergrippe"). Die Aus-scheidung der Enteroviren beginnt 2-3 Tage nach Infektion. Sie kann einige Tage lang oral erfolgen und für mehrere Wochen fäkal. Bei der Übertragung handelt es sich generell um eine enterale "Schmutz-Schmierinfektion", wobei in den Ländern mit hohem Hygienestandard die Übertragung durch Rachensekrete bedeutsamer ist. Sehr selten werden bei schweren Immundefekten (z. B. bei Agammaglobulinämie) Dauerausscheider beobachtet. Die paralytische Poliomyelitis konnte während der letzten 30 Jahre in den westlichen Industrieländern durch Impfung im Rahmen des WHO-Eradikationsprogramms drastisch vermindert werden (Europa 1951-1955: ca. 50 000 Fälle jährlich, Deutschland ist seit 1990 frei von Infektionen, s. u.). Die Seroprävalenz der Hepatitis-A-Antikörper hat in Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg ebenfalls stark abgenommen (Kriegsgeneration bis zu 80% seropositiv, Studenten heute < 5%); die Bedeutung der Hepatitis A als Reiseerkrankung (Entwicklungsländer) nimmt demzufolge zu. Das Hepatitis-A-Virus wird im Gegensatz zu anderen Picornaviren, die auch oral ausgeschieden werden, nur fäkal und v. a. in der späten Inkubationsphase ausgeschieden. Pathogenese Picornaviridae führen zu unterschiedlich stark ausgeprägter zytozidaler Virusvermehrung, also in der Regel zu nicht persistierenden Infektionen. Die Partikelproduktion erfolgt zunächst in Epithelzellen des Nasen-Rachen-Raums bzw. Magen-Darm-Trakts und in den regionalen Lymphknoten und findet erst danach bei einigen Picornaviren in typi- Poliovirusinfektionen (je nach endemischer oder epidemischer Situation 1-5%) unterscheidet man 3 Verlaufsformen: • Bei der abortiven Poliomyelitis kommt es nach der Inkubationszeit nur zu einer 2-5 Tage anhaltenden "Grippesymptomatik" (minor illness), wie sie viele Enterovirustypen hervorrufen können. Nach einer 2-bis 3-tägigen Besserung kann es dann zu plötzlicher Verschlechterung kommen (Hauptkrankheit). • Die meningitische Poliomyelitis verläuft unter dem Bild der prognostisch günstigen aseptischen Meningitis, die ebenso durch viele andere Enteroviren verursacht werden kann (sehr selten ist die perakute, letal verlaufende Enzephalitis). Zweiterkrankungen durch Rhinoviren sind möglich, verlaufen aber milder. Obwohl Rhinovirusinfektionen bekanntlich gutartig verlaufen, besitzen sie angesichts der Erkrankungshäufigkeit erhebliche ökonomische Bedeutung (113 bekannte Serotypen und Möglichkeit der Reinfektion!). Jeder Mensch macht viele Picornavirusinfektionen durch, meist subklinisch oder als milde Erkrankung. Schwere Krankheitsbilder kommen -auch altersabhängig -vor. Picornaviren verursachen einige charakteristische Erkrankungen und viele uncharakteristische Symptome und Syndrome. Enteroviren und Hepatitis-A-Virus hinterlassen eine belastbare typenspezifische Immunität. Bei Rhinoviren sind symptomatische Reinfektionen bekannt. Picornaviren können bei Kardiomyopathien und dem juvenilen Diabetes mellitus ätiologisch beteiligt sein. Viele Picornaviren sind leicht isolierbar. Die Serologie ist wenig aussagekräftig. Einige der vielen tierpathogenen Picornaviren können den Menschen infizieren. Beschreibung und Einteilung Adenoviren sind nackte und sehr umweltresistente ikosaedrische Partikel von 70-100 nm Durchmesser (› Abb. 13.25). Sie enthalten doppelsträngige lineare DNA. Im Genus der Mastadenoviren gibt es 6 Subgenera A-F mit den zunächst serologisch definierten humanpathogenen Virustypen 1-51 (HAdV 1, … 51). Später wurde auch eine genotypische Abgrenzung nach Homologie der Nukleotidsequenz festgelegt. Diagnostik Je nach Manifestation (Auge, Gastrointestinaltrakt) müssen andere mikrobiologische Erreger abgegrenzt werden. Die Diagnose stützt sich auf Virusisolierung und kaum auf die Serologie. • Virusnachweis: Die meisten Adenoviren sind aus Rachenspülwasser, Augenabstrich, Stuhl, Urin, Liquor und anderen Proben leicht in Zellkulturen zu isolieren. Die schwer anzüchtbaren HAdV 40 und 41 werden elektronenmikroskopisch oder im Antigen-ELISA nachgewiesen, der auch schon eine Subgenusdiagnose ermöglicht. • Nachweis viraler Genome: Die PCR ermöglicht den Nachweis der Virus-DNA direkt aus klinischen Materialien und sogar eine genotypspezifische Diagnose. • Antikörpernachweis: Die Serologie (Komplementbindungsreaktion, KBR) gestattet die Diagnose einer frischen Infektion bei Nachweis eines Antikörperanstiegs, bei gastrointestinalen Infektionen kommt es aber nicht immer zu diesem Antikörperanstieg. Differentialdiagnose Picornaviren, aber auch andere respiratorische und gastrointestinale Viren. Wichtig ist die frühzeitige Abgrenzung zur Streptokokkentonsillitis. Bei schweren Adenoviruserkrankungen, v. a. auch bei Immunsupprimierten, ist ein Therapieversuch mit Cidofovir oder Ribavirin möglich und indiziert. Ribavirin scheint vorwiegend wirksam gegen Viren des Subgenus C. Komplikationen Bei angeborenen oder erworbenen Immundefekten können Adenoviren auch sehr schwere disseminierte Infektionen induzieren, die Lunge, Gastrointestinaltrakt, Leber und ZNS betreffen und fatal verlaufen. Adeno-und Rotaviren können vereinzelt auch nach Ende einer akuten Infektion ausgeschieden und bei Gesunden nachgewiesen werden, teils gemeinsam mit Enteroviren. Adenovirusausbrüche auf Neugeborenenstationen können sehr schwer, mit hoher Letalität verlaufen. • Röteln • ECHO-Virus-9-Infektion Therapie und Prophylaxe Die Therapie mit Ribavirin wurde vereinzelt beschrieben und kann bei Immundefekten sinnvoll sein. Impfung Die Masern-Lebendimpfung, gemäß Impfkalender als Mumps-Masern-Röteln-Tripelvakzine (MMR) im 12. bis 15. Lebensmonat und mit Wiederholung im 6. Lebensjahr, hat die Zahl der Masernfälle in Deutschland im Jahr 1996 auf 520 zurückgehen lassen. Der Grad der Durchimpfung reicht mit 60% aber nicht aus, um die Mensch-zu-Mensch-Übertragung ganz erlöschen zu lassen. Das Ziel der WHO, in Europa bis zum Jahr 2000 die Masern auf weniger als 1 Erkrankung/100 000 Einwohner zu senken und den Tod an Masern auszurotten, erfordert Immunitätsraten von > 95%, die mit einer einmaligen MMR-Impfung nicht erreicht werden können. Kürzlich ist es auch in Deutschland wieder zu größeren Masernausbrüchen gekommen. Bei Masernexposition ungeschützter Personen ist ferner die passive Immunisierung mit Standard-Serum-Immunglobulin hilfreich (› Kap. 13.10). Angesichts der Pathogenese ist es verständlich, dass die moderne Masern-Lebendimpfung auch vor der SSPE schützt. Häufigkeit Masernpneumonie (als direkte Folge der Maserninfektion oder als Folge einer bakteriellen Superinfektion des geschädigten Flimmerepithels) Die Disseminierung während der Inkubation führt bei 50% zur klinisch und labormäßig fassbaren, aber prognostisch günstigen aseptischen Meningitis, selten auch zur zerebellaren Ataxie. Eine Enzephalitis ist selten und geht mit psychiatrischen und neurologischen Spätschäden einher (Verhaltensstörungen, Krampfleiden, Taubheit, Retrobulbärneuritis, Hydrozephalus). Diagnostik Der typische Verlauf erleichtert die Diagnose. • Antikörpernachweis: Serologisch lässt sich der Antikörperanstieg mit Hilfe der KBR nachweisen. Die "KBR-Antikörper" fallen allerdings 6-12 Monate nach Erkrankung unter die Nachweisgrenze und sind daher zur Immunitätsbestimmung ungeeignet. Die Frage der Immunität wird durch Nachweis virushüllenspezifischer Antikörper im Mumps-IgG-ELISA beantwortet. Bei Diagnose einer frischen Infektion ist die Untersuchung auf Mumps-IgM-Antikörper im ELISA die Methode der Wahl. • Nachweis viraler Genome: RT-PCR weist quantitativ HCV-RNA nach und damit die aktive Infektion. HCV-spezifische Antikörper beweisen eine akute oder chronische, evtl. auch ausgeheilte Infektion. Der Nachweis von HCV-Genomen zeigt eine frische Infektion, aber auch chronische Carrier-Zustände mit Virusreplikation an; bei ausgeheilten HCV-Infektionen wird die PCR negativ. Die akute HCV-Erkrankung ist meldepflichtig. Therapie und Prophylaxe Therapie der chronischen HCV-Infektion durch Kombination von pegylierten alpha-Interferonen mit Nukleosidanaloga (› Kap. 15.7.4) . Durch Untersuchung von Blut-und Organspendern, ggf. auch von Angehörigen von Hochrisikogruppen auf HCV-Antikörper kann die Verbreitung des Virus eingeschränkt werden. Die symptomatische Therapie (Analgetika bei Arthralgien) ist möglich. Impfungen sind nur gegen Gelbfieber, FSME und die Japanische Enzephalitis verfügbar. Ein Impfstoff gegen Dengue-Virus müsste alle 4 Serotypen erfassen, da Teilimmunität gegen nur 1 Typ negative Auswirkungen (Immunenhancement) bei Wildvirusinfektion mit einem weiteren Serotyp haben kann. Komplikationen Bei Dengue-Fieber kommt es v. a. bei sequentieller Infektion durch verschiedene Serotypen zu schweren Krankheitsverläufen. Die Affenpocken verlaufen beim Menschen ähnlich, meist mit viel ausgeprägterer Lymphadenopathie. Beim Ausbruch 1996/1997 in Kongo/Zaire waren von 511 Erkrankungen ca. 80% durch sekundäre Mensch-zu-Mensch-Infektionen verursacht. Das Virus kann sich offenbar für begrenzte Zeit in der fremden Spezies Mensch ausbreiten. Andererseits war die Rate an Todesfällen unter den Infizierten mit 1,5% viel niedriger als die noch in den 80er Jahren beobachtete Rate von 10%, so dass die WHO zurzeit eine Wiederaufnahme der auch vor Affenpocken schützenden Vakzinierung ablehnt. Haut-und Schleimhauterkrankungen Das Molluscum contagiosum (Dellwarze) ist eine harmlose, auf den Menschen beschränkte Infektion der Epidermis, die höchstens kosmetisch bedeutsam ist. Nach einer Inkubationszeit (1-30 Wochen) wachsen meist multiple, wachsfarbene Papeln von 3-8 mm Durchmesser heran, die bindegewebig gut abgegrenzt sind und nach 2-12 Monaten spontan zurückgehen. Die voll ausgebildeten Knötchen haben zentral eine Pore, aus der sämiges, weißliches Material ausgepresst werden kann. Dieses enthält die elektronenoptisch nachweisbaren Viren. Sehr häufig erkranken Kinder und Immunsupprimierte (AIDS). Die Übertragung, auch Autoinokulation, erfolgt durch direkten Kontakt oder durch gemeinsame Handtuchnutzung. Bei Kindern findet man die Veränderungen meist im Gesicht und an den Extremitäten, bei Erwachsenen angesichts der sexuellen Übertragung am Genitale und dessen Umgebung. Dellwarzen mit längerer Persistenz werden mittlerweile häufig bei AIDS-Patienten beobachtet. Melkerknotenvirus (Kuh) und Orf-Virus (Schaf) sind primär tierische Poxviren, mit denen sich andere Tierspezies undmeist bei beruflicher Exposition -auch Menschen infizieren können. Kuhpocken-und Melkerknotenvirus (beide sind nicht antigenverwandt) werden von Tieren durch direkten Kontakt auf den Menschen übertragen. Betroffen sind meist die Hände, wobei das Kuhpockenvirus vesikuläre Veränderungen, das Melkerknotenvirus derbe, oft geschwürig zerfallende Knoten verursacht. Allgemeinsymptome und Lymphangitis sind bei den Kuhpocken häufiger. Diagnostik Bei klinischem Verdacht kann der Erreger leicht elektronenmikroskopisch als Quadervirus aus der Vesikelflüssigkeit dargestellt werden. Vaccinia-, Affen-und Kuhpockenvirus lassen sich gut auf der Chorioallantoismembran anzüchten und differenzieren. Der Nachweis von Dellwarzen bei Erwachsenen ist ungewöhnlich und weist auf eine Störung der Immunabwehr hin; ggf. sollte eine HIV-Infektion ausgeschlossen werden. Therapie und Prophylaxe Keine spezifische antivirale Therapie bekannt. Die Pockenimpfung gegen Variola major ist nach Ausrottung der humanen Pocken weltweit ausgesetzt worden. Die Pocken waren eine der großen Menschheitsseuchen und stellen die 1. Infektionskrankheit dar, die durch den Menschen weltweit ausgerottet wurde. Beschreibung und Einteilung Die ehemalige Familie der Papovaviridae (› Abb. 13.39) wurde in 2 selbstständige Virusfamilien aufgeteilt, die Papillomaviridae (Durchmesser 55 nm, Genom 8 kb) und Polyomaviridae (Durchmesser 45 nm, Genom 5 kb). Es handelt sich bei beiden um nackte, ikosaedrische Partikel mit doppelsträngiger zirkulärer, superhelikaler DNA. Einige tierische Papillomaviren induzieren Tumoren, v. a. wenn sie in Spezies inokuliert werden, die nicht natürliche Wirte sind. Epidemiologie Die Vermehrung der Papillomaviren in konventionellen Zellkulturen ist nicht möglich und eine typenspezifische Serologie war nicht möglich. Lange war dagegen bekannt, dass sie übertragbare Warzen des Menschen verursachen (› Abb. 13.40). Erst die molekulare Genetik ermöglicht pathogenetische Untersuchungen und molekulare Epidemiologie. Die Papillomavirustypen sind so als Genotypen definiert (< 50% Sequenzhomologie = neuer Typ). Bisher unterscheidet man > 100 HPV-Genotypen, die vielfach den Krankheitsbildern zugeordnet werden können. Polyomaviren sind in Form einer latenten Infektion bei den meisten Menschen vorhanden. Pathogenese Humane Papillomaviren (HPV) verursachen persistierende Infektionen. Die ätiologische Beteiligung bestimmter HPV-Typen an der Entstehung anogenitaler Malignome ist gesichert. Die primäre Infektion mit den Polyomaviren BKV und JCV bleibt meist unerkannt. Sie verläuft häufig als milder respiratorischer Infekt und führt bei BKV zur Latenz in der Niere, während das eher neurotrope JCV im ZNS -weniger ausgeprägt auch in der Niere -latent wird. Symptome, Verlauf und Prognose Asymptomatische Primärinfektionen mit Polyomaviren sind die Regel und mit Papillomaviren sehr häufig. Haut-und Schleimhauterkrankungen Warzen entstehen nach relativ langer Inkubationszeit durch produktive Virusinfektion mit HPV in den Epithelzellen, wobei die Virusvermehrung an Differenzierung und Keratinisierung der Zellen gebunden ist. Die normalen Hautwarzen sind eine selbstlimitierende Erkrankung. Die seltene, familiär gehäuft auftretende Epidermodysplasia verruciformis, assoziiert mit HPV 20 und 36, zeigt beetartig verschiedene Warzenformen, die in 30-60% in ein Plattenepithelkarzinom übergehen. HNO-Erkrankungen Die juvenile Larynxpapillomatose (HPV 6, 11) ist eine hartnäckige und gefürchtete Erkrankung, die möglicherweise auf einer Infektion im infizierten Geburtskanal der Mutter beruht. Die durch JCV bedingte progressive multifokale Leukoenzephalopathie (PML) tritt bei schwer Immunsupprimierten (maligne Lymphome, v. a. Morbus Hodgkin, AIDS, Transplantationspatienten) auf und spielt eine Rolle in der Differentialdiagnose der zerebralen Non-Hodgkin-Lymphome und anderer demyelinisierender Erkrankungen (multiple Sklerose, Lupus erythematodes mit ZNS-Befall). Es kommt an mehreren Orten zu Herden, die meist keine Verdrängungserscheinungen verursachen, aber zu großen Entmarkungsherden zusammenfließen können. Die Patienten zeigen zunehmende Wesensveränderungen und kognitive Störungen, die Erkrankung führt 6 Monate nach den ersten neurologischen Ausfällen zum Tode. Weitere Erkrankungen Schwere Immundefekte können zur Virurie und Zystitis durch BKV führen. Papillomavirusinfektionen führen zu spitzen Kondylomen (HPV 6, 11, 42 u. a.) und intraepithelialen Dysplasien der Cervix uteri und der Vagina (HPV 6, 11, 16). Vergleichbare Dysplasien sind auch am Penis möglich. Diagnostik Warzen und Kondylome werden klinisch leicht erkannt. Anders HPV-assoziierte Präkanzerosen, die als Epitheldysplasien charakteristische zytologische Veränderungen im Abstrichpräparat ergeben (› Abb. 13.41). Hier können DNA-und RNA-Hybridisierung hinweisend auf latente oder aktive Infektion durch bestimmte HPV-Typen sein. Eine PML wird zunächst nach Kernspintomographie vermutet und virologisch durch JCV-PCR im Liquor oder sicherer im Biopsat durch PCR oder Elektronenmikroskopie diagnostiziert. BKV-Infektionen sind häufig mit Nierenerkrankungen assoziiert und werden durch PCR leicht und spezifisch im Urin nachgewiesen, so dass eine Partikelisolierung entbehrlich ist. Bei PML kann die niedrig dosierte Chemotherapie mit Cytosinarabinosid zum Rückgang der Symptome führen, aber nur bei relativ intakter zellvermittelter Immunität. Bei Transplantierten mit PML ist daher die therapeutische Immunsuppression zurückzunehmen -die Prognose der PML bleibt insgesamt schlecht. Komplikationen Die kausale Assoziation bestimmter HPV-Genotypen (z. B. HPV 16, 18, insgesamt 40 HPV-Genotypen von der Cervix nachgewiesen) mit weiblichen Genitalkarzinomen hat dazu geführt, dass die HPV-Diagnostik mehr Eingang in die Vorsorgeuntersuchung bei der Frau gefunden hat. Der Nachweis von HPV-Genotypen der Hochrisikogruppe führt zumindest zur engmaschigen Kontrolle oder zum aktiven Vorgehen bei gleichzeitigen zytologischen Veränderungen. Die in der westlichen Hemisphäre bei Pferd, Rind und Schwein vorkommenden Vesiculoviren können als Zoonose beim Menschen zu grippeähnlichen Infekten, Myalgien und auf Schleimhäuten zu herpetiformen Bläschen mit hoher Partikelzahl führen. Pathogenese Das Tollwutvirus bleibt nach Infektion für Stunden bis Wochen im Bereich der Eintrittspforte in der Peripherie; es vermehrt sich wahrscheinlich auch in den Zellen der quergestreiften Muskulatur oder persistiert in Makrophagen. Dabei kommt es nicht zur nennenswerten protektiven Immunantwort. Nach Eindringen in die peripheren Nervenendigungen gelangt es mit dem Axoplasmastrom (ca. 3 mm/h) ins ZNS. Nach Erreichen des Gehirns verursacht es eine Enzephalitis, die histologisch (Negri-Körperchen) nicht sehr ausgeprägt sein muss, und kehrt dann in verschiedene Organe in der Peripherie "zurück" (z. B. Speicheldrüsen) und auch in verschiedene periphere Nervenzellen. Durch die intrazelluläre Entwicklung innerhalb des Nervensystems kommt es erst sehr spät zum effektiven Kontakt mit dem Immunsystem, so dass neutralisierende und diagnostisch verwertbare Antikörper in Serum und Liquor anfangs fehlen können. Die Inkubationszeit ist umso kürzer (Spanne zwischen 7 Tagen und mehreren Jahren; Durchschnitt: 1-2 Monate) und die Erkrankungswahrscheinlichkeit umso höher, je näher die Verletzung am ZNS liegt (Bein: 10%, Gesicht: 80%) und je schwerer sie ist. • 2. Phase: neurologisch-psychiatrische Symptome (verstärkte Speichelsekretion, Reizbarkeit). "Stille Wut" mit aufsteigender Paralyse, "wilde Wut" mit starker Unruhe und charakteristischer Hydrophobie in 17-80% (Muskelspasmen im Mund-, Rachen-und Larynxbereich), anfangs beim Versuch zu trinken, später schon bei der visuellen Wahrnehmung von Wasser oder anderen akustischen und taktilen Reizen. Die wilde Wut verläuft rascher progredient (2-7 Tage) als die stille (bis 30 Tage). • 3. Phase: präfinales Koma (3-7 Tage). Bei intensivmedizinischer Versorgung mit Beatmung kann der Verlauf viel länger sein. Inwieweit unterschiedliche Virusstämme für verschiedene Verläufe verantwortlich sind, ist noch unklar. Es gibt 4 Berichte über überlebte Erkrankungen, wobei alle Patienten vorgeimpft waren, so dass es sich eher um Impfversagen handelte. Die Rate tatsächlich erfolgter, aber asymptomatischer Infektionen ist nicht bekannt. • Virusnachweis: Immunfluoreszenznachweis des Virusantigens im Abdruckpräparat der Kornea. Postmortale Diagnose durch Genomnachweis mittels RT-PCR und histopathologisch am Gehirn (Negri-Körperchen) oder durch Immunhistologie. Die Virusisolierung in Mäusen und Neuroblastomzelllinien aus Speichel ist möglich. • Nachweis des viralen Genoms: über RT-PCR als Standardmethode • Antikörpernachweis: Die serologische Diagnose der Tollwut (IFT, ELISA) ist unzuverlässig. Therapie und Prophylaxe Jede Tollwutexposition bedeutet Lebensgefahr und erfordert beim Ungeimpften eine sofortige postexpositionelle, kombinierte aktive und passive Immunisierung. Nach Ausbruch der Erkrankung gibt es keine spezifische Therapie -die Rabies des Menschen verläuft tödlich. Virostatika zeigten keinen Einfluss, doch sind Zytokine wie IL-12 evtl. interessant. Intensivmedizinische Maßnahmen wegen hypoxischem ZNS-Ödem und gestörter Thermoregulation. Bei beruflicher Gefährdung (u. a. Tierärzte, Förster) ist die aktive Schutzimpfung indiziert. Biss-und Kratzwunden mit evtl. Tollwutexposition müssen chirurgisch gereinigt, gründlich desinfiziert und mit Rabies-Immunglobulin umspritzt werden. Präventiv lebenswichtig ist die schnelle Postexpositionsimpfung (› Kap. 13.10) mit inaktivierten Vakzinen und bald evtl. gentechnologisch erzeugten Impfstoffen. Das Risiko bei HTLV-1-Infektion, einen Tumor zu entwickeln, liegt bei ca. 1% (5-10% bekommen insgesamt Symptome der Infektion). Die Bedeutung von HTLV-2 für Erkrankungen des Menschen ist unklar, obwohl einiges für eine Beteiligung bei Leukämien spricht. Hautmanifestationen im Sinne eines kutanen Lymphoms sind häufig im Rahmen einer adulten T-Zell-Leukose (ATL), an deren Entstehung HTLV-1 oft beteiligt ist. Jedoch ist die Inkubationszeit der ATL mit 20-30 Jahren lang. ATL geht einher mit opportunistischen Infektionen durch Immunsuppression, Lymphadenopathie, Hepatosplenomegalie, Lungeninfiltraten und Osteolysen. Das Zellbild im peripheren Blut kann sehr unterschiedlich sein. Bei einigen verläuft die Erkrankung eher unter dem Bild eines Lymphoms. HTLV-1 ist selten Ursache der tropischen spastischen Paraparese (langsam fortschreitende Myelopathie mit Pyramidenbahnzeichen). Diagnostik Analog zu HIV durch Antikörpernachweis und Nachweis viraler RNA. Antikörper treten evtl. erst spät nach Infektion auf. Die Differenzierung zwischen HTLV-1 und HTLV-2 bedarf manchmal zusätzlicher Tests. Inwieweit und in welchen Ländern Blutspender generell auf HTLV-1 getestet werden sollten, muss immer wieder aufgrund der epidemiologischen Situation geprüft werden. In › Abbildung 13.12 (S. 619) ist der Verlauf einer Infektionskrankheit schematisch auf einer Zeitskala durch die Begriffe Infektion und Beginn der Erkrankung veranschaulicht. Die zeitliche Differenz ist die Inkubationszeit, die bei vielen Infektionskrankheiten ein charakteristisches Merkmal darstellt. Es wurden frühzeitig Erkrankungen des Zentralnervensystems beschrieben, bei denen es nicht gelang, ein Viruspartikel oder endogene virale Nukleotidsequenzen zu identifizieren. Heute gilt als sicher: Prionen sind Erreger von übertragbaren, chronischen, degenerativen, stets letalen Erkrankungen des zentralen Nervensystems. Sie kommen mit ähnlichen Erscheinungsformen als subakute Enzephalopathien bei Menschen und anderen Wirbeltieren (Rind, Schaf, Ziege, Katze, Hirsch, Nerz u. a.) vor. Beim Menschen unterscheidet man folgende Krankheitsbilder: • Creutzfeldt-Jakob-Disease (CJD) • neue Variante Creutzfeldt-Jakob-Disease (vCJD) • Gerstmann-Sträussler-Scheinker-Syndrom (GSS) • fatale familiäre Insomnie (FFI) • Kuru. Bei Tieren sind hier insbesondere Scrapie beim Schaf und die bovine spongiforme Enzephalopathie (BSE) beim Rind aufzuführen. m e r K e Allen Krankheiten ist gemeinsam: • Es werden keine entzündlichen Prozesse, kein Fieber und keine Immunantwort beobachtet. • Es gibt ein breites Spektrum von Symptomen, das für das jeweilige Krankheitsbild einen charakteristischen Schwerpunkt hat. • Eine Therapie ist gegenwärtig nicht verfügbar, alle Erkrankungen führen zum Tod. Prionen sind nach Ansicht der meisten Forscher nukleinsäurefreie Proteine. Der Name Prion wurde 1982 von Stanley Prusiner aus der Bezeichnung "proteinaceous infectious particles" abgeleitet. Die Assoziation von Prionprotein als wesentlichem Bestandteil des infektiösen Agens ist zweifelsfrei bewiesen. Eine alternative Vorstellung geht von einer konzeptionell noch unklaren Beteiligung von Nukleinsäuren aus, um die Existenz von Varianten sowie hereditäre Aspekte analog zur genetisch determinierten Situation etwa in viralen Systemen zu erklären. Allen bisher bekannten Prionen ist gemeinsam, dass es sich um glykosylierte Proteine mit ca. 250 Aminosäuren, entsprechend Molekülmassen von 33-35 kDa handelt, die von zellulären Genen kodiert werden. Transkription und Translation sind im gesunden wie im krankhaften Zustand unverändert. Soweit Sequenzdaten vorliegen, handelt es sich um ein evolutionär insgesamt hoch konserviertes Molekül insbesondere im Bereich der Aminosäurepositionen 124-226. Die tatsächlich vorhandenen Abweichungen in der Aminosäuresequenz von Prionen verschiedener Spezies definieren zusammen mit anderen Faktoren (s. u.) die sog. Speziesbarriere für eine heterologe Infektion. Die Höhe der Übertragungsbarriere ist für sequenzierte Prionen im Vergleich zueinander zumindest abschätzbar (Unterschiede ausgedrückt als Zahl der voneinander abweichenden Aminosäuren: Schaf -Rind 7, Rind -Mensch > 30, Maus -Mensch 28). Das Gen für das menschliche Prion (PRNP) befindet sich auf dem kurzen Arm von Chromosom 20 und kodiert für ein primäres Genprodukt PrP C mit 253 Aminosäuren. Der Index C steht für "cellular". Das Protein trägt am N-und am C-Terminus Signalsequenzen (22 bzw. 23 Aminosäuren), die posttranslational durch zelluläre Peptidasen entfernt werden. An das Cterminale Ende wird anschließend ein GPI-Anker (Glykosylphosphatidyl-Inositol) für die Befestigung in der Zellmembran angehängt. Diese Form des Prionproteins ist durch zelluläre Proteasen leicht abbaubar. Im Gegensatz dazu lassen sich aus Gehirnen von an übertragbarer spongiformer Enzephalopathie (TSE) erkrankten Menschen und Tieren Isoformen des Prionproteins isolieren, die trotz ihrer mit PrP C identischen Aminosäuresequenz wegen der spezifischen Faltung unlöslich und in vitro nur bis auf den C-terminalen Rest von 142 Aminosäuren (Positionen 90 bis 231) abbaubar sind. Dieses Restmolekül wird auch als PrP27-30 bezeichnet und stellt den proteaseresistenten, aber immer noch infektiösen Anteil von PrP TSE dar. Die räumliche Struktur von PrP C enthält nach Modellrechnungen drei α-Helices und nur geringe β-Faltblatt-Bereiche, während der nicht spaltbare PrP Sc -Anteil bis zu 30% β-Faltblätter und nur einen geringen Gehalt an α-Helices aufweist. Eine Klassifizierung der Prionen analog oder ähnlich derjenigen der Viren gibt es gegenwärtig nicht. Sinnvoll ist zurzeit lediglich die Unterscheidung aufgrund der betroffenen Wirte unter Beachtung der Tatsache, dass in Tiermodellen mehr als 20 verschiedene Stämme von PrP Sc identifizierbar sind, die sich durch die Inkubationszeit, den von der Krankheit betroffenen Bereich der Gehirne und das Spektrum der klinischen Symptome unterscheiden. Interessant ist der Befund, dass sich verschiedene klinisch definierte Phänotypen von CJD verschiedenen Fragmentierungsmustern nach unvollständiger Proteinase-K-Spaltung zuordnen ließen. Fragment-und Glykosylierungsmuster von CJD und BSE lassen nach experimentellen Übertragungen auf transgene Mäuse eine Definition von Prionenstämmen zu. Insbesondere ergaben sich nach Inokulation von Wildtypmäusen mit vCJD bzw. BSE identische Glykosylierungsmuster, d.h., die beiden Krankheiten wurden mit hoher Wahrscheinlichkeit durch den gleichen Prionenstamm hervorgerufen. Aggregatbildung und Ablagerung der proteaseresistenten PrP Sc -Moleküle werden als pathogenes Prinzip angesehen, das mit dem Krankheitsbild der spongiformen Enzephalopathie assoziiert ist. Als Mechanismus der Aggregation wird spontane autokatalytische bzw. durch PrP Sc vermittelte Umfaltung zellulärer "gesunder" PrP C -Moleküle in die schwer abbaubaren, aggregierenden TSE-Prionen angenommen. Im Gegensatz zu Viruserkrankungen kommt es nicht zum Einbringen, Exprimieren und Vervielfältigen eines genetischen Programms, sondern zur kumulativen Ausbreitung einer Strukturform innerhalb einer Population bereits bestehender Moleküle. Die Prionenstruktur macht krank! Dies ist ein grundsätzlich neues pathogenes Prinzip. Creutzfeldt-Jakob-Disease (CJD) CJD ist die am besten bekannte TSE-Erkrankung, die 1920 von Hans G. Creutzfeldt bzw. 1921 von Alfons Jakob beschrieben wurde. Gegenwärtig wird sie unter 4 Aspekten der Entstehung diskutiert als • sporadisch auftretend (spCJD) • genetisch beeinflusst (gCJD) • iatrogen hervorgerufen (iCJD) • und neuerdings als variante Form (nvCJD), durch Aufnahme boviner Prionen erzeugt. Sporadisch kommt CJD weltweit mit einer Inzidenz von etwa 1 Fall pro 1 Mio. Einwohner pro Jahr vor. Abweichungen resultieren vornehmlich aus der Nichtvergleichbarkeit der Erhebungsmethoden in den einzelnen Ländern. Die Altersgruppe der 70-bis 80-Jährigen ist am häufigsten betroffen. Der bisher jüngste Patient in Deutschland war 23 Jahre alt, der älteste 88 Jahre, niemals jedoch war ein Kind erkrankt. Beide Geschlechter scheinen gleichermaßen betroffen zu sein. Nach dem Auftreten erster Symptome (Kopfschmerz, Müdigkeit, Schlaf-und Appetitlosigkeit, Depression) folgt das Bild einer rasch voranschreitenden generellen Enzephalopathie mit Verlust der Bewegungskoordination sowie mit Demenz. Die Krankheitsdauer beträgt in etwa 65% der Fälle < 6 Monate. Eine sichere Diagnose kann bislang letztlich nur durch neuropathologische Untersuchungen gestellt werden. Genetisch bedingte Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (gCJD) Familiäre Häufungen von CJD sind bereits in den 30er-Jahren des vorigen Jahrhunderts beobachtet worden. Von zentraler Bedeutung scheint der Polymorphismus 129 zu sein, der durch das Vorkommen der Aminosäuren Methionin (M) oder Valin (V) an der Aminosäureposition 129 im Prionprotein charakterisiert ist. In England liegt bei 80% der spCJD-Fälle Homozygotie 129MM vor, im Gegensatz zu 40% in der Normalbevölkerung. Dagegen sind nur 10% der Erkrankten heterozygot MV bei einem 50%igen Anteil in der Normalbevölkerung. Alle bekannten nvCJD-Fälle sind 129MM-homozygot (s. u.)! Die Aminosäureposition 129 befindet sich innerhalb des Prionmoleküls an einer Übergangsstelle zwischen der zweiten α-Helix und dem β-Faltblatt und könnte daher von wesentlichem Einfluss auf die Faltung des Moleküls sein. Das klinische Bild wird bezüglich Krankheitsbeginn und -dauer stark von der genetischen Disposition in Bezug auf die Codons 129, 178 und 200 geprägt. Weitere Punktmutationen und Insertionen sind ebenfalls von Bedeutung. In den familiären Fällen ist die Inzidenz der Erkrankung stark erhöht und geographisch auf bestimmte Regionen begrenzt. So findet sich eine jüdische, aus Libyen stammende Population in Israel mit 50-fach häufigerem Auftreten von CJD. Charakteristisch ist hier der Aminosäureaustausch Glu200Lys. Neben der histopathologischen Abklärung ist die Sequenzierung des PRNP-Gens zur Sicherung der Diagnose gCJD erforderlich. Iatrogene Übertragung erfolgte nach neurochirurgischen Eingriffen, durch Verwendung unvollständig sterilisierter neurochirurgischer Geräte und Elektroden, nach Transplantationen von Kornea und Dura mater von Verstorbenen sowie nach der Verwendung von aus Leichen gewonnenem humanem Wachstumshormon (hGH) bzw. Hypophysen-Gonadotropin. Das klinische Bild entspricht demjenigen von spCJD, in die Diagnose ist die Krankengeschichte einzubeziehen. Im Jahr 1995 trat der erste Todesfall auf, der einer neuen Variante der CJD zuzuordnen ist. Bezüglich des Krankheitsbildes liegen ähnliche Symptome wie bei den anderen Formen vor, jedoch sind das niedrige Patientenalter (28 als medianes Alter für den Krankheitsbeginn, Gesamtintervall 14-53 Jahre) sowie die epidemiologisch wichtige Erkenntnis der fast ausschließlichen geographischen Beschränkung auf Großbritannien hervorzuheben. Im Mai 2002 waren weltweit 111 Fälle bekannt, davon 107 in Großbritannien, 3 in Frankreich und 1 in Irland. Klinisch stehen bei Krankheitsbeginn hier eher psychiatrische als neurologische Symptome im Vordergrund, wie Depression, Angst, Erregung, Halluzinationen und Schmerz, aber auch neuropsychologische Auffälligkeiten wie Aphasie oder Alexie. Später kommen die üblichen sensorischen Symptome wie Ataxie, Parese und Demenz hinzu. Im Gegensatz zu spCJD finden sich neuropathologische Besonderheiten. Es liegen keinerlei Hinweise auf familiäre Häufungen vor. Die Übertragung erfolgt mit großer Wahrscheinlichkeit durch den Genuss von "infektiösen" Nahrungsmitteln. Durch die normale Zubereitung von Speisen werden Prionen vermutlich nur unvollständig inaktiviert. Das Auftreten von nvCJD-Prionen im Gehirn und in den Tonsillen ist ein sicheres diagnostisches Merkmal. Biologische Typisierungen von Prionen in Versuchstieren sind zeitaufwändig und teuer und nicht für diagnostische Zwecke geeignet. Epidemiologische Untersuchungen zeigten allerdings, dass bislang keine Risikofaktoren wie Berufszugehörigkeit (Landwirte, Veterinäre, Schlachter, Abdecker etc), Essgewohnheiten oder geographische Nähe zu BSE-belasteten landwirtschaftlichen Betrieben erkennbar sind. Diese TSE-Erkrankung ist mit der Inzidenz von einem Fall unter 10 Mio. Einwohnern pro Jahr äußerst selten und mit wenigen sporadischen Ausnahmen wohl ausschließlich genetisch determiniert. Der Erbgang ist autosomal-dominant. Im Vordergrund steht eine Punktmutation mit der Konsequenz des Aminosäureaustausches von Prolin durch Leucin (Pro102Leu). Hinzu kommen weitere Punktmutationen und ein Spektrum von Oktapeptid-Insertionen, die in Zusammenwirken mit dem Polymorphismus an der Position 129 Einfluss auf die klinischpathologischen Aspekte der Amyloidbildung im Gehirn haben. Erste Symptome von GSS sind uncharakteristische Beschwerden, wie Schlafstörungen, psychische Veränderungen, Gedächtnisverlust, Aphasie und Alexie, gefolgt von dem Spektrum der anderen TSE-Symptome, die nach völliger Dezerebration einige Monate bis 2 Jahre nach Auftreten der ersten Symptome zum Tode führen. Das Erkrankungsalter liegt zwischen 30 und 50 Jahren. Die Diagnose erfolgt anhand der neuropathologischen Befunde und ggf. durch Sequenzanalysen des PRNP-Gens. GSS ist ausschließlich als hereditär anzusehen, die vertikale Weitergabe des GSS-spezifischen PRNP-Gens sollte nicht als Übertragung eines Krankheitserregers bezeichnet werden. Es handelt sich um eine äußerst seltene genetisch bedingte Erkrankung, die 1986 zuerst bei 5 Mitgliedern einer italienischen Familie entdeckt wurde. Der Erbgang ist autosomal-dominant, scheint jedoch nur eingeschränkt penetrant zu sein, da mehrere Familienmitglieder die entscheidende PRNP-Mutation mit der Folge des Aminosäureaustausches Asp178Asn aufwiesen, jedoch symptomlos blieben. Die gleiche Mutation ist auch bei der familiären Form der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (gCJD) von zentraler Bedeutung, was zu intensiver Diskussion der beiden klinisch-pathologisch sehr unterschiedlichen Situationen geführt hat. Auch hier ist das Codon 129 von Bedeutung. Das zentrale klinische Bild der FFI ist geprägt durch einen stark gestörten Schlafrhythmus und entsprechende Veränderungen in EEG-Schlafmustern und endokrinen zirkadianen Stoffwechselleistungen. Die Erkrankung tritt zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr auf und führt nach 7-18 Monaten zum Tode. Nach zunächst uncharakteristischen Stadien liefert die neuropathologische Untersuchung Astrogliose, Vakuolenbildung und Amyloidablagerungen. Kuru ist der klassische Fall einer horizontal übertragenen spongiformen Enzephalopathie. Sie wurde zuerst 1957 von Gajdusek und Zigas beschrieben als eine degenerative Krankheit des Zentralnervensystems in isolierten Populationen in Neuguinea. Seit dem Verbot des dort praktizierten rituellen Kannibalismus Ende der 50er Jahre ist die Erkrankung im Verschwinden begriffen und heute praktisch ausgelöscht. Homozygotie für Methionin an der Codonposition 129 des PRNP-Gens ist charakteristisch für die Erkrankung, die mit hoher Wahrscheinlichkeit durch die horizontale Übertragung von infektiösem Material eines an spontaner Creutzfeldt-Jakob-Krankheit Verstorbenen entstanden und durch die kannibalistischen Beerdigungsriten epidemisch verbreitet wurde. Die Infektion ist vermutlich über den Intestinaltrakt verlaufen. Eindringen der Kuru-Prionen durch Verletzungen während des Eröffnens des Leichnams und damit verbundene Hautkontaminationen sowie konjunktivale und nasale Schmierinfektionen sind als Übertragungswege ebenso denkbar. Die Krankheit beginnt mit unspezifischen Beschwerden und führt nach neurologischen Ausfällen mit Ataxie, schweren Lähmungen, damit verbundener Unterernährung und letztlich völliger motorischer Unfähigkeit zum Tode. Im Fall von iatrogener CJD, Kuru und nvCJD ist die Übertragbarkeit von infektiösen Prionen sehr wahrscheinlich bzw. nachgewiesen. Seit Jahrzehnten wird Tiermehl weltweit als Zuschlagstoff in der Tierfütterung eingesetzt. In Großbritannien wurden Ende der 70er-bis Anfang der 80er Jahre in verschiedenen Produktionsanlagen unterschiedliche Änderungen des Herstellungsprozesses vorgenommen, die offensichtlich eine Minderung der Inaktivierungseffizienz zur Folge hatten. Heute wird unter dem Eindruck der BSE-Epidemie eine 20-minütige Erhitzung auf 133 °C bei 3 bar Überdruck als Norm gefordert. Zur Inaktivierung von Prionen an chirurgischen Instrumenten, die nicht autoklavierbar sind, wird eine einstündige Behandlung mit Natronlauge oder Natriumhypochlorid empfohlen. Um Risiken inadäquater Dekontaminierung zu vermeiden, wird die Benutzung von lediglich einmal zu verwendendem Material empfohlen. Mit zunehmendem Verständnis der Pathogenitätsmechanismen ergeben sich Hinweise auf mögliche Therapiestrategien. So ist es denkbar, in den Umwandlungsprozess der PrP C -Konformation direkt einzugreifen. Behinderung von Eintritt in den Wirtsorganismus und Transport von PrP Sc in das ZNS ist eine weitere Möglichkeit. Im Fall tierischer Erkrankungen wären genetische und züchterische Maßnahmen denkbar, etwa die Aufzucht von Tieren, die von Individuen abstammen, die künstlich negativ homozygot für das Priongen (PrP -/-) gemacht wurden. Diese Tiere sind nicht infizierbar, da sie selbst keine zellulären Prionen synthetisieren können, die dann nach dem Eindringen von PrP Sc in die pathogene Konformation umgefaltet werden könnten. Da die natürliche Funktion des Genproduktes des zellulären PrP-Gens und damit die Folgen seines Verlustes jedoch nicht bekannt sind, ist dieser Weg risikoreich und vorerst nicht gangbar; beim Menschen ist er sowieso ausgeschlossen. Die konventionelle Züchtung nicht erkrankender Schafe ist gelungen und hat wohl dazu geführt, dass mittlerweile England, Neuseeland und Australien Scrapie-frei sind. Von der invasiven Mykose ist die systemische Mykose abzugrenzen, die nur infolge hämatogener Streuung auftritt. Invasive Mykosen werden durch etwa 100 verschiedene Pilzarten hervorgerufen. Sie betreffen nahezu ausschließlich abwehrgeschwächte Patienten. Prädisponierende Faktoren sind Abdominalchirurgie, zentrale Venenkatheter, Störung der normalen Flora durch Breitspektrum-Antibiotika, Herabsetzung der Abwehr durch Kortikosteroide, Immunsuppressiva und Zytostatika, HIV-Infektion, Diabetes mellitus, Transplantation solider Organe oder allogener Stammzellen. Epidemiologie Die meisten Pilze leben saprophytär. Einige können aber in geringer Zahl auf Haut und Schleimhäuten sowie im Darmtrakt vorhanden sein, ohne Krankheitserscheinungen hervorzurufen. Bei einem Pilznachweis in entsprechenden Materialien stellt sich daher oft die Frage nach ihrer Relevanz als Erreger. Liegen keine der oben genannten Risikofaktoren vor, so ist der Nachweis von Hefepilzen im Stuhl klinisch nicht relevant. Ätiologie und Pathogenese Die Adhärenz der Pilze an die Wirtszellen ist notwendige Bedingung für eine Infektion. Sie wird durch Wechselwirkungen zwischen Kohlenhydrat-und Proteinstrukturen der Pilzzellwand und der Wirtszelle verursacht. Es können zell-und gewebsschädigende sekretorische Proteasen und Phospholipasen gebildet werden. Außerdem spielen spezielle morphologische Eigenschaften der Pilze eine Rolle, wie z. B. das "Switching", der Übergang von der Sprosspilzform in die Hyphenform bei dimorphen Pilzen. Für die Wirtsabwehr gegen die meisten opportunistischen Pilze -insbesondere bei den am häufigsten vorkommenden Gattungen Candida und Aspergillus -sind Zahl und Funktion der Neutrophilen entscheidend. Makrophagen und Monozyten wird zunehmend Bedeutung beigemessen, während die T-Zell-vermittelte Immunität hauptsächlich für die Abwehr der obligat pathogenen Pilze und von Cryptococcus neoformans relevant ist. Diagnostik Das klinische Bild der meisten Pilzinfektionen ist uncharakteristisch, damit ist der Erregernachweis besonders bedeutend. Beweisend ist die Kultur aus physiologisch sterilem Material (Blut, Liquor, Biospie) oder die Histologie an Paraffinschnitten. In allen Materialien lassen sich Pilze mit optischen Aufhellern (Blankophoren), Giemsa-Färbung oder Gram-Färbung (grampositiv) nachweisen. Für die genaue Identifizierung der Pilze ist die kulturelle Anzüchtung erforderlich. Hierfür werden als selektive Medien z. B. Sabouraud-Agar und Chrom-Agar verwendet. Als weitere diagnostische Möglichkeiten gibt es für einige Pilze Antigennachweise, z. B. Galactomannan für Aspergillus und β-1,3-D-Glucan für Candida, Aspergillus und andere. Serologische Untersuchungsverfahren weisen spezifische Antikörper nach und sind generell weniger verlässlich. Molekularbiologische Nukleinsäurenachweise sind nicht ausreichend standardisiert und der Kultur in der Identifizierung des Erregers unterlegen. Therapie Zur Therapie invasiver Pilzinfektionen stehen 6 Substanzklassen zur Verfügung, deren Charakteristika in › Tabelle 13.34 wiedergegeben sind. Aus der Gruppe der Sprosspilze kommen Krankheitserreger vor allem in der Gattung Candida vor. Trichosporon und Blastoschizomyces sind sehr viel seltener. Candida verursacht bei Schleimhautbefall weißliche Beläge, den Soor (engl.: thrush). Dieser kann bei Vorliegen von Risikofaktoren zu invasiven Infektionen (Organbefall, Fungämie) führen. Eine weitere Sprosspilzart, Cryptococcus neoformans, verursacht nach einem flüchtigen Lungeninfiltrat eine Meningoenzephalitis bei abwehrgeschwächten, z. B. HIV-infizierten Patienten. Praxisfall II Ein 76-Jähriger befindet sich zur Diabeteseinstellung eher zufällig im Krankenhaus, klagt über plötzlich einsetzende Bauchschmerzen und wird bewusstlos. Es liegt ein rupturiertes Bauchaortenaneurysma vor, das notfallmäßig operiert wird. Seit 7 Tagen liegt er beatmet auf der Intensivstation, ein perioperativ diagnostiziertes akutes Nierenversagen erfordert die Dialyse über einen Shaldon-Katheter. Er fiebert auf, Blutkulturen werden abgenommen, eine Breitspektrumantibiotika-Therapie beginnt. Drei Tage Diagnostik Im CT der Lunge und des Kopfes werden uncharakteristische Raumforderungen gesehen, die in Verbindung mit der Grunderkrankung an diese Differentialdiagnose denken lassen sollten. Eine histologische Sicherung ist zwingend erforderlich. Therapie Neben der radikalen und ggf. wiederholten chirurgischen Sanierung besteht die medikamentöse Therapie der Wahl in liposomalem Amphotericin B. Die Empfehlungen zur Dosierung gehen auseinander: 3-10 mg/kg. Ist der Patient Diabetiker, dann wird sich die Nierenfunktion unter dieser Therapie sehr bald verschlechtern. Einzige Alternative ist Posaconazol 4 × 200 mg. Die Therapiedauer kann nicht genau abgegrenzt werden, beträgt aber zumindest 1-2 Jahre. Nach Ende der Therapie ist eine regelmäßige Nachsorge nötig. Verlauf und Prognose Der Verlauf hängt von der erfolgreichen Behandlung der Grundkrankheit und damit im Falle eines Diabetes von der Adhärenz des Patienten ab. Wird ein Diabetes optimal therapiert, kann die Infektion überlebt werden. Die Gesamtsterblichkeit beträgt 30-70%. Nach 1-2 Jahren kann unter engmaschiger Kontrolle eine Therapiepause versucht werden. • Malaria tertiana und quartana: Bei P. vivax-, P. ovale-und P. malariae-Infektionen kommt es ungefähr 1 Woche nach Krankheitsausbruch zur Synchronisation der Parasitenvermehrung im Blut, d.h., die Parasiten wachsen synchron heran und zerstören gleichzeitig ihre Wirtserythrozyten (P. vivax und P. ovale an jedem 2., P. malariae an jedem 3. Tag). Diese Synchronisation bedingt die regelmäßigen und charakteristischen Fieberanfälle. P. vivax und P. ovale hinterlassen sog. Hypnozoiten in der Leber, die Monate und Jahre später zu Rezidiven führen können. • Malaria tropica: P. falciparum neigt nicht zur synchronisierten Vermehrung. Eine weitere wichtige Besonderheit der Malaria tropica ist die Veränderung der Erythrozytenoberfläche durch die heranwachsenden Formen von P. falciparum. Die befallenen roten Blutkörperchen gewinnen dadurch eine besondere Affinität zum Gefäßendothel. Vor allem in den Kapillaren bleiben sie am Endothel "kleben" (Sequestration) und verstopfen sie. Die Folge sind Hypoxie und Metabolitenstau im abhängigen Gewebebezirk (› Abb. 13.56). Diese einzigartige Eigenschaft der Tropica-Parasiten bedingt die Gefährlichkeit der Malaria tropica, die infolge der zunehmenden Ischämie in wichtigen Organen (Gehirn, Lunge, Niere, Herz) innerhalb weniger Tage zum Tod führen kann. • Erysipel: pathognomonisches A-Streptokokken-Krankheitsbild, das auch tiefere Hautschichten betrifft. Beginnt mit lokalisiertem Erythem mit Schwellung, das sich rasch ausbreitet und klar vom normalen umgebenden Gewebe abgrenzbar ist begleitet von hohem Fieber, Schüttelfrost und allgemeinem toxischem Krankheitsgefühl. Im Gesichtsbereich ist es meist selbstlimitierend, bei anderer Lokalisation kann es nur durch gezielte Therapie geheilt werden. • akutes rheumatisches Fieber: nach durchgemachter Streptokokkenpharyngitis mit einer Latenzzeit von ca. 18-20 Tagen. Es kommt zu Fieber, schmerzhaften Schwellungen der großen und mittleren Gelenke und zur Pankarditis (v. a. als Endokarditis: Endocarditis verrucosa). Nach längerer Latenzzeit evtl. Syndrom im ZNS-Bereich (Chorea minor). Andere Spätfolgen sind: Erythema nodosum und Erythema anulare rheumaticum. Man führt den Gesamtkomplex des rheumatischen Fiebers auf eine Immunpathogenese zurück. Nur bestimmte M-Typen von A-Streptokokken verursachen diese Folgeerkrankung, solche Stämme kommen zurzeit bei uns nicht autochthon vor. Häufiger betroffen sind (bei uns meist türkische) Patienten aus mediterranem Gebiet. • akute Glomerulonephritis: tritt auch nach Hautinfektionen auf. Gute Prognose v. a. bei Kindern. Diagnostik Einige der Erkrankungen (z. B. Erysipel und Scharlach) sind schon klinisch pathognomonisch. Wichtigste mikrobiologisch-diagnostische Maßnahme ist der Erregernachweis aus Blutkultur und Abstrich-und Punktionsmaterialien. Im Verlauf stellt man meist serologisch eine Titerbewegung der Antikörper gegen Streptolysin O (ASO-, ASL-Titer) und/oder bei Antikörpern gegen DNAse B (ADB-, Streptodornase-Titer) fest. Faustregel: der ASL-Titer steigt v. a. bei Infektionen im Respirationstrakt, der ADB-Titer meist bei Hauterkrankungen an. ASL spielt in der Diagnostik des rheumatischen Fiebers nur eine geringe Rolle, ADB hat in der Diagnostik der akuten Glomerulonephritis größere Bedeutung. Die ADB-Werte können hier extrem hoch ansteigen. Differentialdiagnose Extrem hohe ASL-bzw. ADB-Werte treten auch bei Plasmozytomen mit entsprechender Antikörperspezifität auf. Differentialdiagnostisch kommen bei den pyogenen A-Streptokokken-Infektionen v. a. Infektionen durch S. aureus in Frage. Dies gilt auch für das Toxic Shock Syndrome. Beim Erysipel muss, v. a. bei Immunsupprimierten, eine Aeromonasspp.-Ätiologie ausgeschlossen werden (Cave: andere Antibiotikatherapie!). Bei Streptokokken-Folgeerkrankungen müssen auch Autoimmunerkrankungen in die Differentialdiagnose einbezogen werden. Therapie Penicillin G als Mittel der Wahl. Dosierung und Dauer hängen von Manifestation und klinischer Fulminanz ab. Bei der Streptokokkenpharyngitis reicht eine orale Therapie über 10 Tage (Tagesdosis bei 6-12 Mega), bei fulminanter Sepsis sind Tagesdosen bis zu 40 Mega nötig, alternativ evtl. Cephalosporine. Bei Penicillinallergie sind Makrolidantibiotika bzw. Vancomycin Alternativen. Bei einigen Krankheitsbildern (z. B. Phlegmone, Fasciitis necroticans) sind ferner schnelle und offensive chirurgische Maßnahmen nötig. Bei Streptokokken-Folgeerkrankungen spielt auch die antiphlogistische Behandlung eine wichtige Rolle und evtl. Kortikosteroidgabe. Ferner ist eine Rezidivprophylaxe mit Penicillin oder Erythromycin für mind. 1-2 Jahre indiziert. Bei den übrigen A-Streptokokken-Erkrankungen keine spezifischen prophylaktischen Maßnahmen, was auch für die Expositionsprophylaxe mit Antibiotika bei Scharlachausbrüchen gilt. Hämolysierende Streptokokken der serologischen Gruppe B verursachen v. a. peripartale Infektionen bei Neugeborenen, bis 48 h post partum eine Sepsis und 8-14 Tage post partum Meningitis. Zunehmend findet man sie auch bei pyogenen Infektionen geriatrischer Patienten. Hämolysierende Streptokokken der Gruppen C und G Verursachen auch Pharyngitis oder Wundinfektion. Systemisch-septische Infektionen fast ausschließlich bei abwehrgeschwächten Patienten. Vergrünende bzw. nicht hämolysierende Streptokokken haben ihren natürlichen Standort im Oropharynx des Menschen, S. bovis im Darm von Mensch und Tier. Sie werden als orale Streptokokken bezeichnet. Sie verursachen: • Karies und Parodontitis • Nativklappen-("Endocarditis lenta") und Spät-Prothesenendokarditis (› Kap. 7.9.1). Bei Nachweis von S. bovis in der Blutkultur muss eine Kolonerkrankung (Karzinom, Divertikulitis) ausgeschlossen werden! Diagnostik Erregernachweis in entsprechenden Materialien. Pneumokokken sterben wegen ihres starken Autolysesystems auf dem Transport rasch ab. Wichtig sind -vor allem bei Pneumonie -Blutkulturen. In der Meningitisdiagnostik spielen der mikroskopische Erreger-und der spezifische Antigennachweis (Kapselpolysaccharid) eine zunehmende Rolle in der spezifischen Schnelldiagnostik. Der Antigennachweis aus Sputum oder Trachealsekret ist oft unspezifisch. Therapie Penicillin G. Andernorts schon sehr häufig (Spanien!) isolierte Penicillin-G-resistente Pneumokokken wurden bei uns bisher nur selten gefunden. Stämme mit nur mäßiger Empfindlichkeit gegen Penicilline sind auch bei uns häufiger. Eine Resistenztestung ist daher durchzuführen. Alternative Substanzen: Cephalosporine der 3. Generation (z. B. Cefotaxim) oder Carbapeneme. Es besteht die Möglichkeit zur aktiven Immunisierung. Die Vakzine beinhaltet die wichtigsten, vor allem bei septischen Verlaufsformen vorkommenden Kapseltypen. Die Impfung ist Regelimpfung nach STIKO für Kinder und ältere Menschen. Epidemiologie Natürlicher Standort ist der Darm von Mensch und Tier. Der Infektionsweg ist endogen-hämatogen nach Translokation aus dem Darm, auch exogene Schmutz-Schmierinfektionen sind möglich. Klinische Bilder E. faecalis ist Erreger akuter Harnwegsinfektionen und Adnexitiden (innerhalb einer Mischinfektion) der Frau. Von größerer Bedeutung ist die Enterokokkenendokarditis (ca. 10%). Ferner spielen Enterokokken eine Rolle als Wundinfektionserreger. Diagnostik Erregernachweis in entsprechenden Materialien, v. a. in der Blutkultur (Endokarditis). • Enterokokken-Harnwegsinfektionen: Aminopenicilline • Enterokokkenendokarditis: auch alternativ Mezlocillin. Grundsätzlich immer kombinierte Behandlung mit Gentamicin in den ersten 2 Wochen. Die Therapiedauer liegt bei 4-6 Wochen. Bei Penicillinallergie oder bei Stämmen mit "High-Level"-Resistenz (> 2000 mg/l MHK) gegen Gentamicin Gabe von Glykopeptiden (v. a. Teicoplanin). Gegen glykopeptidresistente Enterokokken wirken Linezolid und Daptomycin. Die wichtigsten sind Meningokokken und Gonokokken der Gattung Neisseria. Branhamella catarrhalis (früher Neisseria catarrhalis, kokkoide Stäbchen) gehört zur physiologischen Rachenflora, kann aber Infektionen des oberen und unteren Respirationstrakts verursachen. Moraxella-und Kingella-Arten (kokkoide Stäb-chen) werden mitunter als opportunistische Infektionserreger isoliert. Selten werden Veillonellen (anaerob) aus pyogenen Mischinfektionen isoliert. Man unterscheidet die zyklischen Allgemeininfektionen Typhus und Paratyphus von den mit Übelkeit, Erbrechen und Durchfällen einhergehenden Enteritissalmonellosen. Die Übertragung erfolgt überwiegend auf oralem Infektionsweg. Definition Die Gattung Salmonella hat einen sehr großen Arten-bzw. Serovarreichtum. Es handelt sich um gramnegative Stäbchen aus der Familie der Enterobakterien. Nach heute gültiger, aber umstrittener exakter Taxonomie ist der einzige humanmedizinisch bedeutende Vertreter die Spezies Salmonella enterica bzw. die Subspezies Salmonella enterica subspecies enterica mit einer großen Vielfalt an Serovaren (zur Abgrenzung von Speziesnamen werden die Serovare mit Großbuchstaben gekennzeichnet). Unter klinischen Gesichtspunkten hat sich folgende Einteilung bewährt: S. Typhi (die abgekürzte Form von S. enterica subsp. enterica serovar Typhi) ist klassischer Erreger des Typhus, S. Paratyphi (S. enterica subsp. enterica serovar Paratyphi) der Erreger des Paratyphus, unterteilt in die Gruppen A, B und C. Wichtigste Erreger von Enteritissalmonellosen sind S. Typhimurium (S. enterica subsp. enterica serovar Typhimurium) und S. Enteritidis (S. enterica subsp. enterica serovar Enteritidis). Die übrigen Enteritissalmonellen werden aufgrund ihrer Oberflächenantigene (O-Gruppen) und Geißelantigene (H-Gruppen) typisiert. Sie werden aufgrund der Antigenformel benannt oder mit einem speziellen Namen, der meist nach dem ersten Nachweisort erfolgt (z. B. S. Coeln). Diese repräsentieren dann Serovare und keine (!) Spezies oder Subspezies. Diagnostik Bei entsprechender Reiseanamnese und typischem Fieberverlauf lässt sich häufig klinisch die Verdachtsdiagnose stellen. Richtungweisend sind das Auftreten von Roseolen, eine Leukopenie, das Fehlen eosinophiler Leukozyten im Differentialblutbild mehrerer Blutausstriche und eine relative Bradykardie. Die kulturelle Erregerdiagnose gelingt im sehr frühen Krankheitsstadium evtl. noch im Stuhl, meist aber in der 1. und 2. Krankheitswoche nur in der Blutkultur, zur Erhöhung der Sensitivität sollten multiple Blutkulturen abgenommen werden. Die kulturelle Untersuchung von Knochenmark ist besonders sensitiv. Am Ende der 2. Krankheitswoche lässt sich der Erreger meist wieder aus dem Stuhl isolieren. Der Antikörpernachweis ist für die Akutdiagnostik wenig hilfreich. Wegen der schwierigen Isolierungsbedingungen (Selektivnährböden nötig!) kann dies mehrere Tage erfordern. Ab Ende der 1. bzw. Beginn der 2. Krankheitswoche kommt es zur messbaren Antikörperbildung, hohe Titer werden ab der 3. Woche erreicht. Dann kann die Diagnose serologisch (Widal-Reaktion) bestätigt werden. Bei sehr früh begonnener antibiotischer Therapie kann der Antikörpernachweis negativ bleiben. Zur Differentialdiagnose siehe auch › Tabelle Diagnostik Erregernachweis aus Stuhl, Operationsmaterial und evtl. aus der Blutkultur. Antikörpernachweisverfahren (Mikroagglutination, ELISA, Westernblot) spielen in der Diagnostik der akuten Enterokolitiden keine wesentliche Rolle. Bei subakut oder chronisch verlaufenden Pseudoappendizitisformen und Postinfektionssyndromen sind sie dagegen ausschlaggebend. Therapie Meist selbstlimitierende Erkrankung, keine antibakterielle Chemotherapie nötig. Bei schwerem oder septischem Verlauf Behandlung mit Tetrazyklinen, Chinolonen, Co-trimoxazol oder Aminoglykosiden. Definition Erkrankungen durch Y. pseudotuberculosis sind Zooanthroponosen. Ein fäkal-oraler Infektionsweg wird angenommen, Infektionsquelle sind infizierte Tiere oder kontaminierte tierische Nahrungsmittel. Eine Besonderheit scheint die Affinität von Y. pseudotuberculosis zum lymphatischen Gewebe im abdominellen Bereich zu sein. Wichtigste klinische Manifestation ist die Pseudoappendizitis (mesenteriale Lymphadenitis, akute terminale Ileitis), die ihren Häufigkeitsgipfel in der Altersgruppe von 6-14 Jahren hat. Symptome Fieber und Schmerzen im rechten Unterbauch. Extrem selten septischer Verlauf, dann v. a. bei stark abwehrgeschwächten Patienten. Begleitende Krankheitserscheinungen sind reaktive Arthritis und Erythema nodosum. Diagnostik Erregernachweis aus Schleimhautbiopsien, Operationsmaterial, seltener aus Stuhl. Die serologische Diagnostik (Titerverlauf im Mikroagglutinationstest) spielt jedoch eine wichtige Rolle. Therapie Meist keine antibakterielle Chemotherapie erforderlich. Nur bei schwerem septischem Verlauf Antibiotikatherapie mit Ampicillin, Tetrazyklinen oder Aminoglykosiden. Ätiologie Eine der ältesten und gefährlichsten Zooanthroponosen, hervorgerufen durch Y. pestis. Nagetiere, v. a. Ratten, sind wichtigstes Erregerreservoir, Flöhe die wichtigsten Vektoren. Epidemiologie Kommt in Europa nicht mehr vor. Sporadische Fälle werden aus dem nördlichen und südlichen Afrika, aus den USA, Südamerika und weiten Teilen Asiens berichtet. Jährlich werden weltweit mehrere Tausend Krankheitsfälle gemeldet. Wegen der relativ kurzen Inkubationszeit sind auch touristisch eingeschleppte Fälle extrem selten (zur Meldepflicht s. IFSG nach § 6 Abs. 1 Nr. 1). • Beulenpest: Befall der regionalen Lymphknoten im Abflussbereich der Bissstelle des infizierten Flohs mit schwerer Allgemeinsymptomatik • Lungenpest: aerogene Übertragung von Mensch zu Mensch mit hoher Letalität. Therapie Gut behandelbar mit Antibiotika (Gentamicin oder Doxycyclin). Die Pest verursachte in den letzten Jahren nur selten größere Epidemien und hat viel von ihrem früheren Schrecken verloren. Definition Die Familie der Enterobacteriaceae zeichnet sich durch großen Artenreichtum aus. Viele Gattungen besitzen auch humanmedizinische Bedeutung. Während den Salmonellen, Shigellen und Yersinien überwiegend spezielle Krankheitsentitäten zugeordnet werden können, ist dies für die meisten anderen Gattungen nicht möglich. Daher werden diese Enterobacteriaceae-Arten als fakultativ pathogene Erreger gesondert betrachtet (› Tab. 13 In speziellen Fällen (z. B. zur sicheren Diagnose der Lues connata) ist der Nachweis spezifischer IgM-Antikörper in der indirekten Immunfluoreszenz erforderlich. Bei Neurosyphilis wird eine autochthone intrathekale Anti-Treponemen-Antikörperproduktion nachgewiesen. Therapie Bedeutsam sind frühzeitige Diagnose und Therapiebeginn im 1., spätestens im 2. Stadium. Therapie der Wahl ist Penicillin G oder Ceftriaxon, bei Penicillinallergie Doxycyclin oder Azithromycin. Zur Vermeidung der frühen Neurosyphilis muss die Therapie hoch dosiert (Procain-Penicillin G, 2,4 Mio. E i.m.) für 14 Tage durchgeführt werden, um ausreichend hohe Liquorspiegel zu erreichen. Bei Patienten mit gleichzeitiger HIV-Infektion, bei tertiärer Syphilis und bei Neurosyphilis wird 2 × 10 Mio. E Penicillin i.v., alternativ 1 × 2 g Ceftriaxon für 14 Tage verabreicht. Der Verlauf der Erkrankung und vor allem der Effekt der Therapie müssen durch regelmäßige serologische Aktivitätskontrollen (VDRL-Test, Cardiolipin-KBR) überprüft werden. Prophylaxe Eine Impfung existiert nicht. Eindämmung der Übertragungswege durch möglichst lückenlose Aufklärung und Überwachung der Risikogruppen. Abb. 13.74 Syphilis. a) Primäraffekt an der Glans penis. b) Luesexanthem im Stadium II an den Fußsohlen. c) Alopecia areata, ebenfalls Stadium II. Infektionsschutzgesetz: Kommentar und Vorschriftensammlung . Kohlhammer Dolin: Principles and Practice of Infectious Diseases, 5 th edn ., 2 vols Klinische Infektiologie . Urban & Fischer Just-Nübling: Antibiotikatherapie, 11 Anthrax antibiotic associated colitis bacillary dysentery Bartonellenerkrankungen botulism Botulismus brucellosis chlamydial diseases Cholera coagulase-negative staphylococci Diphtherie enteric E . coli infections enteric fever Enteritissalmonellose enterococci epidemic typhus Erysipeloid fakultativ pathogene Enterobacteracea gas gangrene/Edema Gonorrhoe gonorrhoea group A streptococci Haem . Influenzaerkrankungen HWI Infektionen durch Staphylokokken Infektionen durch Streptokokken Legionärskrankheit legionellosis legionnaires' disease leprosy Leptospirose leptospirosis Listeriose-Pneumokokken listeriosis Lyme-Borreliose-Stadien Lyme-Borreliosis Lyme disease meningococcal meningitis/sepsis Mykoplasmenübertragung nocardiosis oculo-genital infections Ornithose ornithosis Pertussis pint plague Pontiac fever pneumococci Pseudomonas psittacosis Q-Fieber relapsing fever Rickettsien rickettsial diseases salmonella foodborne disease Salmonellose Shigellose staphylococcal diseases streptococcal/enterococcal diseases swine erysipelas Verfügbare Zubereitungsformen Aktivimpfstoffe enthalten Impfantigene zur Aktivierung des Immunsystems mit erregerspezifischer Bei einzelnen Impfungen sind Antikörpergrenzwerte für den optimalen Impfschutz bekannt. Jedoch kann nicht immer von Antikörperkonzentration auf effektiven, sicheren Schutz vor Infektion geschlossen werden • zellvermittelte Immunantwort: routinemäßig schwer zu testen. T-Lymphozyten haben für die Induktion humoraler Antikörperantworten (z. B. gegen Proteinantigene) große Bedeutung und tragen zur Bildung des immunologischen Gedächtnisses (Memory-Zellen) bei. Der Effekt T-Zell-abhängiger Impfungen lässt sich z. B. durch Bestimmung der Masern-, Mumps-und Röteln-Antikörper nach MMR-Lebendimpfung abschätzen Bei der aktiven Immunisierung zum Aufbau eines dauerhaften Impfschutzes unterscheidet man: • Lebendimpfstoffe: vermehrungsfähige, attenuierte (abgeschwächte Vollkeim-Impfstoff) oder in mehr oder minder reiner Form immunologisch relevante Antigene des Erregers (Spalt-Impfstoff, Extrakt-Impfstoff, Toxoid-Impfstoff, Subunitvakzine) Durch geeignete Spenderkontrolle, Herstellungsverfahren von Infektionskrankheiten hergestellt. Beispiel: humanisierter Antikörper Palivizumab, zum Schutz von Frühgeborenen unter bestimmten Indikationen (z. B. chronische Lungenkrankheit) vor der Infektion mit dem Respiratory Syncytial Virus (RSV) Stuhl kontaminierte) Wunden, Verletzungen mit Gewebszertrümmerung und reduzierter Sauerstoffversorgung oder Eindringen von Fremdkörpern Jede Auffrischimpfung mit Td sollte Anlass sein, eine mögliche Indikation einer Pertussis-Impfung zu überprüfen und ggf. einen Kombinationsimpfstoff (Tdap) einzusetzen im Allgemeinen werden 250 IE verabreicht, die Dosis kann auf 500 IE erhöht werden; TIG wird simultan mit Td/T-Impfstoff angewendet Dosis), wenn seit der letzten Impfung mehr als 10 Jahre vergangen sind wenn seit der letzten Impfung mehr als 5 Jahre vergangen sind Quelle: RKI: Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert-Koch-Institut/Stand: Juli Ein Patient stellt sich 8 Tage nach Durchführung des 4. Zyklus einer ambulanten Chemotherapie nach dem CHOP-R-Schema im 14-tägigen Abstand mit Fieber in der Notaufnahme vor. Bei der Untersuchung des Blutbildes zeigt sich eine Leukozytenzahl von 600/μl. a. Welche Untersuchungen werden neben einer ausführlichen körperlichen Untersuchung veranlasst? Wie wird der Patient initial behandelt? Seine körperliche Leistungsfähigkeit habe abgenommen, vor allem beim Treppensteigen komme er leicht "aus der Puste". Er wisse seit 1,5 Jahren, dass er HIV-positiv sei, habe sich aber bislang nicht weiter untersuchen lassen Heute habe er deswegen kaum noch etwas zu sich nehmen können. Bei der körperlichen Untersuchung fällt Ihnen auf, dass der Rachen des Patienten weiße Beläge aufweist, die teilweise abstreifbar sind. Am Hals finden sich beidseits mehrere, bis zu 2 cm im Durchmesser große indolente Lymphknoten, von denen der Patient angibt, dass diese schon seit 1 Jahr unverändert bestünden Ihr Verdacht bestätigt sich. Was empfehlen Sie dem Patienten? Welche sind die 3 wichtigsten Antimykotika-Substanzklassen? Welche Candida-Spezies sind immer oder häufig gegen Fluconazol resistent? Werden Sprosspilzinfektionen endogen oder exogen erworben? Was ist die pathogenetische Bedeutung der Besiedlung der unteren Atemwege mit Candida species? Ist die Candidapneumonie eine häufige Erkrankung? Wie lange muss die Therapie einer Candidämie durchgeführt werden? 14. Werden Fadenpilzinfektionen endogen oder exogen erworben? Welche 3 Erkrankungen der Lunge durch Aspergillus species werden unterschieden? Ein junger Mann berichtet, dass er seit 4 Wochen unter Leibschmerzen und Durchfällen, gelegentlich auch unter Obstipation leide. Die Beschwerden seien das erste Mal aufgetreten, als er noch in Brasilien war, wo er für seine ethnologische Doktorarbeit bei Urwaldindianern Material gesammelt habe. Auf Befragen gibt er an Welche Frage ist zunächst zu stellen? b. Welche Untersuchungen werden durchgeführt? c. Wie wird der Patient behandelt? d. Was wird dem Patienten gesagt? Er gibt an, er habe seit 4 Tagen Fieber bis 38,9 °C, außerdem Kopfschmerzen, Inappetenz, abdominelle Schmerzen und Übelkeit. Er habe keine Malariaprophylaxe eingenommen, da man ihm gesagt habe, dass im Januar wegen der tiefen Nachttemperaturen in Nordindien kein Malariarisiko bestehe Sie gibt an, sich seit gestern stark unwohl gefühlt zu haben, wie in letzter Zeit schon öfter während ihrer Regelblutung. Im Büro heute Morgen habe sie dann begonnen stark zu schwitzen, verbunden mit Hitze-Kälte-Wallungen, schließlich sei ihr "schwarz" vor Augen geworden. Befunde der orientierenden Untersuchung: RR 80/60 liegend, Puls 112, Temperatur 39,8 °C rektal. a. Wie lautet Ihre Verdachtsdiagnose? b. Welche Untersuchungen veranlassen Sie zunächst? c. Welche therapeutischen Maßnahmen sind angezeigt? d Die E.-granulosus-Larve bildet in der Regel eine mit Flüssigkeit gefüllte Zyste (› Abb. 13 .62), die langsam verdrängend wächst und einen Durchmesser von 20 cm und mehr erreichen kann: zystische Echinokokkose.Im Gegensatz dazu bildet die E.-multilocularis-Larve komplizierte, schwammartige, gallertig gefüllte Schläuche und Hohlräume von wenigen Millimetern Durchmesser: alveoläre Echinokokkose. Der Parasit wächst infiltrativ destruktiv, ähnlich wie ein bösartiger Tumor; Metastasierungen in alle Organe können vorkommen.Symptome Für beide Echinokokkosen werden Inkubationszeiten von mehreren Jahren, bei der alveolären Echinokokkose sogar von mehr als 10 Jahren angenommen. Die Symptome sind von der Ausdehnung des Organbefalls und von der Wachstumsgeschwindigkeit des Parasiten abhängig. Häufig sind Oberbauchschmerzen, tastbarer Tumor im Bereich der Leber mit Verdrängungsgefühl oder Schmerzen, seltener Gallenstau und Aszites. Oft werden die Zysten auch nur zufällig entdeckt. Bei Lungenbefall kommt es zu Hämoptyse, Atelektasen und Bronchiektasen. Nicht selten sind allergische Reaktionen an Haut und Schleimhäuten, gelegentlich Asthma bronchiale.Diagnostik Für die Diagnostik der beiden Echinokokkoseformen sind vor allem Sonographie und Computertomographie von großer Bedeutung. Werden zystische Veränderungen in der Leber oder Lunge festgestellt, muss durch Anwendung serologischer Verfahren versucht werden, eine Diagnose zu stellen. Werden zwei Antikörperbestimmungen unterschiedlichen Aufbaus nebeneinander verwandt, so lässt sich in den meisten Fällen eine Klärung erreichen. Die alveoläre Echinokokkose lässt bei den verschiedenen bildgebenden Verfahren in der Regel keine zystische Struktur erkennen, zentrale Nekrosen im Parasitengewebe können diese allerdings vortäuschen. Verkalkungen sind häufig. und Eiweißerhöhung; Sepsis: Leukozytose mit Linksverschiebung, CRP-, Procalcitoninerhöhung) wider. Therapie Entscheidend ist die frühzeitige Penicillin-G-Therapie in hoher Dosierung (20-40 Mega/Tag). Alternativen (vor allem bei Penicillinallergie) sind Carbapeneme oder Cephalosporine der 3. Generation. Die Therapie dauert mind. [10] [11] [12] [13] [14] Tage; von Anfang an durchgeführte Liquorkontrollen müssen keimfrei sein. Prophylaxe Eine präventive Schutzimpfung für die Serotypen A und C zur Eindämmung von Großepidemien ist möglich (Ausnahme: Säuglinge). Gegen Neisseria meningitidis Typ B gibt es bisher keine Impfung. Expositionsprophylaxe mit Rifampicin wird Personen empfohlen, die intensiven Kontakt zu einem Erkrankten hatten (Familie, Kindertagesstätten). Die Erkrankung ist meldepflichtig (s. IFSG nach § 6 Abs. 1 Nr. 1). Verursacht durch Neisseria gonorrhoeae (Gonokokken), ist sie die häufigste bakterielle Geschlechtskrankheit. Außerhalb der Genitalschleimhaut sterben die Bakterien relativ schnell ab. Therapie Bei Erwachsenen Gabe von Penicillin oder Chinolonen (evtl. nur eine Dosis!), bei Kindern Cephalosporine der 3. Generation. Diphtherie Definition Erreger ist Corynebacterium diphtheriae, und zwar nur Diphtherietoxin-bildende Stämme. Die Übertragung erfolgt durch Tröpfcheninfektion oder direkten Kontakt mit erkrankten oder gesunden Keimträgern. Epidemiologie 1975 gab es in Deutschland zum bisher letzten Mal Gruppenerkrankungen bzw. Kleinepidemien. Einzelfälle (meist eingeschleppt aus Epidemiegebieten, zurzeit Russland, Ukraine) kommen immer wieder vor. Da bei uns der Impfschutz bei älteren Jugendlichen und Erwachsenen (nicht durchgeführte Wiederimpfungen) durch die aktive Impfung stark abnimmt, ist ein epidemieartiges Auftreten der Diphtherie jederzeit möglich.Manifest erkranken ca. 20% der Infizierten. Pathogenese Pathogenetisch entscheidend ist das Diphtherietoxin, bestehend aus den Untereinheiten A (letal zytotoxisch) und B (vermittelt Zelleinschleusung) und kodiert von einem Prophagen.Das Toxin wird am Ort der Infektion produziert und gelangt per continuitatem oder hämatogen zu anderen Gewebsbereichen bzw. Organen. Rachendiphtherie Hauptsächliche Manifestation mit Rötung und Schwellung von Rachenschleimhaut bzw. Tonsillen und schwerem allgemeinem Krankheitsgefühl nach bis zu 5 Tagen Inkubationszeit. Hohes Fieber ist selten, dann oft Zeichen einer primär-toxischen Diphtherie. Im weiteren Verlauf bilden sich nach wenigen Stunden weiße Beläge auf der Schleimhaut, aus denen die bräunlichen Pseudomembranen aus Fibrin, Entzündungszellen und nekrotischen Epithelzellen gebildet werden (› Abb. 13 .70), die fest auf den Wundflächen haften. Eine instrumentelle Ablösung führt daher zu Blutungen (wichtiges diagnostisches Kriterium!). Von diesen Pseudomembranen kann ein sehr charakteristischer fötid-süßlicher Geruch ausgehen. Die zugehörigen regionären Lymphknoten sind deutlich geschwollen. Klinischer Höhepunkt nach 4-5 Tagen. Dieser kann im sekundär-toxischen Verlauf mit Spätkomplikationen, aber auch unter Entfieberung in die Hei lungsphase übergehen. Selten hämatogene Metastasierung der Erreger.Abb. 13 .69 Meningokokken (Pfeile) im Liquor, umgeben von Granulozyten. (Aus: Thomas, 1986 ). • Nasendiphtherie (mit eitrig-blutiger Sekretion), Augendiphtherie (Konjunktivitis) und Nabeldiphtherie: vorrangig bei Säuglingen Definition Grampositive Fadenbakterien, die in verzweigten Geflechten wachsen (Strahlenpilze). Man unterscheidet anaerobe (Gattung Actinomyces und Arachnia) von aerob wachsenden Aktinomyzeten (Gattung Nocardia). Nokardien leben im Erdboden, die anaeroben Aktinomyzeten auf der menschlichen Oropharyngealschleimhaut. Therapie Nach Entnahme von Material zur mikrobiologischen Diagnostik kalkulierte Therapie mit Antibiotika mit Wirksamkeit gegenüber Enterobakterien. Häufig wird hierzu ein Breitspektrum-β-Lactam (z. B. Piperacillin oder Drittgenerations-Cephalosporin), ein Fluorchinolon oder ein Carbapenem eingesetzt (› Kap. 13.2.1). Grundlage für eine gezielte Chemotherapie ist das Ergebnis der Antibiotikaresistenzprüfung. Weltweit wird bei Enterobakterien eine zunehmende Resistenzentwicklung beobachtet, von der neben älteren Substanzen (Ampicillin, Co-trimoxazol) zunehmend auch Fluorchinolone (v. a. bei E. coli) betroffen sind. Hinzu kommt das zunehmende Auftreten von Stämmen, die "Extended Spectrum"-β-Lactamasen (ESBLs) bilden, die zur Resistenz gegenüber allen β-Lactam-Antibiotika mit Ausnahme der Carbapeneme führen. Besondere Therapiemaßnahmen bei septischem Krankheitsverlauf (z. B. Gabe von Antikörpern, Kortikosteroiden oder aktiviertem Protein C) und supportive Therapiemaßnahmen werden an anderer Stelle beschrieben. Prävention Bisher keine spezifischen Maßnahmen. Die Verhinderung nosokomialer Infektionen durch fakultativ pathogene Enterobacteriaceae beruht v. a. auf präventiven hospitalhygienischen Maßnahmen und dem rationalen Umgang mit Antibiotika. Bestimmte darmpathogene E.-coli-Stämme können Enteritiden und Kolitiden verursachen (› Tab. 13 Symptome 2-phasiger Verlauf nach 1-bis 2-wöchiger Inkubationszeit mit charakteristischen, wochenlang anhaltenden Hustenanfällen im 2. Stadium.Diagnostik PCR-basierte Nachweisverfahren zum Nachweis des pathogenetisch bedeutsamen, von B. pertussis produzierten Pertussis-Toxins stehen im Vordergrund. Andere Verfahren zum Nachweis von B. pertussis (direkte Immunfluoreszenz, kultureller Erregernachweis, serologischer Antikörpernachweis) sind heute von geringerer Bedeutung.Therapie Chemotherapie mit Erythromycin: geringer Einfluss auf den Krankheitsverlauf, verkürzt aber die Erregerausscheidungsdauer. Nach durchgemachter Erkrankung besteht eine lang dauernde, aber nicht unbedingt lebenslange Immunität.Die aktive Impfung erfolgt nicht mehr mit dem klassischen "Ganzzell"-Impfstoff, sondern mit einer "azellulären" Pertussis-Vakzine mit hoher Effektivität und geringen Nebenwirkungen (› Kap. 13.10). Therapie Wie bei Ornithose. Die mögliche ätiopathogenetische Bedeutung von C. pneumoniae bei der Entstehung arteriosklerotischer Gefäßerkrankungen und Folgekrankheiten wie z. B. KHK und Herzinfarkt wird kontrovers diskutiert. Eine Rolle in der Kopathogenese (Entzündung!) erscheint möglich, eine monospezifische Bedeutung sehr unwahrscheinlich. Auf jeden Fall rechtfertigt die bisher vorliegende Studienevidenz keine spezifischen therapeutischen Konsequenzen (Antibiotikatherapie). Die Serovare L1-L3 von C. trachomatis sind für die klassische Geschlechtskrankheit Lymphogranuloma venereum verantwortlich mit Manifestation im Genitalbereich und den benachbarten Lymphknoten.Die Serovare A-C von C. trachomatis, die weltweit aber vorrangig in warmen Gebieten vorkommen, verursachen die in Stadien fortschreitende Keratokonjunktivitis, das Trachom, die häufigste Einzelursache für Blindheit weltweit.Natürliche Habitate der Serovare D-K von C. trachomatis sind die Zervix die Frau und die Urethra des Mannes. Infektionen erfolgen daher stets von dort aus, perinatal oder durch Geschlechtsverkehr.Klinische Bilder Krankheitsbilder bei Infektionen mit den Serovaren D-K sind v. a. Infektionen des Genitaltrakts: beim Mann nichtgonorrhoische und postgonorrhoische Urethritis. Symptome sind Dysurie, Urethralschmerzen und -ausfluss. Komplizierend kann eine Prostatitis bzw. Epididymitis hinzukommen.Bei der Frau verlaufen Infektionen oft symptomlos bzw. als Urethral-oder Dysuriesyndrom, mehr durch Unpässlichkeit denn als richtige Krankheit gekennzeichnet. Daraus kann eine Adnexitis bis zum Tuboovarialabszess entstehen. Ausgehend von ersterer kann sich eine Perihepatitis (Fitz-Hugh-Curtis-Syndrom) entwickeln mit entsprechender Oberbauchsymptomatik. Als Folge der Adnexitis kann es durch Verwachsungen zum Tubenverschluss mit Sterilität bzw. zur Extrauteringravidität kommen. Nach perinataler Infektion kann es zur typischen Chlamydienerkrankung des Neugeborenen kommen, der sog. Einschluss(körperchen)konjunktivitis. Die entsprechende Erkrankung des Erwachsenen (Schwimmbadkonjunktivitis) ist heute viel seltener (Chlordesinfektion der Schwimmbäder).Bei schwer Immunsupprimierten ist eine C.-trachomatis-Pneumonie möglich.Als Komplikation nach einer C.-trachomatis-Infektion gilt eine reaktive Arthritis bei bevorzugter Betroffenheit von HLA-B27-Trägern. Therapie Chemotherapie bei Erwachsenen mit Tetrazyklinen oder Chinolonen (evtl. Partnerbehandlung!), bei Kindern mit Makroliden. Synonym: Rickettsiosen Definition Rickettsia species sind kokkoide gramnegative Stäbchenbakterien. Die bis vor kurzem auch hierzu gerechneten Coxiella species werden aufgrund neuer molekulargenetischer Untersuchungen heute mit den Legionellen in einer eigenen Ordnung geführt. Dies gilt auch für die Ehrlichia species, die mit 2 anderen Gattungen die Familie Anaplasmatacea bilden, und deren Zellwand kein Lipopolysaccharid und Peptitglykan, sondern Cholesterin enthält. Alle haben einen obligat intrazellulären Lebenszyklus und werden mit Ausnahme von Coxiella bumetii durch Arthropoden übertragen. Diagnostik PCR-Verfahren und serologische Tests. An mögliche Doppelinfektionen denken (Borreliose, FSME; Zecken!). Therapie Tetrazykline, vor allem Doxycyclin, und Rifampicin. Bartonellen sind gramnegative pleomorphe Stäbchenbakterien, die früher z. T. als Gattung Rochalimaea in der Familie Rickettsiaceae geführt wurden. Sie werden heute in einer eigenständigen Familie (Bartonellaceae) als Gattung Bartonella eingeordnet. Im Gegensatz zu den klassischen Rickettsien (s. o.) können sie auf Spezialmedien in etwa 1 Woche kulturell angezüchtet werden. Die Pathogenese von Bartonella-Infektionen ist noch weitgehend unbekannt. Eine seltene, aber gefährliche Manifestation ist die Neuroretinitis mit akutem mono-oder bilateralem Visusverlust mit Papillitis, retinaler Vaskulitis und/oder Makulaödem. Eine weitere wichtige Manifestation ist die bazilläre Angiomatose mit Sepsis, die nur bei Immundefekten (HIV!) auftritt. Charakteristisch sind generalisierte Gefäßproliferationen an Haut und Schleimhäuten, kombiniert mit septischen Zuständen.Eine seltene Manifestation ist die bazilläre Peliosis, gekennzeichnet durch zystische, mit Blut gefüllte Läsionen in Leber und Milz.Diagnostik Mikrobiologisch durch mikroskopischen und kulturellen Erregernachweis im Spezialverfahren. Wichtiger sind Immunfluoreszenz-und ELISA-Verfahren und auch die PCR.Therapie Tetrazykline und Makrolide. Impfindikationen und -empfehlungen hängen von folgenden Zielen ab:• Ausrottung eines Erregers (z. B. Pocken, aktuell: Poliomyelitis (WHO))• Herdenimmunität: Manche Erreger können in einer Bevölkerung nicht mehr epidemisch auftreten, wenn ein bestimmter Mindestanteil der Bevölkerung ausreichend immun ist.• Individualschutz. Die Impfpolitik eines Landes hängt von den epidemiologischen Verhältnissen, der Verfügbarkeit von Impfstoffen und der Impfstrategie ab. In Deutschland gibt es von der Ständigen Impfkommission (STIKO) öffentliche Empfehlungen, d.h. Definitionen von Regel-oder Standardimpfungen. Eine gesetzliche Impfpflicht besteht hier nicht. Allgemein empfohlene Standardimpfungen sollen nach einem von der STIKO jährlich aktualisierten Impfplan bereits im frühen Säuglingsalter (ab dem vollendeten 2. Lebensmonat; › Tab. 13 Für Aktualisierungen siehe auch www.rki.de * Abstände zwischen den Impfungen mindestens 4 Wochen; Abstand zwischen vorletzter und letzter Impfung mindestens 6 Monate ** Generelle Impfung gegen Pneumokokken für Säuglinge und Kleinkinder bis zum vollendeten 2. Lebensjahr mit einem Pneumokokken-Konjugatimpfstoff; Standardimpfung für Personen ≥ 60 mit Polysaccharid-Impfstoff und Wiederimpfung im Abstand von 6 Jahren *** Mindestabstand zwischen den Impfungen 4 Wochen **** Jährlich mit dem von der WHO empfohlenen aktuellen Impfstoff ***** Jeweils 10 Jahre nach der letzten vorangegangenen Dosis Meningokokken (Serogruppe C). Bei Erwachsenen sind Auffrischimpfungen gegen Tetanus und Diphtherie in Abständen von 10 Jahren vorgesehen. Für alle Erwachsenen nach vollendetem 60. Lebensjahr wird eine Standardimpfung gegen Influenza und Pneumokokken empfohlen, aber selten umgesetzt. Für Personen ohne individuelles Risiko, wird in Deutschland z. B. bei Reisen in Länder mit endemischem Auftreten der Poliomyelitis eine routinemäßige Auffrischung der Poliomyelitisimpfung nach dem 18. Lebensjahr nicht mehr empfohlen.Bei den nach § 20 Abs. 3 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) öffentlich empfohlenen Impfungen ist eine Kostenübernahme durch die Krankenkassen nicht automatisch gegeben, jedoch werden die Kosten für diese Schutzimpfungen in der Regel nach Verhandlungen über die Umsetzung der STIKO-Empfehlungen von den verschiedenen Kostenträgern übernommen (Kassenleistungen nach § 23 Abs. 9 SGB V). Bei anerkanntem Impfschaden nach einer "öffentlich empfohlenen" Impfung werden die Kosten zur Entschädigung und Versorgung durch die Bundesländer übernommen.Neben den Standardimpfungen (Regelimpfungen) und den zugehörigen Auffrischimpfungen gibt es Indikationsimpfungen für Risikogruppen (z. B. bei bestimmten Grunderkrankungen, individuell erhöhtem Expositions-bzw. beruflich erhöhtem Risiko). Wichtig ist die Kenntnis der Indikationen für Reiseimpfungen (z. B. Cholera, FSME, Gelbfieber, Hepatitiden A und B, Influenza, Meningokokken, Tollwut, Typhus). Die in den STIKO-Empfehlungen mit R gekennzeichneten Reiseimpfungen werden nicht von den Krankenkassen übernommen. Indikationen Bei den Regelimpfungen ist die Indikation generell gestellt. Indikationsimpfungen erfolgen zum Individualschutz prä-oder postexpositionell. Als Domäne der postexpositionellen Impfung wird üblicherweise die passive Immunisierung Empfänglicher (nicht Immuner) angesehen, z. B. Standardimmunglobulingabe nach Masernexposition bei Schwangeren, oder Hyperimmunglobulingabe nach Varizellen-Exposition bei Immunsupprimierten oder Schwangeren. Postexpositionelle aktive Impfungen (Inkubationsimpfungen) bei Immungesunden sind möglich und werden allein (z. B. Masern, Hepatitis A) oder als kombinierte Aktiv-/Passivimmunisierungen praktiziert (z. B. Tollwut, Hepatitis B, Tetanus, ggf. Hepatitis A). Die verbreitete Furcht vor Inkubationsimpfungen hat ihre Wurzeln weniger in der Immunologie als in der Sorge um Schadenersatzansprüche bei trotz Impfung schwer verlaufender bzw. nicht vermeidbarer Erkrankung. Impfabstände Zeitliche Abstände zwischen Impfungen mit Totimpfstoffen sind nicht erforderlich. Lebendimpfungen müssen simultan oder mit 4-wöchigem Abstand verabreicht werden. Die Empfehlungen zu zeitlichen Abständen zwischen Auffrischimpfungen sind sinnvolle Richtschnur für individuelle Impfentscheidungen. Eine begonnene, aber nicht vollständig durchgeführte Grundimmunisierung kann jederzeit fortgeführt und muss nicht von neuem begonnen werden ("Jede Impfung zählt."). Zur konkreten Planung und Verschreibung von Impfungen siehe Produktinformationen der Hersteller und gültige Rote Liste (› Tab. 13 Impfstoffe Sinnvoll und anzustreben sind polyvalente Extrakt-Impfstoffe, die gereinigte Kapselpolysaccharide von möglichst vielen infektionsrelevanten Kapseltypen enthalten (› Tab. 13.46). So gibt es eine Polysaccharidvakzine aus 23 verschiedenen Polysaccharidantigenen der ca. 90 bekannten Pneumokokkentypen. Polysaccharid-Impfstoffe führen jedoch bei Kindern < 2 Jahren zu keiner ausreichenden Immunantwort. Zur Bekämpfung schwerer systemischer Pneumokokkeninfektionen war daher die Entwicklung von Pneumokokken-Protein-Konjugat-Vakzinen ein großer Fortschritt, da mit einer bei diesen Konjugaten gegebenen T-Zell-abhängigen Immunisierung auch Säuglinge effektiv gegen Pneumokokken geschützt werden können. Indikationen Nach eindeutigen Erfolgen in den USA wurde ein 7-valenter Pneumokokken-Konjugat-Impfstoff in Deutschland zunächst für die höchstgefährdeten Frühgeborenen zugelassen. Im Juli 2006 wurde dieser erstmals als Standard für alle Kinder < 2 Jahren empfohlen (› Tab. 13.44). Die Verabrei-chung des Pneumokokken-Polysaccharid-Impfstoffes (Immunantwort T-Zell-unabhängig) an Personen > 60 Jahre ist seit Jahren Standard. Im Sinne einer Indikationsimpfung sollte bei Kindern und Erwachsenen mit erhöhter Morbidität und Mortalität durch Pneumokokken eine Immunisierung durchgeführt werden. Besonders gefährdet sind Patienten mit folgenden Grunderkrankungen: 1. angeborene oder erworbene Immundefekte mit T-und/ oder B-zellulärer Restfunktion: -Hypogammaglobulinämie, Komplementdefekte -Asplenie oder nach Splenektomie -Krankheiten der blutbildenden Organe -Zustand nach Organtransplantation -Sichelzellenanämie -HIV-Infektion -neoplastische Erkrankungen. 2. chronische Krankheiten:-Herz-Kreislauf-Krankheiten -Krankheiten der Atmungsorgane -Diabetes mellitus und andere Stoffwechselkrankheiten -chronische Nierenkrankheiten -neurologische Krankheiten -Liquorfistel. Durchführen der Impfung Säuglinge sollen die Pneumokokken-Konjugat-Impfung parallel zu den anderen Standardimpfungen nach vollendetem 2., 3. und 4. Lebensmonat ebenso wie die 4. Impfung ab vollendetem 11. Lebensmonat erhalten. Bei ca. 90% der vollständig immunisierten Kinder in den USA lag eine schützende Immunantwort gegen alle 7 verabreichten Serotypen vor. Auch in Europa ist trotz der epidemiologischen Verbreitung unterschiedlicher Serotypen ein erheblicher Rückgang von invasiven Pneumokokken-Infektionen durch die generelle Einführung der Konjugatvakzine zu erwarten. Nebenwirkungen Insgesamt gute Verträglichkeit der Konjugat-Impfung, bisher keine berichteten bleibenden Schäden. Vereinzelt wurden Fieberkrämpfe infolge eines raschen Temperaturanstieges beobachtet. Lokale Schmerzen an der Injektionsstelle wurden von ca. 20% der Geimpften beklagt. Der Polysaccharidimpfstoff gegen Pneumokokken ist wegen seiner zum Teil erheblichen lokalen Nebenwirkungen (Schmerzen, Schwellung) vor allem bei Auffrischimpfungen in zu kurzen Intervallen bekannt, gilt aber als effektiv und sicher. Impfstoff Von den in Deutschland relevanten Serogruppen A, B und C können nur A und C durch einen Impfstoff erfasst werden. Eine Impfstoffentwicklung gegen die häufigste Serogruppe B war wegen einer Strukturähnlichkeit des Kapselpolysaccharids mit der N-Acetyl-Neuraminsäure in Gehirnzellen und dadurch bedingter Immuntoleranz bisher nicht erfolgreich (› Kap. 13.9.3). Jedoch wurde in den letzten Jahren u. a. in Großbritannien ein Meningokokken-Konjugat-Impfstoff gegen die Serogruppe C erprobt und so eine deutliche Reduktion schwerer Meningokokken-Typ-C-Infektionen erzielt. Indikationen Die STIKO hat im Juli 2006 erstmals die Impfung aller Kinder zu Beginn des 2. Lebensjahres mit einer einmaligen Meningokokken-Typ-C-Konjugat-Gabe empfohlen. Die Umsetzung in der pädiatrischen Praxis und der erhoffte epidemiologische Erfolg mit Verminderung der lebensbedrohlichen Meningokokken-Infektionen sind kritisch zu verfolgen. Indikation zur Meningokokkenimpfung gegen die Serogruppen A, C, W135 und Y mit einem quadrivalenten Polysaccharidimpfstoff besteht bei:• besonderer gesundheitlicher Gefährdung (angeborene oder erworbene Immundefekte mit T-und/oder B-zellulärer Restfunktion, z. B. Komplementdefekte, Hypogammaglobulinämie, Asplenie)• gefährdetem Laborpersonal • Reisen in Endemiegebiete (Entwicklungshelfer, medizinisches Personal, Pilger). Nebenwirkungen Insgesamt gute Verträglichkeit, gelegentlich Lokalreaktionen, selten Fieber. Impfstoff Der Impfstoff (Kühlkettenversand!) wird in embryonierten Hühnereiern hergestellt und enthält daher Hühnereiweiß (Cave: Hühnereiweißallergie!). Indikationen Die Indikationsimpfung ist von einigen afrikanischen Ländern für Reisen in Endemiegebiete vorgeschrieben. Für Reisende nach Asien, die aus Endemiegebieten einreisen wollen, besteht ebenfalls Impf-oder Quarantänezwang. Die Hinweise der WHO zu Gelbfieber-Infektionsgebieten sind zu beachten.Die Gelbfieberimpfung darf nur in von den Gesundheitsbehörden zugelassenen Gelbfieber-Impfstellen durchgeführt werden. Die Impfung von Kindern < 6 Monaten gilt als kontraindiziert. Schwangere dürfen, besonders im 1. Trimenon nur bei strenger Indikationsstellung geimpft werden. Eine Allergie gegen Hühnereiweiß stellt eine Kontraindikation dar, evtl. kann bei Verdacht darauf durch die intrakutane Gabe von 0,1 ml des Lebendimpfstoffes vorgetestet werden. Der Impfschutz ist hervorragend (100%) und hält wahrscheinlich lebenslang an. Das internationale Impfzertifikat ist jedoch nur 10 Jahre gültig, d.h., bei Reisen in entsprechende Länder ist eine Wiederimpfung nach 10 Jahren nötig, um den rechtlichen Vorschriften zu genügen.Neben der Bekämpfung der Vektoren (Insekten) ist die Impfung der einzige Schutz vor Gelbfieberepidemien und urbanem Gelbfieber. Nebenwirkungen Sehr gute Verträglichkeit, gelegentlich lokale Rötungen, vereinzelt kurzfristige grippeähnliche Symptome am 4.-6. Tag nach der Impfung. Impfstoff Die derzeit in Deutschland zugelassenen Impfstoffe zur oralen oder parenteralen Applikation vermitteln eine Schutzrate von 60-90% (kein Schutz gegen Paratyphusinfektionen) für 1-3 Jahre. Indikationen• Reisen in Endemiegebiete • beruflicher Umgang mit Infizierten oder dem Erreger.Kontraindikationen Diese sind für den oralen Lebendimpfstoff gegeben bei:• Darminfektionen zum Zeitpunkt der Impfung • Antibiotikaeinnahmen vor dem 3. Tag nach Beendigung der Impfung • Kindern im 1. Lebenshalbjahr (Kapsel).Geimpfte scheiden für einige Tage den Impfstamm aus. Die gleichzeitige Einnahme von Malariaprophylaxe, Antibiotika oder Laxanzien kann den Impfschutz beeinträchtigen. Nebenwirkungen Ausgezeichnete Verträglichkeit, gelegentlich leichte gastrointestinale Beschwerden oder Kopf-und Gliederschmerzen nach den Einnahmen. • Reisen (Entwicklungshelfer) in Endemiegebiete, Die Indikation sollte von Fall zu Fall, je nach Art der Reise, gestellt werden.• bei Choleraepidemien.Durchführen der Impfung Die derzeit in Deutschland zugelassene Impfung erfolgt subkutan mit altersabhängiger Dosis in Form von 2 Impfungen im Abstand von 1-2 Wochen. Bei fortbestehender Exposition erfolgen Auffrischimpfungen im Abstand von 3-6 Monaten. Dauer und Schutzwirkung der zugelassenen Choleraimpfung sind begrenzt: Der Schutz beträgt 40-80% für nur ca. 3 Monate. Daher wurde sie von der WHO aus den internationalen Gesundheitsvorschriften im Reiseverkehr herausgenommen.Nebenwirkungen Heftige lokale Beschwerden (Rötung, Schwellung, Schmerzhaftigkeit) sind häufig, systemische Reaktionen mit Fieber, Kopfschmerzen, gastrointestinalen Beschwerden selten. Die Indikationen ergeben sich aus Reiseziel, aktuellen epidemiologischen Bedingungen und hygienischen Verhältnissen. Für die Zeitplanung ist entscheidend, ob Lebendimpfungen und evtl. nachzuholende Grundimmunisierungen oder Auffrischimpfungen nötig sind (› Tab. 13.49).Man kann und soll bei vielen Grundimmunisierungen und genug Zeit bei der Reiseplanung die Injektionstermine der Totimpfstoffe entflechten. Die 3. Injektion der Grundimmunisierung z. B. gegen Hepatitis B kann nach der Rückkehr oder im Reiseland erfolgen.