key: cord-023844-3flfngu0 authors: Mülhardt, Cornel title: Was bitte ist denn »Molekularbiologie«? date: 2013 journal: Der Experimentator Molekularbiologie/Genomics DOI: 10.1007/978-3-642-34636-1_1 sha: doc_id: 23844 cord_uid: 3flfngu0 In diesen Zeiten Molekularbiologie zu betreiben ist aufregend. Es bedeutet »Gentechnik« und »Klonieren« und hat etwas Göttliches. Beim einen Teil der Bevölkerung wird man, wenn man verrät, womit man seinen lieben langen Arbeitstag verbringt, grenzenlose Bewunderung hervorrufen, beim anderen grenzenlose Ablehnung – man sollte sich daher genauestens überlegen, mit wem man es gerade zu tun hat, bevor man den Mund aufmacht. Am besten, man erwähnt keiner der Gruppen gegenüber, mit wieviel Problemen und Frust man in Wahrheit täglich kämpft, weil der erste Teil dann desillusioniert wäre und der zweite, vielleicht zurecht, unweigerlich die Frage stellen würde: »Wozu machst du das dann überhaupt?« 1 Die Faust-Zitate sind der dtv-Gesamtausgabe von 1966 (3. Aufl.) entnommen, die auf der »Gedenkausgabe der Werke, Briefe und Gespräche« des Artemis-Verlags beruht. von mehr oder weniger spektakulären Berichten im Fernsehen hat jeder seine eigenen, zumeist weit übertriebenen Heils-oder Unheilsvorstellungen zu diesem Thema. Die Realität nimmt sich dagegen ziemlich niederschmetternd aus. Der Molekularbiologe, auch Molli genannt, hantiert die meiste Zeit mit winzigen Mengen zumeist klarer, farbloser Lösungen -keine Spur vom wildgewordenen Forscher, wie man ihn aus den Filmen kennt, der inmitten von wabernden, dampfenden, knallbunten Flüssigkeiten steht und dabei offensichtlich viel Spaß hat. Der Molli feilt an Molekülen herum, von deren Existenz ihn viele Lehrbücher zu überzeugen versuchen, obwohl er in der Praxis von ihnen kaum je mehr als einen fluoreszierenden Fleck im Agarosegel zu sehen bekommt. Irgendwie scheint jeder Arbeitsgang drei Tage zu dauern, und weit und breit winkt kein Nobelpreis. Molekularbiologie ist vor allem Voodoo -mal klappt alles, meist klappt nix. Über den Ausgang eines Experiments scheinen recht seltsame Parameter zu entscheiden, die eigentlich selbst zum Gegenstand der Forschung gemacht werden sollten -das letzte große Tabu der Wissenschaft. Ich persönlich bin aufgrund von empirischen Daten zu der Überzeugung gekommen, dass man den Ausgang eines Experiments aus dem Quotienten aus Luftdruck und der verbleibenden Anzahl von Schmierblättern in der Schublade, potenziert mit dem Biorhythmus-Index von Omas Hund ermitteln kann. Bis es mir gelungen ist, dies experimentell zu belegen, werde ich mich allerdings auf die klassischen Erklärungsschemata beschränken müssen, mit denen dieses Gewerbe zugegebenermaßen schon recht weit gekommen ist. Fangen wir an. Die Natur -wen immer man sich darunter vorstellen mag -hat aus einer seltsamen Laune heraus die Eigenschaften von Nucleinsäuren optimal genutzt, um daraus eine verwirrende Vielfalt von Leben zu schaffen, und das geht so: Weil sich die Basen paaren, kann man zu einer einzelsträngigen DNA einen komplementären Strang synthetisieren, zu dem man ebenfalls wieder einen komplementären Strang synthetisieren kann, der mit dem ersten Strang identisch ist. Auf diese Weise kann DNA beliebig vermehrt werden, unter Wahrung der Reihenfolge ihrer Basen. Der Vorgang wird von speziellen Enzymen, sogenannten DNA-Polymerasen, ausgeführt und als Replikation bezeichnet. Weil sich RNA und DNA chemisch so ähnlich sind, kann man von einem DNA-Strang auch ein (komplementäres) RNA-Molekül synthetisieren. Erledigt wird das von RNA-Polymerasen und der Vorgang heißt Transkription. Dank bezeichnet, und jeweils einen Bereich am 5'-und am 3'-Ende der RNA, die als nicht-codierende Bereiche (untranslated region oder UTR) bezeichnet werden und deren Funktion erst in den nächsten Jahren verstanden werden wird. Außerdem besitzt die RNA an ihrem 5'-Ende ein methyliertes G-Nucleotid (5'-Cap) und am 3'-Ende einen Poly-A + -Schwanz, das ist eine Sequenz von 100-250 Adenosinen, 3 die nicht auf der DNA codiert sind und ein Signal darstellt, das so viel bedeutet wie 1 . Abb. 1.2 Das Eukaryotengen und seine Bestimmung. Das Gen besteht aus einem regulatorischen Bereich mit Enhancern (Enh) und Promotor (Prom) und einem transkribierten Bereich, der in RNA übersetzt wird. Die heterogene Kern-RNA (hnRNA) ist eine 1 : 1-Kopie der DNA mit einem Poly-A + -Schwanz (AAA) und enthält noch Exons (E) und Introns (I), doch noch im Zellkern werden die Introns durch den Spleißosom-Komplex herausgeschnitten, auf diese Weise entsteht die Boten-RNA (mRNA). Nur das offene Leseraster (ORF) der mRNA wird in Protein translatiert, während die nichttranslatierten Bereiche (UTRs) am 5'-und am 3'-Ende teils für die Stabilität der RNA, teils für ihre Lokalisation, teils für gar nichts verantwortlich sind »Hallo, ich bin eine messenger RNA 4 ich codiere für ein Protein« (. Abb. 1.2). All diese Bereiche sind, wohlgemerkt, imaginär, man sieht einer DNA-Sequenz nicht an, ob sie aus dem Exon eines Gens stammt oder eine der vielen Abfallsequenzen ist, zumindest im Augenblick noch nicht. Vielleicht ändert sich das eines Tages, zumindest arbeiten gegenwärtig viele schlaue Leute daran, genau diesen Zustand zu ändern. Mal sehen, ob sie erfolgreich sein werden, sie würden uns allen viel Arbeit ersparen und den Molekularbiologen überflüssig machen. So viel in allerkürzester Kürze zu den Grundlagen von Molli-World. Darüber hinaus hat der Experimentator auch noch mit einer Handvoll Proteinen zu tun, mit denen er seine Nucleinsäuren bearbeitet -Polymerasen, Restriktionsenzyme, Kinasen, Phosphatasen usw. -und von denen er nicht so recht versteht, wie sie funktionieren, was im Grunde auch nicht notwendig ist, solange sie funktionieren. Sollte das nicht der Fall sein, bestellt er meistens einfach neue, weshalb es sich erübrigt, hier genauer auf sie einzugehen. Einen Arbeitsplatz in einem Labor mit einer Genehmigung für gentechnische Versuche, drei Pipetten, mit denen man Volumina zwischen 0,5 und 1000 μl pipettieren kann, der Rest ist Luxus. Hat man zumindest den Eindruck. Man sollte seine Erwartungen nicht zu hoch schrauben, die meisten Arbeitsgruppen haben hohe Ansprüche und eine geringe Ausstattung. Schon einen Schreibplatz bekommt man häufig nicht, oder man muss ihn sich mit jemandem teilen. Der Rest ist entsprechend, so dass man nehmen sollte, was man bekommen kann, um dann zu versuchen, das Beste daraus zu machen. Man braucht jede Menge Flaschen für seine Puffer, Messzylinder und Glaspipetten, Zentrifugen und Chemikalien, Kühl-, Gefrier-und Tiefgefrierschränke, PCR-Maschinen und Waagen -sprich: Wer noch kein Profi auf dem Gebiet ist, sollte besser die Finger davon lassen, ein Labor etablieren zu wollen, wenn er nicht ein Jahr seines Lebens verlieren möchte. Wie sollte der eigene Arbeitsplatz aussehen? Naja, im Prinzip sieht's natürlich jeder gerne, wenn der Arbeitsplatz ordentlich ist, denn Ordnung ist das halbe Leben. Meint Lieschen Müller. Eine andere Überlegung allerdings besagt, dass ein chaotischer Arbeitsplatz, an dem sich kein Mitarbeiter befindet, wenigstens so aussieht, als würde daran gearbeitet, während eine glänzende, gähnend leere Fläche kaum einen Chef davon überzeugen dürfte, dass man einen großen Arbeitseifer an den Tag legt. Grundsätzlich kann man Labormenschen in Chaoten und Pingelmänner einteilen. Finden Sie selbst heraus, wozu Sie gehören. Beides ist genetisch festgelegt und nur in Maßen zu beeinflussen, verschwenden Sie daher nicht Ihre Zeit damit, Ihren Kollegen ändern zu wollen, es klappt eh nicht. Lernen Sie, mit der Situation zu leben -was nicht heißt, dass man sich alles gefallen lassen müsste. Manche Kollegen neigen beispielsweise dazu, sich ausgiebig der Lösungen anderer Leute zu bedienen, weil sie zu faul sind, selber welche anzusetzen, so dass man regelmäßig in der größten Versuchshektik vor einer leeren Pufferflasche steht. Ein beliebtes Gegenmittel ist das Umetikettieren von Flaschen nach dem Motto »Wo Tris draufsteht, ist garantiert kein Tris drin«, nicht legal, aber wirkungsvoll, solange der Kollege das System nicht kennt, nach dem umetikettiert wurde. Diese Methode eignet sich allerdings bestenfalls als Notbremse für extrem uneinsichtige Zeitgenossen, weil es auch das Ver-hältnis zu den anderen Kollegen nicht verbessert, außerdem hat man sein eigenes System spätestens nach dem Urlaub vergessen . . . Wie sollte man arbeiten? Viele pflegen mit großer Überzeugung das Prinzip des kreativen Chaos. Das geht solange gut, bis man in seinem Kühlschrankfach fünf Ständer mit Tubes vorfindet, die man in den letzten drei Wochen akkumuliert hat und die alle mit 1 bis 24 durchnummeriert sind. Man sollte sich daher von Anfang an ein gewisses System bei seiner Arbeit angewöhnen, damit man in den »heißen« Phasen zumindest mit scharfem Überlegen noch nachvollziehen kann, was man gemacht hat. Auch sollte man sich mit einer einigermaßen sauberen Arbeitsweise anfreunden. Nucleinsäuren sind recht stabile Moleküle, die nur eines fürchten: Nucleasen. Leider sind Nucleasen ein bisschen überall, angefangen bei unseren Fingern. Wer schlampig arbeitet, findet sich bald mit einer Plasmid-DNA-Präparation wieder, die aus vielen kleinen DNA-Stückelchen besteht, mit denen er nichts mehr anfangen kann. Daher autoklaviert man üblicherweise alles, womit die DNA in Berührung kommen könnte: Pipettenspitzen, Reaktionsgefäße, Glasflaschen, Lösungen . . . Vieles davon kann man sich sparen, wenn man erst einmal gelernt hat, sauber (d. h. nucleasefrei) zu arbeiten. Beispielsweise sind die Plastikreaktionsgefäße bei Lieferung praktisch immer nucleasefrei, selbst wenn's nicht draufsteht, und müssen nicht unbedingt autoklaviert werden, wenn es einem gelingt, sie aus der Tüte zu kippen, ohne sie anzufassen. Doch damit sollte man erst anfangen, wenn man sich einigermaßen sicher fühlt bei dem, was man macht. Die Nagelprobe ist der Umgang mit Bakterienmedium: Wem es gelingt, eine Woche lang ein und dieselbe Flasche mit LB-Medium zu benutzen, ohne dass sich darin Bakterien oder Hefen breit machen, der hat's gelernt. Bedenken Sie aber in jedem Fall, dass auch die ausgeprägteste Autoklavierwut verlorene Liebesmüh ist, wenn Sie anschließend beispielsweise mit Ihren schmutzigen Fingerlein im Glas mit den sterilen Eppendorf-Tubes herumwühlen! Eine andere Sache, die man sich angewöhnen sollte, ist das Führen eines Laborbuches. Erstens braucht man es, um den Überblick zu wahren, 1 zweitens ist es Vorschrift. Niemals länger als eine Woche mit dem Nachtragen warten, weil man bis dahin schon die Hälfte der Details vergessen hat. Am besten ist es, diese Arbeit jeweils am Ende eines langen erfolgreichen Arbeitstages, vielleicht bei einem Tässchen Kaffee, zu erledigen und sich gleichzeitig in Ruhe zu überlegen, was man am nächsten Tag tun will oder muss -ich bin mir allerdings dessen bewusst, dass dieser Vorschlag so realistisch ist wie der Wunsch, ab morgen mögen alle Menschen gut sein. Im molekularbiologischen Labor hat man es mit einer ganzen Reihe von Sicherheitsverordnungen zu tun. Viele davon haben mit Biologie nicht viel zu tun. So gelten beispielsweise dieselben Richtlinien wie in chemischen Labors, die sich vor allem mit den Fragen sicheren Arbeitens und des Unfallschutzes beschäftigen. Sie verbieten beispielsweise Essen, Trinken und Rauchen im Labor und verpflichten zum Tragen eines Labormantels, von festen, geschlossenen, trittsicheren Schuhen (d. h. keine Sandalen, keine Stöckelschuhe usw.) und einer Schutzbrille (jawohl, den ganzen Tag lang). Im Gegensatz zu früher reicht eine normale Brille übrigens nicht mehr, angeblich soll stattdessen der Arbeitgeber verpflichtet sein, eine Sicherheitsbrille mit Korrekturgläsern zur Verfügung zu stellen. Man darf sich zwar nicht wundern, wenn solche Anweisungen von Leuten, die den lieben langen Tag Kleinstmengen von Salz-und Proteinlösungen von einem Plastikgefäß ins andere pipettieren, zumeist ignoriert werden, trotzdem ist natürlich jeder angehalten, sich danach zu richten. Beim Umgang mit gefährlichen Substanzen sind außerdem Handschuhe zu tragen -einerseits zum Schutz der eigenen Fingerchen, aber auch zum Schutz der Mitmenschen. Es reicht daher nicht, Handschuhe anzuziehen, wenn man beispielsweise mit Ethidiumbromid arbeitet, man muss sie auch wieder ausziehen, wenn man nicht mehr damit arbeitet, um nicht an Türklinken, Telefonhörern und Wasserhähnen hauchdünne Giftfilme zu hinterlassen. A propos Handschuhe: Man kann nicht ohne sie sein, aber mit ihnen ist es auch nicht leicht. Am untauglichsten sind im Labor Vinylhandschuhesie sind schwierig anzuziehen, passen schlecht und bekommen leicht Löcher. Wesentlich besser sind Latexhandschuhe, die es in verschiedenen Größen und Stärken gibt. Sie liegen wie eine zweite Haut an, sind aber leider allergen, vor allem die gepuderte Variante, von der man entschieden abraten muss, weil sich im Laufe der Monate und Jahre bei den meisten Leuten Hautprobleme einstellen. Hat man erst einmal eine satte Latexallergie, kann sogar das Puder von den Handschuhen des Nachbarn zum Problem werden. Die neueste Entwicklung sind Nitrilhandschuhe, die nicht ganz so elastisch wie Latex und auch ein wenig teurer sind, aber dafür das geringste Allergierisiko beinhalten. Die zweite Gruppe von Sicherheitsverordnungen betrifft den Umgang mit radioaktiven Substanzen. Deren Handhabung ist grundsätzlich verboten, es sei denn, das Institut besitzt eine Genehmigung für den Umgang. Das Vorhandensein einer Genehmigung bedeutet aber nicht, dass man einfach loslegen könnte. Der Weg führt zwangsläufig über den Strahlenschutzbeauftragten, der Ihnen dann im Detail erklären wird, mit welchem Radionuclid und welchen Mengen gearbeitet werden darf, in welchen Räumen und unter Einhaltung welcher Sicherheitsmaßnahmen. Die biologische Sicherheit schließlich wird über die Gentechnik-Sicherheitsverordnung (Gen-TSV) 5 geregelt. Die legt fest, dass die Verantwortung beim Projektleiter liegt, das gilt einerseits für den administrativen Teil und andererseits auch für die Einweisung und Beaufsichtigung der Beschäftigten. Projektleiter kann nur werden, wer ein abgeschlossenes (naturwissenschaftliches oder medizinisches) Hochschulstudium und mindestens drei Jahre Tätigkeit auf dem Gebiet der Gentechnik vorzuweisen hat, außerdem muss er eine Fortbildungsveranstaltung zu den Themen gentechnisches Arbeiten, Sicherheitsmaßnahmen und Rechtsvorschriften besucht haben. Den Risikogruppen sind entsprechende Sicherheitsstufen zugeordnet, die vorschreiben, in welchen Räumlichkeiten die jeweiligen Experimente durchgeführt werden dürfen. So muss ein Labor der Sicherheitsstufe 1 vier Wände, eine Decke, Fenster und wenigstens eine Tür besitzen, wobei Letztere geschlossen zu halten ist. Es darf keine Abstellkammer sein (»Die Arbeiten sollen in abgegrenzten und in ausreichend großen Räumen bzw. Bereichen durchgeführt werden«) und ist als Gentechnik-Arbeitsbereich zu kennzeichnen. Die Liste der absonderlich wirkenden Vorschriften ist noch erheblich länger, so muss das Labor ein Waschbecken besitzen, an dem man sich feierabends die Hände wäscht, nachdem man zuvor den Raum aufgeräumt und das Ungeziefer bekämpft hat. Andere Anordnungen sind dagegen schon aus anderen Verordnungen bekannt. So muss man einen Laborkittel tragen und darf nicht mit dem Mund pipettieren. Interessanterweise sind Essen, Trinken, Rauchen und Schminken zwar verboten, das Aufbewahren von Nahrungs-und Genussmit-teln sowie Kosmetika jedoch gestattet, sofern sie »mit gentechnisch veränderten Organismen nicht in Berührung kommen«. Ernsthafter wird es in Labors der Sicherheitsstufe 2. Schon optisch, weil diese mit einem Warnzeichen Biogefährdung zu kennzeichnen sind, beim Waschbecken ein Desinfektionsmittel stehen soll und neben den Türen nun auch die Fenster geschlossen sein müssen. Es dürfen keine Aerosole freigesetzt werden, die Arbeitsflächen sind zu desinfizieren und alles, was mit gentechnisch veränderten Organismen (GVOs) in Kontakt kommt, muss autoklaviert bzw. desinfiziert werden. Außerdem soll der Betreiber Schutzkleidung bereitstellen. Betreten darf solche Labors nur, wer dazu ausdrücklich befugt ist. Bei Labors der Sicherheitsstufe 3 braucht man die Fenster nicht geschlossen zu halten, weil die Verordnung vorsieht, dass man sie gar nicht öffnen kann (bzw. können darf). Man kann ein solches Labor nur über eine Schleuse betreten, in der man dann eine geeignete Schutzkleidung anlegen muss, außerdem muss dort ein Autoklav stehen, das Labor muss unter Unterdruck stehen und man darf dort nicht alleine arbeiten. Ein Labor der Stufe 4 schließlich gleicht im Großen und Ganzen einem Bunker, in dem sich als Astronauten verkleidete Lebensmüde tummeln. Die Liste der vorgeschriebenen Sicherheitsmaßnahmen ist mit zwei Seiten immerhin doppelt so lang wie bei den anderen Sicherheitsstufen und nimmt einem die Lust am Arbeiten. Weltweit ist die Zahl der S4-Laboratorien mit ca. dreißig noch ziemlich überschaubar, allerdings ist die Tendenz eindeutig steigend. Bestes Beispiel dafür ist Deutschland: Gab es hier bis vor wenigen Jahren noch gar kein S4-Labor, hat 2007 das erste in Marburg (Philipps-Universität) seine Pforten geöffnet, 7 ein zweites ist 2008 in Hamburg (Bernhard-Nocht-Institut) in Betrieb gegangen und auf der Insel Riems (Friedrich-Loeffler-Institut) sowie in Berlin (Robert-Koch-Institut) ist jeweils eines im Bau. Auch die Entsorgung biologischer Abfälle und Abwasser wird durch die Gentechnik-Sicherheitsverordnung geregelt. Sie kann bei Anlagen der Sicherheitsstufe 1 ohne Vorbehandlung erfolgen, sofern keine Vermehrung bzw. Infektionsgefahr zu erwarten ist. Erst ab Sicherheitsstufe 2 müssen solche Hinterlassenschaften zwingend inaktiviert bzw. autoklaviert werden. Ungeachtet dieser großzügigen Regelung sollte man es sich in jedem Fall zur Gewohnheit machen, Bakterienkulturen, Schalen aus der Zellkultur, DNA-und bakterienverschmutzte Pipettenspitzen und ähnliche Nebenprodukte produktiven Schaffens vor dem Entsorgen zu autoklavieren, um sich nicht irgendwann von irgendjemandem liederliches Arbeiten vorwerfen lassen zu müssen. Dies entspricht auch den Regeln der Good Laboratory Practice (GLP), wie sie durch die Organization for economic co-operation and development (OECD) festgelegt worden sind. Dieses Werk regelt auch ganz andere Bereiche des Laborlebens (beispielsweise wie man seine Versuche dokumentiert) und wird auch in Deutschland als Richtlinie für das ordentliche Arbeiten im Labor angesehen. Wer sich für GLP interessiert, kann sich übers Internet informieren (beispielsweise unter 7 http://www.oecd.org/ -suchen Sie dort nach GLP). Auch zum Thema Gentechnik und Sicherheit kann man sich übers Internet schlauer machen. Das Robert-Koch-Institut, sozusagen Deutschlands höchste Instanz auf diesem Gebiet, veröffentlicht im Internet nützliche Informationen wie beispielsweise die Liste der durch die ZKBS bewerteten Organismen und Vektoren oder allgemeine Stellungnahmen der ZKBS zu gentechnikrelevanten Themen und vieles andere mehr (siehe 7 http:// www.rki.de unter dem Stichwort Gentechnik). Oder man wende sich an den örtlichen Beauftragten für die Biologische Sicherheit. Disinfection, sterilization and preservation. Lea & Febinger Bresch C, Hausmann R (1972) Klassische und molekulare Genetik, 3. Auflage. Springer Verlag Flemming DO et al. (Hrsg.) (1995): Laboratory safety. Principles and practices The Foundations of Laboratory Safety