key: cord-022177-j0qcjbxg authors: Markl, Jürgen; Sadava, David; Hillis, David M.; Heller, H. Craig; Hacker, Sally D. title: Genome date: 2018-10-12 journal: Purves Biologie DOI: 10.1007/978-3-662-58172-8_17 sha: doc_id: 22177 cord_uid: j0qcjbxg Canis lupus familiaris, der Haushund, wurde vor rund 15.000 Jahren von den Menschen domestiziert. Obwohl es viele verschiedene Varianten von Wölfen gibt, ähneln sich diese ziemlich stark, doch das trifft auf den „besten Freund des Menschen“ nicht zu. Die Fédération Cynologique Internationale (FCI), weltweit größter Dachverband der Hundezüchter, erkennt über 300 Hunderassen an. Genetiker gehen von rund 100 echten Hunderassen aus, der Rest seien Varietäten. Hunderassen sehen nicht nur recht unterschiedlich aus, sondern sie unterscheiden sich auch stark in ihrer Körpergröße. So wiegt beispielsweise ein durchschnittlicher Chihuahua nur 1,5 kg, während ein Schottischer Jagdhund 70 kg auf die Waage bringt. Kein anderes Säugetier zeigt eine so starke phänotypische Variabilität. Außerdem gibt es Hunderte von genetisch bedingten Krankheiten bei Hunden, und für viele davon findet sich auch ein Gegenstück bei Menschen. Das Hundegenomprojekt begann in den späten 1990er-Jahren, um herauszufinden, welche Gene für die genetische Variabilität verantwortlich sind und welche Zusammenhänge zwischen Genen und Krankheiten bestehen. Wie nicht anders zu erwarten, gründeten einige Wissenschaftler Firmen, um anhand der DNA Hunde auf genetische Varianten zu testen und dadurch besorgten Hundehaltern die "Reinheit der Rasse" bestätigen zu können. In ähnlicher Weise wurde das Genom von Hauskatzen, Wildkatzen und verschiedenen Großkatzenarten sequenziert. Vergleiche dieser Tiergenome tragen dazu bei, die Evolutionsgeschichte der verschiedenen Säugerlinien zu ermitteln und auch Gene zu identifizieren, die für Krankheiten und Merkmalsformen verantwortlich sind, wie sie bei den verschiedenen Spezies der Säuger vorkommen. Solche Untersuchungen beschränken sich natürlich nicht nur auf Säuger, sondern es gibt Genomprojekte quer durchs Tierreich, und auch bei Pflanzen, Pilzen, vielen anderen Eukaryoten sowie zahlreichen Prokaryoten. Welche Erkenntnisse haben wir durch die Sequenzierung der Genome von Tieren gewonnen? In "Experiment: Vergleichende Analyse des Tigergenoms" in 7 Abschn. 17.1 und in 7 "Faszination Forschung" am Ende dieses Kapitels finden Sie Antworten auf diese Frage. Bei der Genomsequenzierung wird die Nucleotidsequenz des gesamten Genoms eines Lebewesens bestimmt. Bei einem Prokaryoten, der ein einziges Chromosom besitzt, ist die Genomsequenz eine durchgehende Abfolge von Basenpaaren (bp). Bei einer diploiden, sich sexuell fortpflanzenden Spezies mit mehreren Autosomen und einem Paar von Geschlechtschromosomen (7 Abschn. 12.4) bezieht sich der Begriff "sequenziertes Genom" normalerweise auf die Sequenz aller Basen in einem haploiden Autosomensatz und den beiden Geschlechtschromosomen (beim Menschen also 22 C 2, beim Hund 38 C 2). Genome werden in Form kurzer Fragmente sequenziert, die mithilfe von Überlappungen einander zugeordnet werden. In der funktionellen Genomik nutzt man die Sequenzinformationen, um die Funktionen der verschiedenen Teile des Genoms zu bestimmen. In der vergleichenden Genomik werden die Genomsequenzen verschiedener Organismen verglichen. Mit den technischen Fortschritten bei der DNA-Sequenzierung kam es zu einer explosionsartigen Zunahme an genetischer Information, die Wissenschaftler auf verschiedene Weise nutzen können. Man kann die Genome verschiedener Spezies vergleichen, um herauszufinden, wie sie sich auf DNA-Ebene unterscheiden. Diese Informationen können dann genutzt werden, um evolutionäre Beziehungen nachzuvollziehen. Man kann die Sequenzen von Individuen innerhalb einer Spezies vergleichen, um Mutationen zu ermitteln, die bestimmte Phänotypen hervorrufen. Mithilfe der Sequenzinformationen lassen sich Gene für bestimmte Merkmalsformen identifizieren, etwa Gene, die mit Krankheiten zusammenhängen. Man kann die DNA-Sequenz proteincodierender Gene auffinden und daraus die Aminosäuresequenz der betreffenden Proteine ableiten, sofern diese noch unbekannt ist. Die Möglichkeit, das gesamte Genom eines komplexen Organismus zu sequenzieren, wurde vor 1986 gar nicht in Betracht gezogen. Der Nobelpreisträger Renato Dulbecco und andere Wissenschaftler schlugen damals jedoch vor, dass die wissenschaftliche Gemeinschaft weltweit mobilisiert werden sollte, um die Sequenzierung des gesamten menschlichen Genoms in Angriff zu nehmen. Ein Beweggrund war, dass man bei Menschen, die die Atombombenwürfe im Zweiten Weltkrieg in Japan überlebt hatten und der Strahlung ausgesetzt gewesen waren, etwaige DNA-Schäden untersuchen wollte. Um aber Veränderungen im menschlichen Genom feststellen zu können, musste erst einmal dessen Sequenz bekannt sein. So wurde das mit öffentlichen Geldern finanzierte Humangenomprojekt ins Leben gerufen, ein gewaltiges Vorhaben, das aber bereits 2003 erfolgreich abgeschlossen werden konnteerheblich früher als erwartet. Diese Bemühungen wurden von privat finanzierten Gruppen unterstützt und ergänzt. Das Projekt profitierte von der Entwicklung vieler neuer und bahnbrechender Methoden, die zuerst bei der Sequenzierung kleinerer Genome angewendet wurden -von Prokaryoten und einfach gebauten Eukaryoten, etwa von den Modellorganismen, denen Sie in vorangegangenen Kapiteln dieses Buches bereits begegnet sind. Viele dieser Methoden sind heute weit verbreitet, darunter ganz neue Methoden speziell für die Genomsequenzierung. Die methodischen Entwicklungen auf diesem Sektor gehen ständig weiter. Diese Verfahren werden ergänzt durch neuartige Methoden, um die phänotypische Vielfalt der Proteine und der Stoffwechselprodukte in einer Zelle zu untersuchen. Eine Grundvoraussetzung war und ist die dramatische Weiterentwicklung der Computerhard-und -software, um die riesigen anfallenden Datenmengen bewältigen zu können. Viele Prokaryoten besitzen ein einziges Chromosom, während es bei Eukaryoten viele Chromosomen sind. Aufgrund ihrer unterschiedlichen Größe lassen sich die Chromosomen einfach voneinander trennen. Das direkteste Verfahren scheint zu sein, bei der Sequenzierung eines Chromosoms an einem Ende zu beginnen und einfach das gesamte DNA-Molekül Nucleotid für Nucleotid zu sequenzieren. Die Aufgabe wird dadurch etwas vereinfacht, dass nur einer der beiden Stränge sequenziert werden muss, denn der andere ist dazu ja komplementär. Betrachten Sie die Sequenz 5 0 : : : AAGCTCA: : : 3 0 ; dann muss der andere Strang so aussehen: 3 0 : : : TTCGAGT: : : 5 0 : Doch ist die Sequenzierung eines DNA-Moleküls, das Millionen von Basenpaaren lang ist, von einem Ende zum anderen, selbst mit den heutigen Methoden nicht möglich und auch gar nicht erforderlich. Mit dieser Strategie können höchstens einige Tausend Basenpaare auf einmal sequenziert werden. Um eine Genomsequenz bestimmen zu können, muss der mehrere Zentimeter lange DNA-Faden eines Chromosoms in viele kurze DNA-Fragmente zerlegt werden, und dann sequenziert man Tausende solcher Fragmente gleichzeitig. In den 1970er-Jahren erfanden Frederick Sanger und seine Mitarbeiter eine Methode, mit der sich DNA durch Verwendung chemisch veränderter Nucleotide sequenzieren lässt. Diese Nucleotide waren ursprünglich entwickelt worden, um die Zellteilung bei Krebszellen anzuhalten. Dieses Verfahren (beziehungsweise eine Variante davon) diente dazu, die erste Genomsequenz des Menschen und mehrerer Modellorganismen zu bestimmen. Die Methode ist jedoch nach heutigem Maßstab relativ langsam, teuer und arbeitsintensiv. In der ersten Dekade des neuen Jahrtausends wurden schnellere und preisgünstigere Methoden entwickelt, die man häufig unter dem Begriff Hochdurchsatzsequenzierung zusammenfasst. Bei diesen Verfahren nutzt man eine miniaturisierte Technik, die ursprünglich für die Elektronikindustrie entwickelt wurde, sowie die Mechanismen der DNA-Replikation, häufig in Kombination mit der Polymerasekettenreaktion (PCR). Die PCR lässt sich automatisieren; sie ist eine wichtige Methode für die Sequenzierung geringer DNA-Mengen. Einzelheiten über die PCR finden Sie in 7 Abschn. 13.5. Die Methoden der Hochdurchsatzsequenzierung, auch zusammengefasst unter dem Begriff Next-Generation-Sequencing (NGS), werden rasch immer weiter verbessert. Eine der vielen Herangehensweisen soll hier skizziert werden und ist in 7 Abb. 17.1 dargestellt. Zuerst werden die DNA-Fragmente für die Sequenzierung präpariert, indem man sie an einen festen Träger bindet und die DNA durch PCR amplifiziert (7 Abb. 17.1a): universelle Adaptersequenz Immer schneller werden neue Genomsequenzen veröffentlicht, was eine riesige Menge an Daten liefert. Diese Informationen werden in zwei verwandten Forschungsgebieten genutzt, die sich beide mit der Untersuchung von Genomen beschäftigen. In der funktionellen Genomik verwenden Biologen Sequenzinformationen, um die Funktionen der verschiedenen Teile eines Genoms zu erkennen (etwa die bedeutsamen Regionen, die mRNAs oder tRNAs codieren, sowie regulatorische Sequenzen, 7 Abschn. 14.4): offene Leseraster, das heißt proteincodierende Regionen der Gene: Bei proteincodierenden Genen erkennt man diese Bereiche an den Start-und Stoppcodons für die Translation und an Consensussequenzen, welche die Positionen der Introns anzeigen, Ein wichtiges Ziel der funktionellen Genomik besteht darin, in allen Genomen die Funktion aller offenen Leseraster zu bestimmen. Originalliteratur: Cho YS et al. (2013) Nature Commun 4: 1-7 Panthera tigris (der Tiger) ist der größte Vertreter aller Katzenartigen und gehört zu den bekanntesten gefährdeten Tierarten. Es gibt nur noch rund 4000 freilebende Exemplare. Vor über einem Jahrhundert waren neun genetisch unterschiedliche Unterarten bekannt, von denen vier bereits ausgestorben sind. Zu den fünf verbliebenen Unterarten gehören etwa der Bengalische Tiger (Königstiger), der öfter in Zoos zu sehen ist, und der Sibirische Tiger (Amurtiger), der in den schneereichen Regionen von Russland, China und Nordkorea lebt. Die Genome anderer Katzenarten, beispielsweise von Löwe, Schneeleopard und Hauskatze, waren bereits sequenziert worden, das des Tigers allerdings noch nicht. Durch die Sequenzierung der Genome von Großkatzen lässt sich zeigen, dass die phänotypische Variabilität, die bei Katzen festzustellen ist, auf genetische Varianten zurückzuführen ist. Exon/Intron-Muster von Genen, um etwas über die Evolution und Rolle der Introns und modulartiger Proteindomänen zu erfahren Aminosäuresequenzen von Proteinen, da sich diese durch Anwendung des genetischen Codes (7 Abb. 14.5) aus den DNA-Sequenzen von offenen Leserastern herleiten lassen regulatorische Sequenzen, zum Beispiel Promotoren, Enhancer und Terminatoren für die Transkription: Diese werden aufgrund ihrer Nähe zu offenen Leserastern identifiziert und auch weil sie Erkennungssequenzen für die Bindung spezifischer Transkriptionsfaktoren enthalten. RNA-Gene, etwa für rRNA, tRNA und kleine nucleäre RNA (snRNA) und mikroRNA andere nichtcodierende Sequenzen, die verschiedenen Kategorien zugeordnet werden können, beispielsweise Centromer-oder Telomerregionen, Transposons und weitere Sequenzwiederholungen Sequenzinformationen werden auch in der vergleichenden Genomik genutzt, also für den Vergleich eines neu sequenzierten Genoms (oder von Teilen daraus) mit den Sequenzen von anderen Organismen. Das Hundegenomprojekt, das in der Einleitung zu diesem Kapitel (7 "Faszination Forschung: Das Hundegenomprojekt") beschrieben wird, hat beispielsweise nicht nur Erkenntnisse über Hunde geliefert, sondern auch darüber, inwieweit das Hundegenom mit den Genomen anderer Tiere verwandt ist. Durch Genomvergleiche lassen sich zusätzliche Informationen über die Funktionen von Sequenzen ableiten, und man kann insbesondere zwischen verschiedenen Spezies evolutionäre Beziehungen ableiten. Jedes Genom, das sequenziert wird, kann neue Erkenntnisse liefern. In 7 "Experiment: Vergleichende Analyse des Tigergenoms" ist die vor Kurzem erfolgte Sequenzierung des Tigergenoms dargestellt und auch wie dieses Genom mit dem Genom anderer Katzenarten und dem des Menschen verwandt ist. Bei der Sequenzierung von Genomen werden Chromosomen in Fragmente zerlegt, dann die Fragmente sequenziert und schließlich in der richtigen Reihenfolge zu durchgängigen Sequenzen in vollständigen Chromosomen angeordnet. Die heutigen Sequenzierverfahren sind automatisiert und erfordern leistungsfähige Computer. Bei diesen Methoden verwendet man markierte Nucleotide, die an den Enden der wachsenden Nucleinsäureketten nachgewiesen werden. Wenn man die Genome von Prokaryoten und Eukaryoten vergleicht, drängt sich eine interessante Schlussfolgerung auf: Bestimmte Gene sind universell, also bei allen Lebewesen vorhanden. Es ist nicht erstaunlich, dass dies unter anderem Gene betrifft, deren Produkte an der Replikation, der Transkription und der Proteinsynthese beteiligt sind. Es gibt auch einige (fast) universelle Gensegmente, die in vielen Genen zahlreicher Organismen vorkommen, beispielsweise die Sequenz, die eine ATP-Bindungsstelle in einem Protein codiert. Diese Befunde deuten darauf hin, dass es einen uralten minimalen Satz von DNA-Sequenzen gibt, ein Minimalgenom, das allen Zellen gemeinsam ist. Ein mögliches Verfahren, um diese Gene zu identifizieren, besteht darin, sie computergestützt durch eine vergleichende Analyse sequenzierter Genome zu suchen. Bei einer anderen Methode, das Minimalgenom zu ermitteln, geht man von einem Organismus mit einem möglichst einfachen Genom aus, mutiert gezielt ein Gen nach dem anderen und beobachtet jedes Mal, was geschieht. Mycoplasma genitalium besitzt eines der kleinsten Genome -es enthält nur 482 proteincodierende Gene. Selbst hier sind unter bestimmten Voraussetzungen einige Gene verzichtbar. Wenn das Bakterium beispielsweise Gene für die Metabolisierung von Glucose und Fructose besitzt, kann es im Labor auch auf einem Medium überleben, das nur einen dieser beiden Zucker enthält. Was ist mit den übrigen Genen? Mithilfe von Transposons, die als Mutagene dienen, hat eine Arbeitsgruppe unter der Leitung von Craig Venter experimentell versucht, diese Frage zu beantworten. Werden die Transposons in dem Bakterium aktiviert, fügen sie sich zufällig in Gene ein und bewirken so eine Mutation und Inaktivierung des betroffenen Gens (7 "Experiment: Bestimmung des Minimalgenoms durch Mutagenese mithilfe von Transposons"). Die mutierten Bakterien werden auf Wachstum und Überlebensfähigkeit getestet. Die DNA von interessanten Mutanten wird sequenziert, um herauszufinden, welche Gene Transposons enthalten. Das erstaunliche Ergebnis dieser Untersuchungen zeigt, dass M. genitalium im Labor mit einem Minimalgenom von 382 funktionsfähigen Genen überleben kann. Bei der Hefe besteht das Minimalgenom aus nur 10 % der 5000 proteincodierenden Gene, bei dem Nematoden Caenorhabditis elegans ist es ein ähnlicher Anteil. Ein Ziel dieser Untersuchungen besteht darin, für bestimmte Anwendungen neue Lebensformen zu entwickeln, beispielsweise Bakterien, die eine Ölpest beseitigen. Im nächsten Kapitel lernen Sie diese Methodik, die man als synthetische Genetik bezeichnet, genauer kennen. Mithilfe der DNA-Sequenzierung kann man die Genome von Prokaryoten untersuchen, von denen viele für den Menschen und bestimmte Ökosysteme von Bedeutung sind. Die funktionelle Genomik bestimmt anhand der Gensequenzen die Funktionen der Genprodukte. Die vergleichende Genomik vergleicht Gensequenzen von verschiedenen Organismen, um ihre Funktionen und ihre evolutionären Verwandtschaftsbeziehungen zu bestimmen. Transponierbare Elemente, zu denen auch zusammengesetzte Transposons gehören, bewegen sich im Genom von einer Stelle zur anderen. Untersuchungen des Minimalgenoms könnten es ermöglichen, künstliche Spezies zu erzeugen. Sie sollten . . . die charakteristischen Merkmale von prokaryotischen Genomen beschreiben können. experimentelle Ansätze entwickeln können, um Fragen der Metagenomik anzugehen. die Mechanismen zusammenfassen können, durch die sich transponierbare Elemente im Genom bewegen können. Originalliteratur: Hutchison C et al. (1999) Mycoplasma genitalium besitzt eines der kleinsten bekannten Genome der Prokaryoten. Aber sind all dessen Gene zum Leben unentbehrlich? Indem man Gene nacheinander inaktiviert hat, ließ sich nun ermitteln, welche für das Überleben der Zelle unbedingt notwendig sind. Bei Bakterien reicht für das Überleben der Zelle ein essenzielles Minimalgenom. Die meisten Erkenntnisse über eukaryotische Genome hat man mithilfe von Modellorganismen gewonnen, die umfassend untersucht wurden: die Bierhefe Saccharomyces cerevisiae, der Nematode (Fadenwurm) Caenorhabditis elegans und die Taufliege Drosophila melanogaster, und repräsentativ für Blütenpflanzen die Ackerschmalwand Arabidopsis thaliana. Diese Modellorganismen wurden ausgewählt, weil sie sich im Labor relativ einfach vermehren und untersuchen lassen, ihre Genetik gut bekannt ist und sie Merkmale besitzen, die für eine größere Gruppe von Organismen repräsentativ ist. (Als spezielle Wirbeltiermodelle sind vor allem der Zebrafisch Danio rerio, der Krallenfrosch Xenopus laevis und die Labormaus Mus musculus in Gebrauch, für die Untersuchung von Befruchtungsvorgängen auch noch der Seeigel Psammechinus miliaris.) Die Bierhefe: das eukaryotische Grundmodell Hefen sind einzellige Eukaryoten und gehören zu den Pilzen. Typisch für Eukaryoten besitzen sie membranumhüllte Organellen wie den Zellkern oder das endoplasmatische Reticulum, und in ihrem Zellzyklus wechseln haploide und diploide Generationen einander ab (7 Abb. 11.14). Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass die einzellige Hefe ein größeres Genom mit mehr proteincodierenden Genen besitzt als ein einzelliges Bakterium (7 Tab. 17.2). Untersuchungen zur Geninaktivierung (ähnlich wie mit M. genitalium, 7 Abb. 17.5) haben ergeben, dass bei der Hefe weniger als 10 % der Gene für das Überleben unverzichtbar sind. Der auffälligste Unterschied zwischen dem Hefegenom und dem Genom von E. coli betrifft jedoch die Anzahl der Gene, die für die zielgerichtete Verteilung der Proteine auf die Organellen zuständig sind (7 Tab. 17.3). Beide einzelligen Organismen nutzen offenbar dieselbe Anzahl von Genen, um die Grundfunktionen des Überlebens der Zelle aufrechtzuerhalten. Die meisten der zusätzlichen Gene sind für die Kompartimentierung der eukaryotischen Hefezelle in Organellen erforderlich. Dieser Befund spiegelt im Genotyp wider, was im Phänotyp offensichtlich ist: Die Eucyte ist weitaus komplexer als die Procyte. Zwischen den Mitgliedern der Genfamilie liegt nichtcodierende Spacer-DNA. Chromosom 11 Abb. 17.8 Die Familie der Globingene. Die '-Globinund "-Globin-Cluster der menschlichen Globingenfamilie liegen auf verschiedenen Chromosomen. Die Gene jedes Clusters sind durch nichtcodierende Spacer-DNA getrennt. Die funktionslosen Pseudogene sind mit dem griechischen Buchstaben psi ( §) gekennzeichnet. Von den "-Genen gibt es die beiden Varianten A " und G " Eukaryotische Genome enthalten eine große Zahl DNA-Sequenzwiederholungen, die keine Proteine oder Peptide codieren. Sie befinden sich auch normalerweise nicht innerhalb von proteincodierenden Genen, die nur einen geringen Prozentsatz der gesamten DNA ausmachen. Sie umfassen hochrepetitive Sequenzen, mäßig repetitive Sequenzen und Transposons. Abb. 17.9 Eine mäßig repetitive DNA-Sequenz codiert rRNA. a Dieses rRNA-Gen kommt einschließlich der nichttranskribierten Spacer-Region im menschlichen Genom 280-mal vor, wobei sich auf fünf Chromosomen Cluster befinden. b Diese elektronenmikroskopische Aufnahme (TEM) zeigt die Transkription von multiplen rRNA-Genen Mäßig repetitive Sequenzen Mäßig repetitive Sequenzen wiederholen sich im eukaryotischen Genom zehn-bis 1000mal. Zu diesen Sequenzen gehören auch die Gene, die für die Produktion von tRNAs und rRNAs transkribiert werden, die an der Proteinsynthese beteiligt sind. Die Zelle synthetisiert ständig tRNAs und rRNAs, aber selbst bei der maximalen Transkriptionsrate würden Einzelkopien der tRNA-und rRNA-Gene nicht ausreichen, um die von den meisten Zellen benötigten großen Mengen dieser Moleküle zur Verfügung zu stellen. Deshalb enthält das Genom mehrere bis viele Kopien dieser Gene. Bei den Säugern enthält das Ribosom vier verschiedene rRNA-Moleküle: die 18S-, 5,8S-, 28S-und 5S-rRNA. (Das S bedeutet Svedberg-Einheit oder Sedimentationskoeffizient, ein in einer Ultrazentrifuge ermitteltes Größenmaß.) Die 18S-, die 5,8Sund die 28S-RNA werden gemeinsam als einzelnes RNA-Vorläufermolekül transkribiert (7 Abb. 17.9). In mehreren posttranskriptionellen Schritten wird das Vorläufermolekül in die drei endgültigen rRNA-Produkte geschnitten und die nichtcodierende Spacer-RNA wird entfernt (vom englischen spacer für "Abstandhalter"). Die DNA-Sequenz, die diese rRNAs co-diert, ist beim Menschen mäßig repetitiv: Insgesamt liegen 280 Kopien der Sequenz in Clustern auf fünf verschiedenen Chromosomen. Frage zu 7 Abb. 17.9: Gibt es Ähnlichkeiten zwischen dem Vorgang, der hier in der Fotografie dargestellt ist, und dem Vorgang der Translation mit Polysomen (7 Abb. 14.15)? Außer den rRNA-Genen handelt es sich bei den meisten mäßig repetitiven Sequenzen um Transposons, die sich wie die Transposons der Prokaryoten (siehe oben) durch das Genom bewegen können. Transposons machen etwa 40 % des menschlichen Genoms aus und etwa 50 % des Maisgenoms, wobei der Anteil bei vielen anderen untersuchten Eukaryoten mit 3-10 % deutlich kleiner ist. In 7 Tab. 17.6 sind die wichtigsten Typen von Transposons bei den Eukaryoten zusammengestellt. Die Retrotransposons umfassen drei Gruppen, entsprechend der Art der repetitiven Sequenzen, die sie enthalten: lange endständige Wiederholun- Die Genome der Eukaryoten enthalten deutlich mehr Gene als die der Prokaryoten. Manche dieser "zusätzlichen" Gene codieren Funktionen, die mit der Kompartimentierung der eukaryotischen Zellen zusammenhängen, andere sind für die Vielzelligkeit erforderlich. Die Genomsequenzen von Modellorganismen wurden verglichen, um gemeinsame Merkmale eukaryotischer Genome zu finden, etwa die große Menge an regulatorischen Sequenzen, Sequenzwiederholungen und nichtcodierender DNA. Einige Gene der Eukaryoten bilden Genfamilien, zu denen auch Gene gehören können, die mutiert und funktionslos sind. Seit zu Beginn des ersten Jahrzehnts dieses Jahrtausends die Sequenzen des ersten menschlichen Genoms vollständig ermittelt sind, wurden die Genome vieler weiterer Personen sequenziert Teil V und veröffentlicht. Aufgrund der schnellen Entwicklung der Methoden kann man, wie oben erwähnt, inzwischen ein menschliches Genom für weniger als 1000 C sequenzieren lassen. Am menschlichen Genom und seinen Genen werden die Eigenschaften komplexer eukaryotischer Genome deutlich. Mithilfe der Vergleiche von Haplotypen bei Personen, die von einer bestimmten genetisch bedingten Krankheit betroffen oder nicht betroffen sind, lassen sich Loci bestimmen, die mit der Krankheit assoziiert sind. Die Pharmakogenomik untersucht, wie ein individuelles Genom die Reaktionen auf Medikamente oder andere äußere Faktoren beeinflusst. Im Folgenden sind einige interessante Erkenntnisse aufgeführt, die man über das menschliche Genom gewonnen hat: Abb. 17.13 Proteomik. Ein einziges Gen kann mehrere Proteine codieren Zur Erinnerung: In 7 Abschn. 16.5 wurde besprochen, dass von einem Gen durch alternatives Spleißen verschiedene mRNAs erzeugt werden können. Dadurch entsteht aus einem einzigen Gen eine Familie verschiedener Proteine mit unterschiedlichen Funktionen. Bekanntermaßen können Proteine auch in posttranslationalen Reaktionen modifiziert werden, etwa durch Proteolyse, Glykosylierung und Phosphorylierung (7 Abschn. 14.1, "Experiment: Testen der Signalsequenz"). Das Proteom wird vor allem mithilfe der Massenspektrometrie analysiert. Bei diesem Verfahren dienen Elektromagnete dazu, zuvor mittels Laser ionisierte Proteine aufgrund ihrer Masse (bzw. der Massen ihrer proteolytisch erzeugten Fragmente) zu identifizieren. Ein anderes Standardverfahren der Proteomik ist die elektrophoretische Auftrennung von Proteinen in zweidimensionalen Polyacrylamidgelen. Das letztendliche Ziel der Proteomik ist mindestens so anspruchsvoll wie das der Genomik. Während die Genomik dazu dient, Genome und ihre Expression zu beschreiben, will man mit der Proteomik alle zu bestimmten Zeitpunkten exprimierten Proteine identifizieren und charakterisieren. Wie Vergleiche der Proteome des Menschen und anderer eukaryotischer Organismen gezeigt haben, gibt es einen gemeinsamen Satz Proteine, die sich in Verwandtschaftsgruppen mit ähnlichen Aminosäuresequenzen und Funktionen einteilen lassen. Wenn man die Organismen als Ganzes betrachtet, stimmen 46 % des Hefeproteoms, 43 % des Fadenwurmproteoms und 61 % des Fliegenproteoms mit dem menschlichen Proteom überein. Laut Funktionsanalysen ermöglicht dieser Satz von 1300 Proteinen die grundlegenden Stoffwechselfunktionen einer eukaryotischen Zelle, beispielsweise Glykolyse, Citratzyklus, Membrantransport, Proteinsynthese, DNA-Replikation Synapsenfutter: Wenden Sie an, was Sie gelernt haben Aufgrund der nun bekannten Wirkung von Myostatin auf die Muskelentwicklung hat man Überlegungen angestellt, ob sich beim Menschen Myostatin nicht künstlich beeinflussen lässt, um Muskelschwunderkrankungen wie die Muskeldystrophie zu behandeln. Sie können sich sicher auch vorstellen, dass Athleten, die gerne größere Muskeln hätten, an diesem Gen und seinem Proteinprodukt sehr interessiert sind. Nur wenige wissenschaftliche Projekte haben so viel Begeisterung und Hoffnung geweckt wie die Genomsequenzierung. Zurzeit ist man sehr bestrebt, die Genome von so vielen Tumoren und bei so vielen Menschen wie möglich zu sequenzieren, um sie nach Mutationen zu durchsuchen. Als man festgestellt hat, dass das BRCA1-Gen bei Brustkrebs mutiert ist (7 Kap. 15