Microsoft Word - ene126BF.rtf Further Section Psychiat Neurol 1966;151:126–128 Libri Martin Reichardt: Schadelinnenraum, Hirn und Korper. Ein Beitrag zur Hirn-pathologie und Konstitutionspathologie. Gustav Fischer, Stuttgart 1965. 523 S., Preis: DM72.-. Martin Reichardt legt in diesem umfangreichen Buch, das Konrad Rieger ge-widmet und dessen Vorwort am 91.Geburtstag des Verfassers geschrieben ist, eine iiberaus umfassende und sehr genaue Darstellung seines Lebenswerkes vor. Es sind dies die wahrend fast 40 Jahren, seit 1904, von ibm an der Wiirzburger Psychiatri-schen Klinik durchgefuhrten messenden Untersuchungen an mehr als 700 Gehirnen und Schadeln seeliscb kranker und 31 hirngesunder Menschen. Damit ist ein der jiingeren Generation nicb.t mehr gegenwartiges Material in iibersichtlicher Weise zuganglich gemacht und kommenden Forschern, die die be-handelten Probleme wieder aufgreifen wollen, der Weg geebnet. Dieses Material ist einzigartig, da die MeBmethode, mit der Reichardt seinerzeit die Hirnschwellung entdeckt hat, nirgends mit dieser Konsequenz durehgeftihrt worden ist. Es offnet sich hier ein sonst nicht durchforschtes Gebiet, auf dem die meisten Fragen noch kaum beantwortet sind. Weitere Untersuchungen derselben Art und in groBerem Stil konnen damit angeregt werden, die besonderen Erfolg versprechen, wenn sie kombiniert mit mikroskopischen und chemischen Hirnuntersuchungen durchge-fuhrt sind. Das Werk gliedert sich in zwolf groBe Kapitel, deren beide ersten den Schadelinnenraum und die KorpergroBe sowie das Hirngewicht zum Inhalt haben. Sie bieten die Grundlage zu Reichardts Methode, was sich kurz folgendermaBen aus-driicken lafit: Das Hirngewicht besagt nur etwas bei Kenntnis des zugehorigen Schadelvo-lumens. Dessen GroBe wiederum wird bestimmt, von dem AusmaB des Hirnwachs-tums. Da das Hirnwachstum aber abhangig ist von der KorpergroBe, ist der indivi-duelle Schadelinnenraum in zahlenmafiige Yerbindung zum Gesamtorganismus zu bringen, wenn man ihn zur KorpergroBe in Beziehung setzt. Durch die beiden Zah-len: Schadelvolumen zu Hirngewicht sowie: Schadelvolumen zu KorpergroBe erhalt man feste Werte, die aufeinander bezogen und unter normalen und abnormen Ver-haltnissen verglichen werden konnen. Die Ergebnisse solcher Untersuchungen an dem vorliegenden Material sind nun in dem Buch nach vielen Richtungen kritisch und scharfsinnig analysiert worden. Ebenso werden die Fragestellungen, die sich daraus ergeben, eingehend erwogen. Einzelheiten dariiber miissen in dem Werk selbst nachgelesen werden. Die gemessenen Werte sind in 90 Tabellen, ubersichtlich nach verschiedenen Gesichts-punkten geordnet, jeweils den einzelnen Kapiteln beigegeben. Aus der Einleitung sei erwahnt eine Tabelle mit Ubersicht fiber die Verhaltniszahlen von Hirn und Schadelinnenraum der Gesamtfalle nach klinischer Diagnose geordnet, wobei sich fur gewisse Krankheitsgruppen Unterschiede ergeben. Im zweiten Kapitel sind von besonderem Interesse die vergleichenden Tabellen der prozentualen Differenz von Gehirn- und Schadelvolumen nach dem Lebensalter geordnet fur Schizophrene, Katatone und katatoniforme organische Hirnerkrankungen. Das dritte Kapitel bringt Schilderungen der Hirnventrikel nach ihrer Weite und ihren Formverande-rungen bei den einzelnen Krankheiten, wobei sich interessante Fragestellungen er- Libri 127 geben. Derartige Beobachtungen und Messungen sind moglich gewesen, weil der grbBte Teil der Gehirne auf Frontalsclmitten fotografisch festgehalten ist. Kapitel 4 berichtet iiber verkleinertes und vergroBertes Hirn- und Schadelwaehstum sowie fiber Hydrocephalic Hier gibt es nicht selten relativ zu Heine Gehirne und solche, die leicht zu groB gewachsen sind, als KonstitutionsanomaKen. Isoliert ist ahnliches auch am Kleinhim zu finden, dessen GroBen- und Wachstumsdifferenzen das um-fangreiche siebente Kapitel gewidmet ist. Die Kapitel 5, 6 und 8 besprechen die meBbaren Hirnzustande nach heftigen Hirnsymptomen vor dem Tod, bei sympto-matischen Psychosen und bei plbtzlichem Tod aus zerebraler Ursache. Kapitel 9 bringt die Flfissigkeitsverhaltnisse im Schadel bei der Sektion zur Sprache, Kapitel 10 die Quellungsfahigkeit der Hirnsubstanz in Formol mit ihren individuell er-heblichen Unterschieden. Auf fast 50 Seiten belehrt das Kapitel 11 fiber die Ver-schiedenheiten des spezifischen Gewichtes und des Volumens des Schadeldaches bei einzelnen Hirnkrankheiten und bei den beiden Geschlechtern sowie fiber die Ver-haltnisse der Schadelnahte und der Impressiones digitatae. Kapitel 12 endlich bringt verschiedene Erganzungen und eine Darstellung der Untersuchungsmetho-dik. Das Bueh ist keine leichte Lektfire. Es bietet reiche Tatsachen und Zahlen, die freilich oft noch nicht ohne weiteres deutbar sind. Wiederholt wird eingehend auf die an sich einfache Methodik hingewiesen, wobei immer wieder die Notwendig-keit genauester Durchfuhrung betont ist. Der Verfasser bemerkt selbst dazn, man moge sich durch die langweiligen und langatmigen Schilderungen nicht abschrecken lassen. Die Hauptsache sei, mit eigener Initiative vorzugehen und sich selbst durch praktische Betatigung einzuarbeiten. Alles in allem stellt das Werk eine imponierende Leistung des Verfassers dar. Es zeugt von Scharfsinn, Konsequenz und Arbeitsenergie, wie sie selten einem Manne von 91 Jahren gewahrt sind. E. Grfinthal (Waldau-Bern) Sigmund Freud — Karl Abraham: Briefe 1907—1926. S.Fischer, Frankfurt a.M. 1965. 371 S., brosch. Preis: DM 14.80/sFr. 17.30 Die Lektfire dieser Briefe ist schon wegen des gepflegten Stiles und des hohen kulturellen Niveaus der Autoren ein GenuB. Vor allem aber ist der Briefwechsel eine ganz besonders wertvolle zeitgenossische Quelle, welche fiber die Anfange, die Entwicklung, die Widerstande von auBen her und die Kampfe innerhalb der psycho-analytischen Bewegung AufschluB gibt. Zugleich gewahrt sie einen Einblick in die private Lebenssphare, die familiaren Freuden und Sorgen des groBen Meisters und eines seiner ersten, wertvollsten und vertrautesten Mitarbeiters und Freundes, der selber bis zu seinem frfihen Tode durch zahlreiche Arbeiten befruchtend auf die psycho analytischen Erkenntnisse eingewirkt hat. Im Gegensatz zu Freud, der manchmal allzu vertrauensselig war, dachte Abraham, obwohl erffillt von unent-wegtem Optimismus, viel realistischer. Ihm ist es - wie aus dem Briefwechsel ge-schlossen werden kann — weitgehend zu verdanken, daB die psychoanalytische Bewegung die Sturme nach der Sezession von C.G. Jung und die Wirren der Nach-kriegszeit uberstanden und sich schlieBHch siegreich durchgesetzt hat. Einiges wfirde man jetzt rfickblickend wohl etwas anders beurteilen. Zum Beispiel muB 128 Libri uns die Forderung durch Eugen Bleuler, der es trotz der einmutigen Ablehnung und Verhohnung der Bewegung durch die ziinftigen Wissenschaftler wagte, sich mit Psychoanalyse zu befassen, mit Bewunderung erfullen, auch wenn er von Anfang an nicht immer mit Freud einig ging und mit der Zeit immer kritischer und ambivalenter wurde. — Wie sehr Freud es selber empfand, daB seine Theorie vom "Wesen und Aufbau der Libido nicht gesichertes Wissen, sondern nur ein Vor-stellungsbild ist, das sich mit der Erweiterung unserer Erkenntnisse stets wandeln wird, hat er selber in einem Brief vom 4.3.24 bekannt, in welchem er schreibt: «...Was wurde fur ein Unheil geschehen? (Namlich wenn gewisse Modifikationen der Technik und der Theorie vorgenommen werden.) Man konnte mit der groBten Gemiitsruhe unter demselben Dach zusammenleben und nach einigen Jahren Arbeit wiirde es sich herausstellen, ob die einen einen wertvollen Fund iibertrieben oder die andern ihn unterschatzt haben.» Der Briefwechsel Freud-Abraham ist ein einzigartiges Dokument ftir jeden, der sich fur die Entwicklung der psychoanalytischen Bewegung von den Anfangen bis zur endgultigen Entfaltung interessiert und eine Fundgrube fiir wertvolle Hin-weise wissenschaftlicher und personlicher Art. 0. Briner (Rosegg, Solothurn) B. Stokvis und D. Langen: Lehrbuch der Hypnose. Eine Anleitung fur Arzte und Studierende. 2.AufL, neubearbeitet von D. Langen. S.Karger, Basel/New York 1965. 104 S. Preis: sFr./DM 39.- Der fest kartonierte Band enthalt eine Lehrschallplatte, eine Farbenkontrast-tafel (dazu Foto der Anwendung) und eine kritische 827 Nummern umfassende bis 1963 reichende Literaturiibersicht. Der Bearbeiter der zweiten Auflage (der Titel der ersten von 1955 lautete «Hypnose in der arztlichen Praxis*) ISBt trotz z.T. erhebUcher Kurzungen, Straffung des Textes und Weglassen der Fallbeschreibun-gen und Fotos den Autor B. Stokvis weiterhin «in seiner Eigenart sichtbar werden», beriicksichtigt aber auch verstandlicherweise die «zweigleisige Standardmethode» seines Lehrers Kretschmer, fiber die er eine besondere Schrift verfafit hat. Es wird Nachdruck auf die Kombination von analysierenden und umfibend suggestiven Verfahren gelegt. Die Behauptung, der Hypnosearzt ermangle der Eigenschaften des Analytikers, sei schon theoretisch falsch und lasse sich praktisch widerlegen. Der Arzt mfisse die Eigenschaft besitzen, «die ganze Klaviatur der seehschen Krankenbehandlung zu spielen». J.H. Schultz warne mit Recht vor ein-seitiger Uberschatzung der tiefenpsychologischen Methoden. Nicht so sehr die Methode heile, sondern die Personlichkeit des Arztes, der sie anwendet. D. Die Hypnose erfreut sich in den letzten Jahren einer steigenden Beliebtheit. Sie gehort unbedingt in die Hand des Arztes. Das Buch nennt sich zwar ein Lehrbuch aber es dtirfte jedem Kenner klar sein daB man sich auch nach einem Lehrbuch die*Methode nicht selbst aneignen kann auch nicht mit Hilfe der Schallplatte. Man soil auch seine Erwartungen beziiglich der erreichbaren Erfolge nicht zu hoch schrauben. Auch bei rascher Symptomenheilung ist eine analytische Nachbehand-lung notig. — Im fibrigen laBt das Buch — sehr gut und verstandlich geschrieben — keine Besprechung irgendwelcher theoretischer oder praktischer Fragen seines Themas offen und ist Studierenden und Praktikern auBerordenthch zu empfehlen. H. Jancke (Bayreuth)