dre11192729_08_Zuberbier 15..15 Arzneimittelreaktion: Allergie vs. Intoleranz gegenüber Wirkstoffen In der großen Gruppe der verschiedenen Arzneimittelreaktionen spielen Intoleranz- reaktionen eine sehr wichtige Rolle. In der Abgrenzung zu den Arzneimittelallergien, eingeteilt in die Immunreaktionen nach Goombs und Gell, entweder humoral oder zellulär vermittelt, unterscheiden sich In- toleranzreaktionen generell dadurch, dass sie einen anderen pathophysiologischen Hintergrund haben und, anders als bei den Allergien, keine Gedächtniszellen bil- den. Die wichtigsten Gruppen von Intoleranzre- aktionen bei Arzneimittelunverträglichkei- ten können sowohl die enthaltenen Wirk- stoffe als auch die weiteren Bestandteile eines Arzneimittels betreffen. Ein Beispiel für die letztere Gruppe sind Reaktionen auf den Inhaltsstoff Laktose in Arzneimit- teln bei hochgradig laktoseintoleranten Personen. In diesem Fall ist das Immunsys- tem in keiner Weise beteiligt. Weitere In- toleranzreaktionen, die sich nicht gegen die Wirkstoffe richten, können zum Bei- spiel durch Farbstoffe in Medikamenten ausgelöst werden. Prinzipiell können Into- leranzreaktionen alle Symptome, die auch bei den echten allergischen Arzneimittel- reaktionen nach Goombs und Gell in den verschiedenen Gruppen ausgelöst wer- den, nachahmen. Am häufigsten sind je- doch die urtikariellen Intoleranzreaktionen sowie Intoleranzreaktionen mit der Ausbil- dung von Rhinitis- oder Asthmasympto- matik. Die häufigste Arzneimittelgruppe, die diese Reaktion auslöst, ist die der nicht-steriodalen Schmerzmittel. Eine Klassifikation zu diesen Hypersensitivitäts- reaktionen findet sich im Artikel [1]. Der vermutete Mechanismus ist die Inhibition von COX-1. Der häufigste Auslöser ist ASS. Es besteht eine hohe Kreuzreaktivität ge- genüber Diclofenac und Ibuprofen sowie gegenüber anderen NSAID (non-steroidal anti-inflammatory drugs). In einer Unter- suchung von GA²LEN in 22 Zentren aus 15 europäischen Ländern betrug die durch- schnittliche Prävalenz NSAID-ausgelöster Dyspnoe 1,9% [2]. Die entsprechende Arz- neimittelintoleranz ist daher keineswegs selten. Allerdings fehlen gute Daten zur Häufigkeit der durch NSAID ausgelösten kutanen Beschwerden und der Polyposis nasi. Die Diagnostik der Arzneimittelinto- leranzreaktion ist unglücklicherweise nicht einfach, da verlässliche Hauttest und In- vitro-Tests fehlen. Es wird zwar empfoh- len, eine Prick-Testung durchzuführen, um mögliche IgE-vermittelte Allergien nicht zu übersehen, diese können aber auch die Zusatzstoffe in Medikamenten betreffen. Der Goldstandard bleibt jedoch der doppelblinde placebokontrollierte Pro- vokationstest. Hierzu sind Empfehlungen publiziert [1]. Zusammengefasst: Arzneimittelunverträg- lichkeitsreaktion im Sinne von Intoleranz sind häufig und sollten regelmäßig in der Differenzialdiagnose mit erwogen werden. Interessenkonflikt Der Autor gibt an, dass kein Interessenkon- flikt besteht. Autor Torsten Zuberbier Prof. Dr. med. Dr. h. c., Com- prehensive Allergy Center Charité CACC, Klinik für Der- matologie, Venerologie und Allergologie, Charité – Uni- versitätsmedizin Berlin Korrespondenzadresse Prof. Dr. med. Dr. h. c. Torsten Zuberbier Dpt. of Dermatology and Allergy Charité – Universitätsmedizin Berlin Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie Campus Benjamin-Franklin Allergologie Bereich Prof. Zuberbier Hindenburgdamm 30/Haus II 12203 Berlin Deutschland torsten.zuberbier@charite.de Literatur [1] Kowalski ML, Makowska JS, Blanca M et al. Hypersensitivity to nonsteroidal anti-inflam- matory drugs (NSAIDs) – classification, diag- nosis and management: review of the EAACI/ENDA(#) and GA2LEN/HANNA*. Al- lergy 2011; 66: 818–829. doi:10.1111/ j.1398-9995.2011.02557.x [2] Makowska JS, Burney P, Jarvis D et al. Respira- tory hypersensitivity reactions to NSAIDs in Europe: the global allergy and asthma net- work (GA2LEN) survey. Allergy 2016; 71: 1603–1611. doi:10.1111/all.12941. S15Zuberbier T. Arzneimittelreaktion: Allergie vs.… Drug Res 2020; 70: S15 | © 2020. Thieme. All rights reserved. Extended Abstract H e ru n te rg e la d e n v o n : C a rn e g ie M e llo n U n iv e rs ity . U rh e b e rr e ch tli ch g e sc h ü tz t.